Entscheidungsstichwort (Thema)
Objektive Verfügbarkeit. Verfügbarkeit im Rahmen der Arbeitslosenhilfe bei Teilzeitbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Verfügbarkeit, wenn der Arbeitslose an einer vollschichtigen beruflichen Bildungsmaßnahme teilnimmt, während der er kein Unterhaltsgeld bezieht.
Orientierungssatz
1. Objektive Verfügbarkeit bedeutet, daß der Arbeitslose durch nichts gehindert sein darf, ohne Verzug eine gemäß § 103 AFG zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Er muß sich der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes aktuell zur Verfügung halten (vgl BSG vom 29.9.1987 - 7 RAr 24/87).
2. Während nach § 103 Abs 1 S 2 AFG beim Arbeitslosengeld das Vorhandensein eines Teilzeitarbeitsmarktes zugunsten des Arbeitslosen gegebenenfalls fingiert wird, ist im Rahmen der Arbeitslosenhilfe bei zeitlich beschränkter Arbeitsleistung Anspruchsvoraussetzung, daß Arbeitsplätze der entsprechenden Art in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen (vgl BSG vom 7.8.1979 - 7 RAr 70/78 = BSGE 49, 1 = SozR 4100 § 134 Nr 14).
Normenkette
AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. a, § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.11.1988; Aktenzeichen L 6 Ar 34/88) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 23.02.1988; Aktenzeichen S 7 Ar 279/87) |
Tatbestand
Der Kläger erstrebt Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 9. Juli 1986 bis 31. März 1987.
Er ist 1955 geboren und war zuletzt als Realschullehrer-Anwärter tätig (22. August 1984 bis 21. Februar 1986). Am 7. Februar 1986 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alhi. In der Zeit vom 1. April 1986 bis zum 27. März 1987 nahm er an einer vollzeitigen Maßnahme für Akademiker beim Europäischen Institut für Unternehmensführung in Bonn teil, die sich aus vier Blöcken zu je drei Monaten zusammensetzte (Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Grundlagen der Programmierung, Grundlagen der Systemanalyse und Organisationsprogrammierung). Ab 1. April 1987 steht er in einer Beschäftigung als Programmierer. Die Beklagte bewilligte ihm für die Dauer der beruflichen Bildungsmaßnahme Leistungen gemäß § 46 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), nicht jedoch Unterhaltsgeld (Uhg). Die Gewährung von Alhi wurde von ihr mit dem Hinweis abgelehnt, der Kläger sei nicht bedürftig, weil das anzurechnende Einkommen seiner Ehefrau den ihm zustehenden Leistungssatz übersteige (Bescheid vom 18. November 1986). Mit dem Widerspruch begehrte der Kläger Alhi nur noch für die Zeit ab 9. Juli 1986. Zur Begründung machte er geltend, seine Ehefrau habe ab diesem Zeitpunkt Erziehungsurlaub und erziele kein Einkommen mehr, so daß Bedürftigkeit gegeben sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger habe der Arbeitsvermittlung in der Zeit vom 9. Juli 1986 bis 31. März 1987 wegen Teilnahme an der Bildungsmaßnahme nicht zur Verfügung gestanden (Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1987). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, für die Zeit vom 9. Juli 1986 bis 31. März 1987 Alhi gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu zahlen (Urteil vom 23. Februar 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. November 1988).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt: Der Kläger habe für die Zeit vom 9. Juli 1986 bis 31. März 1987 deswegen keinen Anspruch auf Alhi, weil er der Arbeitsvermittlung während dieses Zeitraumes nicht zur Verfügung gestanden habe (§ 134 Abs 1 Nr 1, Abs 4 Satz 1 Halbs 1, § 103 AFG). Zwar bestünden keine Zweifel an seiner subjektiven Verfügbarkeit (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Jedoch habe es an der objektiven Verfügbarkeit gefehlt. Dazu gehöre, daß der Arbeitslose in der Lage sei, längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Dies drücke sich nicht nur im Gesetz selbst aus; es sei ein seit jeher anerkannter Grundsatz (BSGE 2, 67, 70). Nur derjenige Arbeitslose solle Leistungen erhalten, der dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung stehe und sich subjektiv zur Verfügung halte; allein auf diese Weise sei eine sofortige Vermittlung in Arbeit möglich, durch die in erster Linie die Arbeitslosigkeit beendet werden solle. Objektive Verfügbarkeit bedeute deshalb, daß der Arbeitslose durch nichts gehindert sein dürfe, ohne Verzug eine gemäß § 103 AFG zumutbare Beschäftigung aufzunehmen (BSG vom 29. September 1987 - 7 RAr 22/86 - und vom 28. Oktober 1987 - 7 RAr 80/86 -). Der Arbeitslose habe sich der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes (ArbA) aktuell zur Verfügung zu halten (BSGE 44, 188, 189 = SozR 4100 § 103 Nr 8). Ein solcher Zustand in den Lebensverhältnissen des Arbeitslosen müsse von vornherein täglich vorhanden sein. Dem genüge nicht eine Lebenssituation, die gegenwärtig berufliches Tätigwerden ausschließe und die auf die Herbeiführung der objektiven Vermittelbarkeit erst zu dem Zeitpunkt abstelle, in dem dem Arbeitslosen ein Arbeitsangebot unterbreitet werde. Vielmehr müßten alle Anspruchsvoraussetzungen an jedem Tag, für den die Leistung erbracht werden solle, in vollem Umfang vorliegen (BSG vom 29. September 1987, aaO). Dies sei hier im Hinblick auf die jeweils drei Monate dauernden Blöcke des einjährigen Gesamtunterrichts nicht der Fall. Für den jeweiligen Block lasse sich gerade nicht feststellen, daß alle Anspruchsvoraussetzungen an jedem Tag und in vollem Umfang vorgelegen hätten.
Die strengen Anforderungen, die der Gesetzgeber an die objektive Verfügbarkeit stelle, kämen des weiteren in § 103 Abs 4 AFG zum Ausdruck, wonach ua die Teilnahme an einer Maßnahme zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten (§ 41a AFG) die Verfügbarkeit nicht ausschließe. Damit sei eine Klarstellung erfolgt, um den Konflikt zwischen einem sachgerechten tatsächlichen Gebundensein des Arbeitslosen und den Anforderungen an seine objektive Verfügbarkeit zu lösen. Es liege auf der Hand, daß es dieser Regelung nicht bedurft hätte, wenn es lediglich auf die subjektive Absicht des Arbeitslosen hätte ankommen sollen, seine jeweilige aktuelle Bindung ggf umgehend aufzugeben.
Allerdings stehe die Teilnahme an einer Maßnahme mit ganztägigem Unterricht nicht in jedem Fall in Widerspruch zur objektiven Verfügbarkeit. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) oder Alhi sei nicht ausgeschlossen, solange der Arbeitslose noch mehr als kurzzeitige Beschäftigungen unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes wahrnehmen könne (BSGE 44, 164, 168 = SozR 4100 § 134 Nr 3). Doch sei mit objektiver Verfügbarkeit eine solche Betätigung unvereinbar, die auf längere Zeit angelegt sei und zum einen in sinnvoller und planvoller Weise ausgestaltet sei und zum anderen dergestalt realisiert werde, daß sie die für eine Berufstätigkeit erforderliche Zeit vollständig in Anspruch nehme. Eine Tätigkeit solcher Art schließe an jedem Tag, an dem sie stattfinde, die Möglichkeit der Berufstätigkeit aus. So liege es hier. Der Kläger habe an der beruflichen Bildungsmaßnahme aufgrund des Blockunterrichts in einer Weise teilgenommen, daß hierdurch jegliche marktübliche Berufstätigkeit von mehr als kurzzeitigem Umfang ausgeschlossen gewesen sei. Nicht zu verkennen sei, daß der Kläger die Bildungsmaßnahme aus eigener Initiative ergriffen habe. Indes habe die Teilnahme angesichts der Art, des Umfangs und des zeitlichen Ablaufs der Maßnahme im Gegensatz zu den Anforderungen an die objektive Verfügbarkeit gestanden (BSG vom 20. Oktober 1983 - 7 RAr 9/82 -).
Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 103 AFG. Zur Begründung trägt er vor: Das LSG sei in seinem Urteil zu Recht davon ausgegangen, daß er subjektiv der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Dagegen habe es zu Unrecht das Vorliegen der objektiven Verfügbarkeit verneint. Insbesondere habe es nicht die Tatsachen beschrieben, aufgrund deren er eine marktübliche Berufstätigkeit von mehr als kurzzeitigem Umfang nicht habe ausüben können. Es habe zwar betont, daß die Anspruchsvoraussetzungen im Hinblick auf die jeweils drei Monate dauernden Unterrichtsblöcke nicht an jedem Tag vorgelegen hätten. Nicht ersichtlich sei aber, welche Anspruchsgrundlage aufgrund welcher Tatsache nicht vorgelegen habe. Nach der Rechtsprechung stehe die Teilnahme an einer Maßnahme mit ganztägigem Unterricht der objektiven Verfügbarkeit nicht entgegen, solange der Arbeitslose noch mehr als kurzzeitige Beschäftigungen unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausüben könne (BSG vom 28. Oktober 1987, aaO). So habe es sich hier verhalten. Der Beklagten sei bekannt gewesen, daß der Kläger in der Zeit vom 1. April 1986 bis 27. März 1987 eine Maßnahme der beruflichen Bildung durchlaufen werde. Überdies habe sie ihm Leistungen gemäß § 46 Abs 3 AFG gewährt. Damit stehe fest, daß er während der Dauer der Bildungsmaßnahme das ArbA täglich habe aufsuchen können und für das ArbA erreichbar gewesen sei (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG). Im übrigen gebe es gerade im Berufsfeld des Klägers arbeitsmarktübliche Tätigkeiten, die neben der Teilnahme an einem Vollzeitunterricht mehr als kurzzeitig ausgeübt werden könnten, wie zB eine Lehrtätigkeit im Rahmen der Erwachsenenbildung.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Entscheidungsgründe des zweitinstanzlichen Urteils Bezug, die sie für zutreffend hält.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Nach den bisherigen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Bescheid vom 18. November 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 1987, durch den die Beklagte dem Kläger die Gewährung von Alhi für die Zeit vom 9. Juli 1986 bis 31. März 1987 versagt hat, rechtmäßig ist. Es ist nicht auszuschließen, daß die Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Alhi gegeben sind.
Anspruch auf Alhi hat, wer (1.) arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat, (2.) keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) nicht erfüllt, (3.) bedürftig ist und (4.) innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist), mindestens 150 Kalendertage (sofern der letzte Anspruch auf Alg oder Alhi nach § 119 Abs 3 AFG erloschen ist, danach mindestens 240 Kalendertage) in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können (§ 134 Abs 1 Nrn 1 bis 4 Buchst b AFG idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes -7. AFG-ÄndG- vom 20. Dezember 1985 -BGBl I 2484-). Diese Voraussetzungen waren - von der Frage der Verfügbarkeit zunächst abgesehen - am 9. Juli 1986 verwirklicht.
Der Kläger war arbeitslos; er stand seit Ende Februar 1986, als er seine Realschullehrer-Anwärtertätigkeit abschloß, vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (§ 101 Abs 1 Satz 1 AFG). Seine Arbeitslosmeldung und sein Antrag auf Gewährung von Alhi vom 7. Februar 1986 wirkten bis zum 9. Juli 1986 fort. Der Kläger hatte, weil er nicht in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) stand und deshalb nicht die Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) erfüllte, keinen Anspruch auf Alg (vgl dazu die Urteile des Senats vom 20. September 1989 - 7 RAr 114/87 - und - 7 RAr 38/89 - mwN). Er war ferner bedürftig (§ 137 AFG); seine Ehefrau erhielt zwar nach seinen Angaben während ihres Erziehungsurlaubs ab 9. Juli 1986 Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 600, -- DM (§ 5 Abs 1 Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG -). Erziehungsgeld bleibt jedoch bis zur Höhe von 600,-- DM als Einkommen unberücksichtigt (§ 8 Abs 1 Satz 1 BErzGG). Auch die Beklagte sieht dies so. Zum einen hat sie die Ablehnung der Alhi im Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1987 nicht mehr auf fehlende Bedürftigkeit, sondern mangelnde Verfügbarkeit gestützt. Zum anderen hebt sie in ihrem Dienstblatt-Runderlaß 165/85 vom 23. Dezember 1985 selbst hervor, daß Erziehungsgeld nicht als Einkommen iS des § 138 Abs 1 AFG anzusehen ist. Weiter hat der Kläger in der einjährigen Rahmenfrist, die vom 9. Juli 1985 bis 8. Juli 1986 lief, mindestens 150 Kalendertage, eine Zeit zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen kann. Das ergibt sich aus § 134 Abs 2 Nr 1 AFG, wonach Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, insbesondere als Beamter, einer Beschäftigung iS des Absatzes 1 Nr 4 Buchst b gleichstehen. Damit stellt sich die Frage, ob der Kläger ab 9. Juli 1986 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.
Gemäß § 134 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 AFG gelten die Vorschriften des Ersten Unterabschnittes über Alg entsprechend, soweit die Besonderheiten der Alhi nicht entgegenstehen. Die Begriffsbestimmung der Verfügbarkeit findet sich in § 103 Abs 1 Satz 1 AFG. Nach dieser Vorschrift - in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -AFKG-) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) - steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (1.) eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, (2.) bereit ist, (a) jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie (b) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung, zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten sowie zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen, sowie (3.) das ArbA täglich aufsuchen kann und für das ArbA erreichbar ist. Der Formulierung dieser Bestimmung ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber zwischen objektiver Verfügbarkeit (Nrn 1 und 3) und subjektiver Verfügbarkeit (Nr 2) unterscheidet, was einem seit jeher anerkannten Grundsatz entspricht (BSGE 2, 67, 70 ff). Alg oder Alhi soll nämlich nur derjenige Arbeitslose erhalten, der dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung steht und sich subjektiv zur Verfügung hält, weil nur so eine sofortige Vermittlung in Arbeit möglich ist, durch die die Arbeitslosigkeit in erster Linie beendet werden soll. Dem entspricht die Vorschrift des § 5 AFG, wonach ua der Vermittlung in Arbeit Vorrang vor der Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zukommt. Darauf, daß die Anspruchsvoraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 AFG nicht das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art 2 Abs 1 Grundgesetz - GG -) beeinträchtigen, hat der Senat schon hingewiesen (Urteile vom 20. Oktober 1983 - 7 RAr 9/82 - und vom 28. Oktober 1987 - 7 RAr 80/86 -).
Objektive Verfügbarkeit bedeutet, wie der Senat bereits entschieden hat, daß der Arbeitslose durch nichts gehindert sein darf, ohne Verzug eine gemäß § 103 AFG zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Er muß sich der Vermittlungstätigkeit des ArbA aktuell zur Verfügung halten (BSGE 44, 188, 189 = SozR 4100 § 103 Nr 8; vgl auch BSG vom 17. März 1981 - 7 RAr 20/80 - und vom 29. September 1987 - 7 RAr 24/87 -). Beschrieben wird damit folglich ein Zustand der Verhältnisse des Arbeitslosen, wie er von vornherein täglich vorhanden sein muß. Nicht ausreichend ist deshalb eine Lage, die gegenwärtig berufliches Tätigsein ausschließt und auf die Herbeiführung der bislang fehlenden objektiven Vermittelbarkeit erst zu dem Zeitpunkt abstellt, an dem dem Arbeitslosen ein Arbeitsangebot unterbreitet wird. Vielmehr müssen alle Anspruchsvoraussetzungen an jedem Tag, für den Alg erbracht werden soll, in vollem Umfang vorliegen (BSGE 62, 166, 170 = SozR 4100 § 103 Nr 39; Urteile vom 29. September 1987 - 7 RAr 22/86 - und - 7 RAr 24/87 - sowie vom 28. Oktober 1987 - 7 RAr 80/86 -).
Dies kommt hinsichtlich der Verfügbarkeit nicht nur im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck, der auf das objektive Arbeitenkönnen abstellt und nicht auf die bloße Bereitschaft zur Annahme von Arbeitsangeboten, sondern auch in den Regelungen der Ausnahmen hiervon. So bestimmt § 103 Abs 4 AFG idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189), daß die Teilnahme an Maßnahmen zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten (vgl § 41a AFG) die Verfügbarkeit nicht ausschließt. Obwohl es sich hier um einen Sachverhalt handelt, der die jederzeitige Aufnahme einer Beschäftigung bei sich bietender Gelegenheit nicht nur nicht hindert, sondern diesen Erfolg sogar zum Ziel hat, zudem eine leistungsbegründende Bereitschaft des Arbeitslosen zur Teilnahme verlangt (vgl § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst b, § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG), hielt der Gesetzgeber die Regelung des § 103 Abs 4 AFG für erforderlich, um den Konflikt zwischen einem sachgerechten tatsächlichen Gebundensein des Arbeitslosen und den Anforderungen an seine objektive Verfügbarkeit zu lösen. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn es lediglich auf die Absicht des Arbeitslosen hätte ankommen sollen, eine aktuelle Bindung ggf aufzugeben (BSGE 62, 166, 170 = SozR 4100 § 103 Nr 39; Urteile vom 29. September 1987 - 7 RAr 22/86 - und - 7 RAr 24/87 - sowie vom 28. Oktober 1987 - 7 RAr 80/86 -). Darüber hinaus läßt sich in diesem Zusammenhang auf die §§ 3 und 4 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezuges (Aufenthalts-Anordnung) vom 3. Oktober 1979 (ANBA 1979, 1388) verweisen. Auch diese Bestimmungen machen - wie der Senat in seinen oa Urteilen betont hat - deutlich, daß objektive Verfügbarkeit grundsätzlich das Fehlen solcher Umstände verlangt, die eine gleichzeitige Ausübung abhängiger Beschäftigung ausschließen.
Danach spricht die Teilnahme des Klägers an der beruflichen Bildungsmaßnahme zunächst gegen das Vorliegen objektiver Verfügbarkeit. Die berufliche Bildungsmaßnahme bestand aus ganztägigem Unterricht. Der Kläger konnte eine abhängige Beschäftigung zur selben Zeit nicht ausüben. Sein Hinweis vor dem LSG, die sich aus vier eigenständigen Blöcken zusammensetzende Bildungsmaßnahme (Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Grundlagen der Programmierung, Grundlagen der Systemanalyse und Organisationsprogrammierung) habe nach jedem Block gekündigt werden können und zu einer entsprechenden Qualifikation geführt, ist nicht geeignet, die Annahme objektiver Verfügbarkeit zu begründen.
Auf der anderen Seite braucht die Teilnahme an einer vollschichtigen beruflichen Bildungsmaßnahme das Vorliegen objektiver Verfügbarkeit nicht aufzuheben. Der Anspruch auf Alhi ist - wie der Senat ebenfalls zu erkennen gegeben hat - nicht ausgeschlossen, solange der Arbeitslose hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit noch mehr als eine kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann (BSGE 44, 165, 168 ff = SozR 4100 § 134 Nr 3; Urteil vom 28. Oktober 1987 - 7 RAr 80/86 -). Dem steht nicht § 134 Abs 4 Satz 2 Halbs 1 AFG entgegen, wonach keinen Anspruch auf Alhi hat, wer nur mit Einschränkung hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit imstande ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Diese Regelung, die bis zum AFKG in § 134 Abs 2 Satz 2 AFG enthalten war, ist - wozu der Senat mehrfach Stellung genommen hat - nicht dahin auszulegen, daß ein Anspruch auf Alhi immer schon dann entfällt, wenn ein Arbeitsloser nur Teilzeitarbeit verrichten kann, wenn er also hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit Einschränkungen unterliegt. Der Anspruch auf Alhi kann demnach gegeben sein, wenn unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - also in nennenswertem Umfang - Arbeitsplätze der entsprechenden Art vorhanden sind (BSGE 44, 164 = SozR 4100 § 134 Nr 3; Urteile vom 22. November 1977 - 7 RAr 53/75 -, vom 7. August 1979 - 7 RAr 70/78 - und vom 18. März 1982 - 7 RAr 48/81 -). Allerdings besteht im Verhältnis zu § 103 Abs 1 Satz 2 AFG, wonach die Dauer der Arbeitszeit nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu entsprechen braucht, wenn der Arbeitslose wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen nur eine Teilzeitbeschäftigung wahrnehmen kann, folgende Besonderheit (§ 134 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 AFG): Während nach § 103 Abs 1 Satz 2 AFG beim Alg das Vorhandensein eines Teilzeitarbeitsmarktes zugunsten des Arbeitslosen ggf fingiert wird, ist im Rahmen der Alhi bei zeitlich beschränkter Arbeitsleistung Anspruchsvoraussetzung, daß Arbeitsplätze der entsprechenden Art in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen (BSGE 49, 1, 3 = SozR 4100 § 134 Nr 14).
Es ist deshalb - bei Annahme subjektiver Verfügbarkeit - entscheidend, ob der Kläger neben der beruflichen Bildungsmaßnahme noch mehr als eine kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben konnte. Das LSG hat hierzu ausgeführt, der Kläger habe die Teilnahme an der beruflichen Bildungsmaßnahme in einer Weise betrieben, daß hierdurch jegliche marktübliche Berufstätigkeit von mehr als kurzzeitigem Umfang ausgeschlossen gewesen sei. Indessen findet diese Folgerung des LSG in den von ihm in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen keine Grundlage. Zur Begründung seiner Behauptung beruft sich das LSG allein auf den "ganztägigen Unterricht", den jeweils "dreimonatigen Blockunterricht" sowie darauf, daß die berufliche Bildungsmaßnahme "die für eine Berufstätigkeit erforderliche Zeit vollständig in Anspruch" genommen habe. Diese vom LSG herangezogenen Tatsachen rechtfertigen jedoch keineswegs die Annahme, der Kläger habe im Anschluß an die berufliche Bildungsmaßnahme nicht noch zumutbar eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes wahrnehmen können. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen muß die Sache mithin an das LSG zurückverwiesen werden.
Im Rahmen der nachzuholenden Tatsachenfeststellungen wird das LSG insbesondere zu prüfen haben, wo der Kläger während der Dauer der Bildungsmaßnahme wohnte, von wann bis wann die berufliche Bildungsmaßnahme täglich dauerte, wieviel Zeit die Vor- und Nachbereitung der Bildungsmaßnahme in Anspruch nahm, ob es überhaupt unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - also in nennenswertem Umfang - Beschäftigungsmöglichkeiten von mehr als kurzzeitigem Umfang gab und, wenn ja, ob sie vom Kläger wahrgenommen werden konnten. Die Frage, ob für den Kläger überhaupt in nennenswertem Umfang Beschäftigungsmöglichkeiten von mehr als kurzzeitigem Umfang in Betracht kamen, könnte vom LSG ggf durch Rückfragen bei Industrie- und Handelskammern, Volkshochschulen usw geklärt werden. Sollte der Kläger trotz der Bildungsmaßnahme, die er am 27. März 1987 beendete, der Arbeitsvermittlung gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG zur Verfügung gestanden haben, wird zu prüfen bleiben, ob dies auch für die Zeit vom 28. bis 31. März 1987 zutrifft. Dies ist nicht selbstverständlich; denn der Kläger könnte während der letzten vier Tage vor Beginn seiner Tätigkeit als Programmierer (1. April 1987) anderweitig gebunden gewesen sein.
Sofern der Kläger der Arbeitsvermittlung in der Zeit vom 9. Juli 1986 bis 31. März 1987 gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG zur Verfügung gestanden hat, wird das LSG des weiteren zu untersuchen haben, ob er - was ebenfalls zur Frage der objektiven Verfügbarkeit gehört - das ArbA täglich aufsuchen konnte und für das ArbA erreichbar war (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG). Sollte auch dies zu bejahen sein, wird sich die Frage stellen, ob der Kläger der Arbeitsvermittlung im streitigen Zeitraum subjektiv zur Verfügung gestanden hat (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Das LSG scheint dies anzunehmen. Doch mangelt es auch insoweit an ausreichenden Tatsachenfeststellungen.
Sofern das LSG aufgrund der nachzuholenden Tatsachenfeststellungen für die Dauer der Bildungsmaßnahme Verfügbarkeit des Klägers verneinen sollte, hätte der Kläger auch für die Zeit vom 28. bis 31. März 1987 keinen Anspruch auf Alhi. Es fehlte dann nämlich, worauf das LSG nicht eingegangen ist, an der Anwartschaftszeit; der Kläger hätte in diesem Fall nicht innerhalb der Vorfrist mindestens 150 Kalendertage eine Zeit zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen kann (§ 134 Abs 2 Nr 1 AFG). Die der Rahmenfrist beim Alg nachgebildete einjährige Vorfrist geht dem ersten Tag, an dem ein Anspruch auf Alhi erstmals begründet sein kann, unmittelbar voraus (Urteil vom 26. Juni 1986 - 7 RAr 8/85 -). Innerhalb dieses Zeitraumes (28. März 1986 bis 27. März 1987) konnte der Kläger deswegen keine Anwartschaft erwerben, weil seine Realschullehrer-Anwärtertätigkeit bereits am 21. Februar 1986 geendet hatte.
Die Revision führt somit gemäß § 170 Abs 2 SGG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, damit die Feststellungen nachgeholt werden können, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Kläger der Arbeitsvermittlung in der Zeit vom 9. Juli 1986 bis 31. März 1987 zur Verfügung gestanden hat. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen