Leitsatz (amtlich)
Ein Berichtigungsbescheid nach KOV-VfG § 41 ist auch dann zulässig, wenn die Versorgungsverwaltung in einem vorgängigen gerichtlichen Verfahren rechtskräftig verurteilt worden war, "aus Rechtsgründen" ein weiteres Leiden als (zwangsläufige) Folge des bindend anerkannten Grundleidens anzuerkennen, und wenn sich die frühere Anerkennung des Grundleidens als zweifelsfrei unrichtig erweist.
Normenkette
KOVVfG § 41 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. August 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der bisherige Kläger, der am 7. Mai 1976 verstorbene Zahnarzt Dr. H (Dr. H.), wurde 1943 als Soldat durch Infanteriegeschoß- und durch Granatsplittersteckschuß am linken Bein verwundet. Die Geschosse wurden später operativ entfernt. Im Mai 1946 beantragte Dr. H., die bei ihm vorhandenen Durchblutungsstörungen als Kriegsbeschädigung anzuerkennen und Versorgung zu gewähren. Mit Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) Flensburg vom 15. Dezember 1947 wurde auf Grund einer versorgungsärztlichen Untersuchung "Venenentzündung am Linken Bein mit trophischen Geschwüren" als Wehrdienstbeschädigung anerkannt und Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. gewährt.
Nach vorübergehender Besserung (Bescheid vom 24. Mai 1949: 30 v. H.) und entsprechender Umanerkennung nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - (Bescheid vom 29. Oktober 1951) erteilte das VersorgA F am 15. Oktober 1954 einen Neufeststellungsbescheid, dem ein Gutachten von Prof. V zugrunde lag. Als Schädigungsfolgen wurden "Durchblutungsstörungen am linken Bein nach traumatischer Venenentzündung" anerkannt und Rente nach einer MdE um 40 v. H. gewährt.
Von Oktober 1955 bis April 1965 bezog Dr. H. keine Rente, weil er seinen Wohnsitz in die DDR verlegt hatte. Bei der nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland durchgeführten versorgungsärztlichen Nachuntersuchung stellte Dr. F schwere arterielle Durchblutungsstörungen an beiden Beinen fest, die als schädigungsunabhängig zu beurteilen und schon 1946 nachgewiesen seien. Dagegen hätten sich die venösen Durchblutungsstörungen nicht verschlimmert. Mit Bescheid vom 17. Dezember 1968 wurde die Rente unter Beibehaltung der Schädigungsfolgen und der MdE (40 v. H.) wiedergewährt.
Im Juli 1969 mußte das linke Bein im Oberschenkel abgesetzt werden. Den von Dr. H. bereits im Mai 1969 gestellten Verschlimmerungsantrag lehnte die Versorgungsverwaltung nach Einholung eines weiteren Gutachtens von Dr. F durch Bescheid vom 15. Oktober 1969/Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1970 ab: Die Amputation des linken Beines sowie die Durchblutungsstörungen am rechten Bein seien nicht Folge der im Krieg erlittenen traumatischen Venenentzündung, sondern Folge einer allgemeinen Gefäßsklerose.
Das Sozialgericht (SG) Würzburg holte ein fachärztliches Gutachten von Dr. S, Leiter der Gefäßchirurgischen Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik Würzburg, ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, die arteriellen Durchblutungsstörungen, die zur Amputation geführt hätten, beruhten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf einer arteriellen Verschlußkrankheit, vermutlich einer Arteriosklerosis obliterans. Für eine traumatische Venenentzündung habe nach medizinischen Kriterien zu keinem Zeitpunkt ein Hinweis bestanden. Bei den früheren versorgungsärztlichen Diagnosen und der Anerkennung der Schädigungsfolge habe es sich von Anfang an um Fehldeutungen der Befunde gehandelt.
Das SG verurteilte den Beklagten durch Urteil vom 13. April 1972, als weitere Schädigungsfolge "Amputation des linken Oberschenkels" anzuerkennen und ab 1. Juni 1969 Rente nach einer MdE um 80 v. H. zu gewähren. Zur Begründung führte es aus, bei dem bescheidmäßigen Anerkenntnis der traumatisch bedingten venösen Durchblutungsstörungen habe es sich in Wirklichkeit um die Anerkennung des arteriellen Gefäßprozesses gehandelt. Die diesem Prozeß eigentümliche Entwicklung habe zur Amputation des linken Oberschenkels geführt; daher müsse die Amputation als Folge einer Verschlimmerung des anerkannten Leidens gelten. Hierfür seien allerdings nur rechtliche Gründe maßgebend; denn aus medizinischer Sicht sei nicht wahrscheinlich, daß zwischen den Einflüssen des Wehrdienstes und der arteriellen Gefäßkrankheit ein ursächlicher Zusammenhang bestehe.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte kein Rechtsmittel ein. Das VersorgA erließ am 19. Juni 1972 einen dem SG-Urteil entsprechenden Ausführungsbescheid.
In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 7. Juli 1972 schloß sich Dr. F der Auffassung von Dr. S an. Das VersorgA hob daraufhin mit Zustimmung des Landesversorgungsamtes (LVersorgA) durch Berichtigungsbescheid vom 4. August 1972 gemäß § 41 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VerwVG-KOV) die früheren Bescheide sowie den Ausführungsbescheid vom 19. Juni 1972 auf. Die Versorgungsleistungen wurden Ende August 1972 eingestellt; die bisher gewährten Leistungen wurden nicht zurückgefordert. Der Widerspruch des Dr. H. blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. November 1972).
Das SG hat ein Gutachten von Prof. Dr. S, Direktor der Medizinischen Universitätsklinik H, eingeholt. Dieser hat die Frage, ob die Anerkennung von venösen Durchblutungsstörungen am linken Bein zweifelsfrei auf einer Fehldiagnose beruht habe, bejaht. Die in den Jahren 1946, 1953 und 1954 erhobenen Befunde sprächen eindeutig und unmißverständlich für arterielle Durchblutungsstörungen; dies sei bereits nach dem damaligen Stand der medizinischen Wissenschaft erkennbar gewesen.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 5. September 1974 abgewiesen. Die Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 14. August 1975 zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach § 41 VerwVG-KOV seien erfüllt; die tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit der früheren Bescheide zum Zeitpunkt ihres Erlasses sei erwiesen. Der Berichtigung stehe auch nicht das rechtskräftige Urteil des SG vom 13. April 1972 entgegen. Das SG habe in diesem Urteil nicht über die Frage entschieden, ob die arteriellen Durchblutungsstörungen Schädigungsfolge seien, sondern allein darüber, daß die Amputation des linken Beines als Verschlimmerung des bisher bindend anerkannten Leidens anzusehen sei und daher in den Versorgungsschutz einbezogen werden müsse. Die Aufhebung der Anerkennung des Grundleidens habe zwangsläufig zur Folge, daß auch die Berichtigung der darauf beruhenden Verschlimmerung zulässig sei, ohne das (erste) Urteil des SG unmittelbar zu berühren.
Gegen dieses Urteil hat Dr. H. Revision eingelegt und diese nach Fristverlängerung begründet. Nach dessen Ableben haben die Kläger als Rechtsnachfolger den Rechtsstreit fortgesetzt.
Sie beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. August 1975 und des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 5. September 1974 sowie des Berichtigungsbescheides vom 4. August 1972 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. November 1972 zu verurteilen, den Klägern als Rechtsnachfolgern den Rentenbetrag zu zahlen, der dem verstorbenen Beschädigten wegen der anerkannten Schädigungsfolgen über den 31. August 1972 hinaus bis zu dessen Tode zugestanden hätte; sowie ab 1. Juni 1969 einkommensabhängige Leistungen, insbesondere einen Berufsschadensausgleich nach dem Vergleichseinkommen der Besoldungsgruppe A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes und einen Pauschbetrag für erhöhten Kleider- und Wäscheverschleiß in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
In ihrer Revisionsbegründung rügen die Kläger eine Verletzung des § 41 Abs. 1 VerwVG und tragen hierzu vor, das LSG habe die Rechtmäßigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Berichtigung zu Unrecht bejaht; einer Berichtigung stehe die rechtskräftige Entscheidung des SG vom 13. April 1972 entgegen. Das SG habe damals den Beklagten verurteilt, bei dem verstorbenen Kläger die "Amputation des linken Oberschenkels" als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen und ihm eine entsprechende Rente zu gewähren. Damit sei durch den Urteilstenor klar und eindeutig ein bestimmter Körperschaden als Schädigungsfolge rechtskräftig anerkannt worden, so daß es einer weiteren Erläuterung oder Ausdeutung durch den Tatbestand oder die Entscheidungsgründe nicht bedürfe.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. August 1975 als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf das seiner Meinung nach widerspruchsfreie, der Sach- und Rechtslage entsprechende Urteil des LSG. Im übrigen verweist er auf ein Urteil des 9. Senats des BSG vom 10. Juni 1975 - 9 RV 420/74 -.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die vom LSG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) ist von dem früheren Kläger frist- und formgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Frist begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die Kläger können als Erben und Rechtsnachfolger (vgl. §§ 56 und 58 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil) des verstorbenen Beschädigten den Rechtsstreit fortsetzen. Die Revision ist daher zulässig (§ 169 SGG); sachlich erweist sie sich jedoch als nicht begründet.
Gemäß § 41 Abs. 1 VerwVG-KOV können Bescheide über Rechtsansprüche zu Ungunsten des Berechtigten von der zuständigen Verwaltungsbehörde geändert oder aufgehoben werden, wenn außer Zweifel steht, daß sie im Zeitpunkt ihres Erlasses tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen sind (vgl. auch § 41 in der Neufassung des Gesetzes vom 6. Mai 1976, BGBl I S. 1169: "... tatsächlich oder rechtlich unrichtig ..."). Das LSG hat zutreffend entschieden, daß diese Voraussetzungen - jedenfalls hinsichtlich des Grundleidens - erfüllt sind. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die von den Klägern nicht angegriffen sind und an die der Senat daher gemäß § 163 SGG gebunden ist, handelte es sich bei den Durchblutungsstörungen am linken Bein des Verstorbenen seit ihrem erstmaligen Auftreten im Jahre 1946 zweifelsfrei um arterielle Durchblutungsstörungen auf dem Boden einer Arteriosklerose bzw. einer Endangiitis obliterans. Zu keiner Zeit hat Dr. H. dagegen an einer traumatisch bedingten venösen Gefäßerkrankung gelitten. Die 1947 ausgesprochene und bis 1968 wiederholte Anerkennung von traumatisch bedingten venösen Durchblutungsstörungen beruhte daher von Anfang an auf einer Fehldiagnose (vgl. BSG 16, 253, 256), die nach den weiteren Feststellungen des LSG bereits 1946/1947 auf Grund des damaligen Standes der medizinischen Wissenschaft richtig hätte getroffen werden können (vgl. BSG SozR VerwVG § 41 Nr. 28). Die hiernach feststehende tatsächliche Unrichtigkeit hat zur Folge, daß die früheren Bescheide auch rechtlich unrichtig sind, denn ein Anspruch auf Anerkennung der Durchblutungsstörungen und auf Gewährung von Versorgung auf Grund des anerkannten Leidens hat zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die Versorgungsverwaltung war daher berechtigt, die zweifelsfrei fehlerhaften Bescheide, mit denen in Wahrheit die (schädigungsunabhängige) arterielle Gefäßerkrankung anerkannt worden war, im Wege des § 41 VerwVG-KOV aufzuheben. Jedenfalls gilt das, wie der Beklagte richtig erkannt hat, für die Zeit seit dem Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes am 1. April 1955 (vgl. BSG SozR VerwVG § 41 Nr. 9).
Der Aufhebung (Berichtigung) der früheren Bescheide hinsichtlich des Grundleidens steht auch nicht das rechtskräftige Urteil des SG vom 13. April 1972 entgegen. Zwar können wegen des Grundsatzes der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung (vgl. Art. 20 des Grundgesetzes - GG -) nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur Bescheide (Verwaltungsakte), nicht aber rechtskräftige Urteile von der Verwaltung "berichtigt" werden (vgl. Schönleiter-Hennig, Das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung 2. Aufl., Erl. 1 zu § 41 unter Hinweis auf BSG 11, 38; 11, 231; 15, 248). Das gilt jedoch nur, soweit die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung reicht und über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Dagegen kann ein Bescheid hinsichtlich derjenigen Grundlagen des Anspruchs erneut überprüft und gegebenenfalls berichtigt werden, die nicht vom Gericht nachgeprüft worden sind und über die auch nicht entschieden worden ist. Diese Auffassung entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des BSG, wonach sich die Rechtskraft eines Urteils nicht ohne weiteres auf alle sachlichen Voraussetzungen eines Klageanspruchs erstreckt (vgl. BSG 24, 13 unter Hinweis auf Stein/Jonas/Pohle, ZPO § 322 Anm. II 2; s. a. BSG 14, 99). Die Verwaltungsvorschrift Nr. 7 zu § 41 VerwVG-KOV gibt daher die Rechtslage richtig wieder; danach ist eine Berichtigung nur insoweit zulässig, als der Anspruch oder eine seiner Grundlagen nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gewesen ist.
In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß das SG in dem rechtskräftigen Urteil vom 13. April 1972 keine Entscheidung darüber getroffen hat, daß die Durchblutungsstörungen Schädigungsfolge sind. Der Gegenstand der Entscheidung war auf die Frage begrenzt, ob die Amputation des linken Oberschenkels als Verschlimmerung des bis dahin bindend anerkannten Grundleidens anzusehen und deshalb als Schädigungsfolge anzuerkennen ist. Der Revision ist zwar einzuräumen, daß der Tenor des Urteils vom 13. April 1972 aus sich heraus verständlich und insoweit auch eindeutig ist. Das bedeutet indessen lediglich, daß die Urteilsformel im Hinblick auf die Verurteilung zur Leistung keiner weiteren Ausdeutung oder Ergänzung bedarf. Urteilstenor und Entscheidungsgründe bilden jedoch eine Einheit (vgl. § 136 Abs. 1 SGG) und dürfen nicht im Widerspruch zueinander stehen. Scheinbare Widersprüche sind aus dem Gesamtinhalt des Urteils - also auch unter Verwertung der Entscheidungsgründe - zu bereinigen (vgl. BSG 14, 99, 102). Auch zur Beantwortung der Frage, inwieweit rechtskräftig über rechtserhebliche Voraussetzungen und Anspruchsgrundlagen entschieden worden ist, muß auf die Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit zurückgegriffen werden (vgl. Peters/Sautter/Wolff SGG § 136 Anm. 4; Eyermann/Fröhler, Kommentar zur VwGO 6. Aufl. § 121 Rdnrn. 24 und 25).
In den Entscheidungsgründen des Urteils vom 13. April 1972 hat das SG ausdrücklich hervorgehoben, daß für die Anerkennung der Amputation als Verschlimmerung des anerkannten Grundleidens ausschließlich "rechtliche Gründe" maßgebend gewesen sind. Daraus kann - im Gegensatz zur Revision - keinesfalls der Schluß gezogen werden, das SG habe damit zugleich auch über die Frage der wehrdienstbedingten Entstehung des Grundleidens entschieden. Jeder Zweifel wird dadurch ausgeräumt, daß das SG weiterhin ausdrücklich betont hat, aus medizinischer Sicht sei nicht wahrscheinlich, daß zwischen der arteriellen Gefäßkrankheit und Einflüssen des Wehrdienstes ein ursächlicher Zusammenhang bestehe; die Fortentwicklung dieser Erkrankung - d. h. die Amputation mit ihren Folgen - müsse jedoch "solange" in den Versorgungsschutz einbezogen werden, wie die Anerkennung des Grundleidens bestehe. Die Anerkennung der Durchblutungsstörungen ist also vom SG gerade nicht ausgesprochen, sondern bewußt - und für die Beteiligten erkennbar - in Zweifel gezogen worden.
Der Auffassung, die Versorgungsverwaltung habe die Anerkennung des Grundleidens im Wege des § 41 VerwVG-KOV aufheben dürfen, steht auch das Urteil des 7. Senats des BSG vom 16. November 1961 (BSG 15, 248) nicht entgegen. Nach diesem Urteil kann die Anerkennung eines Leidens als Schädigungsfolge dann nicht durch einen Berichtigungsbescheid (§ 41 VerwVG) zurückgenommen werden, wenn die Versorgungsverwaltung unter Berufung auf die Bindungswirkung des bisherigen Bescheides verurteilt worden war, dieses Leiden weiterhin als Schädigungsfolge anzuerkennen. Der Sachverhalt dieses Verfahrens war dadurch gekennzeichnet, daß das SG die Versorgungsverwaltung in einem Vorprozeß rechtskräftig verurteilt hatte, das bisher als Schädigungsfolge anerkannte Leiden auch weiterhin als Schädigungsfolge anzuerkennen, weil keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, so daß die Verwaltung an ihr bisheriges Anerkenntnis gebunden sei (§ 85 BVG). Das SG hatte also damals im Vorprozeß über die (fortbestehende) Anerkennung des Grundleidens entschieden; diese Frage war Gegenstand des (ersten) gerichtlichen Verfahrens. Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall in dem entscheidenden Punkt: Das SG hat in seinem ersten Urteil (vom 13. April 1972) gerade nicht über die bislang anerkannten Gesundheitsstörungen, sondern lediglich über deren zwangsläufige Folge - "... die diesem Prozeß eigentümliche Entwicklung ..." - entschieden. Das zugrunde liegende Anerkenntnis der arteriellen Durchblutungsstörungen, auf das sich die Verurteilung stützt - weil sich das LSG "aus Rechtsgründen" daran gebunden sah -, ist jedoch nicht Gegenstand des SG-Urteils gewesen.
Das Urteil des SG vom 13. April 1972 steht dem Erlaß des angefochtenen Berichtigungsbescheides auch nicht insoweit entgegen, als damit die Anerkennung der Amputation als weitere Schädigungsfolge rückgängig gemacht und der Ausführungsbescheid vom 19. Juni 1972 aufgehoben worden ist. Zwar war die Frage, ob die Amputation als Verschlimmerung des bisherigen Versorgungsleidens anzuerkennen und entsprechend zu berenten war, Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung. Durch die (rechtlich zulässige) Berichtigung der früheren Bescheide ist jedoch dem Grundrechtsverhältnis (Versorgungsverhältnis) der Boden entzogen worden. Die Versorgungsverwaltung und die Vorinstanzen haben nur die Konsequenzen aus der Aufhebung des Grundanspruchs gezogen und damit der Entscheidung des SG vom 13. April 1972 Rechnung getragen. Die Rechtskraft dieses Urteils, dessen Umfang sich nach den obigen Ausführungen aus Entscheidungssatz und Entscheidungsgründen ergibt, ist dadurch nicht beeinträchtigt worden. War aber der Beklagte berechtigt, das Versorgungsrechtsverhältnis in seinen Grundlagen zu beseitigen und ergab sich daraus als zwangsläufige Folge der Wegfall der darauf gegründeten Folgeentscheidungen, dann war die Verwaltungsbehörde nicht verpflichtet, gegen das Urteil des SG vom 13. April 1972 zunächst Berufung einzulegen, um noch während des Rechtsmittelverfahrens den Berichtigungsbescheid zu erlassen.
Die Rechtslage ist nicht anders zu beurteilen, als wenn die Versorgungsverwaltung - nach bindender Anerkennung eines Versorgungsanspruchs - in einem streitigen Verfahren rechtskräftig verurteilt wird, dem Beschädigten einkommensabhängige Leistungen, z. B. einen Berufsschadensausgleich, zu gewähren. Wird später im Wege der Berichtigung nach § 41 VerwVG-KOV die Anerkennung des Grundleidens aufgehoben, so kann auch die Verurteilung zur Gewährung der einkommensabhängigen Leistungen keinen Bestand haben. So hat der 9. Senat des BSG entschieden (vgl. SozR 3900 VerwVG § 41 Nr. 1), daß die Versorgungsverwaltung nicht deshalb gehindert ist, rechtsverbindliche Bescheide über wehrdienstbedingte Schädigungsfolgen gemäß § 41 VerwVG zu berichtigen, weil zu dem Versorgungsrechtsverhältnis eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung lediglich über die Erhöhung der MdE ergangen ist. Der 9. Senat des BSG hat dabei hervorgehoben, daß die Schädigungsfolgen als solche bereits vorher von der Versorgungsbehörde verbindlich anerkannt worden waren. Die Basis des Versorgungsrechtsverhältnisses, welche jetzt im Wege der Berichtigung rückwirkend beseitigt werden sollte, wurde mithin als zugesichert vorausgesetzt. Diese Grundlage war nicht Gegenstand des Urteils (über die Erhöhung der MdE) gewesen; an ihr sollte und konnte das richterliche Erkenntnis nichts ändern. Folglich vermochte die Versorgungsverwaltung - ebenso wie in dem vorliegenden Fall - über diese Anspruchsgrundlagen im Rahmen des § 41 VerwVG-KOV zu verfügen (vgl. auch Beschluß BSG vom 16. Mai 1975 - 9 RV 320/74 -; vom 10. Juni 1976 - 10 BV 247/76 -).
Das LSG hat die Voraussetzungen, welche die Geltendmachung des Berichtigungsrechts als mißbräuchlich erscheinen lassen könnten, zutreffend verneint. Die Versorgungsverwaltung hat weder eine unangemessen lange Zeit verstreichen lassen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 10. Juni 1976 - 10 RV 203/75 -), noch hat sie sich zu ihrem früheren Verhalten in rechtlich unzulässiger Weise in Widerspruch gesetzt (vgl. BSG 35, 91 m. w. N.). Die Versorgungsverwaltung hat erst während des (ersten) sozialgerichtlichen Verfahrens von der früheren Fehldiagnose in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise Kenntnis erlangt (vgl. § 41 Abs. 1 VerwVG-KOV). Den Ausführungsbescheid vom 19. Juni 1972 hat sie nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme bereits mit dem Berichtigungsbescheid vom 4. August 1972 aufgehoben, zu dem sie vorher die Zustimmung des LVersorgA einholen mußte (vgl. § 41 Abs. 2 VerwVG-KOV). Von einer Rückforderung der gewährten Leistungen hat die Versorgungsverwaltung insgesamt abgesehen. Daher stellt sich auch nicht die Frage, ob und für welche Zeiträume die Versorgungsverwaltung an einer Rückforderung gehindert wäre. Ein Anspruch auf Zahlung von einkommensabhängigen Leistungen für die Zeit ab 1. Juni 1969 besteht nicht, da der Berichtigungsbescheid rechtmäßig und somit das Versorgungsverhältnis rückwirkend aufgehoben ist.
Die Revision der Kläger erweist sich daher als unbegründet und ist zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen