Beteiligte
Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. November 1970 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Berücksichtigung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV).
Er arbeitete seit Juli 1945 als technischer Angestellter bei der Firma P. GmbH in V.. Ab 1. April 1953 war er, nachdem die Firma in eine Kommanditgesellschaft (KG) umgewandelt worden war, Komplementär und setzte seine praktische Tätigkeit im Betrieb fort. Das Unternehmen stellte u.a. streichbare Makulatur her und verwendete dabei bis Mitte 1958 als Zusatz Kieselgur. Für den Kläger wurden bis zum 31. März 1953 Pflichtbeiträge und anschließend bis zum 30. September 1960 freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet. Das Arbeitseinkommen des Klägers betrug in der Zeit vom 1. April 1952 bis 31. März 1953 einschließlich Weihnachtsgeld 3 420 DM (angepaßt ab 1. Januar 1965: 5 133,84 DM). Am 30. September 1960 schied der Kläger aus der Firma aus und eröffnete einen Großhandel mit Spirituosen. Für das Kalenderjahr 1960 wurde der Kläger mit einem Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 10 702 DM zur Einkommensteuer veranlagt. Die Sonderausgaben betrugen 2 412 DM.
Bei einer Röntgenreihenuntersuchung am 16. Dezember 1960 wurde bei dem Kläger eine Lungenerkrankung festgestellt. Mit Bescheid vom 11. April 1962 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der bei ihm festgestellten beginnenden Staublungenerkrankung ab. Zur Begründung führte sie aus: Wegen der beginnenden Staublungenerkrankung könnten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erst dann gewährt werden, wenn diese zu einer Beeinträchtigung von Atmung und Kreislauf geführt habe. Das sei jedoch nicht der Fall.
Durch Bescheid vom 10. Mai 1967 erkannte die Beklagte als Folgen der Berufskrankheit „Quarzstaublungenerkrankung mit Beeinträchtigung der Atmung” an und gewährte dem Kläger ab 1. Januar 1965 eine Rente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente und ab 1. Dezember 1965 in Höhe von 50 v.H. der Vollrente. Ab 1. Januar 1967 galt die Rente als Dauerrente. Der Rentenberechnung legte sie einen JAV von 5 265 DM, das ist der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb in Kalenderjahr 1964, zugrunde.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger, der seit dem 1. Januar 1965 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, die Berücksichtigung seines im Kalenderjahr 1960 erzielten Einkommens in Höhe von 8 290 DM als JAV begehrt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. November 1968).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: die Beklagte sei von einem zutreffenden JAV ausgegangen. Bei Unternehmern wie dem Kläger, der vor dem 1. Januar 1965, d.h. im Jahre 1964 selbständiger Gewerbetreibender gewesen sei, sei als Arbeitseinkommen der Unternehmergewinn zugrunde zu legen, § 572 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei hier nicht anwendbar. Der letzte Tag, an dem der Kläger als Versicherter in einem Unternehmen, wie es in § 572 RVO näher beschrieben ist, gearbeitet habe, sei der 31. März 1953. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er als technischer Angestellter bei der genannten Firma tätig gewesen. Für die Berechnung des JAV ergebe sich daraus jedoch keine günstigere Regelung. Der 30. September 1960, der letzte Tag, an dem der Kläger mit Arbeiten beschäftigt gewesen sei, die eine Quarzstaublungenerkrankung hätte verursachen können, könne als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls nicht in Betracht kommen; denn zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nicht gegen Arbeitsunfall bei der Beklagten versichert gewesen, weil er nicht zu den in dieser Vorschrift aufgeführten – der Versicherungspflicht unterliegenden – Unternehmern zähle. Die Satzung der Beklagten habe keine Vorschrift enthalten, auf die die Versicherungspflicht auf Unternehmer erstreckt worden sei. Der Kläger habe auch von der Möglichkeit, sich als Unternehmer freiwillig gegen die Folgen von Arbeitsunfällen zu versichern (§ 539 RVO aF), keinen Gebrauch gemacht. Die Aufnahme von Bezügen des Klägers in die Lohnnachweise reiche nicht aus, um daraus eine Versicherungspflicht herzuleiten. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, daß die von der Beklagten herausgegebenen Anleitungen zur Aufstellung des Lohnnachweises nicht zweifelsfrei gefaßt gewesen seien. Selbst wenn dies der Fall gewesen sei, führe das jedenfalls nicht zur Begründung eines Versicherungsverhältnisses.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, er habe sich als persönlich haftender Gesellschafter einer KG in einem besonders starken persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis befunden. Während nach dem Gesellschaftsvertrag seine Eltern jeweils allein zeichnungsberechtigt gewesen seien, habe er entweder nur zusammen mit seiner Mutter oder seinem Vater zeichnen dürfen. Außerdem heiße es in § 10 des Gesellschaftsvertrages, daß ihm für seine Tätigkeit in der Gesellschaft eine angemessene Vergütung zukommen solle, die bei der Berechnung des Reingewinns nicht in Ansatz gebracht werde. Bei den anderen persönlich haftenden Gesellschaftern sei eine derartige Bestimmung nicht getroffen worden, obgleich sie ebenfalls in der Gesellschaft mit tätig gewesen seien. Wenn er aus steuerlichen Gründen in die Gesellschaft aufgenommen worden sei, so dürfe dies ebensowenig mit herangezogen werden wie die Tatsache, daß keine Pflichtbeiträge mehr für ihn gezahlt worden seien. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, auf die besonderen unfallversicherungsrechtlichen Bestimmungen für Kommanditgesellschaften hinzuweisen. Da sie dieses nicht getan habe und unstreitig Beiträge für ihn aus den pauschalen Lohnnachweisen erhalten habe, müsse sie sich so behandeln lassen, als ob ein faktischer Versicherungsvertrag zu seinen Gunsten bestanden habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG vom 25. November 1970 und des Urteils des SG Hildesheim vom 27. November 1968 den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 1967 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zwar sei die vom Kläger in dem bei ihr versicherten Unternehmen bis zum 30. September 1960 ausgeübte Tätigkeit ihrer Art nach zur Verursachung der Berufskrankheit geeignet gewesen, § 572 RVO lasse sich aber deswegen nicht anwenden, weil er zu dieser Zeit nicht als „Versicherter” im Unternehmen tätig geworden sei. Dies habe das LSG in seiner ausführlichen Urteilsbegründung richtig erkannt.
II
Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung an das LSG begründet.
Der Kläger wendet sich lediglich gegen die Höhe des JAV, nicht gegen die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und den Beginn der Rente. Er könnte wegen seiner Berufskrankheit i.S. von Nr. 34 der Anlage zur 60 Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) einen höheren JAV berücksichtigt verlangen, wenn die Voraussetzungen des § 551 Abs. 3 Satz 2 1. Halbs. RVO vorlägen.
Nach § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als JAV das Einkommen des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall. Nach § 551 Abs. 3 Satz 2 RVO gilt als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls entweder der Beginn der Krankheit i.S. der Krankenversicherung (1. Halbs.) oder wenn dies für den Versicherten günstiger ist, der Beginn der MdE (2. Halbs.). Nach § 572 RVO gilt bei Berufskrankheiten für die Berechnung des JAV, wenn es für den Berechtigten günstiger ist, als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls der letzte Tag, an dem der Versicherte in einem Unternehmen Arbeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet sind, die Berufskrankheit zu verursachen. Es ist daher zu prüfen, welche Regelung für den Kläger die günstigste ist. Die Beklagte und das LSG haben jedoch nur die Voraussetzungen des § 572 RVO geprüft. Dabei ist das LSG zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß § 572 RVO nicht zur Anwendung gelangen kann, und zwar aus zwei Gründen:
1. Der letzte Tag, an dem der Kläger als Versicherter in einem Unternehmen, wie es § 572 RVO näher beschreibt, gearbeitet hat, ist der 31. März 1953. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kläger als technischer Angestellter bei der Firma P. GmbH tätig und auf Grund dieses Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall versichert (§ 537 Nr. 1 RVO aF). Für die Berechnung des JAV kann jedoch auf diesen Zeitpunkt als Arbeitsunfall nicht abgestellt werden, weil der auf dieser Grundlage berechnete JAV geringer sein würde als der von der Beklagten unter Zugrundelegung des vom Kläger im Jahre 1964 erzielten Gewinns aus Gewerbebetrieb ermittelten JAV. Das Arbeitseinkommen des Klägers im Jahre vor dem 31. März 1953 betrug nach den Feststellungen des LSG 3 420 DM, und mit Rücksicht auf die Anpassung würde sich zum 1. Januar 1965 lediglich ein Betrag von 5 133,94 DM ergeben.
2. Der 30. September 1960 kommt als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls nicht in Betracht. Er wäre zwar für den Kläger günstiger, denn es würde sich, wie die Einkommensverhältnisse des Klägers im Jahre 1960 erkennen lassen, ein höherer JAV ergeben, und es ist auch der letzte Tag, an dem der Kläger nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG mit Arbeiten beschäftigt war, die eine Quarzstaublungenerkrankung hätten verursachen können. An diesem Tag war der Kläger jedoch nicht bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall versichert, denn er war seit dem 1. April 1953 Komplementär und damit – unabhängig von dem Umfang seiner Zeichnungsberechtigung und der in § 10 des Gesellschaftsvertrages bestimmten besonderen Vergütung – Unternehmer. Als solcher war er jedoch nicht nach § 537 RVO aF gegen Arbeitsunfall versichert, weil er nicht zu den in dieser Vorschrift aufgeführten, der Versicherungspflicht unterliegenden Unternehmern zählte sowie die Satzung der Beklagten keine Vorschrift enthielt, durch die die Versicherungspflicht auf Unternehmer erstreckt wurde (§ 538 RVO aF) und der Kläger schließlich auch von der Möglichkeit, sich als Unternehmer freiwillig gegen die Folgen von Arbeitsunfällen zu versichern, keinen Gebrauch gemacht hat. Die vorgenommene Aufnahme des Klägers in den Lohnnachweis des Betriebes für die Unfallversicherungsbeiträge kann nicht in eine freiwillige Unternehmerversicherung umgedeutet werden, denn diese setzt einen eindeutigen Antrag voraus, in dem der Wille, eine freiwillige Versicherung zu den satzungsmäßigen Bedingungen abzuschließen, unmißverständlich und ohne Vorbehalt erklärt worden sein muß (vgl. Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. § 545 Anm. 3 sowie Anm. 3 c mit der dort zitierten Literatur). Dabei greift die Entscheidung in AN 1888, 302 Nr. 589 allerdings hier nicht ein, da in der genannten Entscheidung anscheinend erst nach dem Unfall die eigenen Verdienste in der Lohnnachweisung aufgeführt worden sind. Die Entscheidung in AN 1891 S. 201 ist ebenfalls nicht einschlägig, da es sich in diesem Fall um die Aufnahme eines Selbständigen in das Kataster handelt. Die Entscheidung in AN 1907, 473 erklärt jedoch ausdrücklich, daß darin, wenn ein Regiebauunternehmer seinen eigenen Verdienst in die Regiebaunachweisungen mit einstellt, keine ausreichende Anmeldung zur Selbstversicherung zu erblicken sei. Eine solche Handlungsweise stelle keine deutliche Willenserklärung dar, sondern könne vielmehr aus verschiedenen Absichten erklärt werden. Dem pflichtet der erkennende Senat bei. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, daß die Satzung der Beklagten in Abschnitt VIII § 41 ausdrücklich erklärt: Die freiwillige Versicherung erfolgt durch Anmeldung. Die Anmeldung bedarf der Schriftform und muß die Versicherungssumme enthalten, die der Versicherung als JAV zugrunde gelegt werden soll.
Auch eine sog. Formalversicherung, wie sie die Entscheidung des Reichsversicherungsamts in AN 1888, 314, 315 im Auge hat, kommt hier nicht in Betracht, weil nicht festgestellt ist, daß die Beklagte aus den pauschalen Lohnnachweisungen hätte ersehen können, daß der Kläger als Unternehmer in ihr mit aufgenommen worden ist. Daß die Nachweisungen außer den Lohnsummen auch die Namen der einzelnen Versicherten sowie ihre Stellung im Unternehmen enthielten, ist vom Kläger offenbar auch nicht behauptet, jedenfalls aber im Revisionsverfahren nicht vorgetragen worden. Er hat im Gegenteil selbst von pauschalen Lohnnachweisen gesprochen. Bei den pauschalen oder summarischen Lohnnachweisen, die ohne Namensnennung eingereicht werden, ist der Berufsgenossenschaft die Möglichkeit genommen, die Beschäftigungsart der einzelnen Personen zu überprüfen. Die Berufsgenossenschaft muß sich bei einer Nachprüfung darauf beschränken, ihren Mitgliedern die für die Versicherung in Betracht kommenden Grundsätze näher darzulegen. Es bleibt dann den Mitgliedern überlassen, in eigener Verantwortung zu prüfen, auf welche Weise eine Unternehmerversicherung abgeschlossen werden kann (vgl. RVA in AN 1913, 461). Etwaige dennoch bestehende Zweifelsfragen können durch Einholung einer Auskunft bei der Berufsgenossenschaft beseitigt werden. Die Einholung einer solchen Auskunft wäre im vorliegenden Fall dem Mitgliedsunternehmen zuzumuten gewesen. Nur wenn daraufhin von der Beklagten eine unrichtige oder mißverständliche Auskunft erteilt worden wäre, könnte das dahingehende Vorbringen der Revision u.U. beachtlich sein. Eine andere Beurteilung würde nur dann zu gelten haben, wenn der Unternehmer unter den versicherten Personen versehentlich im Lohnnachweis mit aufgezählt wäre und die Berufsgenossenschaft dies hätte erkennen müssen oder wenn sie wenigstens die Möglichkeit gehabt hätte, hiervon Kenntnis zu nehmen (vgl. im übrigen zur Formalversicherung das Urteil des Senats in SozR Nr. 40 zu § 539 RVO). Dafür ist aber im vorliegenden Fall nichts dargetan.
Das LSG hat jedoch nicht geprüft, ob die bereits erwähnte Vorschrift des § 551 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbs. RVO hier zum Zuge kommt. Steht nämlich fest, daß bei der Röntgenreihenuntersuchung im Dezember 1960 die Staublungenerkrankung schon eine Krankheit i.S. der Krankenversicherung dargestellt hat, dann würde dies als der Zeitpunkt des Arbeitsunfalls „gelten” und wäre mithin der JAV unter Zugrundelegung der im Jahre vor diesem Zeitpunkt bestehenden Einkommensverhältnisse des Klägers zu berechnen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder – zugleich oder ausschließlich – Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Dabei hat das BSG als regelwidrig einen Körperzustand beurteilt, der von der durch das Leitbild des gesunden Menschen geprägten Norm abweicht. Der seinerseits nicht leicht zu umschreibende Begriff der „Gesundheit” ist dabei für die Praxis ausreichend mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung der körperlichen Funktionen ermöglicht. Eine Krankheit im Rechtssinne oder eine Krankheit i.S. der Krankenversicherung liegt allerdings nur vor, wenn der regelwidrige Körperzustand einer Behandlung bedarf. Diese Behandlungsbedürftigkeit ist vom BSG dann bejaht worden, wenn ein regelwidriger Körperzustand ohne ärztliche Hilfe nicht mit Aussicht auf Erfolg behoben, mindestens aber gebessert oder vor Verschlimmerung bewahrt werden kann; oder wenn ärztliche Behandlung erforderlich ist, um Schmerzen oder sonstige Beschwerden zu lindern (siehe dazu insbesondere das Urteil des 3. Senats vom 20. Oktober 1972 in SozR Nr. 52 zu § 182 RVO = BSG 35, 10, 12, 13). Das LSG wird in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen haben, daß seit dem Inkrafttreten der 5. BKVO (vgl. Nr. 27 a, wo das Wort „schwere” nicht mehr enthalten ist) die Anerkennung einer berufsbedingten Staublungenerkrankung (Silikose) nicht mehr vom Vorliegen eines bestimmten (höheren) Grades der MdE abhängt. Im Schrifttum wird die Meinung vertreten, die Frage, ob die für die Anerkennung einer Berufserkrankung i.S. der Nr. 34 der Anlage zur 7. BKVO u.a. erforderliche leistungsmindernde Beeinträchtigung von Atmung oder Kreislauf (BSG vom 26. Februar 1965 in SozR Nr. 17 zu § 45 RKG; BSG in Breithaupt 1968, 824) durch eine berufsbedingte Staublungenerkrankung verursacht worden ist, sei kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal für die Anerkennung der Silikose als Berufskrankheit, sondern eine Frage der Tatsachenfeststellung (siehe dazu eingehend Heußner, Kompaß 1971, 63 ff, 65 und ihm folgend Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, Stand August 1973, 490 u II, ebenso wohl auch Bollermann, Kompaß 1971, 323, 325). Ob dem zuzustimmen ist, kann hier dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall kommt es nicht darauf an, ab wann eine Krankheit i.S. der BKVO anzunehmen ist, sondern nur darauf, wann die – evtl. später nach der BKVO zu entschädigende – Krankheit i.S. der Krankenversicherung begonnen hat. Im Falle des § 551 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 RVO muß also scharf unterschieden werden zwischen dem Beginn derKrankheit i.S. der Krankenversicherung und dem Beginn der MdE bzw. der Leistungsgewährung nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung. Dem steht auch nicht der unanfechtbar gewordene Bescheid der Beklagten vom 11. April 1962 entgegen, denn mit diesem Bescheid hat die Beklagte nur „Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung” mit der Begründung abgelehnt, zwar liege eine beginnende Staublungenerkrankung vor, jedoch bestehe noch keine Beeinträchtigung von Atmung und Kreislauf. Damit ist nicht gesagt, daß der Kläger nicht bereits damals wegen der Staubeinlagerung in der Lunge jedenfalls i.S. der Krankenversicherung krank war. Insoweit wird zu beachten sein, daß der Kläger nach der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit vom 4. Mai 1961 offenbar wegen einer „Silikose” ab 29. Dezember 1960 arbeitsunfähig war und sich in der Heilstätte Oberkaufungen befand.
Zur Nachholung der noch erforderlichen Feststellungen war die Sache unter Aufhebung des LSG-Urteils an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.11.1973 durch Schuppelius
Fundstellen