Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung einer Versichertenrente nur vom Beginn des Antragsmonats an
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Bergmanns- oder Knappschaftsrente in das Altersruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebensjahres (flexibles Altersruhegeld) umgewandelt, so gilt für den Rentenbeginn RKG § 82 Abs 3 S 1 (= RVO § 1290 Abs 3 S 1); Rentenbeginn ab Antragsmonat; Fortführung von BSG 1965-01-14 5 RKn 75/63 = BSGE 22, 208).
Leitsatz (redaktionell)
Bei Umwandlung einer Versichertenrente (konkret: Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit) in ein vorzeitiges Altersruhegeld bestimmt sich der Beginn des Altersruhegeldes nach RKG § 82 Abs 3 S 1 (= RVO § 1290 Abs 3 S 1), dh, das Altersruhegeld kann frühestens vom Ersten des Monats, in dem die Rentenumwandlung beantragt wurde, gezahlt werden. Die Regelung des RKG § 82 Abs 3 S 2 (= RVO § 1290 Abs 3 S 2) ist auf die vorzeitigen Altersruhegelder nicht anwendbar, weil diese im Gegensatz zum Altersruhegeld bei Vollendung des 65. Lebensjahres zu ihrer Feststellung eines ausdrücklichen Antrages bedürfen. Dies hat auch für das flexible Altersruhegeld (RKG § 48 Abs 1 = RVO § 1248 Abs 1) zu gelten, weil sowohl das RRG als auch das 4. RVÄndG, welche diese Rentenart eingeführt und ausgestaltet haben, trotz Änderung des RKG § 82 (= RVO § 1290) dessen Abs 3 S 2 inhaltlich nicht geändert haben.
Normenkette
RVO § 1290 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1967-12-21, S. 2 Fassung: 1972-10-16; RKG § 82 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1967-12-21, S. 2 Fassung: 1972-10-16, § 48 Abs. 1 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1248 Abs. 1 Fassung: 1972-10-16
Tenor
Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 4. März 1974 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Beginn des Knappschaftsruhegeldes.
Der ... 1909 geborene Kläger, seit 1971 Bezieher von Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von zuletzt 1.041,50 DM, beantragte am 29. März 1973 das Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebensjahres (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 des Reichsknappschaftsgesetzes - RKG - idF des Rentenreformgesetzes - RRG -). Die Beklagte bewilligte ihm dieses ab 1. März 1973 in Höhe von 1.155,50 DM (Bescheid vom 20. März 1973). Widerspruch und Klage mit dem Begehren auf Gewährung des Ruhegeldes zu einem früheren Zeitpunkt blieben ohne Erfolg. Im angefochtenen Urteil vom 4. März 1974 hat das Sozialgericht (SG) ausgeführt: Nach § 82 Abs. 3 Satz 1 RKG könne eine Rentenerhöhung nur vom Beginn des Antragsmonats an verlangt werden. Nach der Entscheidung BSGE 22, 208 folge aus § 82 Abs. 3 Satz 2 RKG, daß als Rentenerhöhung auch die Umwandlung einer Knappschaftsrente in das Altersruhegeld anzusehen sei. Dies gelte auch ab 1. Januar 1973, da der Gesetzgeber trotz Einführung des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 63. Lebensjahres die letztgenannte, auf das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres begrenzte Ausnahmevorschrift nicht geändert habe. Ein redaktionelles Versehen lasse sich auch nicht ohne weiteres annehmen, da der Gesetzgeber möglicherweise einen früheren Beginn des Altersruhegeldes nur den Antragstellern habe einräumen wollen, die noch keine Rente beziehen.
Das SG hat die Berufung zugelassen. Der Kläger hat - mit dem Einverständnis der Beklagten - statt der Berufung Sprungrevision eingelegt. Er bringt vor: Bei der Umwandlung einer Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit in das Altersruhegeld handele es sich schon deswegen um keine Rentenerhöhung nach § 82 Abs. 3 RKG, weil beide Renten mit dem gleichen Steigerungssatz ausgestattet seien. Die vom SG angezogene BSG-Entscheidung, die die Umwandlung der Berufsunfähigkeitsrente in die Erwerbsunfähigkeitsrente betreffe, sei nicht einschlägig. Das "flexible Altersruhegeld" nach § 48 Abs. 1 RKG sei nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers dem Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres voll gleichzustellen. Da er, Kläger, die besondere Wartezeit für das beantragte Altersruhegeld erfüllt und den Antrag während der Dreimonatsfrist gestellt habe, sei ihm das Altersruhegeld bereits ab 1. Januar 1973 zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 4. März 1974 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 20. April 1973 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 1973 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebensjahres ab 1. Januar 1973 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Dem Begehren des Klägers stehe die Sondervorschrift des § 82 Abs. 3 Satz 1 RKG entgegen, wonach eine Rentenerhöhung nur vom Beginn des Antragsmonats an verlangt werden könne. Daß die Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers in das Altersruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rentenerhöhung im Sinne dieser Vorschrift sei, folge aus Satz 2 aaO.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 82 Abs. 3 Satz 1 RKG (= § 1290 Abs. 3 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) kann u. a. die Erhöhung einer Rente nur vom Beginn des Antragsmonats an verlangt werden. Diese Vorschrift findet auf die Umwandlung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit in ein Altersruhegeld Anwendung. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung BSGE 22, 208 bereits herausgestellt, der Gesetzgeber sei nach dem - trotz Neufassung des § 82 Abs. 3 durch Art. 1 § 3 Nr. 15 b RRG und Art. 1 § 3 Nr. 3 des Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (4. RVÄndG) vom 30. März 1973 (= für § 1290 Abs. 3 RVO Art. 1 § 1 Nr. 19 b und Art. 1 § 1 Nr. 3 aaO) unverändert gebliebenen - Satz 2 des § 82 Abs. 3 RKG offenkundig davon ausgegangen, daß die Umwandlung einer Bergmanns- oder Knappschaftsrente in das Altersruhegeld in bezug auf den Rentenbeginn wie eine Rentenerhöhung im Sinne von § 82 Abs. 3 Satz 1 RKG zu behandeln sei, da es sonst der in dieser Bestimmung für die Umwandlung einer Bergmanns- oder Knappschaftsrente in ein Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres getroffenen Ausnahmeregelung nicht bedurft hätte. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend: Nach dem angeführten § 82 Abs. 3 Satz 2 RKG gilt die Umwandlung einer Bergmanns- oder Knappschaftsrente in das Altersruhegeld dann nicht als Rentenerhöhung im Sinne des Satzes 1 aaO, wenn es sich um eine Umwandlung der Rente in das Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres handelt. Schon bei Schaffung der Vorschrift hat mithin der Gesetzgeber zwischen dem Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und den anderen, vorzeitigen Altersruhegeldansprüchen (vgl. § 48 Abs. 2 und 3 RKG aF = § 1248 Abs. 2 und 3 RVO) unterschieden und damit deutlich gemacht, daß die Ausnahmebestimmung des § 82 Abs. 3 Satz 2 RKG für diese Altersruhegeldansprüche nicht gelten soll. Hierfür hatte er gute Gründe. Bei diesen Altersruhegeldansprüchen hatte und hat der Antrag keinerlei sachlich-rechtliche Bedeutung (§ 48 Abs. 1 RKG aF; § 48 Abs. 5 RKG nF = § 1248 Abs. 1 RVO aF, § 1248 Abs. 5 nF); Bergmanns- oder Knappschaftsrenten wurden und werden demgemäß nach § 53 Abs. 5 Satz 1 RKG (= § 1254 Abs. 2 Satz 1 RVO) von Amts wegen in ein solches Altersruhegeld umgewandelt. Dagegen verlangten und verlangen die vorzeitigen Altersruhegelder einen Antrag (§ 48 Abs. 2 und 3 RKG aF; § 48 Abs. 1 bis 3 RKG nF = § 1248 Abs. 1 und 2 RVO aF; § 1248 Abs. 1 bis 3 RVO nF); Bergmanns- oder Knappschaftsrenten werden demgemäß auch nur auf Antrag in solche vorzeitige Altersruhegelder umgewandelt (§ 53 Abs. 5 Satz 1 RKG = § 1254 Abs. 2 Satz 1 RVO).
Für das - erst ab 1. Januar 1973 eingeführte - sogenannte flexible Altersruhegeld bei Vollendung des 63. Lebensjahres (§ 48 Abs. 1 RKG = § 1248 Abs. 1 RVO) kann nichts anderes als für die sonstigen vorzeitigen Altersruhegeldansprüche gelten. Auch bei ihm handelt es sich um eine Leistung, die vom Antrag abhängt und in die eine Bergmanns- oder Knappschaftsrente nur auf Antrag umgewandelt wird. Für den Gesetzgeber lag es deshalb nahe, die Umwandlung einer Bergmanns- oder Knappschaftsrente in das flexible Altersruhegeld in bezug auf den Rentenbeginn ebenso zu behandeln wie die Umwandlung in ein vorzeitiges Altersruhegeld.
Hierfür spricht auch die Entwicklungsgeschichte des § 82 Abs. 3 RKG. Wie oben bereits ausgeführt, ist dieser Absatz durch das RRG, zu dessen Kernstücken die Einführung des flexiblen Altersruhegeldes gerade zählte, neu gefaßt worden, ohne den Satz 2 dieser Bestimmung inhaltlich zu verändern. Das 4. RVÄndG, das das flexible Altersruhegeld erneut und abschließend behandelt sowie den Satz 3 der Bestimmung neu gefaßt hat, hat den hier auszulegenden Satz 2 wiederum unverändert gelassen. Auch dies spricht dafür, daß der Gesetzgeber im Rahmen der Vorschriften über den Rentenbeginn das Altersruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebensjahres bewußt nicht dem Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres gleichstellen, sondern es ebenso wie die übrigen vorzeitigen Altersruhegelder behandelt wissen wollte. Die Auffassung des Klägers, der Gesetzgeber habe bei Einführung des flexiblen Altersruhegeldes übersehen, die in § 82 Abs. 3 Satz 2 RKG getroffene Regelung auf dieses auszudehnen, vermag nach allem nicht zu überzeugen.
Hiernach hat das SG zu Recht den Beginn des dem Kläger wegen Vollendung des 63. Lebensjahres zustehenden Altersruhegeldes auf den Antragsmonat, also auf den 1. März 1963 festgelegt. Deshalb war die Sprungrevision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen und zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (§ 193 des Sozialgerichtsgesetzes).
Fundstellen