Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeld. Betrieb. Betriebsabteilung. Arbeitsausfall. wirtschaftliche Ursache. betriebliche Strukturveränderung. Wirtschaftsprozeß. Strukturelemente. Rahmenbedingungen. unabwendbares Ereignis. Unvermeidbarkeit
Leitsatz (amtlich)
Wirtschaftliche Ursachen eines Arbeitsausfalls, die zum Bezug von Kurzarbeitergeld berechtigen, sind in – Abgrenzung zu betriebsspezifischen, in den Risikobereich des Betriebes fallenden Gründen – nur solche, die im Zusammenhang mit dem allgemeinen Wirtschaftsprozeß stehen.
Die Ablösung der Planwirtschaft durch die soziale Marktwirtschaft ist eine allgemeine wirtschaftliche Ursache in diesem Sinne.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
AFG § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 3, 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. Juli 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1993.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist der Betrieb des öffentlichen Personen- und Nahverkehrs in Dessau und Umgebung; einzige Gesellschafterin der Klägerin ist die Dessauer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH Stadtwerke, deren einzige Gesellschafterin die Stadt Dessau ist.
Zur Durchführung von Gleisbauarbeiten in Dessau in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1993 vereinbarte die Klägerin mit dem beigeladenen Betriebsrat am 29. April 1993 die Einführung von Kurzarbeit „Null” für 36 Beschäftigte des Straßenbahnfahrdienstes. Am 14. Juni 1993 zeigte die Klägerin den Arbeitsausfall für den Straßenbahnfahrdienst beim Arbeitsamt (ArbA) an und beantragte die Gewährung von Kug für die 36 betroffenen Arbeitnehmer. Sie gab hierzu an: Wegen umfangreicher Gleisbaumaßnahmen im Bereich der Franzstraße und der Fritz-Hesse-Straße müsse in dem og Zeitraum für 36 Beschäftigte der „Betriebsabteilung” Straßenbahnfahrdienst die wöchentliche Arbeitszeit auf „Null-Stunden” herabgesetzt werden. Die zwei Straßenabschnitte würden „grundhaft neu gestaltet”; „aufgrund der Gesamtrekonstruktion der Bereiche Straßen- und Tiefbau” werde der Straßenbahnverkehr eingestellt und durch Omnibusse im Schienenersatzverkehr ersetzt. Die Rekonstruktion der Gleise sei wegen des „hohen technischen Verschleißes” erforderlich; bereitstehende finanzielle Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sowie Komplementärfinanzierungen der Stadt seien 1993 zu verwenden; die Beschäftigten des Straßenbahnfahrdienstes könnten in anderen Bereichen nicht eingesetzt werden. Die Klägerin bezog sich außerdem auf einen Bericht ihres „Hauptabteilungsleiters Technik”, in dem ausgeführt ist: Das Gleisnetz der Straßenbahn sei abschnittsweise in einem „technisch verschlissenen Zustand”; wegen des Gesamtzustandes sei der Austausch sämtlicher Tragschichten erforderlich. Straßennetz und die Netze anderer Versorgungsträger seien in ähnlich schlechtem Zustand. Die bautechnischen Maßnahmen seien zeitlich und finanziell wegen der Zuschüsse von Bund und Land mit dem Tiefbauamt und der Stadt Dessau abzustimmen. Durch die Maßnahme werde die Straßenbahn auch attraktiver. Um die Rekonstruktion möglichst zügig durchzuführen, müsse der Straßenbahnverkehr eingestellt werden. Zudem sei der „Längsverkehr” wegen der Baggerarbeiten im Hinblick auf die spannungsführende Fahrleitung gefährdet. Gleichzeitig legte die Klägerin ein Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, der technischen Aufsichtsbehörde, vom 7. Juli 1993 vor, in dem mitgeteilt wurde, die Entscheidung, den Straßenbahnbetrieb für die Dauer der beiden Komplexbaustellen infolge erkennbarer Sicherheitsdefizite einzustellen, werde „toleriert”. In der ebenfalls von der Klägerin in Bezug genommenen Beschlußvorlage des Stadt- und Verkehrsplanungsausschusses vom 14. Mai 1992 wurde der Zustand der Franzstraße als „sehr schlecht” mit „hoher Unfallgefahr” beschrieben.
Mit Bescheid vom 20. Juli 1993 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Kug ua mit der Begründung ab, der Arbeitsausfall beruhe auf betriebswirtschaftlichen und finanziellen Erwägungen; Gleiserhaltungs- und Gleissanierungsarbeiten seien betriebstechnische Maßnahmen zur Behebung von Abnutzung und Verschleiß. Mit ihrem Widerspruch bezog sich die Klägerin ua auf Anordnungen des Verkehrsamtes der Stadt Dessau vom 11. und 17. Juni 1993. Darin wurde eine – teilweise – Straßensperrung für die Fritz-Hesse-Straße und die Franzstraße wegen Straßenbau-, Gleisbau-, Kanalverlegungsarbeiten angeordnet. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1993 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und lehnte mit Bescheid vom 20. Dezember 1993 auch die Zahlung von Kug und von Zuschüssen zur Rentenversicherung ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die 36 betroffenen Arbeitnehmer Kug zu gewähren. Es hat die Auffassung vertreten, der Arbeitsausfall sei unabwendbar durch die Gesamtsperrung der Straßen bedingt und daher unvermeidbar gewesen. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten gewesen, den Straßenbahnbetrieb bei laufenden Bauarbeiten mit erheblichem finanziellen Aufwand aufrechtzuerhalten (Urteil vom 15. Februar 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24. Juli 1997). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die allgemeinen, betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug lägen vor. Der Straßenbahnfahrdienst sei eine Betriebsabteilung iS von § 63 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Er sei von den übrigen Abteilungen der Klägerin abgegrenzt, organisatorisch selbständig und verfolge mit Hilfe von Betriebsmitteln einen arbeitstechnischen Zweck, nämlich die Beförderung von Personen. Die Voraussetzungen des § 64 Abs 1 AFG seien ebenfalls gegeben. Als unmittelbare Ursache des Arbeitsausfalls seien die umfassenden Baumaßnahmen an der Gleisanlage einschließlich der tiefer gelegenen Tragschichten sowie an den Fahrleitungen anzusehen. Nicht ursächlich seien hingegen die Bauarbeiten im Straßen- und Tiefbaubereich gewesen. Die Klägerin sei weder technisch noch rechtlich gezwungen gewesen, den Straßenbahnbetrieb wegen der übrigen Bauarbeiten einzustellen. Die grundlegende Erneuerungsbedürftigkeit des Straßenbahnnetzes sei eine wirtschaftliche Ursache iS einer betrieblichen Strukturveränderung gemäß § 64 Abs 1 Nr 1 AFG. Der baufällige Zustand der Gleisanlage habe längst zu einer nachhaltigen Störung des Betriebes geführt, weil die Fahrgeschwindigkeit der Straßenbahnwagen stellenweise deutlich habe herabgesetzt werden müssen. Es liege auf der Hand, daß ein Unternehmen, das entgeltliche Personenbeförderung betreibe, durch einen schlechten und dauernd reparaturbedürftigen Zustand seiner technischen Einrichtungen in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sei; hinzu komme, daß seit 1990 ein verstärkter Wettbewerb und der Druck zur Anpassung an geänderte Wirtschafts- und Verkehrsverhältnisse bestanden hätten. Die Baumaßnahmen hätten dem Ziel gedient, den Straßenbahnbetrieb technisch zu verbessern, sicherer zu gestalten und seine Attraktivität zu erhöhen. Die Maßnahmen hätten sich auch qualitativ ausgewirkt, „wofür kürzere Fahrzeiten unter Einsatz neuer bequemerer Fahrzeuge Beispiel” gäben. Es handele sich insoweit auch um eine betriebliche Strukturveränderung allgemeiner Art. Die Klägerin habe die Verkehrsbetriebe im Juli 1990 in einem Zustand übernommen, der durch den langjährigen Mangel an Pflege und knappe finanzielle Mittel verursacht worden sei. Fehlleistungen im betrieblichen Management seien hierfür nicht verantwortlich gewesen. Der Arbeitsausfall sei auch iS von § 64 Abs 1 Nr 2 AFG unvermeidbar gewesen. Ausweichmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung des Straßenbahnbetriebs hätten nicht bestanden. Ein einspuriger Betrieb sei organisatorisch und wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen. Ausschlußgründe nach § 64 Abs 3 AFG lägen nicht vor.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 64 Abs 1 Nrn 1 und 2 sowie von Abs 3 AFG und trägt vor: Die tatsächlichen Feststellungen des LSG und seine Begründung rechtfertigten die angefochtene Entscheidung nicht. Wirtschaftliche Gründe iS von Strukturveränderungen lägen nicht vor. Nicht etwa Störungen des Wirtschaftskreislaufs hätten den konkreten Arbeitsausfall verursacht, sondern allein betriebstechnische Gründe, deren Risiko nicht auf die Versichertengemeinschaft abgewälzt werden dürfe. Die Maßnahmen zur Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der Gleis- und Fahrleitungsanlagen seien längst überfällig gewesen; sie hätten auch nicht zwingend in dem angegebenen Zeitraum durchgeführt werden müssen. Auf die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR könne wegen des Zeitablaufs nicht abgestellt werden. Darüber hinaus sei der Arbeitsausfall auch vermeidbar gewesen. Die Arbeiten hätten zeitlich so gestreckt werden können, daß der Straßenbahnbetrieb nicht hätte eingestellt werden müssen. Schließlich greife auch die Ausschlußvorschrift des § 64 Abs 3 AFG ein. Der Arbeitsausfall beruhe auf betriebsorganisatorischen Gründen. Für die befristete Einstellung des Fahrbetriebs seien die mit öffentlichen Mitteln geförderten Straßenbaumaßnahmen in Dessau und nicht die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse ursächlich gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. Juli 1997 sowie das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 15. Februar 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Sowohl der vom LSG festgestellte Sachverhalt als auch dessen rechtliche Würdigung seien nicht zu beanstanden. Die Erneuerung der Gleisbauanlagen sei eine betriebliche Strukturveränderung, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt gewesen sei. Die Ursache hierfür habe außerhalb ihrer Betriebsverantwortung gelegen.
Der Beigeladene hat sich weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist iS einer Aufhebung und Zurückverweisung der Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen keine abschließende Beurteilung zu, ob die Voraussetzungen für die von der Klägerin im Wege der Prozeßstandschaft für die Arbeitnehmer ihres Betriebes (vgl BSGE 67, 11, 13 = SozR 3-4100 § 63 Nr 1; BSG SozR 4100 § 63 Nr 2 S 13) geltend gemachten Ansprüche auf Kug für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1993 vorgelegen haben.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1993 sowie der zum Gegenstand der Klage gewordene Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 1993, mit denen die Beklagte die Anerkennung der allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen und auch die Gewährung von Kug abgelehnt hat (negativer Anerkennungs- und negativer Leistungsbescheid). Hiergegen wendet sich die Klägerin zulässigerweise mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG). Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Ansprüche auf Zahlung von Zuschüssen zur Rentenversicherung; hierüber hat das SG nicht entschieden.
Grundlage für einen Anspruch auf Gewährung von Kug für die 36 Beschäftigten der Klägerin sind § 64 AFG (idF des Achten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 14. Dezember 1987, BGBl I 2602) iVm § 63 AFG (idF des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990, BGBl II 885). Danach wird – unter bestimmten weiteren, insbesondere persönlichen Voraussetzungen nach § 65 AFG – Kug gewährt, wenn während eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens vier Wochen für mindestens ein Drittel der in einem Betrieb (oder, was nach § 63 Abs 3 AFG gleichsteht: einer Betriebsabteilung) tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer ein vorübergehender (§ 63 Abs 1 Satz 1 AFG), unvermeidbarer Arbeitsausfall eintritt, der auf wirtschaftlichen Ursachen einschließlich betrieblicher Strukturveränderungen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruht (§ 64 Abs 1 Nrn 1, 2 und 3 AFG); unabwendbar in diesem Sinne ist ein Ereignis auch dann, wenn der Arbeitsausfall durch behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen verursacht ist, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat (§ 64 Abs 2 Satz 1 AFG). Nicht gewährt wird Kug gemäß Abs 3 aaO, wenn der Arbeitsausfall überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann von dem Senat nicht abschließend beurteilt werden.
I. 1. Es fehlt bereits an Feststellungen, ob die gemäß § 64 Abs 1 Nr 3 AFG erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern, die von Arbeitsausfall betroffen sein muß (mindestens ein Drittel des Betriebs oder einer Betriebsabteilung) erreicht worden ist. Das LSG hat diese Voraussetzung als erfüllt angesehen, weil die 36 Arbeitnehmer des Straßenbahnfahrdienstes in einer Betriebsabteilung beschäftigt seien; der Straßenbahnfahrdienst sei eine abgegrenzte, selbständige Abteilung und verfolge mit Hilfe von Betriebsmitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck. Das Urteil enthält jedoch keine tatsächlichen Feststellungen, die den Schluß rechtfertigen, bei dem Straßenbahnfahrdienst der Klägerin handele es sich um eine eigenständige „Betriebsabteilung” iS des § 63 Abs 3 AFG. Das ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn die Abteilung personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzt, mit eigenen technischen Betriebsmitteln ausgestattet ist und – jedenfalls im Regelfall – einen eigenen Betriebszweck verfolgt (BSGE 34, 120; BSG SozR 4100 § 75 Nr 9 S 17; BSGE 46, 218, 129 f = SozR 4100 § 63 Nr 1; vgl auch Bieback in Gagel, AFG, § 63 RdNr 79 ff mwN, Feckler in GK-AFG, § 63 RdNr 16 ff). Die der rechtlichen Wertung zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände sind dem Urteil des LSG jedoch nicht zu entnehmen. Insbesondere fehlt es an Feststellungen, ob sich dem Organisationsplan der Klägerin eine deutliche und relativ dauerhafte Abgrenzung des Betriebsteils vom Gesamtbetrieb sowie die organisatorische und personelle Selbständigkeit entnehmen läßt (vgl BSG SozR 4100 § 75 Nr 9 S 17; Roeder in Niesel, AFG, 1997, 2. Aufl, § 63 RdNr 16).
Sollte es sich bei dem Straßenbahnfahrdienst nicht um eine Betriebsabteilung im vorgenannten Sinne handeln, wird das LSG zu prüfen haben, ob die 36 Beschäftigten ein Drittel des Gesamtbetriebes ausmachen und ob die nach § 66 Abs 1 AFG erforderliche Anzeige des Arbeitsausfalls, die nach bisherigen Feststellungen des LSG auf die „Betriebsabteilung” beschränkt war, wenigstens hilfsweise auch auf den „Gesamt”-Betrieb bezogen war (vgl BSG SozR 4100 § 66 Nr 1).
I.2. Sollte der Straßenbahnfahrdienst eine Betriebsabteilung im vorgenannten Sinne sein (oder die auf den „Gesamt”-Betrieb bezogenen Voraussetzungen vorliegen), hat das LSG unter Berücksichtigung der nachstehenden Ausführungen zu § 64 AFG auch konkrete Feststellungen dazu zu treffen, ob der Arbeitsausfall der Arbeitnehmer der Klägerin auf einer wirtschaftlichen Ursache beruhte, und ggf, ob er unvermeidbar war. Das Urteil des LSG enthält auch insoweit keine tatsächlichen Feststellungen, die seine Rechtsauffassung stützen, die Gleisbauarbeiten in den beiden Straßenabschnitten seien als betriebliche Strukturveränderung iS von § 64 Abs 1 Nr 1 AFG zu werten. Die Ausführungen des LSG zur „Anpassung und Modernisierung” sowie zu den „wirtschaftlichen Verhältnissen im Jahre 1990” können im Ergebnis durchaus richtig sein, lassen jedoch mangels Feststellung konkreter Tatsachen keine abschließende Wertung zu.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß als wirtschaftliche Ursache iS von § 64 Abs 1 Nr 1 AFG auch die Umstellung von der sozialistischen Planwirtschaft der ehemaligen DDR auf die soziale Marktwirtschaft mit dem dadurch bewirkten wirtschaftlichen Strukturwandel in Betracht kommt.
a) Nach dem Normprogramm der §§ 64 iVm 63 AFG dient das Kug wirtschaftspolitisch dem Ausgleich kurzfristiger konjunktureller Schwankungen und der Überbrückung betrieblicher, durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung verursachter Strukturveränderungen. Seine arbeitsmarktpolitische Bedeutung besteht in der Stabilisierung von Arbeitsverhältnissen. Gesellschaftspolitisch mindert es die den Arbeitnehmer belastende Unsicherheit seiner beruflichen Existenz und erhält den Betrieben eingearbeitete Arbeitskräfte (vgl zum Vorstehenden: BT-Drucks V/2291 S 55; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 63 Nr 2 S 13; BSGE 46, 218, 220 f = SozR 4100 § 63 Nr 1). Diese Zielsetzung steht in einem latenten Spannungsverhältnis zu dem mit der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit verbundenen Betriebs- und Wirtschaftsrisiko des einzelnen Unternehmers, das durch die Gewährung von Kug grundsätzlich nicht gemindert werden soll. Denn das Kug soll den natürlichen Ausleseprozeß in der Wirtschaft nicht stören und auch nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen (vgl Urteil des Senats vom 29. Oktober 1997 – 7 RAr 48/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Bartels, Soziale Sicherung bei Kurzarbeit in der Marktwirtschaft, 1978, S 87 f).
b) Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Gesetzessystematik von § 64 Abs 1 Nrn 1 und 2 sowie von Abs 3 AFG ergeben, daß das Kug kurzfristig vorübergehende Arbeitsausfälle kompensieren soll, die nicht in den Verantwortungsbereich des Betriebes fallen; in Betracht kommen insoweit grundsätzlich nur solche „allgemeinen” Ursachen, die von außen auf den Betrieb einwirken „wirtschaftliche Ursachen einschließlich betrieblicher Strukturveränderungen, unabwendbare Ereignisse”), auf deren Eintritt also der Betrieb bzw die für ihn verantwortlich Handelnden keinen Einfluß haben.
aa) Das Merkmal „wirtschaftliche Ursache” (des Arbeitsausfalls) war in Rechtsprechung und Schrifttum bereits vor Inkrafttreten des AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I, 582) ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung für das Kug (§ 117 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ≪AVAVG≫). Die Gewährung von Kug erforderte einen Arbeitsausfall infolge Arbeitsmangels aus vom Arbeitgeber nicht zu vermeidenden Umständen, für die die wirtschaftlichen Verhältnisse (Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage) ursächlich sein mußten; hierzu zählte beispielsweise die Kurzarbeit wegen Auftragsmangels der Betriebe (vgl hierzu die Nachweise bei Bartels, aaO, S 51 ff). Nach den Materialien wollte der Gesetzgeber des AFG 1969 hieran anknüpfen. Erweiternd hat er angeordnet, daß Kug auch gewährt wird bei Arbeitsausfällen infolge betrieblicher Strukturveränderungen, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt sind (vgl BT-Drucks V/2291, S 70); auch die betriebliche Strukturveränderung muß also auf einer (allgemeinen) wirtschaftlichen Ursache beruhen; ferner sollte Kug auch gewährt werden, wenn der Arbeitsausfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist, einem Ereignis, das durch äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Beide „neuen” Merkmale setzen im Einklang mit der ursprünglich definierten Voraussetzung für die Gewährung von Kug voraus, daß es sich um von außen auf den Betrieb einwirkende, als solche vom Betrieb nicht abzuwendende Umstände handelt (vgl BT-Drucks V/2291, S 70 f).
bb) Wirtschaftliche Ursache und betriebliche Strukturveränderung sind keine Gegensätze. Anknüpfungspunkt ist vielmehr in beiden Fällen die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung; sie ist zu unterscheiden „oder”) vom unabwendbaren Ereignis, für das allein außerwirtschaftliche Ursachen eines Arbeitsausfalls in Betracht kommen (vgl Urteil des Senats vom 29. Oktober 1997 – 7 RAr 48/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Normtext (wirtschaftliche Ursache einschließlich betrieblicher Strukturveränderungen) enthält keine ausdrückliche Festlegung auf einen bestimmten Typus wirtschaftlicher Ursachen (vgl Bieback in Gagel, AFG, § 64 RdNr 6), läßt aber nach der historischen Entwicklung auf einen Zusammenhang mit der Gesamtheit der laufenden Produktions- und Konsumvorgänge schließen, also mit den externen Wirtschaftsprozessen und ihren konjunkturellen, zyklisch verlaufenden Phasen sowie den hierfür verantwortlichen Strukturelementen wie den ökonomischen und außerökonomischen Rahmenbedingungen (Bevölkerung, Rechtsordnung, technisches Wissen, Kapitalbestand); hierzu zählen auch wirtschaftliche Auswirkungen politischer Entscheidungen (s hierzu Bieback in Gagel, AFG, § 64 RdNr 8). Es handelt sich insoweit um Wirtschaftsabläufe, die nicht mit betriebsspezifischen, vom einzelnen Unternehmen zu verantwortenden „Verläufen” im Zusammenhang stehen, sondern um allgemeine wirtschaftliche Veränderungen, insbesondere um konjunkturelle und strukturelle Störungen der Gesamtwirtschaftslage (Bartels, aaO, S 90 ff, 116; kritisch zur Begrenzung auf Störungen des Wirtschaftskreislaufs: Bieback in Gagel, AFG, § 64 RdNr 6), die ggf auch betriebliche Strukturveränderungen bedingen. Als von außen einwirkende wirtschaftliche Ursachen in diesem Sinne werden in Literatur und Rechtsprechung ua angeführt: Auftragsmangel infolge Rezession, Exportrückgang wegen währungspolitischer Maßnahmen, Mangel an Betriebs- und Werkstoffen, Umstellung auf ein neues Produkt, Automatisierung – jeweils als Folge der Gesamtwirtschaftslage – (vgl hierzu Ketelsen in Knigge/Schmidt/Marschall/Wissing, AFG, § 64 RdNrn 9 und 11 mwN; Bähringer/Spiegelhalter, Kurzarbeit, 12. Aufl, S 39).
cc) Bestätigt wird das bereits in der Vorgängervorschrift (§ 117 AVAVG) angedeutete Normprogramm auch durch die Systematik des § 64 AFG. Sie erhellt, daß nur solche wirtschaftlichen Ursachen für die Gewährung von Kug in Betracht kommen, die nicht zum – speziellen – Risiko des Betriebes gehören und die nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, etwa durch Subventionierungen eines Unternehmens, das während der Gewährung von Kug eine längst erforderlich gewesene – und daher umfangreichere – Sanierung vornimmt.
§ 64 Abs 3 AFG nennt in diesem Zusammenhang bestimmte betriebliche Ursachen, nämlich branchenübliche, betriebsübliche, saisonbedingte und betriebsorganisatorische Ursachen, die, wenn der Arbeitsausfall überwiegend – bei betriebsorganisatorischen Ursachen ausschließlich – auf ihnen beruht, aus dem Schutzbereich des Kug ausgeschlossen sind. Insoweit wird in Ergänzung zu § 64 Abs 1 Nr 1 bzw Nr 2 AFG eine negative Abgrenzung vorgenommen und aufgezeigt, daß bestimmte wirtschaftliche Ursachen zum Risiko des Betriebes gehören, für die kein Anspruch auf Kug besteht, es sei denn, daß allgemeine wirtschaftliche Ursachen hinzukommen (vgl BT-Drucks V/2291, S 71; BT-Drucks 11/800, S 11). Dabei gehören zur betrieblichen Risikosphäre insbesondere die „betriebsnahen”, auf der Eigenart des Betriebes beruhenden – betriebsüblichen – Ursachen für den Arbeitsausfall (etwa Störanfälligkeit bestimmter Produktionsverfahren) sowie solche Gründe, die den Ablauf der Produktion in organisatorischer Hinsicht betreffen (vgl hierzu Bieback in Gagel, AFG, § 64 RdNrn 41, 42; Ketelsen, aaO, § 64 RdNrn 19 ff). Zu den vorgenannten betriebsorganisatorischen und/oder betriebsüblichen Gründen, die sich häufig überschneiden, gehören auch allgemeine betriebstechnische Ursachen, wie etwa Reparaturen infolge von Verschleiß oder üblicher Fehlbedienung, übliche Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten, zB Erneuerung von Betriebsanlagen, Standortverlagerungen; für sie hat der Betrieb im Regelfall ebenfalls einzustehen, weil er den organisatorischen, technischen und kaufmännischen Ablauf störungsfrei zu gestalten hat (so Ketelsen, aaO, § 64 RdNr 24; zu den betriebstechnischen Gründen vgl Bieback in Gagel, AFG, § 64 RdNr 49; aA Feckler in Gemeinschaftskomm z AFG, § 64 RdNr 27). Sind betriebstechnische Gründe allerdings – auch – Folgen allgemeiner wirtschaftlicher Ursachen bzw Reaktionen auf solche, schließen sie die Gewährung von Kug nicht ohne weiteres aus; denn jene Gründe müssen, soweit sie betriebsüblich sind, „überwiegende” oder, sofern es sich nur um betriebsorganisatorische (nicht zugleich betriebsübliche) Gründe handelt, sogar „ausschließliche” Ursache für die Arbeitsausfälle sein. Ob dies der Fall ist, ist aufgrund einer (wertenden) Kausalitätsbetrachtung zu entscheiden, die sich auch daran zu orientieren hat, daß die zusätzlichen Anforderungen „überwiegend” bzw „ausschließlich” die Gewährung von Kug erleichtern sollen, um die Erhaltung von Arbeitsplätzen zu gewährleisten (vgl BT-Drucks 11/800 S 18).
Während § 64 Abs 3 AFG den Schutzbereich des Kug nach der Art der wirtschaftlichen Ursache abgrenzt, knüpft § 64 Abs 1 Nr 2 AFG als weiteres Kriterium zur Begrenzung der Einstandspflicht der Solidargemeinschaft an das Kriterium der Beherrschbarkeit wirtschaftlicher Ursachen an. Nach dieser Vorschrift muß der Arbeitsausfall „unvermeidbar” sein. Auch hierdurch soll gewährleistet werden, daß das unternehmerische Risiko nicht zu einem großen Teil auf die Solidargemeinschaft verlagert wird, der natürliche Ausleseprozeß nicht verhindert und unproduktive Betriebe am Leben erhalten werden.
Als vermeidbar wird dabei alles angesehen, was von einem sorgfältigen Unternehmer an Vorsorgemaßnahmen und ständigen Anpassungsmaßnahmen erwartet werden kann (vgl Rumpff-Dröge, Kurzarbeit, 1975, S 157). Fehler im Management und eine wirtschaftliche Fehleinschätzung schließen daher die Gewährung von Kug grundsätzlich aus (vgl Bieback in Gagel, AFG, § 64 RdNr 11). Dies gilt grundsätzlich auch, soweit es sich um frühere Fehler des Betriebs handelt und auch – beim Übergang eines Betriebs – für Fehler des übernommenen Betriebs. Aus § 64 Abs 1 Nrn 1 und 2 sowie aus Abs 2 und 3 AFG ergibt sich mithin, daß die in den „Verantwortungsbereich des Betriebes” fallenden speziellen Risiken der Solidargemeinschaft der Versicherten nicht überantwortet werden sollen; sie darf nur ausnahmsweise, nämlich bei Störungen der Gesamtwirtschaftslage im oben aufgezeigten Sinne oder bei einem unabwendbaren Ereignis, zur „Leistung” herangezogen werden, jedoch auch nur dann, wenn der Betrieb insgesamt, also Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsvertretung, alle Möglichkeiten zur Vermeidung des Arbeitsausfalls durch geeignete und wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen ausgeschöpft haben (vgl Urteil des Senats vom 29. Oktober 1997 – 7 RAr 48/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl auch Ketelsen, aaO, § 64 RdNrn 27 f; Feckler in Gemeinschaftskomm z AFG, § 64 RdNr 28).
II. Voraussetzung für die Gewährung von Kug ist mithin, daß – abgesehen von der Erfüllung der Erfordernisse des § 64 Abs 1 Nrn 3 und 4 AFG iVm § 63 Abs 3 AFG – der durch die Gleisbauarbeiten bedingte Arbeitsausfall auf einer wirtschaftlichen Ursache (oder auf einem unabwendbaren Ereignis) beruhte, daß er nicht überwiegend betriebsbedingt bzw ausschließlich organisationsbedingt und daß er unvermeidbar war.
Als allgemeine wirtschaftliche Ursache im og Sinne kommt auch die Ablösung der sozialistischen Planwirtschaft der ehemaligen DDR durch die soziale Marktwirtschaft in Betracht, die zu weitreichenden betrieblichen Umstellungs- und Anpassungsmaßnahmen, zu Neuorganisationen und Produktionsänderungen geführt hat. Sollte – wovon das LSG ausgegangen ist – eine durch die Planwirtschaft hervorgerufene desolate Wirtschaftslage Erhaltungsmaßnahmen an den Gleisanlagen wegen fehlender Mittel über längere Zeit verhindert haben, so ist ein Anspruch auf Kug jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn der durch die erforderlichen Sanierungsarbeiten bedingte Arbeitsausfall neben betriebsüblichen und/oder betriebsorganisatorischen Gründen „wesentlich” auch auf der genannten allgemein-wirtschaftlichen Ursache beruht. Dabei ist bei der Gewichtung dieser Ursache (desolate Wirtschaftslage der früheren DDR) auch zu berücksichtigen, daß infolge der Umstellung der Wirtschaftssysteme nicht nur „erforderliche” Sanierungsarbeiten, sondern darüber hinaus eine Anpassung an technische Standards der Marktwirtschaft geboten sein konnten (zB in sicherheits- und bautechnischer Hinsicht, etwa auch die Verstärkung der Tragschichten wegen Verwendungen anderer Straßenbahnwagen uä). Derartige allgemein-wirtschaftliche Ursachen konnten auch noch im Jahr 1993 fortgewirkt haben, wenn die Klägerin nicht in der Lage war, innerhalb von drei Jahren nach der Wiedervereinigung sämtliche erforderliche Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen durchzuführen. Sollten bei der Wahl des Zeitpunktes für die Durchführung der Maßnahmen, wovon offenbar die Beklagte ausgeht, auch finanzielle und betriebswirtschaftliche Gründe – Verbrauch bereitstehender Finanzierungsmittel – mitgespielt haben, so könnte auch insoweit ein Zusammenhang mit der besonderen Wirtschaftssituation anläßlich der Wiedervereinigung bestehen. Daß der Gesetzgeber im übrigen die politische Ausnahmesituation anläßlich der Wiedervereinigung als besondere Wirtschaftssituation – und damit auch als allgemeine wirtschaftliche Ursache iS von § 64 Abs 1 Nr 2 AFG – angesehen hat, ergibt sich auch daraus, daß er mit der Übernahme des § 63 Abs 5 AFG-DDR vom 22. Juni 1990 (GBl I Nr 36 S 403) über den 3. Oktober 1990 hinaus einen weiteren Kug-Tatbestand geschaffen hat, der in den neuen Bundesländern der Vermeidung von Massenentlassungen bei strukturell bedingten Arbeitsausfällen auch dauerhafter Natur dienen sollte (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr 1 Buchst b bb des Einigungsvertrages, BGBl II S 889, 1209 iVm dem Gesetz vom 21. Juni 1991, BGBl I S 1306).
Das LSG wird mithin konkrete Feststellungen zu treffen und Ermittlungen (etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens) anzustellen haben, in welchem Zustand die – erst 1990 gegründete – Klägerin den Straßenbahnfahrbetrieb und insbesondere die Gleisanlagen übernommen hat, welche Sanierungs- und Umbauarbeiten zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Fahrbetriebs erforderlich und ggf zur Anpassung an technische Standards geboten waren und inwieweit die gebotenen Maßnahmen nach Art und Ausmaß einen „normalen, betriebsüblichen” Erhaltungs- und Modernisierungsaufwand überschritten haben. Aufgrund dieser Feststellungen wird das LSG zu beurteilen haben, ob durch die Umstellung der Wirtschaftssysteme bedingte Ursachen für den Arbeitsausfall gegenüber den betriebsüblichen (und/oder betriebsorganisatorischen) Ursachen – Durchführung der üblichen Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten – „wesentlich” waren (vgl zur überwiegenden Ursache und ihrer Abgrenzung nach der Lehre von der wesentlichen Bedingung Bieback in Gagel, AFG, § 64 RdNrn 43, 44 und 54 ff mwN). Wäre dies zu bejahen, wäre der Anspruch auf Kug nicht nach § 64 Abs 3 AFG ausgeschlossen.
Wäre hingegen ein Anspruch auf Kug nach § 64 Abs 3 AFG ausgeschlossen, so wird das LSG auch zu prüfen haben, ob die Klägerin durch die planerischen Vorgaben der Stadt Dessau und ihre Durchführung gezwungen war, die Gleisarbeiten so zu gestalten, daß die Aufrechterhaltung des Straßenbahnverkehrs in der fraglichen Zeit unmöglich wurde und der Arbeitsausfall infolgedessen durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das sie nicht zu vertreten hat (§ 64 Abs 2 Satz 1 AFG). Das LSG hat hierzu zwar ausgeführt, daß die Bauarbeiten im Straßen- und Tiefbaubereich für den Arbeitsausfall nicht ursächlich gewesen seien, weil die Klägerin weder technisch noch rechtlich gezwungen gewesen sei, den Straßenbahnbetrieb wegen dieser Bauarbeiten einzustellen. Es hat jedoch auch hierzu die erforderlichen konkreten Tatsachen nicht festgestellt, die den Schluß zulassen, der Arbeitsausfall sei nicht durch eine behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahme iS von § 64 Abs 2 Satz 1 AFG – die Gesamtsperrung der beiden Straßenabschnitte durch die zuständige Verkehrsbehörde und deren „Tolerierung” durch die technische Aufsichtsbehörde des Landes Sachsen-Anhalt – verursacht worden.
Beruht der Arbeitsausfall auf einer allgemeinen wirtschaftlichen Ursache (§ 64 Abs 1 Nr 1 AFG) oder aber auf einem unabwendbaren Ereignis (§ 64 Abs 2 Satz 1 AFG) und ist der Anspruch auf Kug nicht bereits nach § 64 Abs 3 AFG ausgeschlossen, wird das LSG auch Ermittlungen anzustellen haben, ob der Arbeitsausfall unvermeidbar war, dh, ob andere wirtschaftlich vernünftige und zumutbare Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Straßenbahnverkehrs hätten getroffen werden können. Dabei wird das LSG sowohl eine evtl Gefährdung des Schienenverkehrs durch die anderen Baumaßnahmen als auch die finanzielle Situation der Klägerin zu berücksichtigen haben. Von Bedeutung könnte insoweit auch sein, welche Zuschüsse in welcher Höhe für welchen Zeitraum der Klägerin für die Maßnahmen zur Verfügung gestellt wurden.
Sollten über die vom LSG zutreffend bejahten Voraussetzungen des § 63 Abs 1 hinaus auch die Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Nrn 1, 2, 3 und 4 AFG iVm § 63 Abs 3 und § 72 AFG vorliegen, wird das LSG auch die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 65 AFG zu prüfen haben.
Da der Senat die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 170 Abs 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden. Das LSG wird auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1175811 |
BSGE 82, 124 |
BSGE, 123 |
FA 1998, 396 |
AuA 1998, 360 |
NZS 1999, 94 |
SGb 1999, 310 |
SozR 3-4100 § 64, Nr.4 |