Leitsatz (amtlich)
Ein Knappschaftsrentner, der nicht nur in der knappschaftlichen KVdR sondern freiwillig auch noch in der knappschaftlichen KV weiterversichert ist, muß grundsätzlich zunächst die Leistungen der knappschaftlichen KVdR in Anspruch nehmen. Soweit dies kassentechnisch möglich ist, kann er die entstandenen Krankheitskosten anschließend auch noch bei seiner freiwilligen KV abrechnen, muß sich jedoch die ihm bereits aus der knappschaftlichen KVdR erbrachten Leistungen anrechnen lassen. Die BKn muß in ihrer Satzung für diese Gruppe von Versicherten die Beiträge entsprechend niedriger ansetzen als für die freiwillig Versicherten, die ihre Leistungen voll aus dieser Versicherung in Anspruch nehmen.
Der Versicherte kann sich jedoch auch darauf beschränken, die ihm entstehenden Krankenkosten ausschließlich bei seiner freiwilligen KV geltend zu machen, ohne seine knappschaftliche KVdR in Anspruch zu nehmen. Er muß dies jedoch der BKn gegenüber rechtzeitig vor Beginn eines Kalenderjahres erklären und ist mindestens 1 Jahr lang an diese Erklärung gebunden. Macht der Versicherte hiervon Gebrauch, so muß er für seine freiwillige knappschaftliche KV dieselben Beiträge bezahlen, wie auch die entsprechenden anderen freiwillig Versicherten mit denselben Leistungen.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1970-12-21; RKG § 120 Abs. 1 Fassung: 1970-04-14; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; BKnSa § 152 Nr. 2 Buchst. c
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 3. März 1976 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der im Jahre 1902 geborene Kläger bezieht seit dem 1. November 1967 Knappschaftsruhegeld und ist infolgedessen Mitglied der knappschaftlichen Rentner-Krankenversicherung. Gleichzeitig gehört er der knappschaftlichen Krankenversicherung als weiterversichertes Mitglied an. Der Monatsbeitrag für die freiwillige Versicherung betrug im Jahre 1966 rund 54,- DM, im Jahre 1970 rund 122,- DM und stieg in der Zwischenzeit bis zum 1. Oktober 1975 auf 254,10 DM.
Im Februar 1972 beantragte der Kläger bei der Beklagten einen Beitragszuschuß zu seiner freiwilligen Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 11. April 1972 wies die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, § 381 Abs 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) gelte nicht für die Bezieher einer knappschaftlichen Rente. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos.
In dem Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) erklärte der Kläger, er habe als Bergbauangestellter gegen die knappschaftliche Krankenkasse Anspruch auf Behandlung in der zweiten Pflegeklasse gehabt. Um sich diesen Anspruch bei Eintritt in den Rentnerstand zu erhalten, habe er sich in der knappschaftlichen Krankenversicherung neben seiner Mitgliedschaft in der knappschaftlichen Rentner-Krankenversicherung weiterversichert. Das SG Berlin wies die Klage auf Zahlung eines Beitragszuschusses mit Urteil vom 11. April 1972 ab. Gegen das Urteil legte der Kläger Berufung ein und änderte die Klage mit Einwilligung der Beklagten dahin, daß er beantragte:
a) Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 1973 sowie den Bescheid vom 14. September 1973 und den Bescheid vom 11. April 1972 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 1972 aufzuheben und festzustellen, daß er in seiner freiwilligen Versicherung den Beitragssatz des § 152 Nr 2 d zu entrichten hat und daß ihm die entsprechend zuviel gezahlten Beiträge zurückzuerstatten sind.
b) Daß die Krankenhauskosten aufgrund seiner freiwilligen Versicherung in der zweiten Pflegeklasse bzw in Zweibettzimmern in voller Höhe erstattet werden.
Mit Urteil vom 3. März 1976 änderte das Landessozialgericht (LSG) Berlin das Urteil des SG und stellte fest, die Beiträge des Klägers zu seiner freiwilligen knappschaftlichen Krankenversicherung seien zu hoch festgesetzt. Die Beklagte wurde verpflichtet, dem Kläger die dementsprechend zuviel gezahlten Beiträge von April 1970 an zurückzuerstatten. Im übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das LSG aus, die Berufung zu dem unter b) gestellten Antrag müsse zurückgewiesen werden, weil es an einem berechtigten Interesse an der baldigen Feststellung fehle. An der Feststellung der Höhe der vom Kläger zu zahlenden Beiträge bestehe jedoch ein berechtigtes Interesse, weil die Überprüfung der Beitragshöhe auf einen konkreten Sachverhalt bezogen sei, nämlich auf die Beitragsforderung, die laufend gegen ihn geltend gemacht werde. Zwar könnten sich Knappschaftsrentner, die zuletzt als Angestellte knappschaftlich krankenversichert gewesen seien und nunmehr Mitglieder der knappschaftlichen Rentner-Krankenversicherung würden, neben dieser Pflichtversicherung noch zusätzlich freiwillig in der knappschaftlichen Krankenversicherung weiterversichern. Nach § 313 Abs 1 RVO bleibe ein solcher Rentner zunächst in seiner Lohnstufe oder Klasse Mitglied, er könne aber nach § 313 a RVO entsprechend seinen Einkommensverhältnissen die Versetzung in eine niedrigere Stufe oder Klasse beantragen. Die Möglichkeit des § 313 a RVO scheide als Rechtsgrundlage für eine Herabstufung der Beiträge aus, denn der Kläger mache nicht geltend, zu hohe Beiträge wegen der Annahme eines zu hohen Einkommens zu entrichten, sondern er wende sich gegen den in § 152 Nr 2 c der Satzung der Beklagten bestimmten Beitragssatz. Der von § 152 Nr 2 c der Satzung betroffene Kreis der Versicherten setze sich aus zwei unterschiedlichen Gruppen zusammen. Darunter fielen einmal Angestellte, die Versicherungsschutz nur aus ihrer freiwilligen Krankenversicherung hätten und zum anderen die Angestellten, die außerdem für den Krankheitsfall durch die gesetzliche Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner geschützt seien. Dies mache für die Beitragsgestaltung eine weitere Differenzierung erforderlich. Zwar könnten beitragsrechtliche Regelungen für Massenvorgänge typisiert werden, jedoch müßten die Vorteile der Typisierung in einem rechten Verhältnis zu den damit verbundenen Ungleichheiten in den wirtschaftlichen Belastungen stehen. Wirke sich eine beitragsrechtliche Regelung, die äußerlich eine ungleiche Behandlung vermeide, dahin aus, daß eine Gruppe in einem zu starken Übermaß belastet werde, so könnten diese ungleichen Folgen in ein Mißverhältnis zu den Vorteilen der Typisierung geraten. In einem solchen Falle könne die Beitragsregelung dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) widersprechen. Der Gleichheitsgrundsatz werde nicht nur verletzt, wenn wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, sondern auch wenn wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt werde. Im vorliegenden Fall gewähre die zusätzliche freiwillige Krankenversicherung gegenüber der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner vor allem Krankenhauspflege nach § 51 Abs 3 der Satzung in einer besseren Pflegeklasse und eine günstigere Versorgung in einigen Teilbereichen, so bei Heil- und Hilfsmitteln, Kurmittelzuschüssen und ein höheres Sterbegeld. Bei der Doppelversicherung sei davon auszugehen, daß der Versicherte Leistungen im Versicherungsfall nur einmal aus einem der beiden Versicherungsverhältnisse erhalte, also entweder aus der Pflichtversicherung der Rentner oder aus der freiwilligen Weiterversicherung als Angestellter. Der "Grundsatz der Unteilbarkeit der Leistungen" hindere nicht, einen Leistungsfall so abzuwickeln, daß die nach § 182 ff RVO zustehenden Leistungen aus der Krankenversicherung als Rentner gewährt würden und die freiwillige Versicherung nur für den hierdurch nicht gedeckten Rest in Anspruch genommen werde.
Die Beklagte hat die zugelassene Revision eingelegt. Sie ist der Ansicht, daß eine zusätzliche Differenzierung danach, ob ein in der knappschaftlichen Krankenversicherung freiwillig Weiterversicherter daneben noch Leistungsansprüche aufgrund einer zulässigerweise bestehenden Pflichtmitgliedschaft in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner habe, nicht möglich sei. Eine Differenzierung der Beiträge sei nur möglich, soweit sich dies aus dem Gesetz ergebe. Für doppelversicherte Rentner stehe nicht fest, ob entweder die Leistungen nur aus dem einen oder nur aus dem anderen Versicherungsverhältnis beansprucht würden, denn der Versicherte entscheide sich in diesen Fällen praktisch quartalsbezogen immer erneut für oder gegen die Abrufung von Leistungen aus einer der beiden Versicherungsverhältnisse oder nehme nur im Falle einer stationären Krankenhausbehandlung unter Umständen beide Versicherungsverhältnisse zur Deckung der Gesamtkosten der stationären Behandlung in Anspruch. An der Zulässigkeit der Doppelversicherung bestehe kein Zweifel. Die freiwillige Weiterversicherung stelle aber keine Zusatzversicherung dar, weil beide Versicherungen nebeneinander mit allen Rechten und Pflichten beständen. Dem Willen des Klägers, das Anrecht auf Unterbringung in einem Zweibettzimmer mit Behandlung durch den leitenden Arzt im Falle der Notwendigkeit von Krankenhauspflege beizubehalten, habe sie (die Beklagte) nur im Rahmen der freiwilligen Weiterführung der knappschaftlichen Krankenversicherung der Angestellten mit allen Rechten und Pflichten entsprechen können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 3. März 1976 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist in dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten.
II
Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen worden ist. Der Kläger, der eine Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung bezieht und infolgedessen Mitglied der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner ist, hat sich außerdem in der knappschaftlichen Krankenversicherung weiterversichert, um seinen Anspruch auf erhöhte Leistungen aufrechtzuerhalten. Hiergegen bestehen keine Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in dem Beschluß vom 9. Juni 1975 - 1 BvR 2261/72 2268/73 - (SozR 2200 § 205 Nr 4) darauf hingewiesen, daß in einem vergleichbaren Fall der Doppelversicherung eine Aufspaltung der Leistungen durchführbar ist. Es sei durchaus möglich, zunächst Ansprüche aus einer Versicherung abzurechnen und dann den Rest der Aufwendungen mit der anderen Versicherung. Wenn es sich in dem vom BVerfG entschiedenen Fall auch um das Verhältnis der Familienhilfe für die Ehefrau des Versicherten zu deren eigener Krankenversicherung der Rentner handelt, so ist doch die Interessenlage im vorliegenden Fall nicht anders zu bewerten, in welchem es sich um das Verhältnis der freiwilligen Krankenversicherung des Klägers zu der eigenen Rentner-Krankenversicherung handelt. Der Kläger muß also ähnlich dem vom BVerfG entschiedenen Fall zunächst die Leistungen der Krankenversicherung der Rentner in Anspruch nehmen und kann erst anschließend die entstandenen Krankheitskosten bei seiner freiwilligen Krankenversicherung abrechnen, wobei er sich allerdings die von der Krankenversicherung der Rentner gewährten Leistungen anrechnen lassen muß. Wenn die Satzung der Beklagten die Beiträge dieser Doppelversicherten nach dem gleichen Hundertsatz festsetzt wie bei den Versicherten, die nur in der knappschaftlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, verstößt sie gegen Art 3 Abs 1 GG, weil wesentlich Ungleiches ohne einen sachlich anzuerkennenden Grund gleichbehandelt wird.
Der Kläger ist jedoch nicht gezwungen, dieses Verfahren durchzuführen. Nach seiner Wahl kann er auch die entstehenden Kosten ausschließlich bei seiner freiwilligen Krankenversicherung abrechnen ohne seine Rentner-Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen. In diesen Fällen fließen aber aus dieser Versicherung dem knappschaftlichen Krankenversicherungsträger auch keine Beiträge zu, weil nach § 120 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) - abweichend von der Rentner-Krankenversicherung bei anderen Krankenkassen - der knappschaftliche Rentenversicherungsträger zwar die Kosten der knappschaftlichen Rentner-Krankenversicherung dem knappschaftlichen Krankenversicherungsträger voll erstattet, aber für die einzelnen Versicherten keine Beiträge zahlt. Nimmt also der Kläger seine Rentner-Krankenversicherung nicht in Anspruch, dann müssen die entstehenden Krankheitskosten allein aus den sonstigen Beitragsaufkommen bezahlt werden. Deshalb muß er - falls er sich hierzu entschließt - dieselben Beiträge entrichten, wie sie in der Satzung für freiwillig Versicherte ohne Anspruch auf Krankengeld festgesetzt sind. Wenn ein Versicherter diesen Weg beschreiten will, muß er dies zudem rechtzeitig vor Beginn eines Kalenderjahres der Bundesknappschaft mitteilen. An diese Erklärung ist er so lange gebunden, bis er sie - rechtzeitig jeweils vor Beginn eines neuen Kalenderjahres - der Bundesknappschaft gegenüber widerruft.
Der Senat konnte nicht endgültig in der Sache entscheiden, weil keine Feststellungen darüber getroffen worden sind, ob und ggf ab wann der Kläger seine freiwillige Versicherung nur für Leistungen in Anspruch genommen hat, die durch Leistungen der Rentner-Krankenversicherung nicht gedeckt waren.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Fundstellen