Beteiligte
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges zur Hälfte zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang der Anspruch des Klägers gegen die beklagte Pflegekasse auf Zahlung von Pflegesachleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) wegen des gleichzeitigen Bezugs einer Pflegezulage nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und des Zusammentreffens mit Beihilfeleistungen bei Pflegebedürftigkeit ruht.
Der im Jahre 1919 geborene Kläger ist durch eine kriegsbedingte Verletzung erblindet (Grad der Behinderung 100). Seit 1989 muß er sich wegen eines Nierenversagens dreimal wöchentlich einer Dialysebehandlung unterziehen. Er wird von einem ambulanten Pflegedienst zu Hause betreut und gepflegt. Von der Versorgungsverwaltung bezieht der Kläger eine Grundrente nebst Schwerstbeschädigtenzulage sowie eine Pflegezulage nach Stufe IV gem § 35 BVG. Diese betrug im Jahre 1996 monatlich 1.466 DM. Der Kläger ist darüber hinaus als Bezieher beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge beihilfeberechtigt.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegesachleistungen ab 1. Mai 1996 hat die Beklagte abgelehnt. Sie hat zwar festgestellt, daß der Kläger wegen seiner Pflegebedürftigkeit dem Grunde nach Anspruch auf Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II hat, weil er im Bereich der Grundpflege einen täglichen Hilfebedarf von mindestens drei Stunden und 35 Minuten sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf von mindestens einer Stunde aufweise. Der geltend gemachte Anspruch auf Pflegesachleistungen im Wert von monatlich 1.800 DM ruhe jedoch nach § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI, weil der Kläger eine Pflegezulage der Stufe IV nach § 35 BVG beziehe und diese den gem § 28 Abs 2 SGB XI wegen des Bezugs von Beihilfeleistungen bei Pflegebedürftigkeit um 50 vH auf 900 DM verringerten Betrag der Pflegesachleistungen übersteige (Bescheid vom 16. Dezember 1996, Widerspruchsbescheid vom 25. April 1997).
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Pflegesachleistungen ruhten nur insoweit, als beide Leistungen dem gleichen Zweck dienen. Das sei aber nur teilweise der Fall. Da die Pflegezulage nach § 35 BVG allein zur Sicherung der Grundpflege bestimmt sei, die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung aber sowohl die Grundpflege als auch die hauswirtschaftliche Versorgung sicherten (§§ 36, 37 SGB XI), bestehe nur im Bereich der Grundpflege Zweckidentität. Der auf die hauswirtschaftliche Versorgung entfallende Anteil der Pflegesachleistungen müsse daher im Rahmen des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI außer Ansatz bleiben. In seinem Fall sei dies ein Anteil von 21,8 vH (60 von 275 Minuten) der Pflegesachleistungen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. November 1997). Das Landessozialgericht (LSG) hat dem Kläger monatliche Pflegesachleistungen im Wert von 167 DM zugesprochen, im übrigen aber die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 20. Oktober 1998). Es hat ausgeführt, die Regelung des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI sei eindeutig und lasse die begehrte Ausklammerung des hauswirtschaftlichen Anteils der Pflegesachleistungen nicht zu. Der Gesetzgeber habe erreichen wollen, daß der Pflegebedürftige insgesamt nicht mehr als die höchste ihm zustehende Leistung erhalte. Gegen die Aufspaltung der Pflegesachleistungen spreche auch der Umstand, daß ein Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung allein keinen Anspruch auf Pflegeleistungen nach dem SGB XI begründen könne. Erforderlich sei stets ein – zeitlich überwiegender – Hilfebedarf bei der Grundpflege, lediglich kombiniert mit einem – zeitlich untergeordneten – zusätzlichen Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 15 Abs 1 und 3 SGB XI). Allerdings ruhe der Anspruch auf die Pflegesachleistungen nur in Höhe von 733 DM, weil mit Blick auf die Regelung des § 28 Abs 2 SGB XI sowie § 9 Abs 1 Satz 4 und Abs 6 Satz 1 der Beihilfevorschriften des Bundes die Pflegezulage nach § 35 BVG nur zur Hälfte in Ansatz zu bringen sei. Dem Kläger stünden daher monatliche Pflegesachleistungen im Wert von 167 DM zu.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI. Neben dem Betrag von 167 DM, den das LSG von der Anrechnung freigestellt habe, müsse wegen der anteiligen Berücksichtigung des hauswirtschaftlichen Hilfebedarfs ein weiterer Betrag von 160 DM monatlich von der Anrechnung freigestellt werden, da nach den Feststellungen des Gutachters 21,8 vH des zeitlichen Pflegeaufwandes auf hauswirtschaftliche Verrichtungen entfielen. 21,8 vH des anzurechnenden Betrages von 733 DM ergäben 160 DM.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Niedersachsen vom 20. Oktober 1998 und des SG Braunschweig vom 17. November 1997 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 1997 hinsichtlich der Feststellung des vollständigen Ruhens des Anspruchs auf Pflegesachleistungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 1996 anteilige monatliche Pflegesachleistungen im Wert von 327 DM zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Anspruch des Klägers auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II wegen des gleichzeitigen Bezugs der Pflegezulage nach § 35 BVG teilweise ruht (1.). Eine Beschränkung der Ruhensvorschrift des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI auf jenen Anteil, der rechnerisch auf den Hilfebedarf für die Grundpflege entfällt, läßt das Gesetz nicht zu; sie ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten (2.). Da der Kläger als beihilfeberechtigter Versicherter der sozialen Pflegeversicherung Pflegesachleistungen nur jeweils zur Hälfte erhält, ist die Pflegezulage auf diese Leistungen nur zur Hälfte anzurechnen (3.).
1. Nach § 34 Abs 1 Nr 2 Satz 1 SGB XI ruht der Anspruch auf Pflegeleistungen (§§ 36, 37 SGB XI), soweit Versicherte Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit unmittelbar nach § 35 BVG oder nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder aus öffentlichen Kassen aufgrund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge erhalten. Die Leistungen der Pflegeversicherung sind somit nachrangig gegenüber den Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach dem BVG und den anderen vorgenannten Leistungsarten. Dieses Rangverhältnis hat der Gesetzgeber in § 13 Abs 1 SGB XI ausdrücklich niedergelegt.
Die in § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI enthaltene Regelung über das Ruhen der Leistungsansprüche aus der sozialen Pflegeversicherung bei gleichzeitigem Bezug von Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 35 BVG läßt nach ihrem Wortlaut keine Ausnahme zu. Sie erfaßt alle Arten von Leistungen nach dem SGB XI und differenziert auch nicht nach den konkreten Zweckbestimmungen der konkurrierenden Leistungen. Die vom Kläger vertretene Ansicht (so auch Zehentbauer, Behindertenrecht 1995, 111, 112; Niepel ZfS 1996, 7, 12), der Anspruch auf Pflegeleistungen nach dem SGB XI ruhe bei Bezug einer Pflegezulage nach § 35 BVG nur in Höhe des Anteils, der im Einzelfall auf die Grundpflege entfalle, weil die Pflegezulage nur der Sicherung der Grundpflege des versorgungsberechtigten Pflegebedürftigen, nicht aber seiner hauswirtschaftlichen Versorgung diene, findet im Wortlaut des Gesetzes keine Grundlage. Die Vorschrift kann auch nicht in diese Richtung einschränkend ausgelegt werden. Einer solchen Auslegung wäre die Bestimmung nur dann zugänglich, wenn der Gesetzgeber eine auf voller Deckungsgleichheit der Leistungen begrenzte Ruhensregelung hätte schaffen wollen, der Wortlaut der verabschiedeten Gesetzesfassung also nur versehentlich zu weit geraten wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Gesetzgeber war sich der Verschiedenheit der Sicherungssysteme des BVG und des SGB XI, ihrer nur eingeschränkten Vergleichbarkeit und insbesondere auch der Unterschiede in den Anspruchsvoraussetzungen und der Zweckbestimmung der Pflegesachleistung und des Pflegegeldes nach den §§ 36, 37 SGB XI einerseits sowie der Pflegezulage nach § 35 BVG andererseits bewußt. Dennoch hat er die umfassende Ruhensregelung des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI geschaffen. Dies schließt die vom Kläger befürwortete einengende Auslegung dieser Vorschrift aus.
Die soziale Sicherung im Bereich der Kriegsopferversorgung (KOV) ist nach dem umfassenden Versorgungsprinzip aufgebaut. Wer im Zusammenhang mit einer militärischen bzw militärähnlichen Dienstverrichtung oder einem dem gleichzustellenden Sachverhalt eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung (§ 1 Abs 1 und 2 BVG). Die Versorgung umfaßt gemäß § 9 BVG ua die Heil- und Krankenbehandlung, die Beschädigtenrente (einschließlich Berufsschadensausgleich) und die Pflegezulage, die Hinterbliebenenrente sowie die Kriegsopferfürsorge. Nach § 31 BVG steht jedem Beschädigten, dessen Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 vH gemindert ist, eine monatliche Grundrente zu (Abs 1 Satz 1), die in bestimmten Fällen noch um eine Schwerbeschädigtenzulage (Abs 1 Satz 2) bzw um eine Schwerstbeschädigtenzulage (Abs 5) zu erhöhen ist. In Fällen der schädigungsbedingten Hilflosigkeit wird daneben eine Pflegezulage gewährt (§ 35 BVG), deren Höhe sich nach der – vom Umfang des individuellen Hilfebedarfs abhängigen – Einordnung des Beschädigten in eine der dort genannten sechs Stufen richtet. Dabei bezieht sich der Begriff der Hilflosigkeit iS des BVG grundsätzlich nur auf die Grundpflege, nicht aber auf die hauswirtschaftliche Versorgung (BSG, Urteil vom 2. Juli 1997 – 9 RV 19/95 – SozR 3-3100 § 35 Nr 6). Zur Grundpflege gehören hier die Bereiche Körperpflege, Ernährung, Mobilität sowie Kommunikation und geistige Anregung (Sehen, Hören, Sprechen, Fähigkeit zur Interaktion, vgl Zusammenfassung der Rechtsprechung in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996, S 37). Dieser Begriff der Grundpflege hat sich ungeachtet der verschiedenen Definitionen des Begriffs der Hilflosigkeit iS des BVG nicht geändert. Nach der ursprünglichen Definition des § 35 BVG war derjenige hilflos, der nicht ohne Wartung und Pflege sein bzw bleiben kann. Diese relativ unscharfe Definition wurde durch das Erste Neuordnungsgesetz (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I S 453) geändert. Danach war derjenige hilflos, der infolge der Schädigung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedurfte (§ 35 Abs 1 BVG aF). Diese Umformulierung diente allein der Klarstellung, wie die Vorschrift zur Zeit der ursprünglichen Fassung auszulegen war; eine inhaltliche Rechtsänderung war damit nicht verbunden (BSGE 36, 292, 295 = SozR Nr 21 zu § 35 BVG; BSG SozR 3100 § 35 Nrn 5 und 10; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 20. Aufl III, S 560h I). Die derzeit gültige Fassung (nF) erhielt § 35 BVG durch Art 9 Nr 12 des Pflege-Versicherungsgesetzes (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I S 1014). Nach dieser ab 1. April 1995 geltenden Rechtslage ist ein Beschädigter hilflos, wenn er für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Mit dieser Neuformulierung hat der Gesetzgeber nur der Entwicklung der Gesetzesauslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung Rechnung getragen, im übrigen aber eine unveränderte Fortgeltung des bis dahin bestehenden Rechtszustandes in der KOV sicherstellen und Leistungen weder einschränken noch ausweiten wollen (vgl BT-Drucks 12/5262 S 164, 172; BSG SozR 3-3100 § 35 Nr 6).
Bis Ende 1990 konnte ein Beschädigter im Falle der Hilflosigkeit allein auf die Leistungen der KOV zurückgreifen. Eine zweite Möglichkeit der pflegerischen Bedarfssicherung eröffnete der Gesetzgeber zum 1. Januar 1991, soweit Beschädigte in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren. Mit dem Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) wurden zum 1. Januar 1991 erstmals „Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit” in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Nach § 53 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erhalten häusliche Pflegehilfe in Form einer Pflegesachleistung (§ 55) oder einer Geldleistung (§ 57) Versicherte, die nach ärztlicher Feststellung wegen einer Krankheit oder Behinderung so hilflos sind, daß sie für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer in sehr hohem Maße der Hilfe bedürfen (Schwerpflegebedürftige). Die Definition zeigt, daß sich der Gesetzgeber dabei an der Umschreibung der Hilflosigkeit in § 35 BVG aF orientiert hat. Die §§ 53 ff SGB V waren insoweit dem BVG nachgebildet. Allerdings wurde der Begriff der Hilflosigkeit iS des § 53 SGB V auch auf Verrichtungen der hauswirtschaftlichen Versorgung ausgedehnt. Dies ergab sich aus dem von den Spitzenverbänden der Krankenkassen aufgestellten, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im wesentlichen gebilligten Katalog von 18 Verrichtungen, anhand dessen die Frage der Schwerpflegebedürftigkeit iS des § 53 SGB V beurteilt wurde. Der Katalog umfaßte die Verrichtungen 1. Aufstehen/Zu-Bett-Gehen, 2. Gehen, 3. Stehen, 4. Treppensteigen, 5. Waschen, Duschen oder Baden, 6. Mundpflege, 7. Haarpflege, 8. An- und Auskleiden, 9. Nahrungsaufnahme, 10. Nahrungszubereitung, 11. Benutzung der Toilette, 12. Sprechen, 13. Sehen, 14. Hören (Grundbedarf) sowie 15. Einkaufen von Nahrung und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens, 16. Wohnungsreinigung, 17. Reinigung und Pflege der Wäsche, 18. sonstige hauswirtschaftliche Arbeiten wie zB Reinigung von Haushaltsgegenständen, Einräumen von Wäsche, Geschirr usw, Versorgung der Heizung (hauswirtschaftlicher Versorgungsbedarf).
Den Fall der Anspruchskonkurrenz regelte seinerzeit der durch das KOV-Strukturgesetz vom 23. März 1990 (BGBl I S 582) geschaffene § 35 Abs 3 BVG aF. Danach stand dem schwerpflegebedürftigen Versorgungsberechtigten ein Wahlrecht zu, seine Aufwendungen für die Pflege über § 35 BVG, über §§ 53 ff SGB V oder gegebenenfalls je zu einem Teil nach der einen oder anderen Vorschrift abdecken zu lassen (vgl Rdschr des BMA vom 26. Januar 1994 – VI 1-53063, Bundesarbeitsblatt ≪BArbBl≫ 1994, S 75).
Die Regelungen der §§ 53 ff SGB V waren bis zum 31. März 1995 in Kraft. Im Zuge der Einführung der sozialen Pflegeversicherung als eigenständigem Zweig der Sozialversicherung und der Übertragung der Durchführung auf rechtlich selbständige Sozialversicherungsträger (Pflegekassen) durch das SGB XI waren die §§ 53 ff SGB V überholt und sind deshalb gestrichen worden. Die soziale Pflegeversicherung ist im Unterschied zur KOV nach dem Versicherungsprinzip aufgebaut und finanziert sich, anders als die KOV, nicht aus Steuermitteln, sondern aus den Beiträgen der Versicherten. Versichert ist nicht jede Form der Pflegebedürftigkeit, sondern nur jene, die den in den §§ 14 und 15 SGB XI genannten verrichtungsbezogenen und zeitlichen Voraussetzungen gerecht wird. Pflegebedürftig iS des § 14 Abs 1 SGB XI sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen.
Nach § 36 Abs 1 SGB XI haben solche Pflegebedürftige bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung, und zwar in dem in § 36 Abs 3 genannten, an den Pflegestufen des § 15 Abs 3 SGB XI orientierten Umfang (750 DM bei Pflegestufe I bis 3.750 DM bei Pflegestufe III – Härtefall). Statt dessen kann auch ein Pflegegeld beantragt werden (§ 37 SGB XI), das je nach Pflegestufe zwischen 400 DM und 1.300 DM beträgt. Dabei zählen nach § 14 Abs 4 SGB XI zur Grundpflege die Bereiche Körperpflege (Nr 1: Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung), Ernährung (Nr 2: mundgerechtes Zubereiten der Nahrung, Aufnahme der Nahrung) und Mobilität (Nr 3: selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) sowie zum Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr 4) das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Kleidung und Wäsche sowie das Beheizen der Wohnung. Die Leistungen der Pflegeversicherung dienen somit – wie schon die §§ 53 ff SGB V – dem – zumindest teilweisen – Ausgleich von Defiziten bei der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung eines Pflegebedürftigen.
Dies zeigt, daß der Gesetzgeber im BVG nF und im SGB XI bewußt unterschiedliche Begriffe der Hilflosigkeit verwendet und auch den Bereich der Grundpflege nicht einheitlich abgegrenzt hat. Nach den Materialien zum PflegeVG sind die bis dahin geltenden Begriffe der Pflegebedürftigkeit bzw Hilflosigkeit bewußt aufgegeben worden. Der Gesetzgeber hat zwar für die soziale Pflegeversicherung Elemente aus den bis dahin geltenden Regelungen anderer Gesetze übernommen und die dazu ergangene Rechtsprechung verwertet, indem er einerseits den Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung einbezogen, andererseits aber den Hilfebedarf bei der Kommunikation und geistigen Anregung aus dem Bereich der Grundpflege ausgeschlossen hat (BT-Drucks 12/5262 S 95 f). Den in § 14 Abs 1 SGB XI enthaltenen neuen Begriff der Hilflosigkeit hat der Gesetzgeber auch für die Bereiche der Sozialhilfe (§ 68 BSHG, vgl Art 18 Nr 3 PflegeVG) und der Kriegsopferfürsorge (§§ 26c ff BVG, vgl Art 9 Nr 7 PflegeVG) übernommen, nicht aber für die Pflegezulage nach § 35 BVG und auch nicht für das Einkommensteuerrecht (§ 33b Abs 6 Satz 2 Einkommensteuergesetz ≪EStG≫), wo die Neuformulierungen lediglich dazu dienten, eine unveränderte Fortgeltung des bis dahin bestehenden Rechtszustandes sicherzustellen (BT-Drucks 12/5262 S 164, 172; BSG SozR 3-3100 § 35 Nr 6; vgl zur Geschichte des Begriffs der Hilflosigkeit im Sozialrecht Brocke, Festschrift für Gitter 1995, S 155 ff). Dementsprechend unterscheiden sich auch die Zweckbestimmungen der mit der Hilflosigkeit einer Person verbundenen Leistungsansprüche. Die Pflegezulage nach § 35 BVG bietet lediglich eine finanzielle Entschädigung für Defizite im Bereich der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität sowie Kommunikation und geistige Anregung, vgl BSG SozR 3-3100 § 35 Nr 6). Eine hauswirtschaftliche Verrichtung kann bei dem für Hilflosigkeit im Versorgungsrecht erforderlichen Hilfebedarf nur dann berücksichtigt werden, wenn dafür ein besonderer, durch die Behinderung oder Beschädigung bedingter personenbezogener Bedarf besteht (BSG SozR 3-3100 § 53 Nr 6: zB Einhaltung einer strengen Diät, die eine äußerst arbeitsaufwendige Zubereitung notwendig macht; vgl auch Trenk-Hinterberger in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4, Pflegeversicherungsrecht, § 7 RdNr 14; Rdschr des BMA vom 26. Januar 1994 – VI 1-53063 – BArbBl 1994, 3/74 f). Alle sonstigen hauswirtschaftlichen Verrichtungen bleiben im Rahmen des § 35 BVG außer Betracht. Mehraufwendungen des Beschädigten für die hauswirtschaftliche Versorgung sind vielmehr durch die Leistungen nach § 31 BVG (Grundrente nebst Zulagen) pauschal abgegolten. Diese Leistungen dienen nicht nur dem Ausgleich immaterieller Schäden, sondern zugleich der Abgeltung des Mehraufwands, der dem Beschädigten als Folge der Schädigung „in allen Lebenslagen” – und damit auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung – erwächst (BSGE 30, 21, 25 = SozR Nr 39 zu § 30 BVG; BSG SozR 3-3100 § 35 Nrn 4 und 6; Förster in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl 1992, § 31 BVG RdNrn 3 und 17). Die Pflegeleistungen nach dem SGB XI dienen hingegen der – zumindest teilweisen – Deckung des Grundpflegebedarfs (ohne die Bereiche Kommunikation und geistige Anregung) und des hauswirtschaftlichen Versorgungsbedarfs. Gleichwohl hat der Gesetzgeber, soweit die Pflegeleistungen nicht höher als die Pflegezulage nach dem BVG sind, deren Wegfall angeordnet.
2. Die Ruhensanordnung für die Pflegeleistungen bei nur teilweise kongruentem Leistungsumfang ist auch nicht verfassungswidrig. Insbesondere liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung iS des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) vor, die hier nur am Maßstab des Willkürverbots zu prüfen ist. Die Ruhensanordnung ist aber nicht willkürlich, weil ihr sachgerechte Erwägungen zugrunde liegen (BVerfGE 33, 44, 51; 71, 39, 58).
Sinn der Ruhensregelung des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI ist die Vermeidung einer Überversorgung durch Doppelleistungen. Dies setzt voraus, daß die beiden in Betracht kommenden Leistungen im wesentlichen dem gleichen Zweck dienen (Zweckidentität, Gleichartigkeit) und zeitgleich bezogen werden, zumindest aber beansprucht werden können (Zeitgleichheit). Das ist zwar im Verhältnis zwischen den Pflegeleistungen nach den §§ 36, 37 SGB XI und der Pflegezulage nach § 35 BVG – wie ausgeführt – nur teilweise der Fall. Die Pflegezulage darf aber nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß jeder Bezieher einer Pflegezulage nach § 35 BVG zugleich eine – einkommensunabhängige – Grundrente nach § 31 BVG erhält, die sich im Einzelfall unter den in § 31 Abs 1 Satz 2 bzw Abs 5 BVG genannten Voraussetzungen noch um eine Zulage für Schwerbeschädigte bzw für Schwerstbeschädigte erhöht. Die Tatsache, daß diese Leistungen – im Gegensatz zur Pflegezulage nach § 35 BVG – in § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI nicht erwähnt sind, diese Leistungen den Anspruch auf Pflegeleistungen nach den §§ 36, 37 SGB XI als solche also nicht berühren, hindert nicht deren Einbeziehung in eine Gesamtbetrachtung mit der Folge, daß hierdurch eine gleichwertige anderweitige Versorgung festzustellen ist. Die Gewährung der Leistungen nach den §§ 31 und 35 BVG ist geeignet, das Defizit bei der Zweckidentität der von der Ruhensregelung des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI betroffenen Leistungen auszugleichen.
Es liegt auch kein verfassungswidriger Zustand dadurch vor, daß der Kläger zwar den für ihn maßgebenden Beitragssatz (§ 55 Abs 1 Satz 2 SGB XI) zur sozialen Pflegeversicherung in vollem Umfang zu leisten hat, er aber trotz Einstufung in die Pflegestufe II nicht die dieser Pflegestufe entsprechenden vollen Pflegeleistungen beanspruchen kann. Insbesondere ist eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art 14 GG durch Erhebung unnötiger Beiträge oder Gewährung nicht adäquater Leistungen nicht ersichtlich. Soweit die Auferlegung von Geldleistungen oder der Anspruch auf Sozialleistungen überhaupt in den Schutzbereich dieser Grundgesetznorm fallen, steht dem Gesetzgeber hier ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl BVerfGE 58, 81, 110; 81, 156, 205; Papier, in Maunz-Dürig ua, Art 14 RdNr 161). Es unterliegt danach auch dem Ermessen des Gesetzgebers, ob er bei einer Anspruchskonkurrenz der vorliegenden Art das Ruhen einer steuerfinanzierten Sozialleistung bei gleichzeitigem Anspruch auf eine gleichgerichtete beitragsfinanzierte Sozialversicherungsleistung oder – wie in § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI – das Ruhen einer beitragsfinanzierten Leistung bei Fortdauer des Bezugs einer gleichgerichteten steuerfinanzierten Leistung anordnet oder dem Betroffenen, wie in § 35 Abs 3 BVG aF, ein Wahlrecht einräumt. Im übrigen bleibt die Pflegeperson unter den Voraussetzungen der §§ 19, 44 SGB XI unabhängig davon sozial gesichert, ob der Leistungsanspruch des Versicherten ruht oder nicht (vgl Udsching, SGB XI, 1995/1996, § 19 RdNrn 2, 3 und § 44 RdNrn 2, 5).
3. Der Kläger kann von der Beklagten auch nicht deshalb ein höheres Pflegegeld als 167 DM beanspruchen, weil die Pflegezulage nach § 35 BVG vorrangig auf die dem Kläger zustehenden Beihilfeleistungen bei Pflegebedürftigkeit anzurechnen ist. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Anspruch des Klägers auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung in Höhe der Hälfte der Pflegezulage ruht. Die hälftige Anrechnung der Pflegezulage ergibt sich jedoch nicht ohne weiteres aus § 28 Abs 2 SGB XI. Die Subsidiarität von Beihilfeleistungen spricht vielmehr grundsätzlich dafür, daß die Pflegezulage vorrangig auf die dem Kläger zustehenden Beihilfeleistungen bei Pflegebedürftigkeit anzurechnen sind und nur ein hiernach verbleibender Betrag auf den Leistungsanspruch aus der sozialen Pflegeversicherung. Das Beihilferecht geht davon aus, daß der Dienstherr aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nur nachrangig zur Leistung verpflichtet ist (BVerfGE 83, 89, 108; sowie das BVerwG in ständiger Rechtsprechung, vgl BVerwGE 51, 193, 198 ff; 64, 127, 129 f; 77, 331, 337; Gusy, RiA 1989, 29, 31 mwN). Dies kommt vor allem in § 5 Abs 3 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV = Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 79 Bundesbeamtengesetz) zum Ausdruck, wonach bei Ansprüchen auf Heilfürsorge, Krankenhilfe, Geldleistung oder Kostenerstattung aufgrund von Rechtsvorschriften oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen vor Berechnung der Beihilfe die gewährten Leistungen in voller Höhe von den beihilfefähigen Aufwendungen abzuziehen sind (§ 5 Abs 3 Satz 1 BhV). Sind zustehende Leistungen nicht in Anspruch genommen worden, so sind sie gleichwohl bei der Beihilfefestsetzung zu berücksichtigen (§ 5 Abs 3 Satz 4 BhV). Hieraus folgt, daß der Beihilfeberechtigte zunächst alle ihm zustehenden sonstigen Ansprüche ausschöpfen muß, ehe er einen Anspruch auf Beihilfe geltend machen kann.
Der allgemein geltende Grundsatz der Subsidiarität der Beihilfe greift jedoch im Hinblick auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nicht ein, die von Personen geltend gemacht werden, die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Regelung in § 28 Abs 2 SGB XI jeweils zur Hälfte erhalten. § 28 Abs 2 SGB XI regelt das Verhältnis der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung zu den Leistungen der Beihilfe bei Pflegebedürftigkeit eigenständig und geht als spezielle Regelung dem allgemeinen Subsidiaritätsgrundsatz vor. Im Gegensatz zur Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung sind Beihilfeberechtigte in der sozialen Pflegeversicherung nicht mit dem vollen, sondern nur mit dem halben Beitragssatz belastet (§ 55 Abs 1 Satz 2 SGB XI). Dem entspricht, ebenfalls abweichend von der gesetzlichen Krankenversicherung, die Reduzierung des Leistungsanspruchs auf die Hälfte der in den §§ 36 ff SGB XI jeweils vorgesehenen Leistungen. Das SGB XI enthält zwar keine ausdrückliche Regelung zur Höhe des Beihilfeanspruchs bei Berechtigten, die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung jeweils zur Hälfte beanspruchen können. Den §§ 28 Abs 2 und 55 Abs 1 Satz 2 SGB XI läßt sich jedoch entnehmen, daß der Gesetzgeber ohne weiteres davon ausgegangen ist, daß das Risiko der Pflegebedürftigkeit bei diesem Personenkreis in gleicher Höhe durch die Beihilfe abgesichert ist. Der Halbteilungsgrundsatz wird im Beihilferecht in bezug auf Pflegesachleistungen bei häuslicher Pflege durch § 9 Abs 6 BhV umgesetzt. Hiernach wird für Personen, die nach § 28 Abs 2 SGB XI Leistungen zur Hälfte erhalten – ohne Rücksicht auf den individuellen Bemessungssatz der Beihilfe (§ 14 BhV) und ohne Berücksichtigung der Subsidiaritätsregelungen des § 5 Abs 3 BhV – in wertmäßig gleicher Höhe eine Beihilfe gewährt. Aus allem folgt, daß der Gesetzgeber die Leistungspflicht bei Pflegebedürftigkeit bei dem hier betroffenen Personenkreis generell nach dem Halbteilungsgrundsatz aufteilen wollte. Dies legt es nahe, den Halbteilungsgrundsatz auch dort zugrunde zu legen, wo er im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet worden ist, wie dies der Fall ist, wenn zu den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und der Beihilfe zusätzlich noch Pflegeleistungen nach dem BVG hinzutreten, die beiden Leistungsbereichen vorgehen. Danach ruht der Anspruch eines Versicherten der sozialen Pflegeversicherung auf Pflegesachleistung, der wegen eines daneben bestehenden Anspruchs auf Beihilfeleistungen bei Pflegebedürftigkeit nur in Höhe der Hälfte der jeweils zustehenden Leistungen besteht, gem § 34 Abs 1 Satz 2 SGB XI auch nur in Höhe der Hälfte der vorrangigen Pflegezulage nach § 35 BVG. Die dem Kläger 1996 zustehende Pflegezulage in Höhe von 1.466 DM war somit nur in Höhe von 733 DM auf seinen Pflegesachleistungsanspruch anzurechnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
br 1999, 175 |
Breith. 1999, 1061 |
SozSi 2000, 106 |