Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Unter den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei einem für die Ehefrau des Beigeladenen beschafften Arthrodesenstuhl um ein Heil- oder Hilfsmittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne handelt.
Der klagende Landschaftsverband begehrt von der Beklagten Ersatz in Höhe des satzungsmäßigen Zuschusses zu den Kosten, die ihm durch die erstmalige Beschaffung eines Arthrodesenstuhls für die Ehefrau des Beigeladenen entstanden sind. Der Beigeladene ist bei der Beklagten als Mitglied der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner versichert. Seine Ehefrau leidet an einer schweren doppelseitigen Coxarthrose mit fast völliger Versteifung beider Hüftgelenke in Adduktionsstellung. Der Arthrodesenstuhl wurde ihr am 15. Dezember 1970 von einem Knappschaftsarzt auf Veranlassung eines Facharztes für Orthopädie verordnet. Die Beklagte hat es mit formlosem Schreiben vom 3. Februar -1971 abgelehnt, sich an den Anschaffungskosten zu beteiligen, weil es sich nicht um ein Heil- oder Hilfsmittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne handele. Da weder der Beigeladene noch seine Ehefrau die Kosten für den Arthrodesenstuhl in Höhe von 382,-- DM aufzubringen vermochten, übernahm zunächst der Kläger auf Grund seiner gesetzlichen Verpflichtung als Träger der Sozialhilfe die Bezahlung des Arthrodesenstuhls und erhob gegen die Beklagte Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster mit dem Antrag, ihm die satzungsmäßigen Kosten für den Arthrodesenstuhl zu erstatten. Das SG hat mit Urteil vor 29 November 1972 die Beklagte verurteilt, dem Kläger die von ihm verauslagten Kosten in Höhe des satzungsmäßigen Zuschusses für Hilfsmittel (§ 48 der Satzung der Beklagten) zu erstatten. Die gegen das Urteil zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 29. Januar 1974 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Arthrodesenstuhl diene im Rahmen des Möglichen dem Ausgleich eines körperlichen Mangels und sei deshalb als Hilfsmittel i.S. des § 187 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) anzusehen. Die Ehefrau des Beigeladenen brauche den Stuhl, um einigermaßen sitzfähig zu bleiben und damit ihr Leben zu erleichtern. Anderenfalls könne sie ihr Leben in wesentlichen nur in liegender Stellung verbringen. Zwar sei dieser Stuhl nicht geeignet, ihre Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten, weil sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen könne; durch das Hilfsmittel würde aber die Fähigkeit, am allgemeinen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, hergestellt oder erhalten. Sie könne sogar in beschränktem Umfang wieder bestimmte hausfrauliche Arbeiten verrichten. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, das LSG habe den § 187 Nr. 3 RVO unrichtig angewandt, denn der Arthrodesenstuhl sei nicht dem Begriff des "Hilfsmittels" i. S. von § 187 Nr. 3 RVO a.F. zuzuordnen. Die Tatsache, daß die Ehefrau des Beigeladenen durch die Benutzung des Arthrodesenstuhls erträglicher sitzen könne und damit in die Lage versetzt werde, in größerem Umfang als bisher am allgemeinen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, gebe dem Arthrodesenstuhl nicht den Charakter eines Hilfsmittels im krankenversicherungsrechtlichen Sinne, vielmehr handele es sich um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand, der auf Grund einer bestehenden Körperbehinderung in einer besonderen Ausfertigung beschafft werden müsse. Zur Ausstattung jeder Wohnung gehörten Sitzgelegenheiten. Die meisten Wohnzimmer seien heute nicht mehr mit Stühlen, sondern auch mit kostspieligeren Sessels ausgestattet. Sofern jemand ein herkömmliches Sitzmöbel nicht benutzen könne oder wolle, werde er sich ein solches kaufen, das seinen Bedürfnissen entspreche. Wenn die Ehefrau des Beigeladenen nur schwer in der Lage sei, auf einem normalen Sitzmöbel zu sitzen und statt dessen den für sie erträglichen Arthrodesenstuhl benutze, der in der Regel sogar noch preisgünstiger als ein Sessel sei, so verliere der Arthrodesenstuhl hierdurch nicht den Charakter einer Sitzgelegenheit, also eines allgemeinen Gebrauchsgegenstandes. Anstelle des Aufwandes für eine bequeme handelsübliche Sitzgelegenheit trete hier lediglich der Aufwand für eine bequeme, auf die individuellen Bedürfnisse abgestellte Sitzgelegenheit. Allgemeine Gebrauchsgegenstände zählen aber - auch wenn sie in besonderer Ausführung erstellt seien und vom medizinischen Standpunkt aus für erforderlich angesehen würden - nicht zu den Hilfsmitteln im krankenversicherungsrechtlichen Sinne, die von der Krankenkasse zu bezuschußt werden müßten. Wenn das LSG einen solchen Stuhl deshalb als von der Krankenkasse zu bezuschussendes Hilfsmittel ansehe, weil er die Benutzerin in die Lage versetze, kleinere Hausarbeiten zu verrichten und am allgemeinen Familienleben teilzunehmen, dann müsse die Leistungspflicht der Krankenversicherung auch auf andere Dinge ausgewertet werden, die auf Grund eines bestehenden Leidens erforderlich seien. Zum Beispiel wäre auch dann die Krankenkasse zur Kostenübernahme verpflichtet, wenn ein Berechtigter auf Grund einer bestehenden Verkrüppelung nur besondere nach Maß angefertigte Kleidung tragen könne, da ihn auch hierdurch erst die Teilnahme am allgemeinen gesellschaftlichen Leben ermöglicht werde.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29. November 1972 und das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Der Kläger hält die angefochtenen Urteil für richtig und zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger hat den in den §§1531 bis 1533 RVO geregelten Ersatzanspruch gegen die Beklagte, denn der Beigeladene hat als Versicherter in der knappschaftlichen Rentner-Krankenversicherung seinerseits nach § 20 das Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) i.V.m. den §§ 205 f. RVO im Rahmen der Familienhilfe einen Anspruch auf einen satzungsmäßigen Zuschuß für den Arthrodesenstuhl seiner Ehefrau.
Nach § 187 Nr. 3 RVO a.F. konnte in der Satzung der Beklagten dem Versicherten Hilfsmittel gegen Verunstaltung und Verkrüppelung zugebilligt werden, die nach beendetem Heilverfahren nötig waren, um die Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten. Nach § 48 Abs. 2 der Satzung der Beklagten, der nach § 58 der Satzung auch für Leistungen der Familienhilfe anzuwenden ist, ist bei größeren Heilmitteln sowie bei Hilfsmitteln, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind, eine Beihilfe in Höhe von 75 v. H. der entstandenen Kosten zu gewähren, höchstens aber für das einzelne Mittel innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten ein Betrag von 600,-- DM. Diese Leistung muß mindestens der Betrag entsprechen, der als Höchstbetrag für kleinere Heilmittel festgesetzt ist (200,-- DM). Streitig ist unter den Beteiligten lediglich, ob es sich bei dem Arthrodesenstuhl um ein Hilfsmittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne handelt.
Der Senat ist der Auffassung, daß schon nach der hier noch anzuwendenden alten Vorschrift Hilfsmittel, die dem medizinischen Zweck dienen, eine körperliche Behinderung auszugleichen, als Hilfsmittel im versicherungsrechtlichen Sinne anzusehen sind. Da im vorliegenden Fall der Arthrodesenstuhl erforderlich ist, um die sonst beim Sitzen auftretenden Schmerzen der Ehefrau des Beigeladenen zu mildern und ihr dadurch überhaupt erst ein längeres Sitzen zu ermöglichen, dient er in erster Linie medizinischen Zwecken. Er soll die Folgen der schweren doppelseitigen Coxarthrose mit der fast völligen Versteifung der beiden Hüftgelenke in Adduktionsstellung in medizinischer Hinsicht erträglicher machen und die dadurch bedingte körperliche Behinderung so weit als möglich ausgleichen. Sicher stellt ein Arthrodesenstuhl eine Sitzgelegenheit dar, wie schon sein Name sagt, aber er wird dadurch kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand, was sich schon daraus ergibt, daß er in Räumen, die nur von gesunden Personen bewohnt werden, nicht zu finden sein wird. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu einer Schreibmaschine oder zu nach Maß angefertigter Kleidung. Ein Arthrodesenstuhl ist ein Spezialstuhl für Hüftgelenkserkrankte mit in der Höhe verstellbarer Rückenlehne und Sitz, wobei der Sitz aus drei Teilen besteht, so daß die Beinauflagen getrennt voneinander neigbar sind. Ein derartiger Spezialstuhl, der Hüftgelenkserkrankten erst das Sitzen ermöglicht, ist aber ähnlich wie eine Prothese, die einem Beinamputierten erst das Gehen ermöglicht, ein Hilfsmittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Die Revision der Beklagten war daher zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen