Leitsatz (amtlich)
Hat ein Landwirtschaftlicher Unternehmer nach dem Verlust seines Sohnes wegen hohen Alters vor Inkrafttreten des GAL seinen Betrieb langfristig (zB 5 1/2 Jahre) verpachtet und bereits während der Pachtzeit Verkaufsverhandlungen eingeleitet, so liegt eine Abgabe des Unternehmens mit der Verpachtung selbst dann vor, wenn die Übergabe an den Käufer infolge sich länger hinziehender Verkaufsverhandlungen erst nach Ablauf der Pachtzeit erfolgen kann, ohne daß der Veräußerer nochmals Unternehmer geworden ist.
Normenkette
GAL § 25 Abs. 1; GAL 1957 § 25 Abs. 1; GAL § 2 Abs. 2; GAL 1957 § 2 Abs. 2
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 6. Juli 1960 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 12. April 1960 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte Altersgeld für die Zeit vom 1. Oktober 1957 bis 31. Dezember 1961 an die Klägerin zu zahlen hat.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der 1891 geborene, im Laufe des Revisionsverfahrens am 20. Dezember 1961 verstorbene frühere Kläger K S (St.) ist von seiner Ehefrau, der Klägerin, beerbt worden, die den Rechtsstreit fortsetzt. St. bewirtschaftete von 1936 bis 1952 einen Hof von 8,695 ha, der eine dauerhafte Existenzgrundlage darstellte. Davon verpachtete er am 3. März 1952 wegen seines Alters und der beschränkten Arbeitsfähigkeit der Klägerin 6,55 ha bis zum 31. Oktober 1957 an verschiedene Pächter; das Inventar verkaufte oder verschenkte er nach der Verpachtung. Er selbst behielt die aus Hofraum, Wiesen und Weiden bestehende Rumpfstelle von 2,13 ha, auf der er noch eine Kuh, ein oder zwei Schafe und ein Schwein hielt. Da der einzige Sohn, der seinen Hof übernehmen sollte, als Soldat seit 1945 vermißt ist, nahm St. im Frühjahr 1957 Verhandlungen wegen Verkaufs des Hofes auf. Diese Verhandlungen führten im April 1958 zum Abschluß und im Mai 1958 zur Übergabe des gesamten Hofes einschließlich der Gebäude an eine Siedlungsgesellschaft. Danach bezog St. einen Neubau. Seit Vollendung seines 65. Lebensjahres erhielt er eine Altersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter.
Die Beklagte lehnte den im Mai 1958 gestellten Antrag auf Altersgeld ab, weil St. vom 1. November 1957 bis 30. April 1958 noch landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen sei und wegen der durch den Rentenbezug bedingten Beitragsfreiheit nicht die Voraussetzungen für Altersgeld nach § 25 Abs. 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063) - GAL aF - erfüllt habe. Auf die Klage hin verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte zur Zahlung von Altersgeld, das Landessozialgericht (LSG) wies die Klage ab: Der Kläger könne nur Altersgeld erhalten, wenn er vor dem 1. Oktober 1957 das Unternehmen abgegeben habe. Dies sei aber nicht der Fall. Denn die Verpachtung im Jahre 1952 auf nur fünfeinhalb Jahre und nicht neun Jahre, wie § 2 Abs. 2 GAL aF fordere, stelle keine Abgabe dar, zumal, da auch der Pachtvertrag nicht vom 65. Lebensjahr an noch neun Jahre habe laufen sollen. Außerdem habe der Kläger 24,6 % der Gesamtfläche des Hofes einschließlich der Hofstelle zurückbehalten, so daß auch deshalb keine Entäußerung des Unternehmens vorliege. Schließlich sei der Kläger vom 1. November 1957 bis 30. April 1958 wieder Unternehmer gewesen. Als solcher sei er aber nach § 8 Abs. 4 GAL aF wegen des Rentenbezugs beitragsfrei gewesen. Nach § 25 GAL aF könne jedoch nur ein beitragspflichtiger Unternehmer Altersgeld erhalten. Das LSG ließ die Revision zu.
St. legte gegen das am 29. Juli 1960 zugestellte Urteil am 20. August 1960 Revision ein und begründete sie im gleichen Schriftsatz.
Die Revision meint, das Zurückbehalten eines verhältnismäßig kleinen Teils des Hofes sei für den Altersgeldanspruch unschädlich, und zwar auch dann, wenn die Hofstelle selbst zurückbehalten werde. Das LSG habe nicht berücksichtigt, daß die Verpachtung von 1952 und die 1958 erfolgte Gesamtentäußerung als eine Einheit angesehen werden müßten, zumal, da auch zwischen der Beendigung der Pachtzeit am 31. Oktober 1957 und der im April 1958 erfolgten Gesamtentäußerung nur ein knappes halbes Jahr gelegen habe, während dessen keine Bewirtschaftung des Betriebes erfolgt sei. Der Betrieb sei von November 1957 bis April 1958 keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr gewesen, da in dieser Jahreszeit keine Erträge aus den landwirtschaftlichen Flächen zu erwirtschaften gewesen seien. Auch habe St. über seinen Besitz nicht mehr frei verfügen können, weil damals schon die im Frühjahr 1957 begonnenen Verkaufsverhandlungen gelaufen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 6. Juli 1960 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Stade vom 12. April 1960 zurückzuweisen, soweit es sich um das Altersgeld für die Zeit vom 1. Oktober 1957 bis 31. Dezember 1961 handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die durch die Zulassung statthafte, auch form- und fristgerecht eingelegte Revision ist begründet, weil das LSG zu Unrecht die Voraussetzungen eines Altersgeldanspruchs des Ehemanns der Klägerin verneint hat.
Die Klägerin ist nach § 6 Abs. 3 GAL aF i. V. m. § 1288 der Reichsversicherungsordnung (RVO) befugt, das ihrem verstorbenen Ehemann noch zustehende Altersgeld geltend zu machen. Da St. seit 1946 eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter bezog, stand ihm nach § 25 Abs. 1 GAL aF nur dann ein Anspruch auf Altersgeld zu, wenn er das Unternehmen bereits vor dem 1. Oktober 1957 abgegeben hatte; denn andernfalls wäre er nach § 8 Abs. 4 GAL aF kein beitragspflichtiger Unternehmer und deshalb nach § 25 Abs. 1 GAL aF nicht anspruchsberechtigt. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt also davon ab, ob die im Jahre 1952 erfolgte Verpachtung bei den besonderen Verhältnissen, zumal im Hinblick auf die spätere Veräußerung, schon als eine Entäußerung des Unternehmens anzusehen ist. Nach § 2 Abs. 2 GAL aF gilt eine Verpachtung nur dann als Entäußerung, wenn der Betrieb für einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren bei Erbberechtigten und neun Jahren bei anderen Personen verpachtet wird. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Jedoch hat das Bundessozialgericht in BSG 12, 91 bereits ausgesprochen, daß an einen vor dem Inkrafttreten des GAL abgeschlossenen Pachtvertrag nicht die Anforderungen des § 2 Abs. 2 GAL aF gestellt werden dürfen, es genüge vielmehr, wenn ein ursprünglich auf weniger als sechs (neun) Jahre abgeschlossener Pachtvertrag beim Inkrafttreten des Gesetzes mindestens sechs (neun) Jahre bestanden habe. Im vorliegenden Fall waren die Pachtverträge nur auf etwa fünfeinhalb Jahre abgeschlossen, die Pachtzeit endete bereits am 31. Oktober 1957. Indessen kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger schon vor Ablauf der Pachtzeit den Betrieb durch Verkauf endgültig abgeben wollte, weil der einzige Sohn, der als Erbe in Betracht kam, im zweiten Weltkrieg vermißt ist. Dies war auch schon mit ein Anlaß zur Verpachtung 1952, weil sonst St. in diesem Jahre das Unternehmen dem Sohn hätte übergeben können. Die im Frühjahr 1957 begonnenen Verkaufsverhandlungen haben erst 1958 zu einer Entäußerung geführt, weil die Verträge nicht vorher abgeschlossen werden konnten. Der Senat hat schon in einem Urteil vom 21. März 1962 - 7/3 RLw 3/60 - ausgesprochen, daß es für die Abgabe unschädlich sei, wenn der Unternehmer bei einem mit der Dauer des § 2 Abs. 2 GAL aF abgeschlossenen Pachtvertrag wegen nicht zu vertretender Umstände vor Ablauf der Pachtzeit den Betrieb wieder übernommen, ihn jedoch vor Inkrafttreten des GAL endgültig abgegeben habe. Diese Grundsätze müssen hier entsprechend gelten. Denn nach den gesamten Umständen sollte die Verpachtung 1952 bereits die Trennung (Abkehr) von dem Betrieb darstellen. St. verpachtete den Betrieb nur deshalb, weil er ihn selbst nicht mehr bewirtschaften konnte und weil er abwarten wollte, ob der vermißte Sohn zurückkommt. Erst als sich diese Hoffnung nicht erfüllte, verkaufte er den Hof. Unter diesen Umständen ist auch die kurze Zeitspanne von November 1957 bis April 1958 ohne Bedeutung. Denn während dieser Zeit hat St. den Betrieb nicht wieder in Bewirtschaftung genommen und war mithin nicht Unternehmer i. S. des § 633 RVO. Der Kläger hat sich damit schon 1952 subjektiv wie objektiv von dem Unternehmen getrennt; die Abgabe im Gesetzessinne lag hier bereits in der Verpachtung.
Unschädlich ist auch, daß St. bei der früheren Verpachtung 24,6 % der Gesamtfläche zurückbehalten hat. Wie der Senat in seinem Urteil vom 20. Juni 1962 - 7/3 RLw 14/61 - entschieden hat, ist unter der alten Fassung des GAL die Zurückbehaltung von Teilen bis zu etwa 25 v. H. unschädlich, sofern nicht der zurückbehaltene Teil des Unternehmens selbst wieder eine Existenzgrundlage darstellt, was hier zu verneinen ist. Denn die Neufassung, die in § 2 Abs. 6 auf das Verhältnis des zurückbehaltenen Teils zu dem Mindestsatz des § 1 Abs. 4 GAL abstellt, gilt nicht für die Zeit bis zum 31. Dezember 1961, weil sie erst am 1. Januar 1962 in Kraft getreten ist. Da St. bei der Antragstellung das 65. Lebensjahr vollendet und bei der Abgabe des Unternehmens im Jahre 1952 15 Jahre lang hauptberuflicher Unternehmer war, sind die Voraussetzungen eines Altersgeldanspruchs nach § 25 Abs. 1 GAL aF für ihn gegeben. Die Beklagte ist daher verpflichtet, bis zu dem Todesmonat (Dezember 1961) an die Ehefrau als seine Rechtsnachfolgerin Altersgeld zu zahlen (§ 613 RVO). Demgemäß waren die Urteile der Vorinstanzen und die Bescheide der Beklagten abzuändern.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen