Orientierungssatz

Das AFG enthält keinen Anhalt dafür, daß die Gewährung von Kosten für eine auswärtige Unterbringung dann zu versagen ist, wenn es dem Teilnehmer zuzumuten wäre, seinen bisherigen Wohnsitz aufzugeben und an den Maßnahmeort überzusiedeln. Entscheidend ist, wo der Teilnehmer während der Bildungsmaßnahme den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat. Liegt dieser Mittelpunkt außerhalb der im Pendelverkehr erreichbaren Entfernung, dann ist eine auswärtige Unterbringung erforderlich. Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse eines Ledigen ist regelmäßig der Wohnort seiner Eltern, wenn er bis zum Beginn der Maßnahme dort gewohnt hat. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob der Teilnehmer bisher im elterlichen Haushalt etwa einen eigenen Hausstand oder eine eigene Wohnung besessen hat.

 

Normenkette

AFG § 45 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 16 Fassung: 1969-12-18

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. August 1973 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 14. November 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen der Förderung einer Fortbildungsmaßnahme für den Kläger auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei auswärtiger Unterbringung zu tragen.

Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) wohnt der im Jahre 1944 geborene ledige Kläger bei seiner Mutter in deren Eigenheim in F. Der Kläger hat dort ein Zimmer und benutzt Küche, Bad und Wohnzimmer mit ihr gemeinsam. Beide führen, wenn der Kläger zu Hause ist, einen gemeinsamen Haushalt, zu dessen Kosten der Kläger beiträgt. Bis Oktober 1971 war der Kläger als Buchhalter in F beschäftigt. Für seine Teilnahme an einem am 1. November 1971 beginnenden viersemestrigen Vollzeitlehrgang, der von der Betriebswirtschaftlichen Fachschule im Berufsfortbildungswerk des DGB in K durchgeführt wurde, mietete er dort ein möbliertes Zimmer.

Auf seinen Antrag vom 11. Juni 1971 auf Förderung seiner Teilnahme an diesem Lehrgang bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 1971 für die Zeit vom 1. November 1971 bis zum 29. September 1973 Unterhaltsgeld; ferner übernahm sie mit Bescheid vom 10. November 1971 für die Zeit vom 1. November 1971 bis "vorläufig" 31. März 1972 die Kosten für Lehrgangsgebühren, Lernmittel und die Anreise. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die Beklagte habe auch die ihm durch die auswärtige Unterbringung für Unterkunft und Verpflegung entstehenden Kosten zu tragen. Er müsse jeweils zu den Wochenenden heimfahren, weil er wegen einer Lebererkrankung Diät einhalten und außerdem seiner durch Krankheit behinderten Mutter im Hause anfallende Arbeiten abnehmen müsse. Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 20. Februar 1972 mit der Begründung zurückgewiesen, dem Kläger sei für die Dauer der Teilnahme an der 23monatigen Fortbildungsmaßnahme ein Umzug nach K zuzumuten.

Auf seine Klage hin, mit der er sich noch auf einen eigenen - durch mündlichen Mietvertrag mit seiner Mutter begründeten - Hausstand in F berief, hat das Sozialgericht (SG) Fulda mit Urteil vom 14. November 1972 die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 10. November 1971 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 1972 dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger als Fortbildungsleistung zusätzlich Kosten für auswärtige Unterkunft und Verpflegung im gesetzlichen Umfang zu gewähren.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. August 1973). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei zulässig; dabei sei Gegenstand des Rechtsstreits gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch der nach Klageerhebung ergangene weitere Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 1972 geworden, mit dem sie dem Kläger für die Zeit vom 1. April 1972 bis zum 30. September 1973 wiederum Kostenerstattung für Lehrgangsgebühren und Lernmittel sowie Prüfungsgebühren, nicht aber für auswärtige Unterbringung und Verpflegung bewilligt hat. Die Berufung der Beklagten sei auch begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte seine Kosten für Unterkunft und Verpflegung am Maßnahmeort zusätzlich zu dem bereits gewährten Unterhaltsgeld trage. Aus § 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und § 16 Abs. 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (AFuU 1969 - ANBA 1970, 85) ergebe sich, daß Kosten dieser Art nur im Hinblick darauf zu tragen seien, daß die auswärtige Unterbringung wegen der Teilnahme an der Maßnahme notwendig sei. Das sei u. a. aber dann nicht der Fall, wenn dem Teilnehmer die Aufgabe seiner bisherigen und die Begründung einer neuen Unterbringung am Maßnahmeort, die dann für ihn eben keine auswärtige Unterbringung mehr darstelle, zuzumuten sei. Beurteilungskriterien für die Frage der Zumutbarkeit seien dabei der Familienstand des Teilnehmers, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine Wohnverhältnisse sowie die Dauer der Maßnahme. Hiernach sei es dem ledigen 27jährigen Kläger zumutbar gewesen, während der Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme seinen Wohnsitz nach K zu verlegen. Daran sei er auch nicht aus gesundheitlichen Gründen oder wegen familiärer Bindungen gehindert gewesen. Er habe in F weder einen Hausstand als Hauptmieter noch als Eigentümer einer Wohnung nachgewiesen. Die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen ihm und seiner Mutter hinsichtlich der gemeinsam benutzten Wohnung beruhten nicht auf einem schuldrechtlichen Vertrag, sondern auf familiären Bindungen. Der Kläger sei somit wegen der Entfernung zwischen F und K, die ein tägliches Pendeln unzumutbar erscheinen lasse, zwar gezwungen gewesen, für die Dauer seiner Teilnahme an dem Lehrgang seinen Aufenthalt in K zu nehmen, er hätte dort aber zumutbarerweise einen neuen Wohnsitz begründen können, zumal die Dauer des Lehrgangs immerhin 23 Monate betragen habe. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, daß anderen Lehrgangsteilnehmern solche Leistungen gewährt worden seien; er habe keinen Anspruch auf die Fortsetzung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis. Ebensowenig könne er sich auf eine insoweit erteilte Förderungszusage berufen. Durch eine bei der Beratung mündlich erteilte Auskunft werde der Versicherungsträger bei der späteren Entscheidung über den Leistungsanspruch nicht gebunden; insoweit könne der Kläger auch keinen Folgenbeseitigungsanspruch wegen unrichtiger Auskunft geltend machen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger in erster Linie eine Verletzung der §§ 45 und 39 AFG i. V. m. § 16 AFuU 1969. Er bringt hierzu vor: Entscheidend für den Anspruch auf Erstattung von Kosten für Unterkunft und Verpflegung sei hiernach allein die Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit einer auswärtigen Unterbringung, die das LSG zu Unrecht verneint habe. Sein - des Klägers - Aufenthalt in K sei von vornherein nur auf die Dauer der Fortbildungsmaßnahme beschränkt, also vorübergehender Natur gewesen; eine Verpflichtung zur Begründung eines neuen Wohnsitzes am Maßnahmeort sei den maßgebenden Rechtsnormen nicht zu entnehmen. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob er als Lediger einen eigenen Hausstand in F gehabt habe. Für den Fall, daß es gleichwohl hierauf ankomme, werde zur Begründung des Hilfsantrags die Verletzung des § 103 SGG gerügt. Das LSG habe seiner Aufklärungspflicht zu dieser Frage insofern nicht genügt, als es seine Feststellungen hierzu allein aufgrund eines internen Ermittlungsberichts der Beklagten getroffen habe; es hätte aber seine - des Klägers - Mutter als Zeugin hören müssen, um sich ein Bild von seinen häuslichen Verhältnissen machen zu können. Ein eigener Hausstand könne auch dann vorliegen, wenn die Wohnung nicht allein von dem Inhaber genutzt werde.

Der Kläger beantragt inhaltlich,

das angefochtene Urteil aufzuheben und in erster Linie, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Fulda vom 14. November 1972 zurückzuweisen,

hilfsweise, die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die zugelassene Revision ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für auswärtige Unterkunft und Verpflegung im Sinne von § 45 AFG zu.

Die Zulässigkeit der Berufung, eine auch bei zugelassener Revision von mts wegen zu prüfende Frage, hat das LSG zutreffend bejaht. Insbesondere war die Berufung nicht nach § 147 SGG ausgeschlossen. Diese Vorschrift gilt zwar, wie der Senat bereits entschieden hat, auch für die Aufgaben der Beklagten im Bereich der beruflicher Bildungsförderung (vgl. Urteile vom 16. März 1973 - 7 RAr 36/72 - und vom 21. September 1967 - 7 RAr 31/65 - Breithaupt 1968, 523). Bei einem Streit darüber, ob Erstattung von Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung nach § 45 AFG verlangt werden kann, handelt es sich jedoch nicht um eine Frage nach der Höhe einer Leistung, sondern darum, ob der Anspruch als solcher dem Grunde nach besteht. Die in § 45 AFG geregelte Kostenerstattung betrifft nämlich nicht insgesamt einen einheitlichen Anspruch, der von den einzelnen Kostengründen her nur der Höhe nach bestimmt wird; vielmehr sind hier eine Reihe einzelner Ansprüche zusammengefaßt geregelt, die sowohl gegenüber den jeweils anderen Ansprüchen im Rahmen des § 45 AFG als auch gegenüber sonstigen Ansprüchen im Rahmen der beruflichen Bildungsförderung nach dem AFG, z. B. gegenüber dem Unterhaltsgeld nach § 44 AFG, selbständigen Charakter haben.

Das LSG hat auch zutreffend erkannt, daß nicht nur der zeitlich begrenzte Bescheid der Beklagten vom 10. November 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 1972 Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist, sondern auch der nach Klageerhebung ergangene Bescheid vom 18. Mai 1972, der aufgrund des auf Leistungen für die Gesamtdauer des Lehrgangs gerichteten Antrags das streitige Rechtsverhältnis für einen weiteren Zeitraum regelt, der sich an den von dem angefochtenen Bescheid erfaßten Zeitraum unmittelbar anschließt. Für diesen nach § 96 Abs. 1 SGG in das Verfahren übergegangenen Bescheid bedarf es dabei auch keiner vorgängigen Überprüfung im Vorverfahren (s. BSG in SozR Nr. 16 zu § 96 SGG).

In der Sache hat das LSG den vom Kläger erhobenen Anspruch zu Unrecht verneint. Nach § 45 AFG trägt die Bundesanstalt für Arbeit (BA) ganz oder teilweise die notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 AFG) unmittelbar entstehen. Hierzu gehören u. a. Kosten der Unterkunft und Verpflegung, wenn die Teilnahme an einer Maßnahme auswärtige Unterbringung erfordert. Diese Vorschrift beschränkt den Erstattungsanspruch für Mehraufwand an Verpflegungs- und Unterkunftskosten aus Anlaß der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung nach §§ 41, 47 AFG auf den Fall, daß die Maßnahme nicht am Wohnort des Teilnehmers stattfindet und ihm auch nicht zugemutet werden kann, den Maßnahmeort von seinem Wohnort aus durch tägliches Pendeln zu erreichen, der Besuch der Maßnahme vom bisherigen Wohnort des Teilnehmers aus folglich nicht möglich ist (vgl. zu BT-Drucks. V/4110 S. 10 zu § 44 AFG). Im Rahmen ihres Satzungsrechts nach § 39 AFG (vgl. BSGE 35, 164) hat die Beklagte lediglich für den Fall der internatsmäßigen Unterbringung am Wohnort des Teilnehmers eine Ausnahme hiervon zugelassen (vgl. § 16 Abs. 1 AFuU 1969).

Dieser für den Begriff der Auswärtigkeit im Sinne von § 45 AFG und § 16 AFuU 1969 maßgebliche geographische Unterschied zwischen Wohnort und Maßnahmeort ist im Fall des Klägers gegeben. Denn nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG war dem Kläger ein tägliches Pendeln zwischen dem Maßnahmeort K und seinem Wohnort F wegen der Entfernung nicht zuzumuten.

F ist nach den weiteren Feststellungen des LSG auch während der Dauer der Maßnahme der Wohnort des Klägers in dem hier maßgeblichen Sinn geblieben. Er hat dort - im Hause seiner Mutter - seinen Wohnsitz im Sinne von § 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beibehalten; denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß er diesen Wohnsitz in der fraglichen Zeit aufgegeben hat (§ 7 Abs. 3 BGB). Davon geht auch das LSG aus; es stützt seine Rechtsauffassung gerade darauf, daß es dem Kläger zuzumuten gewesen wäre, seinen Wohnsitz während der Dauer der Maßnahme nach K zu verlegen.

Entgegen der Meinung des LSG brauchte der Kläger jedoch diese Erwägung mit Rücksicht auf den erhobenen Anspruch nicht anzustellen. Das Gesetz enthält keinen Anhalt dafür, daß der Anspruch auf Erstattung eines erhöhten Unterkunfts- und Verpflegungskostenaufwandes nach § 45 AFG von der Frage abhängen soll, ob einem Teilnehmer die Verlegung seines Wohnsitzes an den Maßnahmeort zuzumuten ist. Insbesondere kann diese Bedingung für den Erstattungsanspruch nicht aus dem Begriff der Erforderlichkeit auswärtiger Unterbringung im Sinne von § 45 AFG bzw. der Notwendigkeit auswärtiger Unterbringung im Sinne von § 16 Abs. 1 AFuU 1969 hergeleitet werden. Diese Regelungen betreffen - wie schon ausgeführt - lediglich die Frage, ob Wohnort des Teilnehmers und Maßnahmeort identisch sind bzw. ob der Teilnehmer von seinem beibehaltenen bisherigen Wohnort aus den "auswärtigen" Maßnahmeort - ggf. im Pendelverkehr - erreichen kann oder nicht. Diese sich auf den erklärten Willen des Gesetzgebers stützende Auslegung rechtfertigt sich auch deshalb, weil es sich bei der Wahl des Wohnsitzes um eine höchstpersönliche Entscheidung handelt, die von einer Vielzahl oft unwägbarer Gründe abhängig ist. Ein Eingriff in eine solche höchstpersönliche Entscheidung wird vom AFG nicht gefordert und wäre auch nicht gerechtfertigt. Sie besitzt im übrigen mit der stets nur eine vorübergehende Situation betreffenden Maßnahme der beruflichen Bildung keinen inneren Zusammenhang. Infolgedessen erfordert es auch der Sachzusammenhang nicht, die Frage der Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit auswärtiger Unterbringung in diesen Fällen von dem Ergebnis der Prüfung abhängig zu machen, ob die Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes zumutbar ist oder nicht. Eine solche Prüfung würde im übrigen zur Offenlegung bzw. Ermittlung privater Verhältnisse zwingen, also eine weitere Anspruchsvoraussetzung bezüglich der Person des Bildungswilligen begründen, die über das hinausgeht, was insoweit in den §§ 36, 42 AFG geregelt worden ist. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung ist daher die BA im Rahmen ihres Auftrages zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung nicht befugt, die Erforschung dieser Einzelheiten aus der Privatsphäre des Antragstellers vorzunehmen.

Maßgebend für die hier anzustellende Betrachtung ist es, wo der Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme im Zeitpunkt ihres Beginns den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat. Dies gilt auch für den ledigen Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der auswärtigen Unterbringung im Sinne von § 45 AFG. Das Gesetz enthält in bezug auf diesen Personenkreis keine Ausnahmeregelungen, ebenso nicht die AFuU, so daß dahinstehen kann, ob eine entsprechende anderweitige Anordnungsregelung ermächtigungskonform wäre (§ 39 AFG). Regelungen der Beklagten in Dienstanweisungen bedürfen in diesem Zusammenhang keiner Prüfung, denn sie haben keine die Gerichte bindende Wirkung. Zur Vermeidung von Mißbräuchen bleibt der Beklagten die Möglichkeit, im Rahmen ihres Anordnungsrechts für besondere Gruppen von Fällen sachgerechte Sonderregelungen zu treffen.

Die Unterhaltung eines Wohnsitzes für die Dauer der Maßnahme am Maßnahmeort kann allerdings nur dann "auswärtige Unterbringung" im Sinne von § 45 AFG sein, wenn der Wohnsitz des Teilnehmers an einem anderen Ort weiterhin der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse geblieben ist. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und läßt sich in der Regel nach der stärkeren und dauerhafteren Bedeutung des Wohnort-Wohnsitzes im Verhältnis zu der nur vorübergehenden Unterkunft am Maßnahme-Wohnsitz bestimmen (vgl. auch BSGE 2, 78; 5, 165; 35, 32, 37, 98 mit weiteren Nachweisen). Im Falle des Klägers muß davon ausgegangen werden, daß er den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in F beibehalten hat. Ledige Personen, die nicht nur während ihrer Erziehung und Berufsausbildung, sondern auch noch während ihrer Berufstätigkeit ausschließlich im Haushalt ihrer Eltern - hier der Mutter - wohnen, besitzen regelmäßig dort den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse, ohne daß es im einzelnen darauf ankommen wird, ob sie im Haushalt der Eltern einen eigenen Hausstand haben. Ebensowenig kommt es auf die Motive an, aus denen der Ledige den Wohnsitz bei seinen Eltern innehat und beibehält, solange es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß es sich dabei in Wahrheit nicht um den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse handelt, etwa weil nur eine formale polizeiliche Meldung aufrechterhalten bleibt, nicht aber die Hausgemeinschaft mit den Eltern und der im wesentlichen tatsächliche Aufenthalt an deren Wohnort. Maßgebend ist hierfür der Wille des Betreffenden, ob er den Wohnsitz bei den Eltern aufhebt (vgl. § 11 Satz 3 BGB; Soergel-Siebert, Komm. z. BGB, Bd. 1 - Allg. Teil - 10. Aufl. § 11 Rdnr. 12). Bei dem Teilnehmer an einer auswärtigen Bildungsmaßnahme stellt ebenso wie bei einem Studierenden die Zeit des Besuchs der Bildungsmaßnahme für sich gesehen keine Lösung dieser Verhältnisse im Sinne einer Wohnsitzverlegung an den Maßnahme- bzw. Studienort dar (BSG aaO). Das war nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG auch beim Kläger nicht der Fall. Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür festgestellt worden, daß die Unterbringung des Klägers in K aus anderen Gründen als der Teilnahme an der im übrigen geförderten Bildungsmaßnahme erfolgt ist. Die Kosten für diese Unterkunft sowie die Verpflegungsmehrkosten sind demgemäß unmittelbar im Sinne von § 45 AFG durch die Bildungsmaßnahme entstanden (vgl. BSG vom 29. August 1974 - 7 RAr 51/73 -). Die nach § 45 AFG hierfür vorgesehene Kostenerstattung steht dem Kläger zu. Dies gilt auch bezüglich der Mehrkosten für Verpflegung wegen auswärtiger Unterbringung. Das Grundurteil des SG (§ 130 SGG), wonach die Beklagte solche Kosten "in gesetzlichem Umfang" zu erstatten hat, wird die Beklagte durch die Anwendung der Regelung in § 45 AFG i. V. m. § 16 AFuU 1969 auszuführen haben. Von der Ermächtigung des § 45 AFG, die dort genannten Kosten "ganz oder teilweise" zu erstatten, hat die Beklagte in § 16 Abs. 3 Satz 2 AFuU 1969 durch Pauschalierung der Kosten auch in bezug auf den Verpflegungsaufwand bei auswärtiger Unterbringung Gebrauch gemacht. Dieses Vorgehen war ermächtigungskonform (vgl. BSGE 35, 164; ferner Urteil des Senats vom 17. Dezember 1974 - 7 RAr 36/73 -). Danach steht dem Teilnehmer an der Bildungsmaßnahme auch das Pauschale für Verpflegung zu, wenn der Tatbestand der erforderlichen auswärtigen Unterbringung im Sinne von § 45 AFG gegeben ist (vgl. auch § 16 Abs. 1 AFuU 1969). Das ist hier, wie dargelegt, der Fall. Das Wesen einer Pauschalregelung für die Gewährung von Leistungen zum Ausgleich eines Kostenaufwandes bedeutet, daß nicht seine tatsächliche Höhe im Einzelfall maßgebend ist. Jede Pauschalierung kann im Einzelfall zu Begünstigungen, aber auch zu Benachteiligungen führen (vgl. BSGE 27, 178, 181). Deshalb kommt es im Rahmen der getroffenen Regelung auch nicht darauf an, ob dem auswärtig untergebrachten Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme überhaupt ein besonderer Verpflegungsaufwand entsteht. Eine Prüfung dieser Frage wäre mit dem aus Praktikabilitätsgründen sich rechtfertigenden Sinn jeder Pauschalierung von Kostenerstattungen nicht vereinbar. Mangels einer entsprechenden anderweitigen Regelung in der AFuU 1969 hat die Beklagte jedenfalls keine Möglichkeit, abweichend von der ihr selbst getroffenen Regelung der Anwendung eines Pauschales abzuweichen, selbst wenn im Einzelfall keine oder niedrigere Kosten entstanden sein sollten.

Das angefochtene Urteil muß sonach aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgewiesen werden. Dabei erübrigt es sich, die entsprechende ergänzende Abänderung auch des Fortsetzungsbescheides vom 18. Mai 1972 im Urteilstenor besonders auszusprechen, da sie sich ohne weiteres aus dem Zusammenhang ergibt; die Verurteilung "dem Grunde nach" zu den hier streitigen Leistungen erstreckt sich inhaltlich über den "vorläufig" zeitlich begrenzten Zeitraum des ersten Bescheides hinaus. Aus dem gleichen Grunde bedarf es auch nicht des Ausspruchs einer zeitlichen Begrenzung wegen des Umstandes, daß der Kläger - wie im Tatbestand des angefochtenen Urteils beiläufig erwähnt - seine Teilnahme an dem Lehrgang im Herbst 1972 vorzeitig abgebrochen hat; die Verurteilung "dem Grunde nach" zu bestimmten Einzelleistungen "in gesetzlichem Umfang" kann sich nur auf Zeiten beziehen, für die eine Förderung überhaupt in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650551

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