Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursausfallgeld - Antragstellung - Versäumung der Ausschlußfrist - Weiterarbeit in Unkenntnis des Abweisungsbeschlusses - Sorgfalt bei der Durchsetzung der Ansprüche
Orientierungssatz
1. Auch dann, wenn der Arbeitnehmer in Unkenntnis des Abweisungsbeschlusses weitergearbeitet hat, hat er nur dann Anspruch auf Konkursausfallgeld (auch für diesen Zeitraum), wenn er entweder seinen Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Erlaß jenes Beschlusses stellt oder ohne zurechenbares Verschulden keine Kenntnis von jenem Insolvenzfall hatte. Insbesondere kann als Beginn der Frist des § 141e Abs 1 S 2 AFG in den Fällen des § 141b Abs 4 AFG, also beim Weiterarbeiten über den Abweisungsbeschluß hinaus, nicht der Tag der Kenntnisnahme vom Abweisungsbeschluß - statt des Tages des Beschlusses - maßgebend sein.
2. Im Rahmen des § 141e Abs 1 S 4 AFG ist nicht darauf abzustellen, ob der Arbeitnehmer durch ein sorgfältiges "Bemühen" Kenntnis vom Insolvenzfall erlangt hätte. Die Annahme, dies werde im Regelfall zutreffen, hat nicht zur Folge, daß eine entsprechende Kausalität zu prüfen wäre (vgl BSG vom 26.8.1983 - 10 RAr 1/82 = BSGE 55, 284, 286 = SozR 4100 § 141e Nr 5).
3. Zur erforderlichen Sorgfalt bei der Durchsetzung rückständiger Arbeitsentgeltansprüche iS des § 141e Abs 1 S 4 AFG.
Normenkette
AFG § 141b Abs. 4, § 141e Abs. 1 S. 2 Fassung: 1979, S. 3 Fassung: 1979, S. 4 Fassung: 1979
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 29.06.1994; Aktenzeichen L 3 Ar 915/93) |
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 20.04.1993; Aktenzeichen S 2 Ar 27/93) |
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Anspruchs auf Konkursausfallgeld (Kaug) wegen Versäumung der Ausschlußfrist nach § 141e Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).
Der Kläger war seit 1987 als Heizungsmonteur bei der G. GmbH, E., beschäftigt. Am 21. Oktober 1991 wies das Amtsgericht den Antrag verschiedener Gläubiger, über das Vermögen der G. GmbH den Konkurs zu eröffnen, mangels Masse ab. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers zum 31. Oktober 1991. Der Kläger hat vorgetragen, seine Arbeitsentgeltrückstände gegenüber der G. GmbH hätten sich auf insgesamt ca DM 50.000 belaufen; er habe bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses über Jahre hinweg seinen Lohn lediglich in Form von Abschlagszahlungen erhalten, der Arbeitgeber sei stets im Zahlungsrückstand gewesen. Zuletzt habe er im Juli 1991 Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt DM 2.300, im Oktober 1991 in Höhe von DM 700 und am 7. November 1991 in Höhe von DM 1.000 erhalten. Danach hätten er und seine Ehefrau mehrmals telefonisch weitere Zahlungen bei der G. GmbH angemahnt. Da der Geschäftsführer G. nicht zu erreichen gewesen sei, hätten sie mit dessen Ehefrau gesprochen, die auch die Buchhaltung der G. GmbH gemacht habe. Von ihr seien sie immer wieder beruhigt und vertröstet worden; auf ein Konkursverfahren oder den Abweisungsbeschluß habe es keine Hinweise gegeben. Erst durch seinen neuen Arbeitgeber habe er Mitte März 1992 einen ersten Hinweis auf das Konkursverfahren erhalten. Er habe sich dann sogleich an seinen Rechtsanwalt gewandt, der ihm sofort zur Beantragung des Kaug geraten habe.
Der Antrag auf Kaug vom 28. April 1992 wurde von der Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 1. Juli 1992, Widerspruchsbescheid vom 2. November 1992); Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 20. April 1992, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 29. Juni 1994). Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe die Ausschlußfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG versäumt, die am Tage nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (also am 1. November 1991) zu laufen begonnen habe und damit am 31. Dezember 1991 abgelaufen sei. Der am 28. April 1992 gestellte Kaug-Antrag sei demnach verspätet. Der Kläger habe auch die Versäumung der Ausschlußfrist zu vertreten, denn er habe sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Dem hier anzuwendenden objektiven Maßstab der erforderlichen Sorgfalt habe der Kläger nicht genügt, wenn er - nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - rückständiges Arbeitsentgelt im Betrag von insgesamt über DM 50.000 über mehr als vier Monate (von der letzten Abschlagszahlung am 7. November 1991 bis zum ersten Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers Mitte März 1992) nicht wenigstens schriftlich, sondern nur durch gelegentliche telefonische Anmahnungen geltend mache und sich mit beruhigenden und vertröstenden Auskünften zufrieden gebe.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung des § 141e Abs 1 Satz 1 bis 4 AFG. Satz 4 dieser Vorschrift sei dahin auszulegen, daß der Arbeitnehmer die Versäumung der Ausschlußfrist nur dann zu vertreten habe, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Ein konkreter Anhaltspunkt auf ein Konkursverfahren sei für ihn jedoch bis Mitte März 1992 nicht vorhanden gewesen. Allein der Umstand, daß sein Lohn nicht oder nicht vollständig bezahlt worden sei oder daß Zahlungsrückstände bestanden hätten, könne nicht dahingehend gewertet werden, zumal er bereits während seines Beschäftigungsverhältnisses seinen Lohn immer nur durch Abschlagszahlungen in unregelmäßigem Abstand in unterschiedlicher Höhe erhalten habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des LSG und den angefochtenen Gerichtsbescheid
des SG sowie den angefochtenen Bescheid der Beklagten in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides aufzuheben und ihm Konkursausfallgeld für
die dem 21. Oktober 1991 vorausgehenden drei Kalendermonate zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt - unter näherer Darlegung -,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kaug, da er den entsprechenden Antrag nicht rechtzeitig gestellt hat.
Maßgebend ist hier § 141e AFG idF des 5. AFG-Änderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189). Nach Abs 1 dieser Vorschrift wird das Kaug auf Antrag gewährt (Satz 1). Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Monaten nach Eröffnung des Konkursverfahrens zu stellen (Satz 2). Hat der Arbeitnehmer die Ausschlußfrist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so wird das Kaug gewährt, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird (Satz 3). Der Arbeitnehmer hat die Versäumung der Ausschlußfrist zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat (Satz 4). Der Eröffnung des Konkursverfahrens steht die - hier vorliegende - Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse vom 21. Oktober 1991 gleich (§ 141b Abs 3 Nr 1 AFG).
Entgegen der Meinung des LSG gilt im vorliegenden Fall kein gegenüber diesen Regeln modifizierter Fristbeginn, auch nicht etwa deswegen, weil der Kläger noch über den Zeitpunkt des Abweisungsbeschlusses hinaus bis zum 31. Oktober 1991 weitergearbeitet hat.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 26. August 1983 (BSGE 55, 284, 286 = SozR 4100 § 141e Nr 5) die Frage offengelassen, ob die Ausschlußfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG erst mit der tatsächlichen Kenntnisnahme von dem Abweisungsbeschluß beginnt, wenn der Arbeitnehmer über den Zeitpunkt der Abweisung hinaus weitergearbeitet hat (dann gilt für den Kaug-Zeitraum die Sonderregelung des § 141b Abs 4 AFG), oder auch hier nur die nicht zu vertretende Unkenntnis eine weitere Frist eröffnet. Sie ist dahingehend zu beantworten, daß auch in den Fällen des § 141b Abs 4 AFG die Antragsfristen des § 141e Abs 1 AFG gelten. Es besteht keine Veranlassung, insoweit von anderen Maßstäben auszugehen. Auch dann, wenn der Arbeitnehmer in Unkenntnis des Abweisungsbeschlusses weitergearbeitet hat, hat er nur dann Anspruch auf Konkursausfallgeld (auch für diesen Zeitraum), wenn er entweder seinen Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Erlaß jenes Beschlusses stellt oder ohne zurechenbares Verschulden keine Kenntnis von jenem Insolvenzfall hatte. Insbesondere kann als Beginn der Frist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG in den Fällen des § 141b Abs 4 AFG, also beim Weiterarbeiten über den Abweisungsbeschluß hinaus, nicht der Tag der Kenntnisnahme vom Abweisungsbeschluß - statt des Tages des Beschlusses - maßgebend sein. Denn dann würde für jenen Personenkreis im Rahmen des § 141e Abs 1 AFG ein gänzlich anderer Verschuldensmaßstab gelten: Während für alle anderen Fälle eine nur fahrlässige Unkenntnis vom Insolvenzfall nach Ablauf der Zwei-Monats-Frist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG anspruchsschädlich ist, wäre für den "weiterarbeitenden" Personenkreis ein Antrag auf Kaug noch zwei Monate nach der Erlangung positiver Kenntnis vom Insolvenzfall möglich. Allerdings wird während einer Weiterarbeit oft davon auszugehen sein, daß sich die Arbeitnehmer mit der nötigen Sorgfalt um ihre Belange kümmern, hängen sie doch in der Regel für ihren laufenden Lebensunterhalt von der regelmäßigen Zahlung des Arbeitsentgelts ab. Deshalb ist es auch nicht erforderlich, den Beginn der Frist nach § 141e Abs 1 Satz 2 AFG - mit dem LSG - auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben. Die Anwendung der Nachfrist des § 141e Abs 1 Satz 3 und 4 AFG ermöglicht in jedem Fall auch dann eine sachgerechte Lösung.
Für den vorliegenden Fall gilt damit: Der Kläger hat die Ausschlußfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG versäumt. Diese ist - ausgehend vom Tage des Abweisungsbeschlusses (21. Oktober 1991) - am 23. Dezember 1991 (Montag) abgelaufen (s zur Fristberechnung § 26 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch iVm § 187 Abs 1, § 188 Abs 2, § 193 Bürgerliches Gesetzbuch). Der am 28. April 1992 eingegangene Antrag des Klägers auf Kaug war jedoch auch nach den Sätzen 3 und 4 jener Vorschrift nicht mehr rechtzeitig. Diese setzen voraus, daß er sich zum einen mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat (Satz 4) und zum anderen nicht aus anderen Gründen schuldhaft - vorwerfbar - von der Insolvenz seines Arbeitgebers nichts wußte. Hierauf stellt § 141e Abs 1 Satz 3 AFG mit der Wendung ab, "die Ausschlußfrist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat". Hierbei kommt es auf die fahrlässige Unkenntnis vom Insolvenzereignis an (s bereits BSG vom 26. August 1983, BSGE 55, 284, 286 = SozR 4100 § 141e Nr 5).
Das LSG hat verneint, daß sich der Kläger mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe (§ 141e Abs 1 Satz 4 AFG). Dem ist im Ergebnis, wenn auch nicht in allen Einzelheiten der Begründung, beizupflichten, wie unten ausgeführt ist. Voranzustellen ist: Im Rahmen des § 141e Abs 1 Satz 4 AFG ist nicht darauf abzustellen, ob der Arbeitnehmer durch ein sorgfältiges "Bemühen" Kenntnis vom Insolvenzfall erlangt hätte. Die Annahme, dies werde im Regelfall zutreffen, hat nicht zur Folge, daß eine entsprechende Kausalität zu prüfen wäre (s BSG vom 26. August 1983, BSGE 55, 284, 286 = SozR 4100 § 141e Nr 5).
Das Berufungsurteil führt aus, der Kläger genüge dem anwendbaren Sorgfaltsmaßstab nicht, wenn er rückständiges Arbeitsentgelt im Betrag von insgesamt über DM 50.000 über mehr als vier Monate (von der letzten Abschlagszahlung am 7. November 1991 bis zum ersten Hinweis auf eine Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers Mitte März 1992) nicht zumindest schriftlich, sondern nur durch gelegentliche telefonische Anmahnungen geltend mache und sich mit beruhigenden und vertröstenden Auskünften zufrieden gebe.
Dem kann in dieser Form nicht gefolgt werden. Denn diese Begründung trägt das vom LSG gefundene Ergebnis nicht. Zum einen kommt es auf der Grundlage der Erwägungen des LSG zur Beurteilung der erforderlichen Sorgfalt nicht auf einen Zeitraum von "mehr als vier Monaten" an. Vielmehr wäre hier folgerichtig auf einen Zeitraum von etwas unter vier Monaten (vom 7. November 1991 bis zum 28. Februar 1992) abzustellen. War die Unkenntnis des Klägers vom Insolvenzfall nämlich erst ab 28. Februar 1992 iS des § 141e Abs 1 Sätze 3 und 4 AFG verschuldet, hatte er insbesondere vorher die Durchsetzung seiner Ansprüche noch mit der erforderlichen Sorgfalt betrieben, so wäre der am 28. April 1992 gestellte Antrag auf Kaug noch rechtzeitig gewesen. Die Nachfrist des § 141e Abs 1 Satz 3 AFG läuft nämlich zwei Monate nach "Wegfall des Hindernisses", was aus dem Regelungszusammenhang nur das "Ende der unverschuldeten Unkenntnis vom Insolvenzfall" bedeuten kann, wobei - nach Satz 4 der Vorschrift - nicht genügend sorgfältiges Verfolgen der Ansprüche einer verschuldeten Unkenntnis gleichsteht.
Zum anderen kommt es insoweit im Zusammenhang mit dem Anspruch des Klägers auf Kaug nicht auf die gesamten vom Kläger angegebenen Zahlungsrückstände seines Arbeitgebers (in Höhe von ca DM 50.000) an, sondern - lediglich - auf die Rückstände für den Kaug-Zeitraum, also die letzten dem Abweisungsbeschluß vom 21. Oktober 1991 vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses (§ 141b Abs 1 iVm Abs 3 Nr 1 AFG), ggf auch die letzten drei Monate vor Kenntnisnahme dieses Abweisungsbeschlusses (§ 141b Abs 4 AFG). Im Rahmen des Kaug-Rechts kann damit dem Kläger nicht ohne Unterschied zum Vorwurf gemacht werden, er hätte bereits wegen der Höhe der für einen langen Zeitraum aufgelaufenen Rückstände anders reagieren müssen.
Dem Senat stehen jedoch ausreichende tatsächliche Feststellungen zur Verfügung, um selbst entscheiden zu können, daß dem Kläger angesichts der besonderen Verhältnisse des Einzelfalls die Nachfrist nach § 141e Abs 1 Satz 3 AFG nicht zugute kommt. Der Kläger durfte jedenfalls nicht bis zum 28. Februar 1992 (zu diesem Termin s o) abwarten und sich mit lediglich telefonischen Vertröstungen zufrieden geben, ohne die nach § 141e Abs 1 Satz 4 AFG erforderliche Sorgfalt zu verletzen.
Es kann offen bleiben, ob der Kläger nicht schon mit seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (zum 31. Oktober 1991) sein rückständiges Arbeitsentgelt gegenüber der G. GmbH unverzüglich in geeigneter Form und unmißverständlich (ggf unter Fristsetzung), wenn nicht sogar gerichtlich hätte geltend machen müssen. Jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten nach der letzten Abschlagszahlung (also Anfang Februar 1992) war ein entschiedeneres Handeln geboten, als sich mit telefonischen Mahnungen gegenüber der Ehefrau des Geschäftsführers und deren Vertröstungen zufriedenzugeben. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles entsprach ein solches Vorgehen spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr der erforderlichen Sorgfalt iS des § 141e Abs 1 Satz 4 AFG.
Der Kläger hatte - nach seinem eigenen Vortrag - während seines Arbeitsverhältnisses über Jahre hinweg sein Arbeitsentgelt weder pünktlich noch in vollem Umfange, sondern nur in Gestalt unregelmäßiger Abschlagszahlungen erhalten; zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beliefen sich die Rückstände an Arbeitsentgelt einschließlich der hier maßgeblichen Rückstände für den Kaug-Zeitraum auf insgesamt ca DM 50.000. Diese allgemeinen, für ein Arbeitsverhältnis ungewöhnlichen Umstände mußten es dem Kläger unmißverständlich vor Augen führen, daß sein Arbeitgeber entweder durchgehend zahlungsunwillig war oder - was wahrscheinlicher war - sich in erheblichen Zahlungsschwierigkeiten befand. So aber war es in der Tat: Die Feststellungen des LSG mit ihrer Bezugnahme auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergeben, daß der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin bereits im Mai 1991 die eidesstattliche (Offenbarungs-)Versicherung abgegeben und das Amtsgericht am 21. Oktober 1991 die Konkurseröffnung mangels Masse abgelehnt hatte.
Da der Kläger indessen während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses jedenfalls nach Maßgabe seiner eigenen Arbeitsleistungen für den Installationsbetrieb die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes seines Arbeitgebers beobachten konnte, mag es für ihn nachvollziehbare Gründe gegeben haben, sich zur Sicherung seines eigenen Arbeitsplatzes vorläufig mit Abschlagszahlungen auf das fällige Arbeitsentgelt zu begnügen. Beide Gründe, sowohl die eigene Kenntnis von der wirtschaftlichen Betriebsentwicklung als auch der Wunsch, den eigenen Arbeitsplatz zu sichern, entfielen jedoch, als der Kläger das Arbeitsverhältnis kündigte und aus dem Betrieb ausschied. Nunmehr hätte es die erforderliche Sorgfalt geboten, sich energischer als bisher um die Durchsetzung seiner rückständigen Arbeitsentgeltansprüche zu bemühen, selbst wenn diese sich auf den Kaug-Zeitraum beschränkt hätten.
Einerseits sprach gegen ein weiteres Abwarten, daß mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Interesse seines früheren Arbeitgebers, den Kläger durch Fortsetzung der Zahlungen weiterhin an sich zu binden, entfallen war. Dabei kann offenbleiben, ob nicht bereits tarifvertragliche Ausschlußfristen für Lohnrückstände aus dem Kaug-Zeitraum ein gerichtliches Vorgehen zu einem bestimmten Zeitpunkt unabdingbar machten, so daß ein weiteres passives Verhalten schon deshalb der erforderlichen Sorgfalt widersprochen hätte. Andererseits mußte der Kläger damit rechnen, daß sich entweder die Zahlungsunwilligkeit des früheren Arbeitgebers verfestigt hatte oder, was wahrscheinlicher war, dessen Zahlungsschwierigkeiten angesichts einer relativ langen Zeit von drei Monaten ohne weitere Abschlagszahlungen erhöht hatten. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Umstandes, daß nach der vom Kläger dem Sozialgericht eingereichten Aufstellung über die erhaltenen Abschlagszahlungen ab 1989 zwischen zwei Zahlungen nie ein längerer Abstand als ca 2 $ Monate gelegen hatte.
Nachvollziehbare Gründe für ein weiteres Abwarten sind weder vom LSG festgestellt noch mit der Revision vorgetragen worden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543222 |
RegNr, 22520 (BSG-Intern) |
AuB 1997, 57-59 (Gründe) |
DOK 1997, 692 (red. Leitsatz) |
EWiR 1996, 961 (red. Leitsatz) |
KTS 1996, 596-599 (red. Leitsatz und Gründe) |
Quelle 1996, Nr 11, 42 (Kurzwiedergabe) |
USK, 9622 (Gründe) |
WzS 1997, 281 (Kurzwiedergabe) |
ZIP 1996, 1623 |
ZIP 1996, 1623-1625 (red. Leitsatz und Gründe) |
DBlR 4309, AFG/§ 141e (Gründe) |
NZA-RR 1997, 270-272 (red. Leitsatz 1 und Gründe) |