Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszuschuß zu einer Höherversicherungsrente
Orientierungssatz
Es gehört zu den "Voraussetzungen für den Bezug einer Rente" iS des RVO § 381 Abs 4 S 1, die für einen Anspruch auf Beitragszuschuß erfüllt sein müssen, auch die versicherungsrechtliche Bedingung der erfüllten Wartezeit. Dasselbe gilt für den Anspruch auf Beitragszuschuß, der sich auf RVO § 381 Abs 4 S 2 gründet, weil beide Vorschriften sich auf den gleichen Personenkreis beziehen.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1967-12-21, S. 2 Fassung: 1956-06-12
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 1975 und das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 7. Februar 1974 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Beitragszuschusses zu einer Rente aus der Höherversicherung (HV).
Die am 19. September 1900 geborene Klägerin ist bei der beigeladenen Krankenkasse seit 1948 freiwillig gegen Krankheit versichert. Sie war in den Jahren 1917 bis 1919 und 1941 bis 1944 versicherungspflichtig tätig. In der Zeit von Juli 1942 bis Juli 1944 entrichtete sie neben Pflichtbeiträgen freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung. Ihren Rentenantrag vom 25. Juni 1971 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Januar 1972 ab, weil nur eine Versicherungszeit von 55 Kalendermonaten nachgewiesen und damit die Wartezeit nicht erfüllt sei. Während des Klageverfahrens erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 12. November 1973 den Anspruch aus den HV-Beiträgen an und gewährte der Klägerin ab 1. Juli 1971 Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von vierteljährlich 6,- DM. Gleichzeitig wies sie die Klägerin darauf hin, daß die Rente keinen Anspruch auf kostenlose Mitgliedschaft in der Rentnerkrankenversicherung (KVdR) begründe. Die Klägerin hat deshalb vor dem Sozialgericht (SG) beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr die kostenlose Mitgliedschaft in der KVdR zu gewähren. Das SG Speyer hat durch Urteil vom 7. Februar 1974 die Beklagte entsprechend verurteilt. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat dieses Urteil geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Juli 1971 einen Beitragszuschuß zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung zu gewähren (Urteil vom 26. Juni 1975). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Es widerspreche nicht dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, eine Rente allein aus HV-Beiträgen als Grundlage für einen Beitragszuschuß anzusehen. Das zeige die erst 1972 durch das Rentenreformgesetz (RRG) eingeführte Verknüpfung von Rente aus Grundbeiträgen und Rente aus HV-Beiträgen; denn erst seither sei eine "Rente aus der Rentnerversicherung" nach § 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) eindeutig und zwingend eine Rente aus Grundbeiträgen. Für die vorhergehende Zeit fehle es an einer entsprechenden Regelung. Auch aus dem Wesen der HV lasse sich nichts anderes herleiten. Eine Beschränkung von Ansprüchen im Rahmen der KVdR auf Höherversicherte mit Anspruch auf Rente aus Grundbeiträgen sei so einschneidend, daß sie nur durch ausdrückliche gesetzliche Regelung habe erfolgen können. Das sei erst mit der Neufassung des § 72 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) durch das RRG geschehen. Ein Rechtsmißbrauch liege nicht vor; denn die Klägerin habe die zusätzlichen freiwilligen Beiträge neben Pflichtbeiträgen schon zu einer Zeit geleistet, als an die Rentenreform noch nicht zu denken gewesen sei. Die Klägerin habe somit Anspruch auf den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision. Sie rügt Verletzung des § 381 Abs. 4 RVO. Sie meint, eine Rentenleistung nur aus Beiträgen zur HV sei keine Rente i. S. der Vorschriften über die KVdR, weil die HV vom Wesen her nur eine Zusatzversicherung sei. Die Leistungen der KVdR hätten aber schon immer dem Zweck gedient, die Unterhaltsfunktion der Grundrente zu erweitern. Es widerspreche den Zielen der Sozialversicherung, zusätzliche Leistungen zur Absicherung gegen Risiken im Krankheitsfall zu gewähren, wenn eine der Unterhaltsfunktion entsprechende Rente nicht vorhanden sei. Auch sei es mit dem Prinzip der Solidaritätshaftung unvereinbar, auf Kosten der Versichertengemeinschaft Leistungen zu beanspruchen, zu denen nicht ausreichend durch individuelle Beitragsleistungen beigetragen worden sei.
Die Beklagte beantragt,
die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Unter Berücksichtigung von inzwischen seitens der Klägerin nachentrichteten Beiträgen hat die Beklagte während des Revisionsverfahrens mit Bescheid vom 24. November 1975 den Rentenanspruch aus Grundbeiträgen anerkannt und gewährt der Klägerin seit 1. Oktober 1974 ein entsprechendes Altersruhegeld.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Streitgegenstand ist nicht der erst nach dem Ergehen des LSG-Urteils aufgrund einer Beitragsnachentrichtung erlassene Bescheid der Beklagten vom 24. November 1975. Dieser Bescheid hat zwar den von der Klägerin mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 12. November 1973 ersetzt. Er wird aber nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, sondern gilt nach § 171 Abs. 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten. Streitig und deshalb allein zu entscheiden ist mithin lediglich die Frage, ob der Klägerin ein Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO zu der ihr mit Bescheid vom 12. November 1973 gewährten Rente aus der HV zusteht. Entgegen der Auffassung des LSG ist das nicht der Fall.
Die von der Klägerin in den Jahren 1942 und 1943 neben Pflichtbeiträgen entrichteten freiwilligen Beiträge zur Angestelltenversicherung waren lediglich zusätzliche Zahlungen des Versicherten. Diese damals mögliche "Überversicherung" sollte eine Erhöhung der ihm später aus den entrichteten Grundbeiträgen zustehenden Rente herbeiführen. Dementsprechend gelten diese zusätzlich entrichteten freiwilligen Beiträge der Klägerin nach Art. 2 § 15 Abs. 2 Satz 1 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) als Beiträge der dann 1951 eingeführten HV. Die von der Beklagten mit Bescheid vom 12. November 1973 festgestellte Leistung aus dieser HV ist jedoch nicht als Rente i. S. des § 381 Abs. 4 RVO anzusehen.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift hängt die Berechtigung zum Beitragszuschuß, soweit es sich, wie hier, um eine Rente aus der Rentenversicherung der Angestellten handelt, davon ab, daß "die Voraussetzungen für den Bezug ... eines Ruhegeldes oder einer Hinterbliebenenrente" erfüllt sind (§ 381 Abs. 4 Satz 1 RVO) oder daß es sich um "Empfänger von Renten oder Hinterbliebenenrenten" handelt (§ 381 Abs. 4 Satz 2 RVO). Obwohl einerseits in der Formulierung des Satzes 1 das Wort "Rente" und andererseits in der Formulierung des Satzes 2 das Wort "Ruhegeld" nicht verwendet wird, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß beide Vorschriften den Anspruch auf Beitragszuschuß nicht an unterschiedliche, sondern an dieselben Versicherungsleistungen aus der Angestelltenversicherung knüpfen wollen, und zwar an Rentenleistungen i. S. des § 22 und des § 40 Abs. 1 AVG. Der Senat hat bereits in dem Urteil vom 21. März 1961 (BSG 14, 112, 115, 116) eingehend dargelegt, daß sich aus der unterschiedlichen Formulierung keine sachliche Differenzierung herleiten läßt. Der Senat hat diese Entscheidung auch späterhin aufrechterhalten (vgl. BSG 26, 73, 76). Sie hat im Schrifttum keinen Widerspruch gefunden (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl. 1975, § 381 Anm. 7 b; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 8. Aufl. 1975 S. 452 f II; Schlemmer/Zaft, Fortbildung und Praxis, Krankenversicherung der Rentner S. 90), so daß sie als Ergebnis gesicherter Rechtsprechung anzusehen ist. Schon daraus folgt, daß die Wortfassung des § 381 Abs. 4 RVO für sich allein nicht hinreichend darüber Auskunft gibt, welche Leistungen aus der Angestelltenversicherung geeignet sind, den Anspruch auf Beitragszuschuß auszulösen, und insbesondere, ob auch eine Zahlung, die ausschließlich auf der Entrichtung von HV-Beiträgen beruht, dazu geeignet sein kann. Unter diesen Umständen ist es erforderlich, den Norminhalt unter Beachtung der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung sowie seiner Einbettung in das Gefüge der Gesamtregelung der Sozialversicherung zu erschließen.
Die gesetzliche Regelung der HV geht zurück auf einen Antrag im Ersten Deutschen Bundestag (Drucks. Nr. 1323), der in §§ 2 und 3 die Einführung eines bestimmten HV-Beitrags vorsah und in § 4 die leistungsrechtlichen Folgen einer solchen Beitragszahlung regelte. Dazu schlug der Entwurf vor, für jeden HV-Beitrag einen Steigerungsbetrag von einem Sechstel der Beitragssumme festzusetzen und diesen zusätzlich zur Mindestrente nach dem Sozialversicherungsanpassungsgesetz zu gewähren, "wenn diese Rente zu zahlen ist". Diese Konzeption macht deutlich, daß die HV nur dazu dienen sollte, zu der eigentlichen Rente einen finanziellen Zuschlag zu bieten. Diese Zweckbestimmung ist auch bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs klargestellt (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode 1949, 87. Sitzung, S. 3249) und es ist betont worden, daß gegen die Leistung aus der HV keine versicherungstechnischen Bedenken bestehen, weil sie nur neben der Mindestrente gewährt werden sollte. Der Ausschuß für Sozialpolitik legte jedoch einen neuen Entwurf vor (Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucks. Nr. 1745), der die Leistungsgewährung änderte. Danach wurden zwar gleicherweise die HV-Beiträge mit Steigerungsbeträgen entgolten, jedoch nicht in gleichmäßiger, sondern in differenzierter Höhe. Weiter sah dieser Entwurf vor (vgl. § 4 Abs. 2), daß die Gewährung der Steigerungsbeträge nicht an die Erfüllung der Wartezeit und an die Erhaltung der Anwartschaft gebunden wird und daß die Steigerungsbeträge, sofern sie geringeren Umfang haben, auch jährlich oder als einmalige Abfindung ausgezahlt werden können. Mit diesem Inhalt ist der Entwurf - einstimmig - Gesetz geworden (Gesetz über die HV in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten vom 14. März 1951 - BGBl I 188 -). Die Änderung entgegen dem Entwurf ist damit begründet worden, daß die HV nur eine zusätzliche Versicherungsart zu den Grundversicherungsarten (Pflicht-, Selbst- und Weiterversicherung) darstelle und daß für die HV nur Steigerungsbeträge zu zahlen seien (Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, 111. Sitzung, S. 4190). Da der Versicherte nur mit seinen Grundbeiträgen die Voraussetzungen für Rentenleistungen erfüllen könne, könnten die HV-Beiträge anders als die Grundbeiträge entgolten werden und die HV-Leistung brauche nicht an die Erfüllung der Wartezeit oder Aufrechterhaltung der Anwartschaft gebunden zu werden. Der Gesetzgeber hat mithin deutlich zwischen der eigentlichen Rente, die auf Beiträgen nach den Grundversicherungsarten beruhte, die Erfüllung versicherungstechnischer Voraussetzungen - nach damaligem Recht Wartezeit und Anwartschaft - erforderte und die sich aus einem für alle Versicherten gleichen Grundbetrag und dem nach der individuellen Beitragsleistung bemessenen Steigerungsbetrag errechnete, und der bloßen HV-Leistung unterschieden. Diese gestaltete er nur als Zusatzzahlung aus, die sich aus den Steigerungsbeträgen für die einzelnen entrichteten HV-Beiträge zusammensetzte. Sie war somit als Leistung von den Grundbeiträgen versicherungsmäßig unabhängig und konnte demgemäß auch für sich allein - ohne Bestehen eines eigentlichen Rentenanspruchs - gezahlt werden.
In dieser Gestalt bestand die gesetzliche Regelung noch, als die Rentnerkrankenversicherung durch das Gesetz über KVdR vom 12. Juni 1956 (BGBl I 500) neu geordnet und dabei der Beitragszuschuß zur Rente (§ 381 Abs. 4 RVO) eingeführt wurde. Wenn auch bei diesem Gesetzgebungswerk umstritten war, ob die Versicherungspflicht sich nur auf Rentner mit hinreichender Vorversicherungszeit erstrecken (vgl. Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode 1953, Drucksachen Nr. 1234, 2256, zu 2256) oder ob sie alle Rentner erfassen sollte (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, 141. Sitzung, Anlage 4 S. 7348), so bestand doch allseits darin Übereinstimmung, daß die neue Regelung an die seit 1941 bestehende KVdR anknüpfte. Danach kamen aber als Rentner nur Personen in Frage, die die versicherungsrechtlichen Rentenvoraussetzungen (Wartezeit und Anwartschaft) erfüllt hatten. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber des Gesetzes über KVdR die Berechtigung zum Pflichtbeitrag (§ 381 Abs. 2 RVO) oder zum Beitragszuschuß (§ 381 Abs. 4 RVO) einem anderen Personenkreis hätte zubilligen wollen, zumal zu diesem Zeitpunkt die Vorschriften über Regelleistungen aus der Rentenversicherung - nach jetzigem Recht § 12 Nr. 5 AVG, nach damaligem Recht § 23 AVG a. F. - Aufwendungen für die Rentnerkrankenversicherung noch nicht erwähnten. Weder aus dem Gesetzentwurf zur Neuregelung der KVdR noch aus den Begründungen dazu läßt sich auch nur ein Hinweis darauf entnehmen, daß die Bezieher eines bloßen Steigerungsbetrages aus der HV dem Kreis der eigentlichen Rentenbezieher gleichgestellt werden sollten. Es hätte auch keinerlei Veranlassung für eine solche Maßnahme bestanden. Es war und ist ein Wesensmerkmal der gesetzlichen Rentenversicherung, die wichtigste Leistung aus diesem Versicherungszweig - die Rente - nur den Versicherten zu gewähren, die zuvor ein Versicherungsrisiko erfüllt hatten, um auf diesem Wege unangemessene Inanspruchnahmen der Rentenversicherung zu vermeiden. Der Grund dafür liegt darin, daß diese Sozialversicherungsleistung sowohl ihrer Entstehung als auch ihrer Berechnung nach dem sozialen Ausgleich zu dienen bestimmt ist. Das Versicherungsrisiko findet seinen versicherungstechnischen Ausdruck neben anderem in der Bedingung der Wartezeit. Zur Erfüllung dieser Bedingung taugen jedoch nur Grundbeiträge, denn nur sie sind sozialadäquat, weil sie auf das Beschäftigungsverhältnis zurückgehen und sich auch der Höhe nach an dem Arbeitsentgelt orientieren. Das gleiche galt nach damaligem Recht für die freiwilligen Beiträge (§ 185 AVG a. F), weil auch sie entsprechend der Höhe des Einkommens entrichtet werden mußten. Im Gegensatz dazu standen die Beiträge zur HV. Sie waren weder an ein Beschäftigungsverhältnis noch an eine Einkommenshöhe gebunden, sondern konnten völlig frei gewählt werden. Da sie ohne das Versicherungsrisiko der Wartezeiterfüllung zu einer Leistung führten, die nach rein versicherungsmathematischen Grundsätzen bemessen war, boten sie für das Prinzip des sozialen Ausgleichs keinen Anwendungsraum; die Zahlung aus den Steigerungsbeträgen hatte demgemäß nicht den Charakter einer sozialadäquaten Leistung. Sie konnte mithin auch nicht dieselben Rechtsfolgen wie eine solche Leistung auslösen. Der Gesetzgeber der KVdR beabsichtigte, der Gruppe der (damals) Pflichtversicherten eine kostenfreie Rentnerkrankenversicherung zu verschaffen, und er gewährte den Nichtpflichtversicherten den Beitragszuschuß aus Gründen der Gleichbehandlung (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, 141. Sitzung, S. 7277 D, 7278 A). Diese Vergünstigungen fanden ihre Rechtfertigung in der wirtschaftlich ungünstigen Lage der Rentner. Sie waren mithin sozial begründet und konnten demgemäß nur für diejenigen in Betracht kommen, bei denen die sozialadäquaten Leistungsvoraussetzungen - Grundbeiträge, Wartezeit - erfüllt waren (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 29. April 1976 - 4 RJ 165/75 - über die Frage des Kinderzuschusses zur HV-Leistung).
An dieser Rechtslage hat sich durch den Erlaß der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze im Prinzip nichts geändert. Auch danach konnten HV-Beiträge nicht für sich allein entrichtet werden (§ 11 AVG), Leistungen aus der HV hingegen waren selbst bei Nichterfüllung der Wartezeit zu gewähren. Das Gesetz hat zwar für diese Leistung aus der HV auch die Bezeichnung "Rente" verwendet - § 23 Abs. 4, § 24 Abs. 4, § 40 Abs. 3 AVG -, jedoch war mit dieser Textfassung, die überdies auch schon zuvor an einer einzelnen Stelle (§ 5 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes vom 14. März 1951) Verwendung gefunden hatte, kein Funktionswandel der Leistung verbunden. Für die eigentliche Rente blieb aber auch nach der Rentenreform 1957 die Erfüllung der Wartezeit als Anspruchsvoraussetzung bestehen.
Schließlich zeigt die für die HV-Leistung vorgesehene Berechnungsmethode (§ 38 AVG schreibt lediglich die Gewährung von Steigerungsbeträgen auf die gezahlten HV-Beiträge vor), die im Gegensatz zur Berechnungsweise der auf Grundbeiträgen beruhenden Rente (vgl. §§ 30 bis 37 b, 49 AVG), steht, daß die bloße Leistung aus der HV einen anderen Rechtscharakter hat als die Rente i. S. der §§ 22, 40 Abs. 1 AVG (vgl. dazu BSG SozR Nr. 19 zu § 183 RVO). In diesem Zusammenhang erlangt die Vorschrift des § 49 Abs. 3 AVG besondere Bedeutung, denn sie schließt Leistungen aus der HV von den gerade für das neue Rentensystem typischen Maßnahmen der Rentendynamik aus.
Spätere Änderungen des Rentenversicherungsrechts haben an der rechtlichen Verschiedenheit zwischen reiner HV-Leistung und eigentlicher Rente nichts geändert. Auch aus der durch das RRG erfolgten Neufassung des § 72 AVG läßt sich nur eine Bestätigung der bisherigen Rechtslage ableiten, denn der Gesetzgeber hat damit die rechtliche Differenzierung zwischen der HV-Leistung und der Rente aus Grundbeiträgen für die Zukunft noch deutlicher herausgestellt.
Nach alledem gehört zu den "Voraussetzungen für den Bezug einer Rente" i. S. des § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO, die für einen Anspruch auf Beitragszuschuß erfüllt sein müssen, auch die versicherungsrechtliche Bedingung der erfüllten Wartezeit. Dasselbe gilt für den Anspruch auf Beitragszuschuß, der sich auf § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO gründet, weil beide Vorschriften sich auf den gleichen Personenkreis beziehen. Die Klägerin hat aber vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nur eine Versicherungszeit von 55 Monaten zurückgelegt. Damit war die Wartezeit für eine Rente aus der Grundversicherung nicht erfüllt. Es sind auch keine Tatsachen ersichtlich, nach denen sie als erfüllt gelten könnte. Die Klägerin gehört deshalb nicht zu dem Personenkreis, der Ansprüche nach § 381 Abs. 4 RVO erheben kann. Die Revision der Beklagten mußte mithin Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen