Leitsatz (amtlich)
Stellen Frauen wegen ihrer Schwangerschaft innerhalb der Schutzfristen des MuSchG die Arbeit ein, ohne ihr Beschäftigungsverhältnis zu kündigen, so wird dieses dadurch nicht beendet.
Eine durch dieses Beschäftigungsverhältnis bei einer Ersatzkasse begründete Mitgliedschaft als "Versicherungspflichtige" bleibt bestehen.
Normenkette
RVO § 165 Fassung: 1956-06-12, §§ 195a, 205a; MuSchG § 14; RVO §§ 507, 507a
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. Mai 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die klagende Ersatzkasse gemäß § 14 Satz 2 Mutterschutzgesetz aF. (MuSchG) von der beklagten Bundesrepublik den Unterschied zwischen den in den Versicherungsbedingungen der Klägerin für Nichtversicherungspflichtige festgelegten Wochenhilfeleistungen und denjenigen für Versicherungspflichtige nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) verlangen kann, wenn weibliche, bis dahin versicherungspflichtige Mitglieder der Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis während der Schwangerschaft nicht gekündigt haben, ihre Arbeit sechs Wochen oder später vor dem ärztlich angenommenen voraussichtlichen Zeitpunkt der Entbindung einstellen, die Entbindung tatsächlich aber länger als sechs Wochen nach der Arbeitseinstellung stattfindet.
Nach den Versicherungsbedingungen der klagenden Ersatzkasse deckt sich der Anspruch für versicherungspflichtige Mitglieder (Abschnitt F, Wochenhilfe) mit den Wochenhilfeleistungen des § 195 a RVO a. F. Nach Nr. 7 dieser Regelung bleibt der Anspruch beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch dann bestehen, wenn das Mitglied wegen einer Schwangerschaft innerhalb sechs Wochen vor der Entbindung aus der Versicherung ausgeschieden ist oder die Entbindung innerhalb sechs Wochen nach der Beendigung der Versicherungspflicht eintritt. Im Abschnitt G (Gruppe N Nichtversicherungspflichtige) heißt es: Findet die Entbindung innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung der Versicherungspflicht statt, so besteht ein Anspruch auf Wochenhilfe gemäß Abschnitt F - Unterabschnitt Wochenhilfe für weibliche Mitglieder (nach § 195 a RVO aF). Die Klägerin meint hierzu, daß weibliche Mitglieder mit der Einstellung der Arbeit wegen ihrer Schwangerschaft aus der Versicherungspflicht ausschieden, so daß sie bei einer erst später als sechs Wochen nach diesem Zeitpunkt eintretenden Entbindung nicht mehr unter die genannte Bestimmung der Versicherungsbedingungen (Verweisung auf Abschnitt F - Versicherungspflichtige -) fielen, sondern lediglich den in Abschnitt G (Nichtversicherungspflichtige) satzungsgemäß geregelten Wochenhilfeanspruch hätten. Demgegenüber hat das Bundesversicherungsamt in einem Schreiben vom 1. Februar 1961 an die Klägerin die Auffassung vertreten, auch in derartigen Fällen seien die Ansprüche nach § 195 a RVO aF gegeben.
Die klagende Ersatzkasse hatte zunächst gegen diese mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Anordnung Klage erhoben. Nachdem das Sozialgericht (SG) diese Anordnung aufgehoben hatte, hat die Klägerin im Laufe des Berufungsverfahrens eine Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben, daß die beklagte Bundesrepublik in derartigen Fällen verpflichtet sei, im Rahmen des § 14 MuSchG aF den Unterschied zwischen den nach den Versicherungsbedingungen zustehenden Wochenhilfeleistungen und denjenigen nach der RVO zu erstatten.
Das Landessozialgericht (LSG) hat diese Feststellungsklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte, weil sie die Wochenhilfeleistung nach § 195 a RVO aF selbst zu erbringen habe. Nach § 14 Satz 2 MuSchG aF würden vom Bund nur diejenigen Kosten ersetzt, die die Kosten der nach der RVO zu gewährenden Leistungen überstiegen. Nach § 507 RVO seien aber den versicherungspflichtigen Mitgliedern von Ersatzkassen mindestens die Regelleistungen der Krankenkasse zu gewähren. Stelle eine bisher versicherungspflichtige beschäftigte werdende Mutter ihre Tätigkeit, ohne das Beschäftigungsverhältnis zu kündigen, sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Niederkunft oder später ein, so werde dadurch das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis nicht unterbrochen. Denn nach § 3 Abs. 2 MuSchG dürften werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor der Niederkunft nicht beschäftigt werden, wenn sie nicht zur Arbeitsleistung bereit seien; dieses gesetzliche Beschäftigungsverbot erstrecke sich auch bis zum Ablauf von sechs, acht bzw. zwölf Wochen nach der Niederkunft gemäß § 6 MuSchG. Während dieser Zeit seien alle Voraussetzungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfüllt. Eine Unterbrechung dieses Beschäftigungsverhältnisses trete nicht ein, weil das Ende der Unterbrechung der Arbeitsleistung voraussehbar sei, die Beteiligten den Willen hätten, das Beschäftigungsverhältnis nach Wegfall der Unterbrechung fortzusetzen und die Beschäftigte grundsätzlich dienstbereit sei und der Arbeitgeber grundsätzlich die Verfügungsmacht behielte; lediglich wegen der Vorschriften des MuSchG sei die werdende Mutter bzw. Wöchnerin nicht in der Lage zu arbeiten. Für die Frage des Fortbestehens des Versicherungsschutzes seien daher die Zeiten des gesetzlichen Beschäftigungsverbotes grundsätzlich einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gleichzusetzen. Daher seien die Ersatzkassen gemäß § 507 RVO verpflichtet, ihren Mitgliedern die Leistung nach der RVO zu gewähren und nicht diejenigen nach der Satzung bzw. den Versicherungsbedingungen für freiwillig Weiterversicherte. Eine Einschränkung der Leistungspflicht ergebe sich nicht aus § 507 a RVO aF. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt.
Sie trägt vor: Art, Dauer und Höhe der Wochenhilfeleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung seien durch die §§ 195 a RVO aF und § 205 a RVO aF geregelt. Die Ersatzkassen seien jedoch nach § 507 a RVO aF nur gehalten, ihren pflichtversicherten und freiwilligen Mitgliedern Wochenhilfe nach Maßgabe des § 205 a RVO aF und nicht nach § 195 a RVO aF zu gewähren; denn in § 507 a Abs. 1 RVO aF sei ua nur auf § 205 a RVO aF, nicht aber auf § 195 a RVO aF verwiesen. Der Wochenhilfeanspruch könne sich daher nur nach den Versicherungsbedingungen bzw. der Satzung richten. Der Anspruch setze nach dem klaren Wortlaut dieser Satzungsbestimmungen voraus, daß die Versicherte bei Eintritt des Versicherungsfalles zum Kreise der versicherungspflichtigen Personen gehöre. Hier sei aber Voraussetzung, daß die Entbindung noch während der Versicherungspflicht oder längstens sechs Wochen nach dem Ausscheiden aus der Versicherung oder dem Wegfall der Versicherungspflicht eintrete. Erfolge die Entbindung erst später, so liege kein versicherungspflichtiges Verhältnis mehr vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. Mai 1965, soweit es die Feststellungsklage betrifft, aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Rahmen des § 14 Mutterschutzgesetz aF den Unterschied zwischen den nach der Satzung bzw. den Versicherungsbedingungen den freiwillig weiterversicherten weiblichen Mitgliedern, die ihn Beschäftigungsverhältnis nicht gekündigt haben, zustehenden Wochenhilfeleistungen und denjenigen nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung für pflichtversicherte weibliche Mitglieder zu erstatten, wenn ein bis dahin versicherungspflichtiges Mitglied seine Arbeit sechs Wochen oder später vor der ärztlich angenommenen voraussichtlichen Zeitpunkt der Entbindung einstellt, die Entbindung tatsächlich aber länger als sechs Wochen nach der Arbeitseinstellung stattfindet.
Die beklagte Bundesrepublik beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der beigeladene Verband der Angestelltenkrankenkassen schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken, weil die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, welche Leistungen die beklagte Bundesrepublik der klagenden Ersatzkasse im Rahmen des § 14 MuSchG aF zu erstatten hat, wobei von entscheidender Bedeutung ist, welche Eigenleistungen nach der RVO die Ersatzkasse zu erbringen hat. Es handelt sich dabei um ein Dauerabrechnungsverhältnis, bei dem jeweils diese Streitfrage zu klären ist. Hinzu kommt noch, daß das Bundesaufsichtsamt der Klägerin gegenüber in dem - vom SG und LSG - aufgehobenen Schreiben vom 1. Februar 1961 eine als verbindlich angesehene Stellungnahme abgegeben hat.
Unter diesen Umständen ist auch für zukünftige Fälle eine Klärung durch ein Gerichtsurteil geboten.
Die Klage konnte jedoch sachlich keinen Erfolg haben.
Nach § 14 Satz 2 MuSchG aF werden den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung die ihnen durch die Leistung nach § 13 MuSchG aF erwachsenen Kosten von dem Bund ersetzt, soweit sie die Kosten der nach der RVO zu gewährenden Leistungen überschreiten. Die Entscheidung hängt daher davon ab, welche Leistungen die klagende Ersatzkasse in den streitigen Fällen nach der RVO zu erbringen hat.
Nach ihren Versicherungsbedingungen hat die Klägerin Leistungen in der Höhe des § 195 a RVO aF auch dann zu erbringen, wenn die Entbindung innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung der Versicherungspflicht stattfindet. Die Klägerin hält diesen Fall nicht für gegeben, wenn die Arbeit sechs Wochen oder später vor dem ärztlich angenommenen voraussichtlichen Zeitpunkt der Entbindung eingestellt wird, die Entbindung tatsächlich aber länger als sechs Wochen nach der Arbeitseinstellung stattfindet. In diesem letztgenannten Fall will die Klägerin nur die Leistungen für freiwillig Versicherte gewähren. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Frauen, die vor und nach der Niederkunft gemäß §§ 3 und 6 MuSchG aF nicht beschäftigt werden dürfen, bleiben in dieser Zeit in ihrem Beschäftigungsverhältnis, wenn nichts anderes als die tatsächliche Arbeitseinstellung während der Schutzfristen - insbesondere keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses - vorliegt. Der Senat hat bereits in BSG 12, 191 ausgesprochen, es wäre mit dem Sinn und Zweck des MuSchG nicht zu vereinbaren, wenn man die gesetzlichen Schutzfristen, die einer Arbeitsleistung der werdenden Mutter und Wöchnerin entgegenstünden, bei der Beurteilung, ob das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis nur unerhebliche Zeit unterbrochen worden sei, mitberücksichtigen und damit die werdende Mutter und die Wöchnerin schlechter stellen würde als andere Arbeitnehmerinnen, die nicht durch ihre Schwangerschaft gehindert seien, die Arbeit nach Beendigung eines Urlaubs alsbald wieder aufzunehmen. Die zugunsten der erwerbstätigen Mutter erlassenen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften würden sich dann im Bereich der Sozialversicherung zu Ungunsten der Mutter auswirken. Deshalb ist der Senat damals zu dem Ergebnis gekommen, das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis werde nicht dadurch beendet, daß ein Arbeitgeber einer schwangeren Versicherten vor Beginn der sechswöchigen Schutzfrist des § 3 Abs. 2 Buchst. b MuSchG unbezahlten Urlaub von verhältnismäßig kurzer Dauer gewähre.
Weiter hat der S nat in BSG 15, 56 hervorgehoben, es entspreche dem Schutzcharakter des MuSchG, die Zeiten des Beschäftigungsverbotes für die Frage des Fortbestandes des Versicherungsschutzes grundsätzlich einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gleichzustellen; es wäre mit dem Sinn und Zweck des Mutterschutzgesetzes nicht vereinbar, wenn man diese Schutzzeiten, während deren eine Arbeitsleistung unzulässig sei, nicht den Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung grundsätzlich gleichstelle und damit die Wöchnerin wegen des ihren Schutz bezweckenden Beschäftigungsverbotes versicherungsrechtlich schlechter stellen würde als Arbeitnehmerinnen, die nicht durch Schwangerschaft und Geburt gehindert seien, entgeltliche Arbeit zu verrichten. Unter Bezugnahme auf diese beiden Entscheidungen des 3. Senats hat der 7. Senat in BSG 16 S. 210 entschieden, daß die Zeit, in der eine Frau wegen der Geburt eines Kindes mit der Arbeit aussetzen müsse und kein Arbeitsentgelt, sondern Leistungen nach dem MuSchG erhalte, eine versicherungspflichtige Beschäftigung nach den §§ 87 Abs. 1, 85 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) sei. Diese in den drei genannten Bundessozialgerichts-Entscheidungen niedergelegten Grundsätze müssen auch hier gelten. Denn das Schutzbedürfnis der Frauen ist auch für die vorliegende Frage in dem gleichen Umfange zu bejahen wie im Sinne der drei Urteile. Die Frauen stehen also während der Arbeitsunterbrechung noch in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, wenn sie, was hier unstreitig ist, ihr Beschäftigungsverhältnis nach Ablauf der Schutzfristen fortsetzen wollen. Das gilt auch dann, wenn der Arzt - oder die Hebamme - sich über den voraussichtlichen Zeitpunkt der Entbindung geirrt hat und die Entbindung erst nach Ablauf der in § 3 Abs. 2 MuSchG genannten Schutzfrist stattfindet. In diesem Fall verlängert sich die Schutzfrist entsprechend (§ 5 Abs. 2 MuSchG).
Es kann für die Entscheidung dahinstehen, ob die Ersatzkassen nach §§ 507, 507 a RVO aF ihren versicherungspflichtigen Mitgliedern auf jeden Fall Wochenhilfe nach § 195 a RVO aF oder nur die des § 205 a RVO aF zu gewähren hatten, weil in § 507 a RVO aF für die Regelleistungen an Wochenhilfe nur auf § 205 a RVO aF, nicht aber auf § 195 a RVO aF Bezug genommen worden ist. Denn auf alle Fälle gewährt die klagende Ersatzkasse auf Grund ihrer Versicherungsbedingungen den Versicherungspflichtigen (dazu gehört auch der hier streitige Personenkreis, wie bereits dargelegt worden ist) Leistungen nach § 195 a RVO aF. Diese Leistung ist damit aber eine Eigenleistung der Ersatzkasse und deshalb nach dem Zweck des § 14 Satz 2 MuSchG aF wie die dort genannten - "nach der RVO zu gewährenden Leistungen" - nicht von der beklagten Bundesrepublik zu erstatten.
Die Revision der klagenden Ersatzkasse muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen