Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin im Sommersemester 1990 in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS) versicherungspflichtig und von der Versicherungspflicht zu befreien war.
Die 1969 geborene Klägerin stammt aus Ungarn. Da sie für die Zulassung zum Hochschulstudium in Deutschland einen dem Reifezeugnis gleichwertigen Schulabschluß nicht aufzuweisen hatte, besuchte sie zunächst das Studienkolleg für ausländische Studierende an der Universität B …, auch im Sommersemester 1990. Aufgabe des Studienkollegs war es ua, ausländischen Studienbewerbern die Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die für ein Fachstudium an einer deutschen Hochschule erforderlich waren. Während des Kollegbesuchs war die Klägerin an der Universität eingeschrieben und hatte einen Studentenausweis erhalten, in dem als angestrebter Abschluß „Feststellungsprüfung”, als Studienfach „Studienkolleg” und für das Sommersemester 1990 als Semester „02” angegeben war. Die Klägerin legte im Sommer 1990 mit Erfolg die Feststellungsprüfung über die Eignung zur Aufnahme des Studiums ab und wurde von der Universität zum Wintersemester 1990/91 für den Studiengang Rechtswissenschaft zugelassen.
Während des Sommersemesters 1990 war die Klägerin bei einem Versicherungsunternehmen privat krankenversichert. Dort wollte sie wie die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreiten Studenten eingestuft werden. Daher beantragte sie bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse die Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdS. Mit Bescheid vom 12. Juni 1990 und Widerspruchsbescheid vom 22. August 1990 lehnte die Beklagte die Befreiung ab, weil die Klägerin im Sommersemester 1990 noch nicht als Studentin versicherungspflichtig gewesen sei und daher auch von einer solchen Versicherungspflicht nicht befreit werden könne.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Aufhebung des Bescheides und Erteilung der Befreiung von der Versicherungspflicht für das Sommersemester 1990 mit Urteil vom 21. Januar 1991 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 10. Oktober 1991 zurückgewiesen. Wer wie die Klägerin ein Fachstudium erst aufnehmen könne, wenn eine Feststellungsprüfung die Eignung für die Aufnahme eines Fachstudiums ergeben habe, sei noch kein Student.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie eine Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 9 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) rügt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 10. Oktober 1991 und das Urteil des SG vom 21. Januar 1991 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12. Juni 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 1990 zu verurteilen, sie (die Klägerin) für das Sommersemester 1990 von der Versicherungspflicht in der KVdS zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Vorinstanzen sind zutreffend von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Verurteilung zur Befreiung begehrt wird (§ 54 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Die Klägerin behauptet, durch den angefochtenen Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Dazu reicht es aus, daß sie sich gegen die Versagung der Befreiung wendet und deren Erteilung begehrt, weil sie danach in ihrer privaten Krankenversicherung einen günstigeren Tarif erhält.
Der angefochtene Bescheid ist, wie LSG und SG richtig entschieden haben, nicht rechtswidrig. Die Klägerin gehörte im Sommersemester 1990 nicht zu den Studenten, die nach § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 1 SGB V an staatlichen Hochschulen eingeschrieben und damit versicherungspflichtig waren, und konnte daher auch nicht befreit werden. Zu den Studenten iS der genannten Vorschrift gehören ungeachtet einer Einschreibung an der Universität und einer gewissen Gleichstellung mit Studenten nicht Personen, die ein Studienkolleg besuchen und ein sogenanntes Feststellungsverfahren durchlaufen, um die Eignung, hier einen dem Reifezeugnis entsprechenden Abschluß, für ein Fachstudium zu erwerben oder bestätigt zu bekommen.
Mit dem Inkrafttreten des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V am 1. Januar 1989 ist in der KVdS hinsichtlich des versicherungspflichtigen Personenkreises der „eingeschriebenen Studenten” an den Hochschulen gegenüber der früheren Regelung in § 165 Abs 1 Nr 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) keine sachliche Änderung eingetreten. Auch unter der Geltung dieser früheren Vorschrift gehörten die Besucher eines Studienkollegs nicht zu den versicherungspflichtigen Studenten. Dieses ergibt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536).
Die Fassung des Gesetzes geht insofern auf den Bericht des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 7/3640) zurück. Ihm lagen der vom Bundesrat eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten (KVSt, BT-Drucks 7/2519) und der von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachte Entwurf eines KVSG (BT-Drucks 7/2993) vor. Den letztgenannten Entwurf machte der Ausschuß zur Grundlage seiner Beratung und Beschlußfassung. In der Begründung zu diesem Entwurf hatte es geheißen (BT-Drucks 7/2993 S 8 unter II. § 1 zu Nr 1 – § 165 RVO – Buchst a): Die Beschreibung des versicherten Personenkreises folge dem im Hochschulrecht üblichen Sprachgebrauch. Durch den Begriff „eingeschriebene Studenten” sei gewährleistet, daß die in § 39 des Entwurfs eines Hochschulrahmengesetzes (HRG) – BT-Drucks 7/1328 – genannten Studenten von der Einschreibung an während der Dauer des gesamten Studiums versichert würden. Studenten an privaten, nicht staatlich anerkannten Einrichtungen würden nicht von der Versicherungspflicht erfaßt. Ebenso fielen Gasthörer an Hochschulen sowie Schüler allgemeinbildender Schulen nicht unter den versicherungspflichtigen Personenkreis. – In dem erwähnten § 39 des Entwurfs eines HRG waren als Mitglieder der Hochschule auch die eingeschriebenen Studenten bezeichnet. In der Begründung dazu hatte gestanden (BT-Drucks 7/1328 S 62 zu § 39): Die an der Hochschule eingeschriebenen Studenten seien deren Mitglieder, auch solange sie im Rahmen eines Fernstudiums nicht am Hochschulort studierten. Die im Rahmen eines Aufbaustudiums (§ 11 Abs 5) oder eines weiterbildenden Studiums (§ 22) Eingeschriebenen seien ebenfalls Hochschulmitglieder. – Aus diesem Entwurf eines HRG selbst läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob Besucher eines Studienkollegs wenigstens hochschulrechtlich zu den Studenten zählen sollten, wenn auch die sonstige Begründung eher dagegen spricht. Sie läßt erkennen, daß die Zulassung zum Studium davon abhing, daß die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt waren und zwischen Studenten und Studienbewerbern unterschieden wurde. Im übrigen ist fraglich, ob einer hochschulrechtlichen Zurechnung von Personen zum Kreis der Studenten oder einer Anknüpfung allein an die Einschreibung für die Sozialversicherung ausnahmslos zu folgen wäre.
Entscheidend gegen die Behandlung der Besucher eines Studienkollegs als eingeschriebene Studenten und ihre Versicherungspflicht spricht die durch § 1 Nr 6 Buchst a) KVSG eingeführte Regelung des § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO. Danach konnten Personen, die an studienvorbereitenden Sprachkursen oder Studienkollegs teilnahmen, der Versicherung lediglich freiwillig beitreten. Diese Regelung war während der Beratungen des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in den Gesetzentwurf eingefügt worden. Mit ihr sollte nach dem Ausschußbericht (BT-Drucks 7/3640, S 6 zu Nr 6 Buchst a) dieses Beitrittsrecht solchen Personen den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung eröffnen, die zur Vorbereitung auf ihr Studium Studienkollegs besuchten oder an Sprachkursen teilnahmen, durch die sie die für ihr Studium notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache erwarben; das Beitrittsrecht stehe auch Ausländern zu, die an derartigen Veranstaltungen teilnähmen. – Damit hat sich der Ausschuß erkennbar eine in der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Bildung und Wissenschaft enthaltene Anregung zu eigen gemacht, nach der beitrittsberechtigt ua Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen werden sollten, ferner Ausländer, wenn sie Studienkollegs besuchten oder sich als Studienbewerber zur Vorbereitung der Sprachprüfung an den Universitäten der Bundesrepublik Deutschland aufhielten (BT-Drucks 7/3640, S 3, rechte Spalte Mitte).
Hiernach gehörten ausländische Besucher eines Studienkollegs auch dann, wenn es an der Universität bestand, nicht zu den nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO versicherungspflichtigen eingeschriebenen Studenten. Aus diesem Grund war ihnen gerade das Beitrittsrecht (zur freiwilligen Versicherung) nach § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO eingeräumt worden. Diese Entscheidung hatte der Gesetzgeber für die gesetzliche Krankenversicherung selbst getroffen und sie nicht dem Hochschulrecht und seiner Entwicklung überlassen. Wenn daher Besucher eines Studienkollegs hochschulrechtlich ähnlich wie Studenten behandelt wurden, die ein Fachstudium absolvierten, so war das auf ihre krankenversicherungsrechtliche Einordnung ohne Einfluß. Die Regelungen in § 165 Abs 1 Nr 5 RVO und § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO lassen nicht erkennen, daß der Gesetzgeber iS einer dynamischen Verweisung bei der krankenversicherungsrechtlichen Einordnung der Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen der Entwicklung des Hochschulrechts hat folgen sowie eine Erweiterung des Kreises der versicherungspflichtigen Studenten (§ 165 Abs 1 Nr 5 RVO) unter entsprechender Auszehrung des Kreises der lediglich Beitrittsberechtigten (§ 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO) hat zulassen wollen.
Mit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) ist das bisher in § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO geregelte Beitrittsrecht ersatzlos entfallen. Da dieses für die meisten anderen Beitrittsrechte des § 176 RVO ebenfalls galt und eine Einschränkung des Zugangs zur Versicherung beabsichtigt war (vgl den Entwurf des GRG BR-Drucks 200/88 = BT-Drucks 11/2237, jeweils S 160 zu § 9 Abs 1), lag kein Versehen des Gesetzgebers vor. Es spricht auch nichts dafür, daß statt dessen der Kreis der versicherungspflichtigen Studenten um die Studienkollegiaten erweitert werden sollte. Vielmehr ist bei Studenten die Versicherungspflicht ihrerseits durch eine Höchstdauer des Fachstudiums und eine Altersgrenze in § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V eingeschränkt worden. Demnach sind Personen wie die Klägerin nach neuem Recht weder versicherungspflichtig noch versicherungsberechtigt. Dieser Auffassung sind auch Bundesrat und Bundesregierung. Der Bundesrat hat im Jahre 1991 in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Zweiten Änderungsgesetzes zum SGB V empfohlen, den Katalog der Versicherungsberechtigungen (§ 9 Abs 1 SGB V) um ein Beitrittsrecht für Personen zu erweitern, die an studienvorbereitenden Sprachkursen oder Studienkollegs teilnehmen (BT-Drucks 12/1363 S 9 zu Art 1 vor Nr 1). Das Beitrittsrecht des § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 RVO sei entfallen und die Studienkollegiaten gehörten nicht zum Kreis der versicherungspflichtigen Studenten nach § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V; es handele sich vielmehr um Teilnehmer an studienvorbereitenden Maßnahmen, deren erfolgreicher Abschluß erst die Voraussetzung für ein Fachstudium bilde, das dann Versicherungspflicht auslöse. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung dem Vorschlag des Bundesrats widersprochen (BT-Drucks 12/1363 S 16 Nr 2). Sie hat dabei ua auf die soeben erst erfolgte Neuabgrenzung des beitrittsberechtigten Personenkreises im GRG, auf die Möglichkeit der privaten Krankenversicherung und den Eintritt der Versicherungspflicht mit Aufnahme des eigentlichen Studiums hingewiesen. Dementsprechend hat der Vorschlag des Bundesrates keine Aufnahme in das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB V vom 20. Dezember 1991 (BGBl I 2325) gefunden.
Die von der Klägerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken sind unbegründet. Die angewandte gesetzliche Regelung gehört zur Sozialversicherung, auf die sich nach Art 74 Nr 12 des Grundgesetzes (GG) die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt. In die Gesetzgebungskompetenz der Länder ist nicht in unzulässiger Weise eingegriffen worden. Es verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, wenn die studentische Krankenversicherung nur Studenten eröffnet ist, die nachgewiesenermaßen die fachlichen Voraussetzungen für ein Studium mitbringen, sie Studienkollegiaten aber verschlossen bleibt. Eine solche Abgrenzung ist nicht unsachgemäß und darf vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit vorgenommen werden.
Hiernach war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1172971 |
NJW 1993, 959 |