Orientierungssatz
Beitragsnachentrichtung nach AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 (= ArVNG Art 2 § 51a Abs 2) - Vorbehalt der nachträglichen Änderung der Beitragsklassen und -zeiten bis zum Eintritt der Bindung des Nachentrichtungsbescheides.
Normenkette
AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; SGG § 77
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 06.12.1978; Aktenzeichen III ANBf 16/78) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 31.01.1978; Aktenzeichen 9 AN 871/76) |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag die Änderung der im Rahmen einer Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a Angestelltenversicherungs- Neuregelungsgesetz (AnVNG) von ihm bereits spezifizierten Beiträge weiter vorbehalten muß.
Der Kläger ist selbständiger Lebensmittelhändler. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 18. März 1976 seine Pflichtversicherung gem § 2 Abs 1 Nr 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) festgestellt. Mit seinem am 5. November 1975 gestellten Formblattantrag hatte der Kläger die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG beantragt und für die Zeit von Januar 1956 bis Dezember 1964 die Beitragszeiten und -klassen festgelegt, für die folgende Zeit bis Dezember 1973 jedoch nur die Zahl der Beiträge bestimmt und ihre Höhe offengelassen. Auf die Anfrage der Beklagten vom 18. Mai 1976, "in welcher Beitragsklasse die Nachentrichtung ab 1. Januar 1965 vorgenommen werden soll", teilte der Kläger der Beklagten im Juni 1976 mit, er wolle die Zeit ab 1. Januar 1965 voll mit Beiträgen der Klasse 1000 belegen, behalte sich aber die Erhöhung oder Verminderung der einzuzahlenden Beiträge ausdrücklich vor. Mit Bescheid vom 1. Juli 1976 ließ die Beklagte die Nachentrichtung von Beiträgen in dem vom Kläger erklärten Umfange zu; der Bescheid enthält ferner ua den Zusatz, "eine Änderung des Nachentrichtungsantrages" sei "nur zulässig, solange dieser Bescheid noch nicht bindend geworden ist und die betroffenen Beiträge noch nicht entrichtet worden sind".
Der Kläger beantragte mit einem am 12. Juli 1976 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 9. Juli 1976 die ausdrückliche Aufnahme des vorgenannten Vorbehalts in den Nachentrichtungs-Feststellungsbescheid. Die Beklagte hat dies mit Verfügung vom 5. August 1976 abgelehnt, das Schreiben vom 9. Juli 1976 als Widerspruch behandelt und diesen mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1976 mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger könne die nachzuentrichtenden Beiträge nicht mehr verändern.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. Januar 1978), das Landessozialgericht (LSG) hat unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des Widerspruchsbescheides den Bescheid vom 1. Juli 1976 aufgehoben, soweit die Beklagte die Beitragsklassen für die Zeit vom 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1973 festgestellt hat. In den Gründen seines Urteils vom 6. Dezember 1978 hat das LSG ausgeführt, einem Nachentrichtungsantrag komme nur eine formal-rechtliche Bedeutung zu. Deshalb bestehe auch für eine den Versicherten bindende Festlegung der Beitragsklasse in einem Genehmigungsbescheid der Beklagten kein Raum. Ebensowenig müsse der Versicherte die Beitragsklasse auf Jahre hinaus vorab festlegen.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision vor, der Kläger habe den Nachentrichtungsantrag bis zum Ablauf der Nachentrichtungsfrist des Art 2 § 49a Abs 3 Satz 1 AnVNG vollständig stellen müssen; dazu gehöre insbesondere die Konkretisierung der Beitragszeiten und -klassen, die der Kläger bereits abschließend vorgenommen habe.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Januar 1978 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet; der Kläger hat keinen Anspruch darauf, ihm die Änderung der Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge über die ihm in dem Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 1976 eröffnete Möglichkeit hinaus vorzubehalten.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger in seinem Schreiben vom 23. Juni 1976 die gewünschten Beitragszeiten und -klassen für die Zeit ab 1. Januar 1965 spezifiziert und mit dieser Erklärung sein Versicherungsverhältnis entsprechend gestaltet.
An diese Erklärung war der Kläger zunächst nicht gebunden, weil die Beklagte ihm mit dem in dem Bescheid vom 1. Juli 1976 enthaltenen Zusatz, die Änderung des Nachentrichtungsantrages sei ua (nur) zulässig, solange der Bescheid über die Zulässigkeit der Beitragsnachentrichtung noch nicht bindend geworden sei, die Änderung des Nachentrichtungsantrages ausdrücklich vorbehalten hatte. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. September 1979 - 12 RK 60/78 - (zur Veröffentlichung bestimmt) zwar offen gelassen, ob ein solcher Vorbehalt der Fristbestimmung in Art 2 § 49a Abs 3 Satz 1 AnVNG entsprach; er hat seine Einräumung jedoch als einen begünstigenden und daher wirksamen Verwaltungsakt angesehen.
Dieser Vorbehalt ist seit dem Eintritt der Bindung des Bescheides vom 1. Juli 1976, die zugleich mit der Rechtskraft dieses Urteils eintritt, gegenstandslos. Ein Anspruch auf Einräumung eines weitergehenden Vorbehalts, wie ihn der Kläger erstrebt, steht ihm nicht zu. Ein solcher Vorbehalt würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, daß die Ausschlußfrist (31.12.1975), von deren Einhaltung der Gesetzgeber die wirksame Ausübung des Antragsrechts und damit die Entstehung des Nachentrichtungsrechts abhängig gemacht hat, nicht nur bis zum Eintritt der Bindung des Nachentrichtungsbescheides hinausgeschoben, sondern - was die Konkretisierung des Antrages hinsichtlich Zahl und Höhe der Beiträge betrifft - gänzlich beseitigt wäre. Für eine so weitgehende Möglichkeit, die Wirkung der Ausschlußfrist einzuschränken, ergibt sich aus dem Gesetz kein Anhalt; daß der Gesetzgeber eine entsprechende Absicht gehabt haben könnte, hält der Senat nach Wortlaut und Sinn der genannten Vorschriften vielmehr für ausgeschlossen.
Auf die Revision der Beklagten mußte deshalb das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen