Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilungsspielraum bei Entziehung der Kassenzulassung. Wiederzulassung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Frage, ob der Arzt die "Eignung" zur Erfüllung der kassenärztlichen Pflichten besitzt, kann von den Gerichten in vollem Umfang überprüft werden.
2. Im Rechtsstreit um die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung ist der Berufungsausschuß passiv legitimiert.
3. Bleiben nach vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes nur geringe Zweifel an der Eignung des Arztes, ist der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen die Zulassung zuzumuten.
Orientierungssatz
1. Zum Beurteilungsspielraum der Zulassungsinstanzen bei der Entziehung der Kassenzulassung, wenn ein Kassenarzt seine kassenärztlichen Pflichten derart verletzt, daß er für das gesetzlich geregelte kassenärztliche Versorgungssystem untragbar geworden ist.
2. Bei der Entscheidung über die Wiederzulassung zur kassenärztlichen Versorgung kommt es vor allem darauf an, wie sich der Arzt nach der Entziehung der Kassenzulassung in seinem beruflichen Bereich verhalten hat.
3. Eine "Bewährungszeit" von 5 Jahren ist eine lange Zeit, die in Anbetracht dessen, daß es sich bei der Entziehung der Kassenzulassung um einen sehr schweren Eingriff in das Recht des niedergelassenen Arztes auf freie Berufsausübung handelt, nur in besonders gravierenden Fällen überschritten werden sollte; in vielen Fällen wird schon eine kürzere Zeit genügen, um feststellen zu können, ob der Arzt wieder für die kassenärztliche Versorgung geeignet ist.
4. Allen Versicherten steht der gleiche Anspruch auf Krankenbehandlung zu. Jeder Kassenarzt hat diesen Anspruch bei jedem versicherten Patienten in gleicher Weise zu erfüllen. Daraus folgt, daß weder eine Ausdehnung der Kassenpraxis zu einer Leistungseinschränkung führen darf, noch eine kleine Praxis eine Leistungsausweitung rechtfertigt. Allerdings können Praxisbesonderheiten (zB ein gegenüber den sonstigen Praxen der Fachgruppe andersgeartetes Patientengut) sich ungünstig auf den Fallkostenvergleich auswirken.
5. Zur Berücksichtigung einer niedrigen Fallzahl im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Normenkette
RVO § 368a Abs. 6, § 368b Abs. 4; ZO-Ärzte § 21; RVO § 368e; SGG § 70 Nr. 4
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 19.02.1986; Aktenzeichen L 11 Ka 64/84) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 18.07.1984; Aktenzeichen S 19 Ka 2/83) |
Tatbestand
Umstritten ist die Wiederzulassung eines Arztes zur kassenärztlichen Versorgung.
Der 1940 geborene Kläger ist als Kinderarzt in E. niedergelassen; er ist auch als Knappschaftsarzt tätig. Die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung, die er 1974 erhalten hatte, wurde ihm durch Beschluß des Zulassungsausschusses vom 25. Oktober 1978 mit der Begründung entzogen, er habe ständig unwirtschaftlich behandelt und damit seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Ein darüber geführter Rechtsstreit fand seine Erledigung durch einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Kläger mit Ablauf des 30. Juni 1980 auf seine Zulassung als Kassenarzt und seine Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis verzichtete. Ein bereits am 4. August 1980 gestellter Antrag auf Wiederzulassung wurde abgelehnt; die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 1982 - L 11 Ka 45/81 -).
Am 30. August 1983 beantragte der Kläger erneut die Zulassung. Auch diesen Antrag lehnte der Zulassungsausschuß ab. Der beklagte Berufungsausschuß wies den Widerspruch des Klägers zurück, weil das Verhalten des Klägers seit seinem Verzicht auf die Zulassung nicht geeignet gewesen sei, das verlorengegangene Vertrauen wiederherzustellen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Beschlüsse der Zulassungsinstanzen aufgehoben sowie den Beklagten verpflichtet, den Kläger wieder zur kassenärztlichen Versorgung zuzulassen. Zur Begründung führt es aus: Ein Arzt habe grundsätzlich einen Anspruch auf die Kassenzulassung. Der Hinderungsgrund der Nichteignung (§ 21 der Zulassungsordnung für Kassenärzte - ZO-Ärzte -) sei im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar. Bei der Entscheidung sei auch jede während des Rechtsstreits eingetretene Änderung der Sachlage zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall komme dem Umstand, daß der Kläger inzwischen schon über 5 1/2 Jahre nicht mehr an der kassenärztlichen Versorgung teilgenommen habe, besondere Bedeutung zu. Allein dieser Zeitablauf rechtfertige die Annahme, daß der Kläger nunmehr wieder für die Ausübung der Kassenpraxis geeignet sei. Die lange Zeit seines Ausschlusses biete nämlich - ähnlich wie der Besserungs- und Abschreckungseffekt einer Strafe - die Gewähr, daß sich der Kläger nun wahrscheinlich in das kassenärztliche System einfügen und seine Behandlungsweise fortan nach den Geboten der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit ausrichten werde. Der Berechtigung dieser Annahme stehe das Verhalten des Klägers als Arzt, das seit Aufgabe seiner Kassenpraxis bekanntgeworden sei, nicht entgegen. Selbst wenn noch Zweifel bestehen sollten, ob der Kläger seine Versicherungen hinsichtlich der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots einhalten werde, sei er wieder als Kassenarzt zuzulassen. Da die Versagung der Zulassung einer Versagung der nach Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Freiheit der Berufswahl gleichkomme, seien an sie strenge Anforderungen zu stellen. Ein solcher Dauereingriff in das Grundrecht dürfe daher nur erfolgen, wenn unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter diesen Eingriff erfordere. Der Kläger habe durch den über 5 1/2jährigen Ausschluß von der kassenärztlichen Tätigkeit eine so weitgehende und folgenreiche berufliche Beschränkung erfahren, daß es gegenüber der bei dem Beklagten und den Beigeladenen möglicherweise noch bestehenden Ungewißheit, ob sie im Falle der Zulassung erneut mit Verstößen des Klägers gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot konfrontiert werden, unverhältnismäßig wäre, den Kläger noch weiterhin von der Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung auszuschließen.
Gegen dieses Urteil haben der Beklagte, der Beigeladene zu 2) - Verband der Ortskrankenkassen Rheinland - und die Beigeladene zu 5) - Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein - Revision eingelegt.
Der Beklagte wendet sich zunächst gegen die Auffassung des LSG, die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit seien befugt, die Entscheidungen der Zulassungsgremien in vollem Umfang zu überprüfen. In Entscheidungen kollegial besetzter Gremien flössen höchstpersönliche Werturteile der einzelnen Mitglieder ein. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, es sei mit dem Grundsatz der Unvertretbarkeit von kollegialen Entscheidungen nicht zu vereinbaren, wenn sich die Verwaltungsgerichte für befugt hielten, ihre Entscheidung an die Stelle der Entscheidung der kollegial besetzten Ausschüsse zu setzen. Bei prognostischen Entscheidungen wertenden Charakters habe das BVerwG in jüngster Zeit wiederholt der Verwaltung ausdrücklich eine Einschätzungsprärogative mit der Folge einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle zugestanden. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) verfolge diese Linie. Insgesamt zeige die jüngere Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre eine beträchtliche Zurückhaltung gegenüber der vollen gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, die einen Beurteilungsspielraum zum Gegenstand haben. Falls der Senat der Rechtsprechung des BVerwG nicht zu folgen geneigt sein sollte, wäre zu bedenken, ob er verpflichtet sei, den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen. Ferner sei zu klären, ob die Rechtsmeinung des LSG zutreffe, daß allein die verstrichene Zeit von mehr als 5 1/2 Jahren nach Aufgabe der Kassenarzttätigkeit die Wiederzulassung rechtfertige. Das LSG könne sich insoweit weder auf die Reichsversicherungsordnung (RVO) noch auf die ZO-Ärzte noch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stützen, insbesondere nicht auf die 5jährige Zulassungssperre des § 21 ZO-Ärzte für Rauschgift- und Trunksüchtige. Außer dem Zeitablauf seien weitere Kriterien entscheidend. Der Kläger habe sich als Kassenarzt in der Vergangenheit in ganz erheblicher Weise fehlverhalten (s Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Seite 13 ff). Bis in die jüngste Zeit hätten sich Abrechnungsschwierigkeiten mit dem Kläger ergeben. Schließlich stelle sich die Rechtsfrage, ob der Berufungsausschuß durch Urteil verpflichtet werden könne, den Kläger zur kassenärztlichen Versorgung zuzulassen. Die Zulassung der Kassenärzte sei allein Aufgabe des Zulassungsausschusses (§ 368b RVO). Der Berufungsausschuß als zweite Verwaltungsinstanz habe nur über die Widersprüche zu entscheiden (§ 368b Abs 4 RVO); er habe Verwaltungskontrollfunktion. Hebe das Gericht, wie hier, die Beschlüsse des Zulassungsausschusses auf und spreche es zugleich die Verpflichtung zur Wiederzulassung aus, so sei der Widerspruch nicht mehr in der Welt. Damit fehle die Voraussetzung für eine Entscheidung des Berufungsausschusses.
Der Beigeladenen zu 2) rügt eine Verletzung des § 21 ZO-Ärzte, einen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und eine Nichtbeachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Dazu führt er aus: Eine 5jährige Zulassungssperre sei dem § 21 ZO-Ärzte generell nicht zu entnehmen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel könne nicht dazu führen, einen gewissen Zeitablauf als Maßstab festzuschreiben. Außer dem Zeitablauf seien die Persönlichkeit des Arztes sowie Art, Häufigkeit und Schwere des Fehlverhaltens zu berücksichtigen. Der Kläger habe gröbliches Fehlverhalten gezeigt, wie die (im einzelnen aufgelisteten) Gerichtsverfahren der letzten Jahre auswiesen. Durch den 1980 geschlossenen Vergleich stehe fest, daß eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht möglich sei. Es sollten zwischen den Beteiligten endgültig keine Rechtsbeziehungen auf der Grundlage des Kassenarztrechts mehr bestehen. Diesem Vergleichsinhalt habe der Kläger permanent zuwidergehandelt. Nach den Bekundungen der Zeugen Dr. L., J. und L. könne denkgesetzlich und nach allgemeinen Erfahrungssätzen nur der Schluß gezogen werden, daß der Kläger nicht bereit sei, sich in das geltende Kassenarztrecht einzufügen. Es widerspreche dem Amtsermittlungsgrundsatz, wenn sich das LSG ohne eigene Prüfung auf das Verhalten der Ärztekammer berufe. Die Würdigung der einzelnen Fakten hätten Rückschlüsse auf die Eignung des Klägers als Kassenarzt zugelassen. Die Auffassung des Beklagten zur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit und zur Passivlegitimation werde jedoch nicht geteilt.
Die Revisionsbegründung der Beigeladenen zu 5) beschränkt sich auf Beanstandungen, die bereits von der Beklagten geltend gemacht worden sind.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 2) und 5) beantragen, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 1986 - L 11 Ka 64/84 - aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 18. Juli 1984 - S 19 Ka 2/83 - zurückzuweisen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 5) beantragen hilfsweise, das Revisionsverfahren auszusetzen und die Rechtsfrage, ob die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit berechtigt sind, einen Beschluß eines Berufungsausschusses, worin die Zulassung eines Arztes zum Kassenarzt wegen Ungeeignetheit verweigert wird, in Abweisung von BVerwGE 39, 197 uneingeschränkt zu überprüfen, dem GEMEINSAMEN SENAT DER OBERSTEN GERICHTSHÖFE DES BUNDES vorzulegen.
Schließlich beantragen alle Revisionskläger hilfsweise, die Streitsache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Er erwidert: Das LSG habe keineswegs die Rechtsmeinung vertreten, daß allein die verstrichene Zeit die Wiederzulassung rechtfertige. Eine Beurteilungsermächtigung für den Zulassungsausschuß lasse sich weder dem § 21 ZO-Ärzte noch der Rechtsprechung zum unbestimmten Rechtsbegriff entnehmen. Ein Beurteilungsspielraum werde nur in Fällen anerkannt, in denen die entscheidende Stelle aufgrund besonderer Erfahrung und Sachkunde für Beurteilungen außerrechtlicher Gesichtspunkte berufen sei, verbindliche Qualifikationen vorzunehmen.
Die Beigeladenen zu 1), 3) und 4) stellen keine Anträge.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind insofern begründet, als die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist. Die Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil reichen nicht aus, um über den Rechtsstreit abschließend entscheiden zu können.
Das Berufungsurteil ist nicht zu beanstanden, soweit es für die erhobene Verpflichtungsklage den beklagten Berufungsausschuß für passiv legitimiert hält. Der Einwand des Beklagten, die Zulassung der Kassenärzte sei allein Aufgabe des Zulassungsausschusses, ist nicht berechtigt. Im Streitfalle verlagert sich die Zuständigkeit auf den Berufungsausschuß, der dann als zweite Verwaltungsinstanz in besonders qualifizierter Besetzung (mit einem zum Richteramt befähigten Vorsitzenden) eine umfassende Prüfung vorzunehmen, die letztlich maßgebende Verwaltungsentscheidung zu treffen und diese vor Gericht zu vertreten hat (§ 368b Abs 4 ff RVO; § 70 Nr 4 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Er ist deshalb in einem Rechtsstreit über die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung im Regelfall der richtige Beklagte (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl BSGE 28, 84; 53, 291 = SozR 5520 § 21 ZO-Ärzte Nr 1; § 29 ZO-Ärzte Nr 3; zur besonderen Stellung des Berufungsausschusses im Kassenarztrecht: Urteil des Senats vom 15. April 1986 - 6 RKa 25/84 -).
Das Berufungsgericht geht ferner zutreffend davon aus, daß dem Kläger die Wiederzulassung zur kassenärztlichen Versorgung aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 12 GG) nur versagt werden darf, wenn er weiterhin für die Ausübung der Kassenpraxis ungeeignet ist (vgl Urteil des Senats vom 15. April 1986 - 6 RKa 6/85 - mwN). Die Entscheidung des Berufungsausschusses unterliegt insoweit der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Die Frage, ob der Verwaltung im Rahmen eines unbestimmten Rechtsbegriffs ein Beurteilungsspielraum zusteht, findet ihre Antwort aus dem anzuwendenden materiellen Recht (BVerwGE 59, 213 mwN). Das BVerwG nimmt eine Beurteilungsermächtigung an, wenn der Gesetzgeber eine im Gesetz geregelte Rechtsfolge an eine höchstpersönliche Qualifizierung geknüpft und zugleich die für die Entscheidung zuständige Behörde ermächtigt hat, diese höchstpersönliche Qualifizierung mit allgemein verbindlicher Wirkung vorzunehmen; ferner, wenn ein Gesetz zu erkennen gibt, daß im Rahmen einer berufsrechtlichen Regelung sich ein Gremium fachlicher Experten über eine bestimmte Frage zu einer ausgeglichenen Mehrheitsentscheidung durchringen und zugleich "letztverbindlich" - also nur in Grenzen gerichtlich kontrollierbar - entscheiden soll (BVerwGE 62, 86, 101). Eine solche Ermächtigung kann den im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften (§ 368a Abs 6 RVO; § 21 ZO-Ärzte) nicht entnommen werden. Ein approbierter Arzt, dessen berufliche Qualifikation bereits nachgewiesen ist, hat einen Rechtsanspruch auf Zulassung als Kassenarzt, wenn er die speziellen Voraussetzungen hierfür erfüllt und keine Hinderungsgründe entgegenstehen. In einem Rechtsstreit über diesen Anspruch sind die Anspruchsvoraussetzungen und eventuell in Betracht kommende Hinderungsgründe zu prüfen. Wenn der Senat mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- (SozR 2200 § 368a RVO Nr 6) für die Entziehung der Kassenzulassung wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten (§ 368a Abs 6 RVO) voraussetzt, daß dem Arzt die Eignung für die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung fehlt, meint er nicht die Eignung im beruflich-fachlichen Sinne, die von fachlichen Experten zu beurteilen wäre, sondern die Fähigkeit und Bereitschaft, an der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung mitzuwirken (§ 368 Abs 1, § 368k Abs 1, § 368n Abs 1 RVO). Die Eignung in diesem Sinne besitzt der Arzt nicht mehr, wenn er seine kassenärztlichen Pflichten derart verletzt, daß er für das gesetzlich geregelte kassenärztliche Versorgungssystem untragbar geworden ist. Die Entscheidung darüber ist von tatsächlichen Gegebenheiten abhängig, die ohne weiteres gerichtlicher Nachprüfung zugänglich sind (Art, Schwere und Dauer des Fehlverhaltens; keine oder keine ausreichende Einordnung in das kassenärztliche Leistungssystem; mangelnde Reaktion auf Disziplinarmaßnahmen und sonstige Beanstandungen, durch die der Arzt zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner kassenärztlichen Pflichten angehalten werden soll). Anders verhält es sich bei der Prüfung des Bedarfs an ärztlichen Leistungen, der nach § 368a Abs 8 RVO für die Beteiligung eines leitenden Krankenhausarztes an der kassenärztlichen Versorgung maßgebend ist. Insoweit war den Zulassungsinstanzen ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen, der sie in die Lage versetzt, die Beteiligung von Krankenhausärzten der jeweiligen Bedarfslage anzupassen.
Die Revisionskläger wenden sich aber zu Recht gegen die Folgerung, die das Berufungsgericht aus dem Umstand herleitet, daß im Zeitpunkt seiner Entscheidung der Kläger schon über 5 1/2 Jahre nicht mehr an der kassenärztlichen Versorgung teilgenommen hatte. Allein dieser Zeitablauf soll die Annahme rechtfertigen, daß der Kläger nun wieder für die Ausübung der Kassenpraxis geeignet sei. Auch wenn diese Aussage durch die weiteren Ausführungen im Berufungsurteil wieder etwas abgeschwächt wird, ist sie richtigzustellen. Entscheidend kommt es darauf an, wie sich der Arzt nach der Entziehung der Kassenzulassung in seinem beruflichen Bereich verhalten hat und welche Schlüsse daraus auf eine berufliche Bewährung zu ziehen sind (vgl Hess. VGH in MedR 1986, 156, 158 mit Hinweis auf BVerwG). Die Dauer der "Bewährungszeit" kann nicht generell festgelegt werden, sie ist vielmehr abhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalles. Eine "Bewährungszeit" von 5 Jahren ist allerdings eine lange Zeit, die in Anbetracht dessen, daß es sich bei der Entziehung der Kassenzulassung um einen sehr schweren Eingriff in das Recht des niedergelassenen Arztes auf freie Berufsausübung handelt, nur in besonders gravierenden Fällen überschritten werden sollte; in vielen Fällen wird schon eine kürzere Zeit genügen, um feststellen zu können, ob der Arzt wieder für die kassenärztliche Versorgung geeignet ist. Das Wohlverhalten des Arztes während eines Entziehungs- oder Wiederzulassungsverfahrens wird allerdings, da es unter Umständen zweckgerichtet auf den Erfolg des Verfahrens nur der besonderen Situation Rechnung trägt, in der Regel nicht im gleichen Maße zuverlässige Schlüsse auf eine wiedererlangte Eignung auf Dauer zulassen wie ein Wohlverhalten in der übrigen Zeit. In dem Zeitraum vom 1. Juli 1980 bis zum 19. Februar 1986, den das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, waren Zulassungsverfahren anhängig vom 4. August 1980 bis zum 5. Mai 1982 und ab 30. August 1983.
Das Berufungsgericht ist wegen der besonderen Bedeutung, die es allein dem Zeitablauf beigemessen hat, seiner Amtsermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Da nach seiner Auffassung die lange Zeit des Ausschlusses von der Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung - ähnlich wie der Besserungs- und Abschreckungseffekt einer Strafe - die Gewähr biete, daß sich der Kläger nun wahrscheinlich in das kassenärztliche System einfügen werde, beschränkt es seine Prüfung darauf, ob das Verhalten des Klägers als Arzt, das seit Aufgabe seiner Kassenpraxis bekanntgeworden ist, der Berechtigung dieser Annahme entgegensteht. Es hätte aber prüfen müssen, ob das Verhalten des Klägers in der zurückliegenden Zeit, soweit es feststellbar ist, die Annahme der wiedererlangten Eignung rechtfertigt. Die Revisionskläger rügen deshalb zu Recht - der Beigeladene zu 2) ausdrücklich, die übrigen Rechtsmittelführer sinngemäß -, daß der Sachverhalt nur ungenügend aufgeklärt ist.
Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts drängt sich vor allem in dem Bereich auf, in welchem das zur Zulassungsentziehung führende Fehlverhalten des Arztes lag. Im Beschluß des Zulassungsausschusses vom 25. Oktober 1978 wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe seit seiner Zulassung ständig unwirtschaftlich behandelt, also gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen (§ 368e RVO). Für die Entscheidung über die Wiederzulassung kommt es deshalb in erster Linie darauf an, wie es der Kläger in der Zwischenzeit mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten hat. Entsprechende aufschlußreiche Feststellungen scheinen nicht ausgeschlossen. Die kassen- und vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers endete, nachdem er gegen den oben angegebenen Beschluß Klage erhoben hatte, erst mit dem Verzicht auf die Kassenzulassung zum 30. Juni 1980. Unter Umständen geben bereits die Honorarforderungen des Klägers für die Quartale III/1978 bis II/1980 darüber Aufschluß, ob er den Entziehungsbeschluß zum Anlaß genommen hat, sein Fehlverhalten zu korrigieren. Da der Kläger noch heute als Knappschaftsarzt tätig ist, bietet sich weiter die Möglichkeit an, auch das Behandlungsverhalten des Klägers in den letzten Jahren zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht hat lediglich bezüglich der Quartale I und II/1985 Feststellungen getroffen. Aussagekräftig wird aber ein Kostenvergleich erst sein, wenn er sich auf einen längeren Zeitraum (mindestens auf die letzten drei Jahre) erstreckt. Sollte sich dabei ergeben, daß die Honoraranforderungen des Klägers und damit auch seine Leistungsaufwendungen erheblich über dem Fachgruppendurchschnitt lagen, findet das nicht ohne weiteres in der niedrigen Fallzahl des Klägers (jeweils nur etwa 100 im knappschaftlichen Versorgungsbereich) eine ausreichende Erklärung. Soweit das Berufungsgericht einen rechtfertigenden Grund darin sieht, daß - wie es zu den Fallkostenüberschreitungen des Klägers in den oben angegebenen Quartalen um 38,6 bzw 46,3 vH ausführt - in einer so kleinen Praxis der Arzt die Möglichkeit habe, die Behandlung sorgfältiger und gezielter als in einer Praxis mit einer etwa zehnfachen Patientenzahl durchzuführen, kann ihm nicht zugestimmt werden. Es ist zu beachten, daß allen Versicherten der gleiche Anspruch auf Krankenbehandlung zusteht (§§ 368e, 182 Abs 2 RVO). Jeder Kassenarzt hat diesen Anspruch bei jedem versicherten Patienten in gleicher Weise zu erfüllen. Daraus folgt, daß weder eine Ausdehnung der Kassenpraxis zu einer Leistungseinschränkung führen darf (bei einer übermäßigen Ausdehnung sind unter Umständen Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung -KÄV- veranlaßt, vgl § 368f Abs 1 Satz 5, § 368n Abs 2 Satz 2 RVO), noch eine kleine Praxis eine Leistungsausweitung rechtfertigt. Allerdings können Praxisbesonderheiten (zB ein gegenüber den sonstigen Praxen der Fachgruppe andersgeartetes Patientengut) sich ungünstig auf den Fallkostenvergleich auswirken. Solche Praxisbesonderheiten wären bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen.
Hinsichtlich des sonstigen Verhaltens des Klägers, soweit es von den übrigen Beteiligten beanstandet wird, bedürfen die Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil ebenfalls der Ergänzung. Die Sachverhalte, die bei der Ärztekammer zur Anlegung eines Aktenvorganges geführt haben, werden nicht dargelegt. Auch wenn sie die Ärztekammer nicht veranlaßt haben, berufsrechtliche Schritte zu unternehmen, können sie zusammen mit einem sonstigen Fehlverhalten für die Frage von Bedeutung sein, ob der Kläger weiterhin als Kassenarzt ungeeignet ist. Bezüglich dieser Sachverhalte kann es unter Umständen ausreichen, die Ermittlungsergebnisse der Ärztekammer in das Verfahren einzuführen und zu würdigen.
Für den Fall, daß auch nach vollständiger Aufklärung des Sachverhalts noch geringe Zweifel an der Bereitschaft des Klägers zu einer störungsfreien Zusammenarbeit mit der KÄV und den Krankenkassen bestehen, ist der Ansicht des Berufungsgerichts zuzustimmen, daß der KÄV und den Krankenkassen die Teilnahme des Klägers an der kassenärztlichen Versorgung zunächst wieder zugemutet werden kann. Bei erneutem Fehlverhalten des Klägers besteht abermals die Möglichkeit, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (zB Disziplinarmaßnahmen, Honorarkürzungen und letzten Endes auch die erneute Entziehung der Zulassung). Anders verhält es sich jedoch, wenn der Kläger keine Gewähr für eine ordnungsgemäße ärztliche Versorgung der Versicherten bietet. In diesem Falle wäre die Wiederzulassung des Klägers nicht zu verantworten.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Berufungsgericht überlassen.
Fundstellen