Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Streitig ist nur noch, wie die Verzinsung nachgezahlter Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu erfolgen hat.
Der Klägerin wurde nach erfolgreicher Anfechtung einer von der Beklagten verfügten Aufhebung der Alhi-Bewilligung die Leistung ab 2. September 1976 nachbewilligt und der bis 2. August 1984 aufgelaufene Betrag von 68.724, 84 DM zur Zahlung angewiesen (Bescheid vom 19. Dezember 1984, Überweisungen vom 10. und 17. Januar 1985). Für die Zeit ab 3. August 1984 stellte die Beklagte die Höhe der Alhi durch gesonderten Bescheid vom 21. Dezember 1984 fest. Mit weiterem Bescheid vom 22. Februar 1985 und Widerspruchsbescheid vom 26. März 1985 stellte die Beklagte die bis Dezember 1984 einschließlich auf die ab 2. September 1976 bis einschließlich 31. Oktober 1984 zustehende Alhi aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 10.423, 24 DM fest. Für den Beginn der Verzinsung stellte die Beklagte jeweils auf den Beginn des zweiten auf den "Fälligkeits"-Monat folgenden Kalendermonats ab. Dabei setzte sie die Fälligkeit jeweils mit dem Tag gleich, an dem für den Fall des fortlaufenden Leistungsbezugs die Zahlung üblicherweise angewiesen worden wäre.
Mit Bescheid vom 15. Juli 1985 bestätigte dann die Beklagte erneut die bisherigen Bemessungen der Alhi nach dem vor der ursprünglichen Arbeitslosmeldung vom 3. August 1971 erzielten festen Monatsarbeitsentgelt von 1.600,-- DM als rechtmäßig.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) mit Teilurteil vom 12. Februar 1987 zum einen die Klage gegen den Bescheid vom 15. Juli 1985 abgewiesen. Zum anderen hat es den Bescheid vom 22. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 1985 abgeändert und die Beklagte verurteilt, "die der Klägerin für die Nachzahlung der Arbeitslosenhilfe vom 2. September 1976 bis 2. August 1984 zu gewährenden Zinsen nach § 44 SGB I zu errechnen unter Annahme einer Fälligkeit der Leistung am jeweiligen Zahlungstag und bei der Rundungsvorschrift bei Teilbeträgen ab 0, 50 DM nach oben aufzurunden. "
Nach Einlegung der Berufung gegen dieses Teilurteil stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 6. Mai 1987 die Alhi der Klägerin rückwirkend ab 3. August 1985 sowie für die Zeit ab 4. August 1986 nunmehr höher fest, und zwar ohne Berücksichtigung tatsächlicher Unterhaltsleistungen des Vaters der Klägerin. Die Differenz von 5.270, 92 DM wurde am 8. Mai 1987 angewiesen. Mit Bescheid vom 13. Mai 1987 stellte die Beklagte die darauf entfallenden Zinsen mit 77, 80 DM fest. Bei ihrer Zinsberechnung ging sie davon aus, die Verzinsung beginne erst ab 1. Februar 1987, nämlich nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des Fragebogens zur Alhi am 24. Juli 1986. Im übrigen erfolgte die Zinsberechnung in gleicher Weise wie zuvor.
Die Klägerin legte ebenfalls Berufung gegen das Teilurteil des SG - soweit darin ihre Klage abgewiesen wurde - ein und beantragte im Wege der Anschlußberufung, den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 1987 zu ändern und diese zu einer höheren Zinsleistung zu verurteilen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 4. November 1988 auf die Berufung der Beklagten das Teilurteil des SG insoweit aufgehoben, als die Beklagte damit zur Zinszahlung unter Aufrundung der zu verzinsenden Teilbeträge auf volle DM-Beträge verurteilt worden ist. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ferner hat das LSG auf die Anschlußberufung und Klage der Klägerin hin den Zinsbescheid der Beklagten vom 13. Mai 1987 geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Zinsen auf die laut Änderungsbescheid vom 6. Mai 1987 ab 3. August 1985 nachzuzahlenden Alhi-Beträge "unter Berücksichtigung der durch den jeweiligen Leistungs- (statt Zahlungs-) tag bestimmten Fälligkeit bis zum Ablauf des April 1987 zu entrichten". Im übrigen hat es die Anschlußberufung und die Klage zurück- bzw. abgewiesen. Ferner hat es die Berufungen der Klägerin gegen das Teilurteil des SG Lübeck vom 12. Februar 1987 sowie gegen das Schlußurteil vom 24. September 1987 als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, Ansprüche auf Geldleistungen - wie hier die Alhi - seien gemäß § 44 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB I) nach Ablauf des Kalendermonats nach Eintritt ihrer Fälligkeit … zu verzinsen. Fällig würden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen (§ 41 SGB I). Die der Klägerin zustehende Alhi sei gemäß § 134 Abs. 1, Abs. 4 i.V.m. § 114 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die sechs Wochentage zu gewähren, entstehe mithin leistungstäglich. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des SG berufe sich die Beklagte zu Unrecht auf § 122 AFG und die dazu ergangene Zahlungszeiträume-Anordnung vom 15. Dezember 1978 (ANBA 1979, 409), wonach das Alg - und Entsprechendes gelte für die Alhi (§ 134 Abs. 4 AFG) - (nur) in der Regel nach Ablauf des Zahlungszeitraumes … überwiesen werde. Dies rechtfertige die entsprechend spätere Zahlung nach Fälligkeit, ohne indes die Fälligkeit des Anspruchs selbst hinauszuschieben. Das verdeutliche neben dem allein die Zahlung betreffenden Wortlaut des § 122 AFG systematisch § 114 AFG.
Mit der lediglich in bezug auf die Zinsansprüche zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 44 Abs. 1, 41 SGB I i.V.m. § 122 AFG.
Die Beklagte beantragt,
|
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG aufzuheben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des SG vom 12. Februar 1987 zurückgewiesen hat und ferner, das Teilurteil des SG vom 12. Februar 1987 insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt worden ist, die der Klägerin auf "die Nachzahlung der Arbeitslosenhilfe vom 2. September 1976 bis 2. August 1984 zu gewährenden Zinsen nach § 44 SGB I zu errechnen unter Annahme einer Fälligkeit der Leistung am jeweiligen Leistungstag", sowie die weitergehende Klage, die Anschlußberufung und die Klage gegen den Bescheid vom 13. Mai 1987 zurückzuweisen. |
|
Die Klägerin beantragt,
|
die Revision der Beklagten zurückzuweisen. |
|
Sie stützt sich auf die Entscheidung des LSG und macht geltend, die Zinsabrechnung werde in praktisch allen Bereichen des Lebens nach Tagen und nicht nach Leistungszeiträumen vorgenommen. Dieser Grundsatz sei im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ausdrücklich verankert. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen zu Lasten des Bürgers im Sozialrecht sei nicht erkennbar.
II
Die Revision der Beklagten - die nur noch die Frage der Fälligkeit der Zinsen zum Gegenstand hat - ist begründet. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Beklagte zur leistungstäglichen Verzinsung der für die Zeit ab 2. September 1976 bis 2. August 1984 und für die Zeit ab 3. August 1985 nachgezahlten Alhi-Beträge verurteilt.
Soweit das LSG außerdem die Festlegung des Zinsbeginns auf den 1. Februar 1987 im Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 1987 beanstandet hat, ist dieser Punkt von der Beklagten - wie auch ihr Antrag verdeutlicht - mit der Revision nicht angegriffen worden und demzufolge die Entscheidung des LSG insoweit rechtskräftig.
Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.
Die Verzinsungsvorschrift des § 44 Abs. 1 SGB I, die nach Art II § 23 Abs. 2 SGB I am 1. Januar 1978 in Kraft getreten ist, ist hier auch auf die vor dem 1. Januar 1978 fällig gewordenen Ansprüche anzuwenden. Denn diese Regelung gilt nach Art II § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB I auch für die vor diesem Zeitpunkt fällig gewordenen, noch nicht verjährten Ansprüche auf Geldleistungen, soweit das Verwaltungsverfahren hierüber zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist. Letzteres war hier der Fall.
Nach § 41 SGB I werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig, soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuchs keine Regelung enthalten.
Bereits aus dem Wortlaut, aber auch aus der Entstehungsgeschichte (BT-Drucks 7/868, S. 29 zu § 41) dieser Bestimmung ergibt sich somit, daß sie nur subsidiären Charakter hat, da in den einzelnen Sozialleistungsbereichen die Fälligkeit der Leistungen vielfach unterschiedlich geregelt ist. Nur soweit solche Sonderregelungen nicht bestehen, wird der Leistungsanspruch mit seinem Entstehen (§ 40 SGB I) fällig.
§ 122 AFG, der über § 134 Abs. 4 AFG für die Alhi entsprechend gilt, ist eine solche Sonderregelung. Danach wird das Arbeitslosengeld (Alg) in der Regel nach Ablauf des Zahlungszeitraumes auf das von dem Arbeitslosen angegebene Konto bei einem Geldinstitut überwiesen oder an seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort übermittelt. Nach Satz 2 dieser Bestimmung stellt die Bundesanstalt durch Anordnung Grundsätze für die Festsetzung der Zahlungszeiträume auf.
Dementsprechend wurde am 15. Dezember 1978 die ZahlungszeiträumeAnordnung erlassen (ANBA 1979, 409). Laut § 3 der Anordnung werden Beginn und Ende des Zahlungszeitraumes nach der Stammnummer festgelegt, und gemäß § 4 der Anordnung beträgt die Dauer eines Zahlungszeitraumes in der Regel zwei Wochen. Die Leistungen werden also grundsätzlich nachträglich für einen Zeitraum von zwei Wochen gezahlt.
Die Bedeutung des § 122 AFG und der dazu ergangenen Zahlungszeiträume-Anordnung beschränkt sich entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsauffassung nicht darauf, den Zahlungszeitpunkt hinauszuschieben. Vielmehr markiert das Ende des Zahlungszeitraumes zugleich den Zeitpunkt, nach dessen Ablauf frühestens die Zahlung gefordert werden kann und unverzüglich - d.h. in unmittelbarem Anschluß an den Zahlungszeitraum - zu erfolgen hat. § 122 AFG regelt also auch die Fälligkeit des periodischen Einzelanspruchs (vgl. Eckert, in GK-AFG, § 122 RdNr 1; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, Erläuterungen zu § 122 RdNr 3; ebenso Hauck/Haines, SGB I, § 41 RdNr 3 und Grüner, SGB I, § 41 Anm. III, die § 122 AFG als eine Sonderregelung im Verhältnis zu § 41 Abs. 1 SGB I ansehen).
Da der Anspruch auf Alhi in der Regel jeweils nach Ablauf des Zahlungszeitraums von zwei Wochen für die erfaßte Zeit fällig wird, erlischt mit jeder Zahlung der entsprechende Teil des Gesamtanspruchs (vgl. Eckert a.a.O., Schönefelder/Kranz/Wanka a.a.O.). Hierzu steht nicht im Widerspruch, daß nach § 114 AFG das Alg - und entsprechend die Alhi - für die sechs Wochentage gewährt wird und auf jeden Wochentag ein Sechstel des wöchentlichen Alg entfällt. Denn diese Vorschrift betrifft ausschließlich die Berechnung und Zahlungsart. Dies hat der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 24. August 1988 (7 RAr 78/87 = SozR 1500 § 144 Nr. 38) betont. In dieser Entscheidung ist darauf hingewiesen worden, daß die Bestimmung von "wöchentlichem" Alg (§ 114 Satz 2 AFG) spricht und damit verdeutlicht, daß Alg, Alhi und Unterhaltsgeld (Uhg) den Unterhalt während der gesamten Dauer einer Woche zu sichern haben. In diesem Zusammenhang weist die zitierte Entscheidung darauf hin, daß § 4 der Zahlungszeiträume-Anordnung dieser Zweckbestimmung gerecht wird, wonach die Dauer eines Zahlungszeitraumes in der Regel zwei Wochen beträgt. Denn damit werde auch hier klar ausgedrückt, daß es sich bei den genannten Leistungen nicht um auf bestimmte Wochentage, sondern um auf ganze Wochen bezogene Sozialleistungen handele.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom LSG zitierten Entscheidung des BSG vom 24. März 1987 (SozR 1200 § 44 Nr. 18). Denn diese Entscheidung (ebenso SozR 1200 § 44 Nr. 24) betraf Rentenleistungen (Beschädigtenrente), nicht aber Leistungen nach dem AFG. Die dortige Aussage, wonach die dem "Stammrecht" folgenden Einzelleistungsansprüche bei wiederkehrenden oder laufenden Geldleistungen jeweils mit dem Beginn der Zeiträume, für die sie bestimmt sind, entstehen und nach § 41 SGB I fällig werden, läßt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Denn bei der Alhi tritt - anders als bei der Rentenleistung, die monatlich im voraus ausgezahlt wird (vgl. § 1297 RVO aF, § 118 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB VI-) - die Fälligkeit des periodischen Einzelanspruchs in der Regel erst jeweils mit Ablauf des Zahlungszeitraumes von zwei Wochen ein. Ein anderes Ergebnis wäre auch - wie die Beklagte mit Recht einwendet - wenig sinnvoll, denn bei einer leistungstäglichen Fälligkeit des Alhi-Anspruchs wäre in fast allen Leistungsfällen die Leistung mit ihrer Überweisung gleichzeitig für die zwischen dem Entstehen des Anspruchs und der Überweisung liegende Zeit kalendertäglich zu verzinsen.
Da somit die Fälligkeit des periodischen Einzelanspruchs jeweils nach dem Ende des Zahlungszeitraums von zwei Wochen eintritt, hat die Beklagte in Nr. 6.3 ihrer Durchführungsanweisungen zu § 44 SGB I zu Recht die Fälligkeit jeweils mit dem Tage gleichgesetzt, an dem für den Fall des fortlaufenden Leistungsbezuges der zweiwöchige Zahlungszeitraum abgelaufen und im unmittelbaren zeitlichen Anschluß (regelmäßig am darauffolgenden Tag) die Zahlungen angewiesen worden wären. Ausgehend von dieser Bestimmung der Fälligkeit hat sie ferner zutreffend gemäß § 44 SGB I für den Beginn der Verzinsung jeweils auf den Beginn des zweiten auf den Fälligkeits-Monat folgenden Monats abgestellt, also gestaffelt verzinst.
Die Zinsberechnung im einzelnen läßt Berechnungsfehler nicht erkennen. Insoweit sind auch von der Klägerin im Revisionsverfahren keine Einwendungen erhoben worden.
Da somit der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 1985 und der Bescheid vom 13. Mai 1987 hinsichtlich der vorgenommenen Form der Verzinsung der Alhi-Nachzahlung rechtlich nicht zu beanstanden sind, muß das Urteil des LSG und das Teilurteil des SG in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.11 RAr 147/88
BUNDESSOZIALGERICHT
Verkündet am 29. Mai 1990
Fundstellen