Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung höherer Arbeitslosenhilfe
Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Der 1931 geborene Kläger begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 1. Juli 1986.
Er war mit durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit bedingten Unterbrechungen bis Ende Oktober 1978 im wesentlichen als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Von Juli 1979 bis März 1980 nahm der Kläger an einer Fortbildungsmaßnahme teil und bezog Unterhaltsgeld (Uhg) nach einem gerundeten Wochenarbeitsentgelt von 850,-- DM. Danach richtete sich die Höhe des aufgrund des Uhg-Bezuges entstandenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) für 156 Leistungstage ab 1. April 1980 sowie die Höhe der sich daran anschließenden Alhi ab 30. September 1980. Zuletzt war der Kläger vom 1. Dezember 1984 bis 15. Januar 1985 in einem Verlag angestellt und hatte ein monatliches Arbeitsentgelt von 4.300,-- DM.
Die Beklagte hatte vor dem 1. Juli 1986 die Alhi jeweils neu für ein Jahr bewilligt, zuletzt vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1986. Hierbei wurde die Alhi der allgemeinen Lohnentwicklung angepaßt. In diesem Bewilligungsabschnitt bezog der Kläger Alhi in Höhe von 429, 60 DM wöchentlich nach einem Arbeitsentgelt von 1.125,-- DM. Ab 1. Juli 1986 hätte das dynamisierte Arbeitsentgelt 1.160,-- DM wöchentlich betragen und sich die Alhi entsprechend erhöht. Mit Bescheid vom 16. Juli 1986 bewilligte die Beklagte ab 1. Juli 1986 die Alhi jedoch nur in Höhe von wöchentlich 340, 20 DM, weil das vom Kläger künftig erzielbare höchstmögliche tarifliche bzw. ortsübliche Arbeitsentgelt von 865,-- DM zugrunde zu legen sei. Dies folge aus § 136 Abs. 2b Arbeitsförderungsgesetz (AFG), § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) und § 112 Abs. 7 AFG.
Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1986) : Die Alhi sei ab 1. Juli 1986 zu Recht nach einem Bemessungsentgelt von 865,-- DM wöchentlich festgesetzt worden. Das tarifliche Arbeitsentgelt, welches der Kläger an seinem Wohnsitz nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nunmehr erzielen könne, entspreche der Gehaltsgruppe K 6 für kaufmännische Angestellte des Tarifvertrages für die chemische Industrie, die 3.758,-- DM monatlich betrage. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß der Kläger bei seinen letzten beiden Beschäftigungen als Bürokaufmann in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Oktober 1978 ein Gehalt von 2.800,-- DM und vom 1. Dezember 1984 bis 15. Januar 1985 ein Gehalt von 4.300,-- DM jeweils monatlich erzielt habe. Diese Gehälter seien allerdings nur deswegen ermöglicht worden, daß die Beklagte zur Deckung der hohen Lohnkosten Eingliederungsbeihilfen gewährt habe.
Mit Bescheid vom 24. Juli 1987 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 1. Juli 1987 nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 890,-- DM und mit Bescheid vom 7. Juli 1988 ab 1. Juli 1988 nach einem Arbeitsentgelt von 920,-- DM. Die Beteiligten haben sich dahin verständigt, daß diese Bescheide entsprechend dem Ausgang des anhängigen Rechtsstreits anzupassen sind.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 29. August 1988 abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12. Juli 1989 ab 1. Juli 1989 Alhi nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 950,-- DM bewilligt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Juli 1986 Alhi nach einem zu dynamisierenden wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.160,-- DM zu zahlen. Sein Urteil vom 23. November 1989 hat es im wesentlichen wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung des SG seien die angefochtenen Bescheide rechtswidrig, weil es an der nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderlichen Anhörung fehle. Danach sei einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen werde, der in seine Rechte eingreife. Wenn dies unterbleibe, sei dieser Mangel im gerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 2 SGB X nicht mehr zu heilen. Das sei hier der Fall. Zwar handele es sich bei dem Bescheid vom 16. Juli 1986 um einen Leistungsbescheid. Dieser greife dennoch in Rechte des Klägers ein. Dem Kläger habe nach materiellem Recht ein zeitlich unbegrenzter Anspruch auf Alhi zugestanden, dessen Dauer durch die ergangenen Bewilligungsbescheide nach § 139a AFG jeweils auf ein Jahr begrenzt worden sei. Für die nach Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erfolgten Weiterbewilligungen habe es keines Antrags des Klägers bedurft. Dieser sei seiner Mitwirkungspflicht durch die Ausfüllung des entsprecheden Fragebogens nachgekommen. Sinn und Zweck des Gesetzes verlangten es, auch in diesem Fall den Kläger vor einer Änderung des Bemessungsentgelts anzuhören. Der Gesetzgeber habe mit der Schaffung der Anhörungspflicht Überraschungsentscheidungen vermeiden wollen, die erfahrungsgemäß das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung beeinträchtigten. Ein Eingriff werde allerdings nur dann angenommen, wenn der vorhandene Rechtskreis des Betroffenen durch die Verwaltungsentscheidung beeinträchtigt worden sei, also nicht bei Verwaltungsakten, die einen Antrag ablehnten. In einem solchen Fall habe der Antragsteller in der Regel im Zusammenhang mit seinem Antrag ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. So liege es aber bei einer Neubemessung nach § 136 Abs. 2b AFG gerade nicht. Der betroffene Arbeitslose habe keinen neuen Antrag zu stellen.
Vielmehr überprüfe die Beklagte das maßgebliche Bemessungsentgelt von Amts wegen. Dabei sei auch ein etwaiges Absinken des Marktwerts der Arbeitskraft auf dem erreichbaren Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Dies entspreche im Grunde der Sach- und Rechtslage, wie sie § 48 SGB X für die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung bei Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse voraussetze. Daß in diesen Fällen vor Aufhebung des Verwaltungsakts der Betreffende angehört werden müsse, bedürfe keiner weiteren Begründung. Etwas anderes könne auch nicht gelten, wenn ohne besondere verfahrensrechtlichen Voraussetzungen laufende Alhi neu bemessen werde. Vor Erlaß des Bescheides vom 16. Juli 1986 sei der Kläger nicht angehört worden. Das sei hier deshalb erforderlich gewesen, weil die Beklagte die Tatsache, daß der Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 1984 bis 15. Januar 1985 ein Gehalt von 4.300,-- DM erzielt habe, nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt habe, weil dafür eine Eingliederungsbeihilfe gewährt worden sei. Das sei dem Kläger wahrscheinlich bekannt gewesen. Daß die Beklagte diesen Umstand als entscheidungserheblich ansehen würde, habe er jedoch nicht erkennen können, so daß es jedenfalls insoweit an der Gelegenheit zur Äußerung im Widerspruchsverfahren gefehlt habe.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie eine Verletzung von § 136 Abs. 2b Satz 1 i.V.m. § 112 Abs. 7 AFG, § 24 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 SGB X, §§ 103, 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) rügt. Sie trägt vor, eine Anhörung des Klägers zu einer Neufestsetzung des Bemessungsentgelts sei nach § 24 Abs. 1 SGB X nicht erforderlich gewesen. Durch die erneute Bewilligung der Leistung sei nicht in Rechte des Klägers eingegriffen worden. Der bisherige Bewilligungszeitraum sei abgelaufen gewesen. Die Beklagte hätte daher das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen erneut prüfen müssen (§ 139a AFG). Da das Ende des maßgeblichen Bemessungszeitraums länger als drei Jahre zurückgelegen habe, habe hierzu auch die Entscheidung über das künftig zugrunde zu legende Bemessungsentgelt gehört. Das LSG verkenne, daß unter diesen Umständen ein Fortzahlungsanspruch des Klägers in bisheriger Höhe, in den die Beklagte durch ihren Bescheid hätte eingreifen können, überhaupt nicht bestanden habe.
Wenn man unterstelle, daß eine erneute Anhörung des Klägers im Verwaltungsverfahren zwingend erforderlich gewesen sei, dann müsse davon ausgegangen werden, daß diese im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden sei. Dem Kläger sei Gelegenheit gegeben worden, zu den entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung zu nehmen und seinerseits ihm günstige Tatsachen vorzubringen.
Aber selbst dann, wenn die Beklagte ein Anhörungsrecht des Klägers verletzt haben sollte, hätte sie nicht zur Fortzahlung der Alhi nach dem bisherigen zu dynamisierenden Bemessungsentgelt verurteilt werden dürfen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. November 1989 aufzuheben, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 12. Juli 1989 abzuweisen. |
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die angefochtenen Bescheide würden in seine Rechte eingreifen, da sie die ihm mit Bescheid vom 1. Juli 1985 gewährte Alhi erheblich minderten und damit einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt teilweise zurücknähmen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe bei einer Minderung von Sozialleistungen grundsätzlich ein erhebliches Interesse des einzelnen an seiner Anhörung, bevor gegen ihn ein Verwaltungsakt erlassen werden dürfe. Gerade das verdeutliche, warum die ohne Anhörung ergangene Verfügung vom 16. Juli 1986 rechtswidrig sei.
Die von der Beklagten auf § 139a AFG gestützte Ansicht, zur Aufhebung einer bisherigen begünstigenden Rechtsposition bedürfe es einer Anhörung nicht, gehe fehl. Zuzugeben sei zwar, daß ein neuer Antrag nicht erforderlich gewesen sei. Daraus könne jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß dann der Kläger auch nicht angehört werden müsse. Dem LSG sei vielmehr darin beizupflichten, daß die gegebene Sach-und Rechtslage vergleichbar mit der Regelung des § 48 SGB X sei.
Die Anhörung des Klägers sei auch nicht gemäß § 41 Abs. 2 SGB X nachgeholt worden. Ihm seien die entscheidungserheblichen Tatsachen erst im Laufe des Gerichtsverfahrens nach Abschluß des Vorverfahrens bekannt geworden. Das Nachholen der unterbliebenen Anhörung sei daher nicht mehr zulässig.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist außer dem Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1986 gemäß § 96 SGG auch der Bescheid vom 12. Juli 1989, der im Berufungsverfahren ergangen ist. § 96 Abs. 1 SGG, wonach dann, wenn nach der Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens wird, gilt auch im Berufungsverfahren. Dies hat zur Folge, daß nicht nur das Vorverfahren entfällt, sondern auch der erste Rechtszug. Das Berufungsgericht entscheidet insoweit auf Klage (BSG SozR 1500 § 146 Nr. 14 m.w.N.). Unerheblich ist, daß zwischen den im ersten und im nachgehenden Bescheid geregelten Verfahrensgegenständen keine zeitliche Verknüpfung besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist § 96 SGG aus Gründen der Prozeßökonomie weit auszulegen und entsprechend anzuwenden, wenn der neue Verwaltungsakt mit dem Streitstoff im Zusammenhang steht und der Grundgedanke des § 96 die Einbeziehung rechtfertigt (BSG SozR 1500 § 96 Nrn 14, 32). Aus prozeßökonomischen Gründen wird es hiernach für ausreichend erachtet, wenn beide Bescheide aufgrund desselben Rechtsverhältnisses ergangen sind und der nachgehende Bescheid aus den gleichen Gründen wie der frühere Bescheid angefochten wird. Das ist hier der Fall.
In der Sache kann der Senat der Auffassung des LSG nicht folgen, die angefochtenen Bescheide seien bereits wegen eines Anhörungsmangels rechtswidrig. Die Anhörungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 SGB X (bis zum 31. Dezember 1980 § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - -SGB I-) ist nicht verletzt. § 24 Abs. 1 SGB X verlangt die vorherige Anhörung, wenn ein Verwaltungsakt erlassen werden soll, der in die Rechte des Betroffenen eingreift. Ein solcher Eingriff liegt hier nicht vor.
Nach den Feststellungen des LSG hatte die Beklagte vor dem 1. Juli 1986 Alhi jeweils nur für ein Jahr bewilligt, zuletzt für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1986. Das entsprach der Regelung des § 139a Abs. 1 AFG, wonach die Alhi jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden soll. Für die Zeit ab 1. Juli 1986 lag folglich noch kein Bewilligungsbescheid vor, in dessen Wirkungskreis die angefochtenen Bescheide hätten eingreifen können. Für die Zeit vom 1. Juli 1986 bis 30. Juni 1987 wurde die Leistung erstmals durch den Bescheid vom 16. Juli 1986 bewilligt. Der Höhe nach handelt es sich allerdings um eine teilweise Ablehnung der begehrten Alhi. Bei der neuen Bewilligung ging die Beklagte nicht mehr von dem bisherigen (dynamisierten) Bemessungsentgelt aus, sondern von einem niedrigeren. Sie lehnte es also ab, dem Kläger für den neuen Bewilligungsabschnitt die Alhi in der begehrten Höhe zu zahlen. Hierzu war die Beklagte nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, wenn der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Alhi hat, als sie ihm von der Beklagten bewilligt worden ist. Dies folgt zum einen aus § 139a Abs. 2 AFG, wonach vor der jährlichen Neubewilligung die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi zu prüfen sind. Das Gesetz schreibt ihr zum anderen in § 136 AFG vor, die Höhe einer mehrjährig bezogenen Alhi im Abstand von drei Jahren daraufhin zu überprüfen - und sie gegebenenfalls neu zu bestimmen -, ob der Arbeitslose das zuvor zugrunde gelegte Entgelt auf dem Arbeitsmarkt noch erzielen kann.
Die Alhi beträgt nach § 136 Abs. 1 Nr. 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des 7. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I 2484) für Arbeitslose, denen ein anrechenbares Kind zugeordnet wird, 58 v.H. und für die übrigen Arbeitslosen 56 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt ist bei der sog. Anschluß-Alhi, die aufgrund vorhergehenden Alg-Bezuges gewährt wird, was hier der Fall ist, nach § 136 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AFG das Arbeitsentgelt, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hat oder ohne die Vorschrift des § 112 Abs. 8 gerichtet hätte. Dieses Arbeitsentgelt ist gemäß § 136 Abs. 2b AFG jeweils nach Ablauf von drei Jahren seit dem Ende des Bemessungszeitraums nach § 112 Abs. 7 AFG neu festzusetzen. Seit dem Ende des Bemessungszeitraums sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG drei Jahre abgelaufen. § 136 Abs. 2c AFG steht dem nicht entgegen. Hiernach wird das Arbeitsentgelt nach der Entstehung des Anspruchs auf Alhi u.a. nicht mehr nach Abs. 2b gemindert, wenn der Arbeitslose das 58. Lebensjahr vollendet hat. Das ist hier nicht der Fall; denn der Kläger ist 1931 geboren.
Rechtlich stellt sich somit die Entscheidung über die Gewährung von Alhi für den nächsten Bewilligungsabschnitt als eine Erstbewilligung für diese Zeit dar. Der Umstand einer auf der Rechtsgrundlage des § 136 Abs. 2b AFG erfolgten Festsetzung der Höhe dieses Anspruchs ändert daran nichts. Dem steht auch nicht entgegen, daß nicht jeweils ein neuer Leistungsantrag i.S. von § 134 Abs. 1 Nr. 1 AFG erforderlich ist, sondern insoweit der frühere Antrag auf Gewährung von Alhi materiell-rechtlich weiterwirkt und als Anlaß für das Tätigwerden der Verwaltung ausreicht; denn entscheidend ist nicht, was der Arbeitslose (ursprünglich) beantragt hat, sondern was und für welche Zeit daraufhin bindend bewilligt worden war.
Es trifft zwar zu, daß der Anspruch auf Alhi nach der Konzeption des Gesetzes zeitlich unbegrenzt eingeräumt ist. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Leistungsanspruch dem Empfänger grundsätzlich unbegrenzt ab der ersten Bewilligung zuzusprechen ist. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, wie § 139a AFG zeigt. Folglich wird durch eine dem entsprechend zeitlich begrenzte Bewilligung der Anspruch auch nach seiner Dauer konkretisiert. Dies hat das SG Fulda in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 - 1 c AR 131/87 - (abgedruckt in info also 4/88 S. 166) verkannt.
Ein dem Kläger eingeräumter Rechtskreis, der ab 1. Juli 1986 durch einen Eingriff hätte verletzt werden können, liegt daher nicht vor. Einen solchen Eingriff verlangt aber § 24 Abs. 1 SGB X gerade für die Anhörungspflicht (BSG SozR 1200 § 34 Nr. 8 unter Hinweis auf BT-Drucks 7/868, Begründung zu § 34). Dieser erfolgt noch nicht, wenn die Verwaltung einem Begehren nicht stattgibt, also eine ablehnende Verwaltungsentscheidung über ein noch nicht eingeräumtes Recht trifft. Insoweit hat der Gesetzgeber bewußt von einer Anhörungspflicht abgesehen. Er ist, wie aus der Gesetzesbegründung zu § 34 SGB I (BT-Drucks 7/868, Begründung zu § 34) hervorgeht, davon ausgegangen, daß der Betroffene in der Regel Gelegenheit zur Stellungnahme hat und die Mitteilung der beabsichtigten Ablehnung die Tätigkeit der Verwaltung erheblich erschweren würde, zumal da der Betroffene eine erneute Stellungnahme im Widerspruchs- oder Rechtsmittelzug abgeben könne.
Eine solche Sach- und Rechtslage ist auch dann gegeben, wenn die Beklagte Alhi nach Ablauf eines Bewilligungsabschnittes (§ 139a Abs. 1 AFG) neu bewilligt und dabei § 136 Abs. 2b AFG anzuwenden hat, wie es hier der Fall war. Die von § 136 Abs. 2b Satz 1 AFG vorgeschriebene Neufestsetzung des für die Bemessung der Alhi maßgebenden Arbeitsentgelts erfolgt dann nicht in der Form des Eingriffs in einen durch Verwaltungsakt oder sonstwie bereits gesicherten Bestand von Rechten (was allerdings eine Anhörung erfordern würde), sondern im Rahmen einer erstmaligen Entscheidung über den Anspruch für den neuen Bewilligungsabschnitt. Sie setzt nicht die Anwendbarkeit des § 48 SGB X voraus; denn es liegt keine Aufhebung eines bereits vorhandenen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor. Der Hinweis der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid auf diese Vorschrift ist mithin verfehlt. Der Senat vermag deshalb nicht die Auffassung des LSG zu teilen, Sinn und Zweck des Gesetzes hätten es auch im vorliegenden Fall geboten, den Kläger vor der Entscheidung über seinen Anspruch auf Alhi ab 1. Juli 1986 anzuhören. Der Zweck des § 24 Abs. 1 SGB X, den Bürger vor Überraschungsentscheidungen zu bewahren und sein Vertrauen zur Verwaltung zu stärken, wird dadurch keineswegs verfehlt; denn da dem Kläger bekannt war, daß ihm bislang Alhi nur bis zum 30. Juni 1986 bewilligt war, kann er sich nicht einmal subjektiv auf eine objektiv gesicherte Position berufen, diese Leistung unverändert auch für die Zeit ab 1. Juli 1986 zu erhalten. Die bloße Tatsache des Fortwirkens eines früher gestellten Alhi-Antrags auch für diese Zeit gibt dafür nichts her. Sie ändert ebensowenig wie die Pflicht der Beklagten, bei der Neubewilligung unter Anwendung des § 136 Abs. 2b AFG von Amts wegen das nunmehr maßgebliche Arbeitsentgelt (gem § 112 Abs. 7 AFG) festzustellen, etwas daran, daß eben für den neuen Bewilligunsabschnitt erstmals eine Verwaltungsentscheidung getroffen wird. Insoweit ist die Rechtslage nicht anders, als bei der erstmaligen Entscheidung über einen Leistungsantrag. Hier zwingt § 24 Abs. 1 SGB X die Beklagte nicht zur vorherigen Anhörung des Antragstellers, wenn sie beabsichtigt, aus Rechtsgründen anders zu entscheiden, als es möglicherweise den Vorstellungen des Antragstellers entspricht.
Der in der Literatur teilweise vertretenen gegenteiligen Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Diese stützt sich im wesentlichen darauf, daß im Sozialrecht vorwiegend über Leistungsansprüche des Bürgers zu entscheiden sei; deshalb müsse das Recht auf Anhörung weitgehend leerlaufen, wenn man den am meisten belastenden Fall der Ablehnung der Leistung nicht der Anhörungspflicht unterwerfe (s u.a. Schroeder-Printzen SGB X § 24 Anm. 3; Burdenski/v. Maydell/Schellhorn SGB AT § 34 RdNr 16; Schnapp DAngVers 1979, 9, 10; Neumann-Duesberg, Ersatzkasse 1980, 481). Das mag zwar rechtspolitisch erwünscht sein, steht indes weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit dem erkennbar eindeutigen Willen des Gesetzgebers im Einklang. Abgesehen hiervon könnte die Sanktion für eine rechtswidrige Unterlassung der Anhörung bei Ablehungsbescheiden lediglich zur Aufhebung des beanstandeten Bescheides führen, womit dem Kläger, der die Leistung begehrt, wenig geholfen wäre.
Etwas anderes könnte allenfalls im Hinblick auf § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X gelten, wenn von den tatsächlichen Angaben des Antragstellers zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Bei der Festsetzung des Bemessungsentgelts hat die Beklagte eine rechtliche Würdigung vorgenommen, ohne insoweit von den tatsächlichen Angaben des Klägers abzuweichen. Ob die Regelung des § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X überhaupt für ablehnende Verwaltungsakte gelten soll, kann deshalb dahingestellt bleiben.
Im übrigen ist die Entscheidung des LSG hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Alhi nach dem früheren Bemessungsentgelt zuzüglich Dynamisierung keinesfalls zu billigen. Die Folgen eines Anhörungsmangels könnten allenfalls darin bestehen, daß der Verwaltungsakt als solcher rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist. Es ist aber keine Rechtsgrundlage ersichtlich, derzufolge die Verletzung einer Anhörungspflicht für sich allein einen Leistungsanspruch begründet. Etwas anderes gilt nur, wenn in eine schon bestehende und noch weiter laufende Bewilligung eingegriffen wird. Dann folgt aber der Anspruch auf Weiterzahlung der bisherigen Leistung ohne weiteres aus jener Bewilligung,
wenn der eingreifende Verwaltungsakt wegen eines Anhörungs-mangels aufgehoben worden ist. Das LSG hätte also auch bei seiner Rechtsauffassung selbst prüfen müssen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs der Höhe nach vorliegen. Der angefochtene Verwaltungsakt hat nämlich nicht in eine für die streitige Zeit schon vorliegende Bewilligung eingegriffen, sondern vielmehr selbst erst die Grundlage des Leistungsanspruchs für diese Zeit geschaffen. Entsprechend hat der 5. Senat des BSG in seinem Urteil vom 26. Juni 1990 (SozR 3-1500 § 77 Nr. 1) auch zum Rentenrecht entschieden. Eine bewilligte Zeitrente fällt danach mit Ablauf des Bewilligungszeitraums ohne weiteres fort. Der Bescheid über die Fortzahlung der Rente danach ist nicht die Verlängerung des schon zuvor anerkannten Anspruchs, sondern eine eigenständige Bewilligung. Nachträgliche Änderungen sind folglich ohne weiteres zulässig, ohne daß nach § 45 SGB X vorzugehen ist. Es ist ein neuer Leistungsfall aus einem vorhandenen Versicherungsverhältnis entstanden.
So verhält es sich auch bei der Alhi. Der Erstantrag begründet zwar den Versicherungsfall wegen Arbeitslosigkeit, der Leistungspflichten auslösen kann. Deren zeitliche Konkretisierung wird vom Inhalt des jeweiligen Bewilligungsbescheides bestimmt. Entscheidungen über weitere Bewilligungsabschnitte konkretisieren erst den Leistungsanspruch dafür und berechtigen und verpflichten wie bei einem Erstbescheid allgemein zur Neuprüfung der Voraussetzungen. Führt dies zu einer niedrigeren Bewilligung als vorher, handelt es sich um eine teilweise Ablehnung, die keine Anhörungspflicht auslöst, weil es an einem Eingriff in bestehende Rechte fehlt.
Die Sache war deshalb zurückzuverweisen. Das LSG wird selbständig zu prüfen haben, in welcher Höhe dem Kläger die Alhi für die streitige Zeit wöchentlich zusteht. Für den Senat fehlt es dazu an tatsächlichen Feststellungen. Das LSG wird diese nachzuholen haben. Nur wenn es danach zu einer anderen Rechtsauffassung als die Beklagte über das hier maßgebliche Arbeitsentgelt gelangt, kann es die angefochtenen Bescheide ändern und zur entsprechenden Leistung verurteilen.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.7 RAr 6/90
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