Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der besonderen Vorschriften des SGG für die KOV auf Angelegenheiten des SVG
Leitsatz (amtlich)
Bei Streitigkeiten, für die nach dem SVG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist, ist SGG § 148 Nr 2 anzuwenden.
Leitsatz (redaktionell)
Soweit das SGG besondere Vorschriften für die Kriegsopferversorgung enthält, gelten diese auch für die entsprechenden Angelegenheiten des SVG.
Normenkette
SVG § 80 Fassung: 1971-09-01, § 85 Abs. 1 Fassung: 1971-09-01, § 88 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1971-09-01, Abs. 5 Fassung: 1978-08-10; SGG § 148 Nr. 2 Fassung: 1958-06-25
Verfahrensgang
Tatbestand
I
Der Kläger war von Anfang 1973 bis Ende 1976 Soldat auf Zeit. Im September 1974 erlitt er einen Unfall, als er nach einem freien Ausgang auf dem Weg zurück zur Lagerunterkunft war. Von einer unmittelbar an der Straße gelegenen Telefonzelle aus hatte er seine Verlobte angerufen. Beim Heraustreten aus dieser Zelle rutschte er aus. Dabei verletzte er sich die Hand. Das Wehrbereichsgebührnisamt lehnte einen Ausgleich ab, weil es sich bei dem Unfall um keine Wehrdienstbeschädigung gehandelt habe. Mit der gleichen Begründung hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung des Urteils heißt es, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil nach seiner Ansicht nur eine Versorgung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum im Streit war. - Die Revision hat das LSG zugelassen.
Für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses hat das Versorgungsamt mangels einer Wehrdienstbeschädigung die Versorgung des Klägers abgelehnt.
Der Kläger macht mit der Revision geltend, seine Berufung sei nicht nach § 148 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Diese Vorschrift gelte nur für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung (KOV); vorliegend handele es sich jedoch um eine Angelegenheit aus dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Im übrigen genüge die Zulassung der Berufung durch das SG in der Rechtsmittelbelehrung, denn diese gehöre gemäß § 136 Abs 1 Ziff 7 SGG zum Urteil. Das SG habe zudem die Berufung zu Recht zugelassen, denn es handele sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Urteile sowie des Bescheides des Wehrbereichsgebührnisamtes V in St vom 22. April 1977 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Ausgleich nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes zu gewähren, hilfsweise, unter Aufhebung des Berufungsurteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für Rechtens und in seiner Begründung für zutreffend. Der Beigeladene schließt sich den Anträgen und Ausführungen der Beklagten an.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG unzulässig war. Nach § 148 Nr 2 SGG ist in Angelegenheiten der KOV die Berufung nicht zulässig, soweit sie nur Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft.
In diesem Rechtsstreit geht es um den mit Bescheid des Wehrbereichsgebührnisamtes abgelehnten Ausgleich.
Hierbei handelt es sich um den Anspruch nach § 85 Abs 1 SVG, der bestimmt, daß Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerbeschädigtenzulage nach § 30 Abs 1 und § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erhalten. Da die Dienstzeit des Klägers bereits am 31. Dezember 1976 endete, handelte es sich z Zt der Berufungseinlegung bei dem Ausgleich um einen Anspruch für eine abgelaufene Zeit. Zwar hatte der Kläger wegen desselben Unfallereignisses auch für die Zeit nach Beendigung seiner Dienstzeit Versorgung beantragt. Dieser später abgelehnte Anspruch richtete sich nach § 80 des SVG. Hiernach erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Dieser Anspruch ist jedoch, was das LSG zutreffend erkannt hat, ein anderer als der Anspruch auf Ausgleich während der Dienstzeit. Es handelt sich bei den Ansprüchen aus § 85 SVG auf Ausgleich und § 80 SVG auf Versorgung um zwei selbständige, nebeneinander stehende Ansprüche, die nach § 88 Abs 1 SGG einmal von den Behörden der Bundeswehrverwaltung und zum anderen von den für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden (§ 2 KOVVfG mit § 1 Abs 1 Gesetz über die Errichtung von Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951) festgestellt werden. Aus eben diesem Grunde ist der Bescheid des Versorgungsamtes nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 148 Nr 2 SGG hier anzuwenden. Diese Vorschrift spricht allerdings lediglich davon, daß in Angelegenheiten der KOV die Berufung nicht zulässig sei, soweit sie nur Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume betreffe. Vorliegend handelt es sich aber um eine Angelegenheit des SVG. Jedoch ist nach § 88 Abs 5 des SVG idF vom 5. März 1976 (BGBl I 457) bei Streitigkeiten aus § 85 SVG der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Damit, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist, ist freilich ausdrücklich keine nähere Bestimmung darüber getroffen, daß gerade auch die speziellen Vorschriften des SGG, die nur für die KOV gelten, ebenfalls anzuwenden sind. Andere Gesetze, die den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aufzeigen, haben zusätzlich angeordnet, soweit das SGG besondere Vorschriften für die KOV enthalte, gälten diese auch für die angegebenen Streitigkeiten (zB Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten § 7 Abs 1 Satz 2, Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen § 61 Abs 2 Satz 2 und Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft § 3 Abs 6 Satz 2). Aus dem Fehlen dieses Zusatzes in § 85 Abs 5 SVG kann jedoch nicht geschlossen werden, daß die Angelegenheiten des SVG, soweit sie vor die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gehören, nicht den besonderen Bestimmungen über die KOV folgen. Das ergibt sich bereits aus dem Zusammenhang dieser Gesetzesvorschrift. Schon in § 88 Abs 5 Ziff 4 SVG wird ausdrücklich gesagt: "Ist für Angelegenheiten der KOV das Land als Beteiligter am Verfahren bezeichnet, so tritt an seine Stelle die Bundesrepublik Deutschland". Aus dieser Formulierung in demselben Absatz, der den Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für gegeben erklärt, ist deutlich erkennbar, daß das Gesetz die besonderen Vorschriften des SGG über die KOV auch für die Angelegenheiten des SVG angewendet wissen will. Im übrigen ist in der Drucksache des Deutschen Bundestages VI/1681 vom 8. Januar 1971 in der Begründung ausdrücklich gesagt, durch die in dem neuen Absatz 5 des § 88 SVG vorgesehene "entsprechende" Anwendung der Vorschriften des SGG werde klargestellt, daß insbesondere der im Gesetz verwendete Begriff "Kriegsopferversorgung" in den §§ .... 148.... SGG durch "Soldatenversorgungsrecht" .... zu ersetzen ist (vgl ferner Wilke/Wunderlich, BVG und Beschädigtenversorgung nach dem SVG, Handkommentar, 4. Aufl. 1973, § 88 SVG, Erläuterung IV).
Die Berufung ist schließlich nicht, wie der Kläger meint, durch das SG zugelassen worden (§ 150 Nr 1 SGG). Die Angabe in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Urteils, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden, stellt keine Zulassung der Berufung iS des § 150 Nr 1 SGG, also keine Entscheidung dar. Sie ist lediglich eine Mitteilung darüber, was - nach Ansicht des SG - ohnehin, von Gesetzeswegen Rechtens ist (vgl dazu BSG 2, 121, 125; 4, 261, 263, BSG SozR Nr 10 zu § 150 SGG, BSG SozR 1500 § 150 Nr 4).
Sonstige Umstände, die die Statthaftigkeit der Berufung des Klägers ergeben könnten, liegen ebenfalls nicht vor.
Die Revision ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen