Orientierungssatz
Anrechnung von LAG-Unterhaltshilfe auf wiederaufgelebte Witwenversorgung - Anrechnung ruhender wiederaufgelebter Witwenrente aus der Rentenversicherung auf Ausgleichsrente und Schadensausgleich.
Normenkette
BVG § 44 Abs 5 S 1 Fassung: 1966-12-28, § 62 Abs 1 S 1 Fassung: 1966-12-28; RVO § 1291 Abs 2 S 1 Fassung: 1972-10-16; BVG§33DV § 1 Abs 2 S 1; LAG § 342
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 31.08.1978; Aktenzeichen L 2 V 40/75) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 07.02.1975; Aktenzeichen S 6 V 53/74) |
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt von dem Träger der Kriegsopferversorgung die Gewährung des Schadensausgleichs und der Ausgleichsrente ohne Anrechnung der wiederaufgelebten Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung.
Bis zu ihrer Wiederheirat im Jahr 1958 hat die Klägerin Witwenrenten aus der Kriegsopferversorgung (KOV) und aus der Arbeiterrentenversicherung nach ihrem 1949 verstorbenen ersten Ehemann K D bezogen. Nachdem ihr zweiter Ehemann R D am 20. Juli 1971 verstorben war, bewilligte ihr die Versorgungsverwaltung die wiederaufgelebte Witwenrente mit Ausgleichsrente und Schadensausgleich (Bescheid vom 14. März 1972). Ferner gewährte der Landrat des Kreises Herzogtum Lauenburg der Klägerin ab August 1971 Unterhaltshilfe gemäß § 263 Abs 1 Nr 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG); diese Leistung war aus der Lastenausgleichsberechtigung des zweiten Ehemannes abgeleitet (Bescheid vom 6. September 1971). Mit bindendem Bescheid vom 20. April 1972 rechnete der Landrat die Witwenrente aus der KOV ab 1. August 1971 auf diese Leistung an. Dadurch ergab sich lediglich für den Monat August 1971 ein Zahlbetrag von 67,-- DM. Den überzahlten Betrag von 2.203,-- DM erstattete die Versorgungsverwaltung dem Ausgleichsamt aus der Nachzahlung für die Klägerin. Nach dem Tode des zweiten Ehemannes lehnte die Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein (LVA) eine wiederaufgelebte Witwenrente nach dem ersten Ehemann ab; die Rente ruhe in voller Höhe, da auf sie der Anspruch auf Unterhaltshilfe nach dem LAG anzurechnen sei (Bescheid vom 14. November 1972).
Mit Bescheid vom 20. Juni 1973 rechnete die Versorgungsverwaltung ab 1. August 1971 einen Betrag in Höhe der Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung, die der Klägerin ohne Anrechnung von Unterhaltshilfe zustände, auf die Ausgleichsrente und den Schadensausgleich an; die Neuberechnung werde durch eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erforderlich, weil die LVA Schleswig-Holstein bis zum 1. August 1971 über den Witwenrentenanspruch nach dem ersten Ehemann entschieden habe. Zugleich wurde ein überzahlter Betrag von 2.772,-- DM zurückgefordert. Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, Ausgleichsrente und Schadensausgleich ohne Anrechnung einer Witwenrente nach § 1291 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu gewähren (Urteil vom 7. Februar 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat die - zugelassene - Berufung zurückgewiesen: Unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. Dezember 1977 - 10 RV 35/76 - (SozR 3100 § 44 Nr 10 = Breithaupt 1978, 864) dürfe die Versorgungsverwaltung die wiederaufgelebte Witwenrente aus der Rentenversicherung nicht auf die einkommensabhängigen Leistungen nach dem BVG anrechnen. Die Klägerin erhalte weder eine solche Witwenrente noch habe sie einen Anspruch darauf, den sie in zumutbarer Weise verwirklichen müsse. Sinn und Zweck der Wiederauflebensregelung, nämlich den Besitzstand nach der ersten Ehe zu wahren, ließen es nicht zu, fiktive Leistungen anzurechnen. Entscheidend sei vielmehr der Wortlaut des § 1 Abs 2 Satz 1 und des § 14 der Verordnung zur Durchführung (DV) des § 33 BVG.
Der Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision die Verletzung des § 1 Abs 2 DV zu § 33 BVG und des § 44 Abs 2 bis 5 BVG. Das Berufungsgericht habe seine Entscheidung zu Unrecht auf das Urteil des BSG vom 15. Dezember 1977 gestützt; dieser Entscheidung liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Im Gegensatz zu diesem Urteil des BSG erhalte die Klägerin keine Unterhaltshilfe nach dem LAG. Sie habe deshalb einen Anspruch auf Witwenrente nach § 1291 Abs 2 RVO, der auch zu verwirklichen sei. Die LVA sei verpflichtet, einen Neufeststellungsbescheid wegen der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 14. November 1972 zu erlassen. Sie dürfe keine fiktiven Beträge anrechnen. Andernfalls erhalte die Klägerin weder Leistungen nach dem LAG noch die voll wiederaufgelebte Rente nach der RVO. Dies widerspreche jedoch dem Sinn und Zweck des Wiederauflebens der Renten. Mit § 44 Abs 5 BVG und § 1291 Abs 2 RVO solle der Besitzstand gewahrt werden. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die LVA fiktive Beträge anrechnen dürfe oder keinen Neufeststellungsbescheid erlassen müsse, sei die Witwenrente nach der RVO auf die einkommensabhängigen Leistungen zu Recht angerechnet worden. Das werde durch § 14 Abs 4 DV zu § 33 BVG in der Fassung (idF) der 8. Änderungsverordnung vom 22. Dezember 1978 (BGBl I 2089) bestätigt; danach seien bei der Feststellung der wiederaufgelebten Witwenausgleichsrente Versorgungsansprüche und Rentenansprüche aus der früheren Ehe auch insoweit als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen, als auf sie Ansprüche aus der neuen Ehe anzurechnen seien.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 31. August 1978 und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 7. Februar 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das angefochtene Urteil.
Die Beigeladene zu 1) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Gegenüber dem Bescheid vom 14. März 1972 ist keine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Abs 1 BVG eingetreten, die zu einer Kürzung der Leistungen aus der Kriegsopferversorgung berechtigt. Nach dieser Vorschrift ist über den Anspruch neu zu entscheiden, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob das der Fall ist, muß aufgrund eines Vergleichs mit dem Zustand, der objektiv dem verbindlichen Bescheid zugrunde gelegen hat, entschieden werden (BSG SozR 3100 § 62 Nr 15 und 16 mwN). Den Verwaltungsakt müßte eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage fehlerhaft gemacht haben (BSG SozR § 62 Nr 16, S 38 f). Auf den gegenwärtigen Fall bezogen bedeutet dies: die wirtschaftliche Lage der Klägerin müßte sich nachträglich durch das Zusammentreffen mehrerer öffentlich-rechtlicher Leistungen verbessert haben. So ist es jedoch nicht.
In dem Bescheid vom 14. März 1972, von dem beim Vergleich zwischen der früheren und der späteren Verhältnisse auszugehen ist, hat die Versorgungsverwaltung die wiederaufgelebte Witwenversorgung (ua Ausgleichsrente und Schadensausgleich) ohne eine Anrechnung von anderen Renten bewilligt. Der Verwaltungsakt, der als endgültig bezeichnet ist, enthält keinen Vorbehalt einer Überprüfung mit Wirkung für die Vergangenheit und könnte daher allein nach § 62 BVG oder nach § 41 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung geändert werden. Als dieser Bescheid erging, bezog indessen die Klägerin bereits eine Unterhaltshilfe nach dem LAG. Diese ist nachträglich nicht etwa erhöht, sondern - im Gegenteil - entzogen worden; das hat die wirtschaftliche Lage der Klägerin rückwirkend sogar verschlechtert.
Eine wiederaufgelebte Witwenrente nach der RVO ist der Klägerin zwar erst nachträglich dem Grunde nach zuerkannt worden; zugleich wurde aber ihr Ruhen in voller Höhe angenommen. Selbst wenn die Klägerin bereits aufgrund eines Antrages vom Januar oder vom Mai 1972 für die Vergangenheit kraft Gesetzes eine solche Witwenrente hätte beanspruchen können, hätten sich ihre Verhältnisse durch den Ablehnungsbescheid der LVA nicht nachträglich als günstiger erwiesen. Ein Versorgungsanspruch darf aber nach § 62 BVG nur dann zu Lasten des Versorgungsberechtigten neu festgestellt werden, wenn eine "entsprechende" Änderung in den maßgebenden Verhältnissen eingetreten ist. Hier müßten der Klägerin Zahlungen zuerkannt worden sein, die auf Ausgleichsrente und Schadensausgleich zu verrechnen sind (§ 40a BVG, § 12 DV zu § 30 Abs 3 und 4 BVG, § 33 BVG, §§ 14, 15 und 1 DV zu § 33 BVG). So war es jedoch bei der Klägerin gerade nicht. Ansprüche, die tatsächlich nicht erfüllt werden, können nicht im Wege der Neufeststellung nach § 62 BVG die einkommensabhängigen Leistungen aus der KOV mindern.
An dem Ergebnis ändert sich nichts, wenn der Klägerin die Unterhaltshilfe nach dem LAG zu Unrecht vorenthalten wurde und wenn die Entscheidung hierüber überprüft werden könnte (§ 342 LAG). Dann wäre lediglich der wirtschaftliche Zustand hergestellt, der beim Erlaß des Bescheides vom 14. März 1972 bestand. Für eine nachträgliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, die die angefochtene Neufeststellung gestatten würde, fehlte dann noch der zusätzliche Anspruch auf eine Witwenrente aus der Rentenversicherung, der uneingeschränkt zuerkannt und zu verwirklichen sein müßte (§ 1 Abs 2 Satz 1 DV zu § 33 BVG). Von der LVA müßte eine Neufeststellung nach § 1300 RVO darüber zu erwarten sein, daß der Klägerin die wiederaufgelebte Witwenrente aus der Rentenversicherung (§ 1291 RVO) ohne Anrechnung der Unterhaltshilfe nach dem LAG zustände und auszuzahlen wäre. Eine solche Änderung ist aber nicht mit hinreichender Sicherheit geboten. Falls der Beklagte dennoch eine solche Verbesserung in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin für möglich hält, steht es ihm frei, ein darauf gerichtetes Verfahren von der Klägerin mit seiner Hilfe betreiben zu lassen. Erst ein positiver Ausgang könnte dann die Neufeststellung zuungunsten der Klägerin rechtfertigen.
Nach der gegenwärtigen Rechtslage war die Neufeststellung rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen