Orientierungssatz

Anwendung des Art 2 § 42 ArVNG:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann die - höhere - Rente nach Art 2 § 42 ArVNG nur gewährt werden, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalles die Wartezeit erfüllt ist mit denjenigen Beiträgen, die vor dem 1. Januar 1957 entrichtet sind und aus denen die Anwartschaft zum 1. Januar 1957 erhalten war, zuzüglich der nach dem 31. Dezember 1956 entrichteten Beiträge (vgl BSG 1961-11-23 12/4 RJ 102/61 = BSGE 15, 271).

 

Normenkette

ArVNG Art. 2 § 42

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 28.02.1962)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.01.1961)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 1962 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts in Düsseldorf vom 19. Januar 1961 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind auch für die Berufungs- und Revisionsinstanz nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die im Jahre 1901 geborene Klägerin, die als Arbeiterin und Hausgehilfin versicherungspflichtig tätig gewesen ist, hat nach der Sammelkarte für die Quittungskarten Nr. 1 bis 7 und den Quittungskarten Nr. 8 bis 13 in der Zeit von 1917 bis 1933 Beiträge zur Invalidenversicherung entrichtet. Die gleichfalls vorliegenden weiteren Quittungskarten ergeben folgende Beitragsleistung:

Quittungskarte Nr. 14 , ausgestellt am 16. August 1951, enthaltend je 26 Wochenbeiträge für die Jahre 1949, 1950 und 1951, letztere Beiträge durch Marken mit dem Aufdruck "52" entrichtet,

Quittungskarte Nr. 15 , ausgestellt am 5. Januar 1953, enthaltend je 26 Wochenbeiträge für die Jahre 1952, 1953 und 1954, entrichtet mit Beitragsmarken mit dem Aufdruck "53" und "54",

Quittungskarte Nr. 16 , ausgestellt am 6. Januar 1955, enthaltend 26 Wochenbeiträge für 1955, wovon 18 durch Marken mit Aufdruck "55" und 8 durch Marken mit Aufdruck "56" entrichtet sind, 26 Wochenbeiträge für 1956, von denen 21 durch Marken mit Aufdruck "56" und 5 mit Aufdruck "57" entrichtet worden sind, und 4 Wochenbeiträge für 1957, entrichtet durch Beitragsmarken mit dem Aufdruck "57", ferner 9 Monatsbeiträge für 1957 und weitere 9 Monatsbeiträge für 1958.

Die Klägerin beantragte am 21. April 1959 die Gewährung von Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit.

Die Beklagte erkannte durch Bescheid vom 14. September 1959 den Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. April 1959 ab an, wobei sie die Rente nach den seit dem 1. Januar 1957 geltenden gesetzlichen Vorschriften auf monatlich 52,20 DM berechnete.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) in Düsseldorf erhoben. Sie begehrt, daß ihr vom 1. April 1959 an die höhere, gemäß Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) nach den vor dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften berechnete Rente gewährt werde.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des Art. 2 § 42 ArVNG seien nicht erfüllt, weil die Klägerin die 26 Beiträge für 1956 zum Teil erst im Jahre 1957 entrichtet habe; die Anwartschaft aus den vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen sei daher nach den bis dahin geltenden Vorschriften nicht erhalten gewesen.

Durch Urteil vom 19. Januar 1961 hat das SG die Klage abgewiesen.

Durch Urteil vom 28. Februar 1962 hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte - unter Abänderung des Urteils des SG vom 19. Januar 1961 und des Bescheides der Beklagten vom 14. September 1959 - verurteilt, der Klägerin die nach Art. 2 § 42 ArVNG zu berechnende höhere Rente zu gewähren. Es hat die Revision zugelassen.

Das LSG hat ausgeführt, der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit sei am 1. April 1959, der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit nicht vor dem 1. Januar 1957 eingetreten. Die Voraussetzungen des Art. 2 § 42 ArVNG seien erfüllt. Die gemäß dieser Vorschrift nach altem Recht zu berechnende Rente sei höher als die Rente neuen Rechts, auch habe die Klägerin für die Jahre 1957 und 1958 je 9 Monatsbeiträge entrichtet und außerdem sei die Anwartschaft aus den im Jahre 1956 für das Jahr 1956 entrichteten 21 Wochenbeiträgen zum 1. Januar 1957 nach altem Recht erhalten gewesen.

Die Wartezeit sei zu diesem Zeitpunkt zwar nicht erfüllt gewesen, dies sei aber auch nach Art. 2 § 42 ArVNG nicht erforderlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie hält das angefochtene Urteil nicht für zutreffend. Nach ihrer Ansicht müsse nach Art. 2 § 42 ArVNG verlangt werden, daß bei Eintritt des Versicherungsfalles aus denjenigen Beiträgen, die vorher entrichtet worden seien und aus denen die Anwartschaft erhalten sei, die Wartezeit erfüllt sei. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall.

Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 1962 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG in Düsseldorf vom 19. Januar 1961 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die zulässige Revision ist auch begründet. Denn der Klägerin steht die nach Art. 2 § 42 ArVNG zu berechnende höhere Rente nicht zu.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind nicht alle Voraussetzungen des Art. 2 § 42 ArVNG erfüllt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil des erkennenden Senats vom 23. November 1961, BSG 15, 271; SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 4) kann die - höhere - Rente nach Art. 2 § 42 ArVNG nur gewährt werden, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalles die Wartezeit erfüllt ist mit denjenigen Beiträgen, die vor dem 1. Januar 1957 entrichtet sind und aus denen die Anwartschaft zum 1. Januar 1957 erhalten war, zuzüglich der nach dem 31. Dezember 1956 entrichteten Beiträge. Im vorliegenden Falle war aus den vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen gemäß § 1264 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF die Anwartschaft nur aus den im Jahre 1956 für das Jahr 1956 entrichteten 21 Wochenbeiträgen erhalten; insbesondere war auch die Anwartschaft aus den im Jahre 1956 für das Jahr 1955 entrichteten 8 Wochenbeiträgen nach § 1264 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz RVO aF erloschen. Die im Jahre 1957 für das Jahr 1956 entrichteten Beiträge können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Anwartschaftserhaltung zum 1. Januar 1957, soweit es sich um die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG handelt, nicht berücksichtigt werden (BSG 10, 139; SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 1). Auch nach § 1265 RVO aF war die Anwartschaft aus den für die Zeit vor dem 1. Januar 1956 entrichteten Beiträgen nicht erhalten, da die Halbdeckung zum 1. Januar 1957 nicht erreicht war, wie zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Demgemäß können für die Entscheidung der Frage, ob bei Eintritt des Versicherungsfalles die Wartezeit im Sinne dieser Rechtsprechung erfüllt war, nur die im Jahre 1956 für dieses Jahr entrichteten 21 Wochenbeiträge, die 5 im Jahre 1957 für das Jahr 1956 entrichteten Wochenbeiträge, die 4 im Jahre 1957 für das Jahr 1957 entrichteten Wochenbeiträge und die für die Jahre 1957 und 1958 entrichteten weiteren je 9 Monatsbeiträge berücksichtigt werden. Mit diesen Beiträgen allein war die Wartezeit im April 1959 aber nicht erfüllt.

Da die Klägerin somit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keinen Anspruch auf die höhere nach Art. 2 § 42 ArVNG zu berechnende Rente hat, ist die Revision begründet. Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG, welches sich im Ergebnis als zutreffend erwies, zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380626

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