Leitsatz (amtlich)
Die auf Grund von ErsKVtr-Zahnärzte § 17 vom 1955-01-14 bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZÄVen) gebildeten Disziplinarausschüsse üben ihre Tätigkeit im Namen der KZÄV aus. Ein Antrag auf Einleitung von Disziplinarmaßnahmen ist auch dann rechtzeitig gestellt, wenn er innerhalb der Frist des ErsKVtr-Zahnärzte § 17 Nr 2 bei der KZÄV eingegangen ist.
Normenkette
RVO § 368m Fassung: 1955-08-17; EKV-Z § 17 Nr. 2 Fassung: 1955-01-14
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. März 1962 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Disziplinarinstanzen, die nach dem Ersatzkassenvertrag für Zahnärzte (EKV-Zahnärzte) vom 14. Januar 1955 bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen ( KZÄVN ) errichtet sind.
Der Kläger übte bis Ende des Jahres 1959 die zahnärztliche Praxis in Dorfmark, Kreis Fallingbostel, aus und war an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. Am 31. Juli 1957 beantragte der Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), Ortsausschuß Hannover, mit einem an die beklagte KZÄV gerichteten Schreiben, das der Beklagten am selben oder spätestens am nächsten Tage zugestellt wurde, gegen den Kläger die Einleitung eines Verfahrens wegen Vertragsverletzung gemäß § 17 des zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und dem VdAK am 14. Januar 1955 geschlossenen Vertrages. Der VdAK-Ortsausschuß legte in diesem Schreiben unter Hinweis auf Erklärungen der behandelten Versicherten dar, daß der Kläger zahnärztliche Leistungen, die er in Rechnung gestellt hatte, tatsächlich nicht ausgeführt habe. Es handelte sich um Behandlungen der Patienten Margot M, Ursula D, Wolfgang F und Wolfgang B.
In dem Schreiben des VdAK, Ortsausschuß Hannover, vom 31. Juli 1957 heißt es weiter:
"Wir bitten Sie, das Verfahren zu eröffnen und zunächst auszusetzen, bis durch Nachuntersuchung der Patienten der Umfang der Vertragsverletzungen festgestellt ist. Hierbei bitten wir insbesondere, auch die prothetischen Leistungen zu erfassen".
Ferner enthält das Schreiben eine nach Ziffern der Gebührenordnung (GebO) aufgestellte Zusammenstellung der Rechnungen für das vierte Quartal 1956. Der VdAK-Ortsausschuß sprach den Verdacht aus, daß sich der Kläger auch dabei Vertragsverletzungen habe zuschulden kommen lassen.
Die beklagte KZÄV leitete die Eingabe dem VdAK-Prüfungsausschuß zu. Dieser teilte dem Kläger durch Schreiben vom 31. August 1957 mit, daß der VdAK gegen ihn die Einleitung eines Verfahrens nach § 17 EKV-Zahnärzte beantragt habe und daß zu diesem Zweck die Nachuntersuchung einiger Patienten des Klägers erforderlich sei; als Termin für diese Nachuntersuchung habe der Prüfungsausschuß den 25. September 1957 vorgesehen; außer dem Gutachter werde ein Mitglied des Prüfungsausschusses anwesend sein. Dem Ortsausschuß des VdAK teilte der Prüfungsausschuß mit Schreiben vom 3. September 1957 mit, daß die Nachuntersuchung gemäß § 11 Ziff. 2 c des EKV-Zahnärzte vorgesehen sei, und forderte den Ortsausschuß auf, die Patienten zu diesem Zweck vorzuladen. Die Nachuntersuchungen fanden am 25. September und - auf weitere Anregung des VdAK-Ortsausschusses - am 4. Dezember 1957 statt. Das Ergebnis der Nachuntersuchungen faßte der Prüfungsausschuß in der Niederschrift vom 4. Dezember 1957 wie folgt zusammen:
"Die festgestellten Differenzen liegen durchaus im Rahmen der möglichen Fehlerquellen (Verwechslungen, Übertragungsfehler etc.) .... Die einzige Vertragsverletzung stellt der Fall Margot M - BEK - dar. Von einem vorsätzlichen Betrug zwecks Bereicherung kann aber keine Rede sein, da die finanziellen Kosten annähernd ausgeglichen sind".
Diesen Bericht legte der Prüfungsausschuß dem Vorstand der beklagten KZÄV am 4. Januar 1958 mit folgender Stellungnahme vor:
"Der VdAK - Prüfungsausschuß - hält die Einleitung eines Disziplinar-Verfahrens in beiden Fällen nicht für erforderlich".
Der Vorstand der beklagten KZÄV beschloß aber entgegen dieser Anregung am 22. Januar 1958 die Durchführung eines Disziplinarverfahrens und beauftragte nunmehr den VdAK-Disziplinar-Ausschuß mit Schreiben vom 30. Januar 1958, dieses Verfahren einzuleiten. Mit Beschluß vom 1. April 1958 eröffnete der Disziplinar-Ausschuß das Disziplinarverfahren, weil der Kläger hinreichend verdächtig sei, bei den Patienten Margot M, Ursula D, Lothar S, Franziska Z, Erna P und Heinz B Leistungen in Rechnung gestellt zu haben, die er nicht erbracht habe. - In der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinar-Ausschuß vom 11. Juni 1958 räumte der Kläger zwar ein, daß die Rechnungen in den Fällen, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht waren, mit den tatsächlichen Leistungen nicht übereinstimmten. Er beantragte aber Freispruch, weil die Frist zur Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht eingehalten sei, er auch nicht schuldhaft gehandelt habe.
Durch Beschluß vom selben Tage verurteilte der Disziplinar-Ausschuß den Kläger wegen fortgesetzter Vertragsverletzungen bei der Durchführung des VdAK-Vertrages zu einer Geldstrafe von 300 DM, zu Schadensersatzleistungen an zwei VdAK-Kassen in Höhe von insgesamt 57,60 DM und zum Ausschluß von der VdAK-Vertragstätigkeit auf die Dauer von sechs Monaten. Die Antragsfrist nach Abschn. I Abs. 3 der Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) für das Verfahren bei zahnärztlichen Vertragsverletzungen aus der Vertragstätigkeit bei dem VdAK und bei anderen T-Verträgen vom 28. Juni 1955 ("binnen 2 Monaten nach Bekanntwerden der den Antrag begründenden Umstände") sah der Ausschuß als gewahrt an, weil der Vorstand der beklagten KZÄV erst am 4. Januar 1958 von dem Ergebnis der Nachuntersuchungen Kenntnis erhalten und den Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens am 30. Januar 1958 gestellt habe. Der Disziplinar-Ausschuß nahm im Fall der Patientin Margot M vorsätzliche Vertragsverletzung an, dagegen war er der Meinung, daß der Kläger in den übrigen im Eröffnungsbeschluß genannten Fällen nur fahrlässig gehandelt habe.
Gegen den Beschluß des Disziplinar-Ausschusses riefen die KZBV und der Kläger rechtzeitig den VdAK-Disziplinar-Berufungsausschuß an. Die KZBV beanstandete, daß die ausgeworfenen Strafen unangemessen niedrig seien. Der Kläger machte wiederum geltend, daß die Antragsfrist nach Abschn. I Abs. 3 der Richtlinien nicht eingehalten sei, und rügte außerdem, die für die Entscheidung des Disziplinar-Ausschusses nötigen Ermittlungen hätten von diesem Ausschuß selbst geführt werden müssen.
Der Disziplinar-Berufungsausschuß verwarf nach mündlicher Verhandlung vom 18. Februar 1959 und nach Anhörung des Landgerichtsdirektors Dr. E (juristischer Beisitzer des VdAK-Disziplinar-Ausschusses) und des Zahnarztes Dr. R (dieser hatte die Nachuntersuchungen im Auftrage des VdAK-Prüfungsausschusses durchgeführt) beide Berufungen, und zwar die des Klägers, weil die Eingabe des VdAK-Ortsausschusses vom 31. Juli 1957 nur eine Anregung dargestellt habe, der förmliche Antrag der beklagten KZÄV vom 30. Januar 1958 aber rechtzeitig binnen zwei Monaten seit genauer Kenntnis der Vertragsverletzungen gestellt worden sei. Im übrigen hielt er beide Berufungen für unbegründet, weil die ausgeworfenen Strafen der Schuld des Klägers angemessen seien.
Diese Entscheidung focht nur der Kläger durch Erhebung der Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover an mit dem Antrag, den Beschluß des Disziplinarausschusses vom 11. Juni 1958 und den Beschluß des Disziplinar-Berufungsausschusses vom 18. Februar 1959 aufzuheben.
Das SG hob nur den Beschluß des Disziplinar-Berufungsausschusses vom 18. Februar 1959 auf, wies die Klage im übrigen ab und verurteilte die beklagte KZÄV, dem Kläger die Hälfte seiner Kosten zu erstatten (Urteil vom 24.2.1960). Das SG ging davon aus, daß der VdAK von seinem Recht, selbst ein Disziplinarverfahren zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht habe, weil er das Schreiben vom 31. Juli 1957 an die Beklagte gerichtet und diese um Einleitung eines Verfahrens wegen Vertragsverletzung gebeten habe Die Vertragsverletzungen in den Fällen Margot M und Ursula D seien aber durch diese Eingabe zur Kenntnis der Beklagten gelangt. Der am 30. Januar 1958 an den Disziplinarausschuß gerichtete Antrag der beklagten KZÄV sei deshalb in diesen Fällen verspätet. Die Vertragsverletzungen in den übrigen Fällen seien dagegen der Beklagten erst aus den am 4. Januar 1958 vorgelegten Protokollen des Prüfungsausschusses bekanntgeworden, so daß der Antrag insoweit rechtzeitig gestellt worden sei. Eine Entscheidung in der Sache selbst könne aber wegen dieser Vertragsverletzungen nicht ergehen, weil es sich - namentlich bei der Geldbuße - um eine Ermessensentscheidung handele.
Gegen dieses Urteil legte nur die beklagte KZÄV Berufung ein. Sie brachte vor, das SG habe den Begriff des "Bekanntwerdens" verkannt. Ein Umstand sei erst dann bekanntgeworden, wenn der Berechtigte positiv Kenntnis erlangt habe. Genauere - hinreichende - Kenntnis habe die Beklagte aber erst aus den Protokollen des Prüfungsausschusses gewinnen können. Im übrigen stelle hinsichtlich der Fälle Margot M und Ursula D bereits die Eingabe des VdAK-Ortsausschusses vom 31. Juli 1957 einen rechtzeitigen Antrag dar. Daß diese Eingabe an die Beklagte gerichtet sei, sei unschädlich, weil die Disziplinar-Instanzen nur Organe der Beklagten ohne eigene Verwaltungsorganisation und Geschäftsstelle seien. Die Beklagte beantragte, das Urteil des SG Hannover vom 24. Februar 1960 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragte, die Berufung zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht (LSG) wies unter Änderung der Entscheidung des SG die Klage in vollem Umfang ab und ließ die Revision zu (Urteil vom 7.3.1962). Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Der Antrag der beklagten KZÄV im Berufungsverfahren lasse erkennen, daß sie sich gegen das angefochtene Urteil nur insoweit wenden wolle, als in den Fällen M und D Versäumung der Antragsfrist angenommen und ihre Einbeziehung in das Disziplinarverfahren für unzulässig erklärt worden sei. Der Berufungsantrag und die Erläuterung, die der Kläger zu seinem Antrag auf Zurückweisung der Berufung gegeben habe, rechtfertigten den Schluß, daß die Disziplinarentscheidungen insoweit nicht mehr streitig seien, als die Behandlungsfälle S, Z haben, P - und B als fahrlässige Vertragsverletzungen angesehen worden seien. Deshalb beschränke sich die Prüfung des sozialgerichtlichen Urteils zunächst auf die Frage, ob die Behandlungsfälle M und D zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens hätten gemacht werden dürfen. Außerdem sei, wenn eine Entscheidung über das Strafmaß für unzulässig erachtet werde, darüber zu entscheiden, ob die Festsetzung des Schadensersatzes, der Geldbuße und des Ausschlusses von der Vertragstätigkeit dem Gesetz entsprochen habe. - Der Antrag auf Einleitung des Disziplinarverfahrens sei auch wegen der Behandlungsfälle M und D rechtzeitig gestellt. Entgegen der Auffassung der Disziplinar-Instanzen und des SG sei davon auszugehen, daß bereits die Eingabe des VdAK-Ortsausschusses vom 31. Juli 1957 einen Antrag im Sinne des § 17 EKV-Zahnärzte darstelle. Der Ortsausschuß des VdAK sei antragsberechtigt, wie aus §§ 11 Abs. 3, 12 Abs. 1 und 16 Abs. 2 EKV-Zahnärzte zu schließen sei. Der Antrag sei auch fristgemäß gestellt worden. Von der Vertragsverletzung im Behandlungsfall M habe der VdAK-Ortsausschuß erst durch die schriftliche Erklärung dieser Versicherten vom 4. Juni 1957 Kenntnis erhalten, während ihm die Vertragsverletzung im Fall D erst durch den Bericht vom 21. Juni 1957 bekanntgeworden sei. Der Antrag vom 31. Juli 1957 sei der beklagten KZÄV spätestens am 1. August 1957, also innerhalb von zwei Monaten seit Kenntnis dieser Vertragsverletzungen zugegangen. Die Auffassung des Disziplinar-Berufungsausschusses, der Antrag könne nur beim Disziplinar-Ausschuß gestellt werden, sei weder nach § 17 EKV-Zahnärzte noch nach den dazu ergangenen Richtlinien gerechtfertigt. Ob der Eröffnung des Verfahrens weitere Ermittlungen vorhergehen könnten, sei in den Richtlinien nicht gesagt, sie seien aber nicht verboten. Mangels besonderer Bestimmungen sei es jedenfalls nicht zulässig, wenn die KZÄV selbst oder durch ihren Prüfungsausschuß Ermittlungen anstellen lasse, bevor sie einen bei ihr gestellten Antrag an den Disziplinarausschuß zur weiteren Durchführung des Verfahrens weiterleite. - Da die Disziplinar-Instanzen nur Organe der KZÄV ohne eigene Verwaltungsorganisation und Geschäftsstelle seien, sei übrigens auch die Eingabe vom 31. Juli 1957 mit der Ablieferung bei der Posteingangsstelle der beklagten KZVN als rechtzeitig beim Disziplinar-Ausschuß eingegangen anzusehen. Die Disziplinar-Instanzen hätten deshalb auch die Behandlungsfälle M und D mit zum Gegenstand ihrer Entscheidung machen können, so daß das Urteil des SG in diesem Punkt aufzuheben sei. Die Disziplinar-Instanzen hätten in diesen Behandlungsfällen zu Recht eine Vertragsverletzung angenommen. Nach den Ermittlungen des Prüfungsausschusses sei die im zweiten Quartal 1956 für Frau D in Rechnung gestellte Füllung nicht vorhanden, die Patientin habe auch erklärt, daß sie in diesem Kalendervierteljahr nicht vom Kläger behandelt worden sei. Die vom. Kläger insoweit aufgestellte Schutzbehauptung, es handele sich nur um einen Übertragungsfehler, sei nicht zu widerlegen. Die Beurteilung, daß - ebenso wie in den Behandlungsfällen S, Z, P und B - nur eine fahrlässige Vertragsverletzung vorliege, sei hiernach nicht zu beanstanden. In dem Behandlungsfall M habe sich der Kläger angesichts des Ermittlungsergebnisses und der Entscheidung des Disziplinar-Ausschusses selbst nicht mehr auf ein Versehen berufen. Er habe vielmehr die Möglichkeit eingeräumt, daß er die Patientin in den Genuß eines höheren Zuschusses habe bringen wollen. Die darauf beruhende Entscheidung der Disziplinar-Instanzen, daß insoweit eine vorsätzliche Vertragsverletzung vorliege, verstoße nicht gegen das Gesetz. Bei dem Strafausspruch handle es sich um eine Ermessensentscheidung der Disziplinar-Instanzen, die das Gericht nur in den Grenzen des § 54 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nachprüfen könne. Fraglich könne allenfalls sein, ob die Verpflichtung zum Schadensersatz nach § 17 Abs. 1 Buchst. a EKV-Zahnärzte und die Berechnung der Höhe ebenfalls dem Ermessen der Disziplinar-Instanzen überlassen seien. Die vom Kläger zuviel berechneten und in Empfang genommenen Beträge seien aber richtig berechnet worden, so daß die Verurteilung zum Schadensersatz nach Grund und Höhe nicht zu beanstanden sei. - Bei der Festsetzung der Geldbuße und dem zeitweiligen Ausschluß von der Vertragstätigkeit sei ein Ermessensfehler nicht festzustellen, der Kläger habe auch nicht behauptet, daß bei dem Strafausspruch sachfremde, dem pflichtgemäßen Ermessen entgegenstehende Erwägungen mitgesprochen hätten. Ein zeitlich befristeter Ausschluß von der Vertragstätigkeit sei bei dem vertraglich geregelten Beteiligungsverfahren des EKV-Zahnärzte nicht untersagt und in § 17 Abs. 1 Satz 3 Buchst. d des Vertrages ausdrücklich vorgesehen.
Der Kläger hat Revision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 24. Februar 1960 zurückzuweisen.
Er rügt, daß das LSG den § 17 EKV-Zahnärzte und die dazu ergangenen Richtlinien der KZBV vom 28. Juni 1955 fehlerhaft angewandt und allgemein gegen grundsätzliche Regeln des Verwaltungsrechts verstoßen habe.
Die beklagte KZÄV und der beigeladene VdAK beantragen, die Revision zurückzuweisen. Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Disziplinarmaßnahmen, welche die in den Richtlinien der KZBV vom 28. Juni 1955 vorgesehenen Disziplinarinstanzen der beklagten KZVN auf Grund des § 17 EKV-Zahnärzte gegen den Kläger getroffen haben.
Der zwischen der KZBV und dem VdAK am 14. Januar 1955 geschlossene Vertrag regelt in § 17 das Verfahren bei Vertragsverletzungen und bestimmt in Ziff. 1, daß die KZÄV bei der Vertragsverletzung eines Vertragszahnarztes berechtigt ist,
a) den Vertragszahnarzt zum Schadensersatz gegenüber der Vertragskasse zu verpflichten;
b) Verwarnungen zu erteilen;
c) Geldbußen bis zur Höhe von 500 DM aufzuerlegen;
d) den Vertragszahnarzt von der Vertragstätigkeit zeitweilig oder dauernd auszuschließen.
Das Verfahren richtet sich nach den von der KZBV im Einvernehmen mit dem VdAK aufgestellten Richtlinien.
Gegen die Zulässigkeit dieser durch öffentlich-rechtlichen Vertrag getroffenen Regelung bestehen keine Bedenken. Das Rechtsverhältnis zwischen der KZV und dem an der Ersatzkassenpraxis beteiligten Zahnarzt ist nicht als ein Vertragsverhältnis des privaten oder des öffentlichen Rechts, sondern als ein auf der Mitgliedschaft in einer öffentlichen Körperschaft beruhendes öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis anzusehen. Die Verbandsgewalt der KZV beschränkt sich nicht auf die Durchführung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben der kassenzahnärztlichen Versorgung, sondern erstreckt sich auch auf die Sicherstellung der von ihr vertraglich übernommenen "weiteren Aufgaben" der zahnärztlichen Versorgung, insbesondere für die Ersatzkassen und andere Träger der Sozialversicherung (§ 368 n Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 368 Abs. 1 letzter Satz der Reichsversicherungsordnung - RVO -); denn die Übernahme einer "weiteren" Aufgabe der zahnärztlichen Versorgung bedeutet jedenfalls in den Fällen, in denen die zahnärztliche Versorgung einem Träger der Sozialversicherung obliegt und damit zum Aufgabenbereich der öffentlichen Hand gehört, eine "Erweiterung" des körperschaftlichen Wirkungskreises der KZV, nicht eine Tätigkeit außerhalb ihrer Verbandszwecke. Die Übernahme der zahnärztlichen Versorgung für die Ersatzkassen stellt keine dem ursprünglichen Körperschaftszweck fremde "private" Betätigung der KZÄV dar, zumal sie der kassenzahnärztlichen Versorgung im Wesen gleichgeartet ist und den Mitgliedern der Ersatzkassen - ebenso wie den Mitgliedern der RVO-Kassen - kraft öffentlichen Rechts gewährt wird. Aus der gesetzlichen Ermächtigung, diese Aufgabe zu übernehmen und damit ihren gesetzlichen Wirkungskreis zu erweitern, ergibt sich für die KZÄV zugleich die Befugnis, die Erfüllung der übernommenen Aufgabe mit den Mitteln des öffentlichen Rechts sicherzustellen (vgl. BSG 11, 1, 6 f).
Nach § 368 m Abs. 4 in Verbindung mit § 368 Abs. 1 letzter Satz RVO müssen die Satzungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Bestimmungen enthalten über die Befugnisse der Vereinigungen gegenüber Mitgliedern, die ihre kassenzahnärztliche Pflichten nicht oder nicht ordnungsmäßig erfüllen und über das Verfahren bei Ausübung dieser Befugnisse. Die durch die Satzung näher zu regelnde Befugnis, die Erfüllung der kassenzahnärztlichen Pflichten durch Disziplinarmaßnahmen zu erzwingen (vgl. auch § 368 n Abs. 1 Satz 3 RVO), bezieht sich aber nur auf Zahnärzte, die den Status des Kassenzahnarztes besitzen (vgl. BSG 15, 161, 166 f; BSG in SozR RVO § 368 m Bl. Aa 2 Nr. 2). Der Vertragszahnarzt dagegen ist der KZÄV in dem durch den Ersatzkassenvertrag festgelegten Rahmen unterworfen. Im Rahmen der in diesem Vertrag getroffenen Regelung ist die KZÄV berechtigt, gegenüber den an der Ersatzkassenpraxis beteiligten Zahnärzten die Einhaltung der mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden übernommenen Aufgabe der ärztlichen Versorgung der Ersatzkassenmitglieder durch disziplinare Maßnahmen zu erzwingen. Die unterschiedliche Regelung des Disziplinarrechts für Kassenzahnärzte und für an der Ersatzkassenpraxis beteiligte Zahnärzte verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes - GG - (vgl. BSG 15, 167). Dies gilt sowohl für die Befugnis, den Vertragszahnarzt zum Schadensersatz gegenüber der Vertragskasse zu verpflichten, als auch für die Befugnis, ihn von der Vertragstätigkeit zeitweilig oder dauernd auszuschließen (vgl. BSG 15, 167).
Inhaber der Disziplinargewalt ist, was auch in § 17 Ziff. 1 Abs. 2 EKV-Zahnärzte zum Ausdruck kommt, die KZÄV. Das Verfahren richtet sich gemäß § 17 Ziff. 1 Abs. 3 EKV-Zahnärzte nach den von der KZBV im Einvernehmen mit dem VdAK aufgestellten Richtlinien. Nach Abschn. II Ziff. 1 der von der KZBV erlassenen Richtlinien vom 28. Juni 1955 werden zur Durchführung des Verfahrens bei Vertragsverletzungen von der KZÄV zwei Instanzen gebildet, und zwar ein Disziplinarausschuß, der aus vier von der KZÄV zu bestellenden Vertragszahnärzten und einem Juristen besteht, der die Befähigung zum Richteramt haben muß, und ein Disziplinar-Berufungsauschuß, der ebenfalls mit vier Vertragszahnärzten und einem Juristen mit der Befähigung zum Richteramt besetzt ist. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter im Disziplinarausschuß dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder oder Stellvertreter im Berufungsausschuß sein, ferner dürfen die zahnärztlichen Mitglieder der Ausschüsse nicht Vorstandsmitglieder einer KZÄV sein (Abschn. II Ziff. 1 b Abs. 3 der Richtlinien). Diese im EKV-Zahnärzte und den ihn ergänzenden "Richtlinien" vereinbarte Übertragung der Befugnis zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen auf besondere Gremien, die von der KZÄV bestellt werden, ist zulässig. Sie hält sich im Rahmen der der KZÄV zustehenden Befugnis, die von ihr nach § 368 n Abs. 1 Satz 4 RVO übernommene Aufgabe der zahnärztlichen Versorgung der Ersatzkassenmitglieder jedenfalls nach den Grundprinzipien des Kassenarztrechts der RVO vertraglich zu regeln. Zwar wird die KZÄV durch ihren Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten (§ 368 m Abs. 5 Satz 1 RVO). Dies schließt aber nicht aus, daß besondere Aufgabengebiete unabhängigen Ausschüssen zur selbständigen Erledigung übertragen werden. Die Errichtung solcher Ausschüsse ist in § 368 n Abs. 4 RVO ausdrücklich nur für die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen (kassenzahnärztlichen) Versorgung vorgeschrieben. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß - mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift - die Übertragung der Disziplinargewalt auf unabhängige Ausschüsse unzulässig ist. Das Recht der KZÄV, zur Ausübung der ihr zustehenden disziplinaren Befugnisse besondere Ausschüsse zu bilden, ist im Recht der Selbstverwaltung begründet. Nach § 2 Abs. 14 des Selbstverwaltungsgesetzes können die Organe der Träger der Sozialversicherung die Erledigung einzelner Aufgaben Ausschüssen übertragen. Diese Vorschrift handelt zwar nicht von den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung, sie bringt aber einen allgemeinen Gedanken des Selbstverwaltungsrechts der Sozialversicherung zum Ausdruck. Eine Übertragung einzelner Aufgaben auf selbständige Ausschüsse erscheint besonders da angebracht, wo es sich - wie im Prüfungs- und Disziplinarwesen - um gerichtsähnliche Funktionen handelt, deren Ausgliederung aus den Funktionen der Vertreterversammlung und des Vorstandes aus Gründen einer objektiven und unbeeinflußten Entscheidung sachdienlich erscheint. Die Übertragung der Disziplinarbefugnis auf eine Stelle, die wegen ihrer Weisungsfreiheit und der Mitwirkung eines Juristen den Mitgliedern der KZÄV im allgemeinen die Gewißheit verschafft, daß bei ihren Entscheidungen sachfremde Erwägungen ausgeschaltet sind, trägt den besonderer Anforderungen eines Disziplinarverfahrens Rechnung (im Ergebnis ebenso Bayer. LSG vom 8. Januar 1959 in ÄM 1959, 350; LSG Baden-Württemberg vom 8. November 1954 in Breithaupt 1955, 225 - zu dem vor dem Inkrafttreten des GKAR bestehenden Rechtszustand -; Venter in ZM 1956, 227; Heß/Venter , Das Gesetz über Kassenarztrecht Anm. II 1 b und IV 2 zu § 368 m RVO; Heinemann-Siebold , Kassenarztrecht, Stand Mai 1963 Bd. I Anm. 11 e zu § 368 m RVO; a. A. SG Düsseldorf in Breithaupt 1959, 197 und in SozEntsch. III/1 Nr. 11 und 13 zu § 368 m RVO; Peters , Handbuch der Krankenversicherung, Stand Februar 1963 Anm. 5 c zu § 368 m RVO; Brackmann , Handbuch der Sozialversicherung, Stand Januar 1963, Bd. I S. 286 l; Jantz/Prange, Das gesamte Kassenarztrecht C II Anm. 14 zu § 368 m RVO; Hommel in Arb. Versorgung 1960, 75 und 1963, 73, 80).
Die auf Grund von § 17 EKV-Zahnärzte zur Durchführung des Disziplinarverfahrens gebildeten Ausschüsse sind keine Organe der kassenzahnärztlichen Selbstverwaltung im Sinne von § 368 l Abs. 1 RVO. Sie erfüllen aber eine der KZÄV obliegende Aufgabe und handeln bei Erfüllung dieser Aufgabe im Namen der KZÄV. Ein "Verfahren wegen Vertragsverletzungen" (§ 17 Ziff. 2 Satz 1 EKV-Zahnärzte) kann daher, sofern der "Antrag" nicht von der KZV selbst ausgeht, nicht nur bei dem Disziplinarausschuß unmittelbar, sondern auch bei der KZÄV selbst als der eigentlichen Trägerin der Disziplinargewalt rechtswirksam beantragt werden.
Die Ansicht der Revision, der Antrag auf Einleitung eines Verfahrens wegen Vertragsverletzung hätte rechtswirksam nur bei dem Disziplinarausschuß gestellt werden können, berücksichtigt nicht, daß die Disziplinarausschüsse keine eigenen Rechtsträger sind; sie sind "bei" der KZÄV eingerichtet und verfügen über keine von der KZÄV getrennte, eigene Organisation. Zwar zählen zu den Antragsberechtigten nach § 17 Ziff. 2 EKV-Zahnärzte außer den Vertragskassen und dem VdAK auch "die KZVen oder ihre Untergliederungen", und die KZÄVen und die KZBV sind nach Abschn. II Ziff. 3 der Richtlinien auch befugt, gegen die Entscheidung des Disziplinarausschusses "beim Disziplinar-Berufungsausschuß" Berufung einzulegen. Es handelt sich hier um ein im Vertrage und in den Richtlinien verbindlich geordnetes " Insichverfahren ", das unserem Recht nicht fremd ist (vgl. BSG 6, 180, 184). Antrags- und Berufungsrecht der KZÄV ändern nichts daran, daß die Disziplinarausschüsse die ihnen übertragenen Befugnisse als weisungsfreie Organe der KZÄV ausüben. Aus dem eigenen Antragsrecht der KZÄV kann somit nicht geschlossen werden, daß ein bei ihr als der eigentlichen Trägerin der Disziplinargewalt gestellter Antrag auf Einleitung des Disziplinarverfahrens eine bloße Anregung darstellt.
Das Berufungsgericht hat daher den an die beklagte KZV gerichteten Antrag des VdAK-Ortsausschusses vom 31. Juli 1957 zu Recht als rechtswirksamen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Sinne des § 17 Ziff. 2 Satz 1 EKV-Zahnärzte angesehen. Dieser Antrag ist aber, was auch von der Revision nicht beanstandet wird, binnen zwei Monaten nach Bekanntwerden der den Antrag begründenden Umstände gestellt worden. Wenn die zutreffende Rechtsauffassung des LSG von der Ansicht des Disziplinarausschusses und der ursprünglichen Meinung des Disziplinar-Berufungsausschusses, wonach das Disziplinarverfahren rechtswirksam erst auf Grund des Antrags der KZÄV vom 30. Januar 1958 eingeleitet worden sei, abweicht, so ist der Kläger dadurch - entgegen der Auffassung der Revision - in seinen Rechten nicht verletzt worden. Zwar hätte die beklagte KZÄV den Antrag des VdAK-Ortsausschusses vom 31. Juli 1957 sogleich ihrem Disziplinarausschuß zuleiten sollen. Die Tatsache, daß der Vorstand der beklagten KZÄV den Antrag erst nach Abschluß von Ermittlungen durch den Prüfungsausschuß an den Disziplinarausschuß weitergeleitet hat, vermag jedoch nichts daran zu ändern, daß der Antrag schon mit dem Eingang bei der KZÄV rechtwirksam gestellt worden ist. Das LSG hat deshalb mit Recht angenommen, daß die Prüfungsinstanzen bei der Festsetzung der Disziplinarmaßnahmen auch die Vertragsverletzungen des Klägers in den Fällen M und D würdigen durften. Das angefochtene Urteil läßt auch in seinen weiteren Ausführungen, die im übrigen von der Revision nicht angegriffen sind, bei Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte keine Rechtsverletzung erkennen.
Die Revision ist danach als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen