Leitsatz (amtlich)
Die von einer Krankenkasse für eine Betriebshilfe nach KVLG § 34 Abs 1 (Fassung: 1974-08-07) aufgewendeten Kosten sind weder nach BVG § 19 Abs 1 S 1 noch nach BVG § 19 Abs 2 (Fassung: 1973-12-18) zu ersetzen.
Orientierungssatz
Für einen landwirtschaftlichen Unternehmer besteht grundsätzlich Anspruch auf Übergangsgeld nach dem Bundesversorgungsgesetz unabhängig von dem Einsatz einer Betriebshilfe nach § 34 KVLG, wenn ein Einkommensverlust trotz der Arbeit einer Betriebshilfe eingetreten ist.
Normenkette
BVG § 19 Abs 1 S 1 Fassung: 1973-12-18; BVG § 19 Abs 2 Fassung: 1973-12-18; KVLG § 34 Abs 1 Fassung: 1974-08-07, § 35 Fassung: 1972-08-10; BVG § 16
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 08.03.1978; Aktenzeichen L 15 V 513/76) |
SG Würzburg (Entscheidung vom 14.10.1976; Aktenzeichen S 10 V 411/75) |
Tatbestand
I
Die Klägerin führte für den kriegsbeschädigten Landwirt F H (F.H.) vom 8. Januar bis zum 31. Januar 1974 wegen anerkannter Schädigungsfolgen eine stationäre Behandlung durch. Während dieser Zeit setzte sie eine Betriebshilfe in dem landwirtschaftlichen Betrieb des F.H. ein, für die sie insgesamt 450,-- DM aufwendete. Die Versorgungsverwaltung lehnte es ab, der Klägerin diesen Betrag zu ersetzen. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben, das Landessozialgericht (LSG) die Klage jedoch abgewiesen.
Das SG hat die Berufung, das LSG die Revision zugelassen.
In der Sache führt das LSG aus: Der Anspruch der Klägerin sei weder unmittelbar aus § 19 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) begründet, noch könne - wie die Klägerin meine - diese Vorschrift entsprechend angewendet werden; eine Lücke im Gesetz sei nicht zu erkennen. Das Klagebegehren ließe sich ferner nicht mit § 19 Abs 1 Satz 1 BVG rechtfertigen, insbesondere gehörten die Aufwendungen für eine Betriebshilfe nicht zu den Aufwendungen für Krankenhauspflege, selbst wenn man zu diesen, wie die Verwaltungsvorschrift Nr 1 zu § 19 BVG, sonstige mit der stationären Behandlung im Zusammenhang stehende Kosten rechne.
Die Klägerin trägt mit der Revision vor: Das Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte -KVLG- vom 10. August 1972 (BGBl I S 1433) habe wegen der speziellen Verhältnisse in landwirtschaftlichen Betrieben für die Landwirte eine neue Leistungsart eingeführt. Da dem landwirtschaftlichen Unternehmer bei Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt nicht entgehe, sei eine Lohnersatzleistung, wie Krankengeld, nicht vorgesehen. Dafür werde jedoch eine Betriebshilfe gestellt, um die Weiterführung des Betriebes zu gewährleisten und damit die Einkünfte aus der Landwirtschaft sicherzustellen. Landwirte, die zugleich Arbeitnehmer seien, gehörten der landwirtschaftlichen Krankenversicherung nicht an; ihre Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften sei vorrangig, so daß sie bei Arbeitsunfähigkeit für den ausfallenden Lohn Krankengeld erhielten. Soweit jedoch anderweit Ansprüche auf Barleistungen neben der Betriebshilfe anfallen könnten, habe der Gesetzgeber im Hinblick auf den gleichen Zweck dieser Leistungen deren Kumulierung ausdrücklich in den §§ 779a f Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeschlossen. Insgesamt folge aus diesen Regelungen, daß das Gesetz in der Betriebshilfe das auf die besonderen Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Betriebe zugeschnittene "Krankengeld der selbständigen Landwirte" sehe. In § 19 Abs 1 Satz 1 BVG seien jetzt neben den Aufwendungen für die Krankenhauspflege auch die für eine Haushaltshilfe genannt. Zwar sei für die vorliegende Entscheidung diese Gesetzesfassung noch nicht anzuwenden, jedoch sei kein sachlicher Grund zu erkennen, weshalb die Haushaltshilfeaufwendungen, nicht jedoch die Betriebshilfeaufwendungen zu ersetzen seien. Schließlich werde gerade durch die Gewährung der Betriebshilfe die Basis für die Zahlung eines Einkommensausgleichs (bzw jetzt Übergangsgeldes) entzogen, denn die Betriebshilfe verhindere, daß ein Einkommensverlust überhaupt entstehe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. März 1978 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14. Oktober 1976 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das Urteil des LSG und hebt hervor, der Umstand, daß in der jetzt geltenden Fassung des § 19 Abs 1 Satz 1 BVG die Haushaltshilfe als Ersatztatbestand genannt sei, berechtige nicht zu der Annahme, es läge bezüglich der Betriebshilfe ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vor; für die analoge Anwendung des § 19 BVG bestehe zwecks Erstattung der Kosten für geleistete Betriebshilfe kein Anhalt.
Die Beigeladene führt aus, nach § 19 Abs 1 BVG könne eine Einzelerstattung nur für die dort ausdrücklich genannten Aufwendungen durchgeführt werden. Aus § 19 Abs 2 BVG sei ein Erstattungsanspruch für die Betriebshilfe ebenfalls nicht herzuleiten. Schließlich komme ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch oder eine Erstattung aus dem Gesichtspunkt der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag nicht in Betracht.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die Klage auf Ersatz der Aufwendungen für eine Betriebshilfe abgewiesen.
Einer näheren Erörterung, ob der Anspruch der Klägerin nach § 20 BVG bestehen könnte, bedarf es nicht, weil die Klägerin nicht nur nach den Vorschriften des BVG verpflichtet war, die Krankenhausbehandlung des F.H. durchzuführen, sondern ebenso nach denen des KVLG (§ 2 Abs 1 Nr 1, § 7 Nr 2, § 12 Nr 2 KVLG, § 11 Abs 1 Nr 4 BVG). Auf § 19 Abs 1 Satz 1 oder § 19 Abs 2 BVG kann die Klägerin ihren Anspruch jedoch ebensowenig stützen. Nach § 19 Abs 1 Satz 1 BVG idF des 5. Anpassungsgesetzes vom 18. Dezember 1973 (BGBl I S 1909) wird den Krankenkassen, die nicht nur nach den Vorschriften des BVG verpflichtet sind, Heilbehandlung zu gewähren, die Aufwendung für Krankenhauspflege und kleinere Heilmittel ersetzt. Mit dieser Vorschrift wird geregelt, daß die Ausgaben für Krankenhauspflege und kleinere Heilmittel für jeden Leistungsfall einzeln abgerechnet werden; im Gegensatz dazu werden die übrigen Unkosten für die Krankenpflege Versicherter wegen Schädigungsfolgen pauschal abgegolten (§ 19 Abs 1 Satz 3 BVG).
Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Betriebshilfe nicht zu den Aufwendungen für eine Krankenhauspflege zählt. Zu diesen Aufwendungen zählen die Verwaltungsvorschriften Nr 1 zu § 19 BVG die Beträge, die für eine stationäre Behandlung in Krankenhäusern (§ 11 Abs 1 Nr 4 BVG) zu zahlen sind, die Arztkosten, soweit sie nicht im Pflegesatz enthalten sind, sowie sonstige mit der stationären Behandlung in Zusammenhang stehende Kosten. Der Senat hat zu den Kosten der Krankenhauspflege neben denen das Transports des Kranken zum Krankenhaus die des Rücktransports zu seiner Wohnung angesehen (SozR Nr 8 zu § 19 BVG). Er sah den Rücktransport des Patienten vom Krankenhaus zur Wohnung nach beendeter Behandlung noch als Teil der Krankenhauspflege an, weil ohne ihn der Erfolg der Krankenhauspflege gefährdet werden könnte. Ein derartig enger Zusammenhang der Betriebshilfe mit der Krankenhauspflege besteht jedoch nicht.
§ 19 Abs 1 Satz 1 BVG kann nicht schon deswegen - in zeitlicher Vorwegnahme - auf die Betriebshilfe ausgedehnt werden, weil durch das 7. Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes vom 9. Juni 1975 (BGBl I S 1321) die Haushaltshilfe dort genannt worden ist, und das Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte im VI. Unterabschnitt des 2. Abschnittes die Betriebshilfe und Haushaltshilfe zusammen regelt. Die Haushaltshilfe ist eine inzwischen bei den nach der RVO leistenden Krankenkassen ebenfalls eingeführte Leistung (§ 185b RVO), während die Betriebshilfe eine spezifische Leistung für landwirtschaftliche Unternehmer geblieben ist (vgl neben KVLG die Regelung der Unfallversicherung für landwirtschaftliche Unternehmer in den §§ 779a f RVO sowie §§ 7 und 9 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte). Insbesondere ist die Betriebshilfe nicht in das BVG aufgenommen worden im Gegensatz zu der Haushaltshilfe, die in § 11 Abs 4 und § 12 Abs 4 BVG (idF des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7.8.1974 - BGBl I S. 1881) geregelt worden ist. Das erklärt sich eben daraus, daß die Haushaltshilfe, die im KVLG nur als freiwillige Mehrleistung vorgesehen ist (§ 35), nunmehr allgemeine Leistung der Krankenkassen geworden ist. Das BVG hat ferner nicht entsprechend den §§ 779a und b RVO den Einkommensausgleich bzw das Übergangsgeld für landwirtschaftliche Unternehmer im Hinblick auf die Betriebshilfe neu geordnet. Daher sind diese Leistungen unabhängig von dem Einsatz einer Betriebshilfe weiterhin zu gewähren, wenn die entsprechenden Voraussetzungen des Einkommensverlustes trotz der Arbeit einer Betriebshilfe eingetreten sind. In dieser Regelung des Gesetzgebers kann weder eine ungleiche Behandlung gleicher Sachverhalte noch eine Ungereimtheit erkannt werden. Zutreffend hat das LSG bereits ausgeführt, daß der Grundsatz der "vollen Kostenerstattung" im geltenden Recht durch § 19 Abs 1 Satz 1 BVG nicht schlechthin für die entstandenen Kosten ausgesprochen worden ist, sondern - einschränkend - nur in bezug auf bestimmte Aufwendungen für die Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen (BSGE 31, 294, 295; SozR 3100 § 19 Nr 6; BSG 9 RV 6/78 vom 13.12.1979).
Der Anspruch der Klägerin ist ferner nicht aus § 19 Abs 2 BVG begründet. Hiernach wird Krankengeld erstattet, wenn die Arbeitsunfähigkeit oder die Krankenhauspflege durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden ist. Daß es sich bei der Betriebshilfe nicht um ein Krankengeld handelt, bedarf keiner näheren Ausführung. Eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf die Betriebshilfe ist nicht erlaubt, wie das LSG zutreffend erkannt hat. Dabei kann dahinstehen, ob eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf krankengeldähnliche Leistungen zulässig sein kann. Bei der Betriebshilfe handelt es sich um eine andersgeartete Leistung als das Krankengeld. Zweck des Krankengeldes ist es in erster Linie, dem arbeitsunfähig Erkrankten für den durch den Wegfall der Arbeitsfähigkeit bedingten Ausfall des Arbeitsverdienstes einen Ausgleich zu verschaffen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: 1979 S 388b I). Die Betriebshilfe soll demgegenüber die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Unternehmens sicherstellen (vgl § 34 Abs 2 Nr 3 KVLG). Sie wird für längstens drei Monate gewährt (§ 34 Abs 1 Satz 2 KVLG). Sie ist also nicht als Ersatz für das ausgefallene Arbeitsentgelt zur wirtschaftlichen Sicherung im Krankheitsfall zu leisten. Mit ihr wird für die alsbaldige Erledigung der im landwirtschaftlichen Unternehmen unaufschiebbar anfallenden Arbeiten Sorge getragen. Unvergleichlich höhere Betriebsverluste sollen so verhindert werden (vgl BT-Drucks IV/3012 S 29 zu § 27 Abs 1, Deutscher Bundestag, VI. Wahlperiode, 162. Sitzung am 19.1.1972 S 9374 (c) Begründung des Regierungsentwurfs durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung). Nicht der Ausfall an Arbeitsentgelt, sondern der Ausfall an Arbeitskraft ist der entscheidende Ansatz für die gesetzliche Einrichtung der Betriebshilfe gewesen. Bei längerer Krankheit des Unternehmers kann sogar die Existenzgrundlage gefährdet werden. Der Gesetzgeber hat es als seine Aufgabe betrachtet, mit der Erhaltung des bäuerlichen Betriebes Erwerbsquelle und Existenzweise der Versicherten zu erhalten (Jantz, in Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft -SdL- 1972 S 176, 180). Deshalb wurde der Katalog der Leistungsarten über Geldleistungen und Sachleistungen hinaus auf die besondere "funktionale" Leistung Betriebshilfe ausgedehnt, die den Funktionsausfall ersetzen und mit der Erwerbsquelle zugleich die "Existenzweise" absichern soll. Nur so hat der arbeitsunfähig Erkrankte die Gewißheit, daß er nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit seinen funktionsfähig erhaltenen Betrieb fortführen kann (Jantz aaO S. 181). Die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien waren deshalb einmütig der Auffassung, daß nicht nur die Krankheitskosten auf die Gemeinschaft der Versicherten umverteilt werden sollten, sondern daß auf Kosten der Solidargemeinschaft auch die Weiterführung des Betriebes eines ihrer Mitglieder gesichert werden sollte, wenn der einzelne durch Krankheit gehindert sein sollte, sein Unternehmen weiter zu bewirtschaften (Michels, SdL 1972 S 231, 233). Mit dieser für die Landwirtschaft spezifischen "funktionalen" Sozialleistung ist das Krankengeld nicht schlechthin zu vergleichen.
Hätte der Gesetzgeber die Betriebshilfe nach § 19 BVG ersetzen lassen wollen, hätte er sie entsprechend der Systematik dieser Vorschrift nicht neben dem Krankengeld, sondern in Absatz 1 neben der Haushaltshilfe aufführen müssen. Haushaltshilfe und Betriebshilfe sind dann auch im KVLG - getrennt vom Krankengeld - gemeinsam geregelt worden (§§ 34 ff).
Schließlich steht der Klägerin kein allgemeiner öffentlichrechtlicher Ersatzanspruch zu. Für die Kostenabwicklung in den Fällen, in denen - wie hier - eine Krankenkasse sowohl nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung wie nach dem BVG Krankenhauspflege gewährt hat, regelt sich die Rechtsbeziehung zwischen der Krankenkasse und dem Träger der Kriegsopferversorgung ausschließlich nach den §§ 19 und 20 BVG. Diese Paragraphen normieren den finanziellen Ausgleich zwischen den genannten Verwaltungsträgern erschöpfend. Daneben ist für eine Anwendung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruchs und Erstattungsanspruchs kein Raum (BSG SozR 3100 § 19 Nr 6 S 16; SozR 3100 § 19 Nr 7 S 21; BSG Urteile vom 16. März 1979 - 9 RV 53/78 - und vom 13. Dezember 1979 - 9 RV 6/78).
Die Revision der Klägerin ist somit unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen
BSGE, 250 |
Breith. 1980, 874 |