Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte Beweiswürdigung. Mangelnde Sachaufklärung
Orientierungssatz
1. Eine Überschreitung des Rechts der freien Beweiswürdigung liegt dann vor, wenn das Gericht ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen durch die Sachverständigen hinweggeht und seine eigene Auffassung an deren Stelle setzt (vgl BSG 1955-08-25 4 RJ 120/54 = SozR Nr 2 zu § 128 SGG).
2. Das Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht, wenn es weitere Ermittlungen unterläßt, obgleich es sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, weil der aufgeklärte Sachverhalt nach seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt zur Entscheidung noch nicht ausreichte (vgl BSG 1956-06-07 1 RA 135/55 = SozR Nr 7 zu § 103 SGG).
Normenkette
SGG § 162 Abs. 1 Nr. 2, § 128 Abs. 1, § 103
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 18.05.1960) |
SG Darmstadt (Entscheidung vom 22.05.1958) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt vom 18. Mai 1960 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Das Versorgungsamt (VersorgA) D... hat auf einen im September 1952 gestellten Antrag Bewegungseinschränkungen sowie Form- und Strukturveränderungen an den Zehen beider Füße beim Kläger als vorhandene Folgen von Schädigungen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ohne Gewährung einer Versorgungsrente anerkannt. Der Kläger begehrt die zusätzliche Anerkennung eines im Jahre 1958 operierten Herzklappenfehlers zumindest im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung und die Gewährung einer Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. Er führt diese Gesundheitsstörung auf fieberhafte Erkrankungen während des Rußlandfeldzuges und während eines Lazarettaufenthalts in den Jahren 1941/1942 zurück. Dr. V... führte in einem dem VersorgA erstatteten Gutachten aus, eine Entstehung des Herzklappenfehlers durch den vom Kläger geleisteten Wehrdienst sei unwahrscheinlich, weil der Kläger, wie sich aus einem Bericht des Internisten Dr. S... an den behandelnden Arzt des Klägers ergebe, bereits als Kind im Anschluß an eine Angina und einen akuten Gelenkrheumatismus unter Herzbeschwerden gelitten habe; der Herzklappenfehler sei aber wahrscheinlich durch die Strapazen des Wehrdienstes richtunggebend verschlimmert worden. In einem versorgungsärztlichen Gutachten verneinte Dr. D... die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem geleisteten Wehrdienst und dem Herzklappenfehler. Ihm lag ein Schreiben des Internisten Dr. D... an den behandelnden Arzt des Klägers vor, wonach der Kläger von einem in der Kindheit festgestellten Herzfehler berichtet hatte. Das VersorgA lehnte daraufhin mit Bescheid vom 26. Oktober 1955 die Anerkennung des Herzklappenfehlers ab, weil der bereits in der Jugend entstandene Herzklappenfehler nicht durch den Wehrdienst, sondern erst in der Nachkriegszeit nachweislich verschlimmert worden sei.
Der gegen diesen Bescheid gerichtete Widerspruch, mit dem der Kläger besonders darauf hinwies, daß er mit einem Herzfehler im Jahre 1939 nicht zur Waffen-SS eingezogen worden wäre sowie Ausbildung und Dienst in den Einheiten der Waffen-SS nicht hätte durchstehen können, wurde durch Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1956 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage hat der Kläger dem Sozialgericht (SG) Erklärungen des A... M..., des H... M... und des W... W... - ehemaligen Angehörigen der Genesungskompanie seiner Einheit - vorgelegt, in denen, teilweise unter Bezugnahme auf eine Einsicht in die Krankenakten (M...), ausgeführt wird, der Kläger sei während der Zugehörigkeit zu der Genesungskompanie in den Jahren 1942 bis 1944 wegen eines schweren Herzfehlers, den er sich durch eine Erkrankung im Fronteinsatz zugezogen habe, nach ärztlichen Zeugnissen nur garnisonverwendungsfähig gewesen. Das SG hat zur Aufklärung der Zusammenhangsfrage ein ärztliches Gutachten von dem Internisten Dr. med. habil. D... nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. B..., Oberarzt der Medizinischen Universitäts-Poliklinik in H..., beigezogen. Dr. D... hat eine richtunggebende Verschlimmerung des Herzklappenfehlers durch die Strapazen des Wehrdienstes angenommen, während Prof. Dr. B... die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem geleisteten Wehrdienst und dem bestehenden Herzklappenfehler verneint hat. Das SG hat im Urteil vom 22. Mai 1958 die einmalige Verschlimmerung des Herzklappenfehlers als Schädigungsfolge festgestellt und den Beklagten verurteilt, dem Kläger vom 1. September 1952 an für die festgestellten Schädigungsfolgen eine Versorgungsrente nach einer MdE um 30 v.H. zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 18. Mai 1960 auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; die Anschlußberufung des Klägers hat es als unbegründet zurückgewiesen.
Das LSG ist der Auffassung, es sei weder bewiesen, daß den Kläger ein kriegsbedingtes schädigendes Ereignis betroffen habe, das geeignet gewesen sein könnte, den Herzklappenfehler hervorzurufen oder zu verschlimmern, noch sei dargetan, daß das Leiden durch den Wehrdienst verschlimmert worden sei. Zur Erbringung dieser Beweise seien auch die vom Kläger als Zeugen benannten ehemaligen Angehörigen der Genesungskompanie nicht in der Lage; auch die vom Kläger angeregten weiteren Beweiserhebungen, eine Vernehmung seiner Angehörigen und die Beiziehung eines Gutachtens von den Ärzten, die seinen Herzklappenfehler operiert hätten, seien hierzu nicht geeignet. Da demnach die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht bewiesen und nicht beweisbar seien, habe der Beklagte mit Recht die Anerkennung des Herzklappenfehlers und die Gewährung einer Rente versagt.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen dieses am 25. Mai 1960 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juni 1960 beim Bundessozialgericht (BSG) Revision eingelegt und gleichzeitig einen Revisionsantrag gestellt. Der Kläger beantragt dem Sinne nach,
das Urteil des Hessischen LSG vom 18. Mai 1960 aufzuheben, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Darmstadt vom 22. Mai 1958 zurückzuweisen und auf die Anschlußberufung dieses Urteil dahin abzuändern, daß der Beklagte verurteilt wird, zusätzlich zumindest eine richtunggebende Verschlimmerung eines Herzklappenfehlers anzuerkennen und ihm eine Versorgungsrente nach einer MdE um 50 v.H. zu bewilligen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Mit der am 11. Juli 1960 beim BSG eingegangenen Revisionsbegründung rügt der Kläger wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG und eine dadurch bedingte Verletzung des Gesetzes bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Der Kläger meint, das LSG habe einerseits die bereits vorliegenden Beweise fehlerhaft gewürdigt und andererseits Unterstellungen über das Ergebnis der nicht erhobenen Beweise vorgenommen. Auf Grund dieser fehlerhaften Beweiswürdigung sei das LSG der ihm obliegenden Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts nicht nachgekommen. Insbesondere sei das LSG fälschlich davon ausgegangen, daß kriegseigentümliche Anstrengungen nicht geeignet seien, einen - nach Auffassung des LSG bestehenden - Herzfehler zu verschlimmern. Ein derartiger Erfahrungssatz bestehe nicht. Fehlerhaft sei u.a. auch die Auffassung des LSG, daß die von den ehemaligen Angehörigen der Genesungskompanie M..., M... und W... abgegebenen Erklärungen wertlos seien. Diese seien auch als Laien in der Lage, sich darüber zu äußern, daß der Kläger während seiner Zugehörigkeit zur Genesungskompanie unter starken Herzbeschwerden gelitten habe, zumal A... M... Einsicht in dessen Personalakten und die darin enthaltenen ärztlichen Gutachten genommen habe. Insoweit habe sich das LSG gedrängt fühlen müssen, durch Anhörung der benannten Zeugen zu klären, ob sie tatsächlich nichts über die Krankheit des Klägers hätten aussagen können. Auch sei das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B... nicht geeignet gewesen, als Grundlage der Entscheidung zu dienen, weil es von falschen Voraussetzungen ausgehe.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weder wesentliche Verfahrensmängel noch eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs für gegeben.
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Da das LSG die Revision nicht zugelassen hat, ist sie im vorliegenden Fall nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG; BSG 1, 150) oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des BVG das Gesetz verletzt ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG).
Der Kläger bringt im wesentlichen vor, das LSG habe bei seinen der Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen die Grundsätze der Beweiswürdigung verletzt. Nach § 128 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; in seinem Urteil hat es die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein Mangel des Verfahrens liegt nur dann vor, wenn das Gericht die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung überschritten hat. Eine solche Überschreitung des Rechts der freien Beweiswürdigung liegt, wie das BSG bereits entschieden hat (BSG in SozR § 128 Bl. Da 1 Nr. 2), dann vor, wenn das Gericht ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen durch die Sachverständigen hinweggeht und seine eigene Auffassung an deren Stelle setzt. Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Falle die vorstehend dargelegten Grundsätze der Beweiswürdigung nicht hinreichend beachtet.
Der Angriff des Klägers richtet sich zunächst gegen die vom LSG getroffene Feststellung, es sei ein kriegsbedingtes schädigendes Ereignis nicht bewiesen, das den nach Überzeugung des LSG bereits früher entstandenen Herzklappenfehler verschlimmert haben könnte. Mit Recht greift der Kläger insoweit die dieser Überzeugungsbildung zugrunde liegende Feststellung an, ein schädigendes Ereignis könne "aber im übrigen nicht allgemein in den Strapazen des Krieges oder der Gefangenschaft erblickt werden". Dieser vom Kläger angegriffene Satz steht in einer Beweiswürdigung, die das LSG zu der Frage angestellt hat, ob ein schädigendes Ereignis nachweisbar sei, das den Kläger betroffen habe. Als schädigende Ereignisse hatte das LSG eine Erkrankung an wolhynischem Fieber und die Strapazen des Fronteinsatzes in Betracht gezogen. Die Ausführung, ein schädigendes Ereignis könne nicht allgemein in den Strapazen des Krieges oder der Gefangenschaft erblickt werden, ist mithin keine Auslegung des in § 1 Abs. 1 BVG enthaltenen Rechtsbegriffs der "Schädigung", sondern eine tatsächliche Feststellung. Diese Feststellung war nach Auffassung des LSG erheblich für die Entscheidung. Sie stellt also nicht nur eine Nebenbemerkung (obiter dictum) dar, sondern begründet die Entscheidung. Das geht daraus hervor, daß das LSG sich veranlaßt gesehen hat, seine Ansicht, der Nachweis eines schädigenden Ereignisses sei deshalb nicht erbracht, weil in einer Mitteilung der Deutschen Dienststelle in B... nichts von einer Herzerkrankung des Klägers oder von einer Behandlung von Herzbeschwerden berichtet worden sei, mit weiteren Gründen zu stützen. Das LSG hat erst aus der Summe der Begründungen die Überzeugung hergeleitet, der Nachweis dieses schädigenden Ereignisses sei im vorliegenden Falle nicht erbracht.
Das LSG hat geglaubt, die medizinische Frage, ob Strapazen des Krieges oder der Gefangenschaft allgemein geeignet sind, einen nach seiner Überzeugung bereits früher entstandenen Herzklappenfehler zu verschlimmern, ohne weitere Beweiserhebung und ohne jegliche Begründung verneinen zu können. Die Sachverständigen Dr. V... und Dr. med. habil. D... haben es, wie aus ihren Gutachten hervorgeht, für wahrscheinlich gehalten, daß die allgemeinen Strapazen des Kriegsdienstes als schädigendes Ereignis eine richtunggebende Verschlimmerung des Herzleidens herbeigeführt haben; sie haben damit die Frage, ob die Strapazen des Kriegsdienstes allgemein ein schädigendes Ereignis darstellen können, das geeignet ist, einen bestehenden Herzklappenfehler zu verschlimmern, entgegen der Begründung des LSG ausdrücklich bejaht. Aber auch die Sachverständigen Dr. D... und Prof. Dr. B... haben nicht verneint, daß die allgemeinen Strapazen des Kriegsdienstes geeignet sind, einen bestehenden Herzklappenfehler zu verschlimmern; sie haben lediglich für den vorliegenden Fall die Wahrscheinlichkeit einer Verschlimmerung des Herzklappenfehlers durch den geleisteten Wehrdienst verneint. Das LSG hat sich mithin ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung einer medizinischen Frage durch sämtliche in dieser Sache gehörten Sachverständigen hinweggesetzt und damit die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten. Dieser von der Revision gerügte Verfahrensverstoß macht die Revision statthaft und damit zulässig.
Die Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf dem genannten Verfahrensmangel. Es besteht die Möglichkeit, daß das LSG über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch anders entschieden hätte, wenn es nicht auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung davon ausgegangen wäre, es sei der Nachweis nicht geführt, daß den Kläger ein schädigendes Ereignis betroffen hat, das seinen Herzklappenfehler verschlimmern konnte. Zwar hat das LSG seine Entscheidung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung des Herzklappenfehlers als Schädigungsfolge und auf Gewährung von Versorgungsrente, hilfsweise noch damit begründet, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer als nachgewiesen angenommenen Schädigung und dem Herzklappenfehler nicht wahrscheinlich sei. Jedoch ist auch diese Hilfsbegründung nicht geeignet, die Entscheidung zu tragen, weil auch gegen die ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
Die Hilfsbegründung, das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Wehrdienst und vorhandener Gesundheitsstörung sei unwahrscheinlich, beruht auf der mit der Revision angegriffenen tatsächlichen Feststellung, es sei nicht bewiesen, daß der Kläger wegen Herzbeschwerden für lange Zeit zur Genesungskompanie versetzt worden sei, zumal nichts von wesentlichen Herzbeschwerden des Klägers in der Zeit seiner Zugehörigkeit zum Ersatztruppenteil (1942 bis 1944) bekannt sei. Daß die Hilfsbegründung auf dieser Feststellung beruht, geht daraus hervor, daß sie den Ausgangspunkt der weiteren Begründung bildet. Zu seinen tatsächlichen Feststellungen hat das LSG ausgeführt, der entgegenstehenden Erklärung des A... M... komme schon deshalb keine Bedeutung zu, weil er als Laie nicht in der Lage sei, sich darüber zu äußern, daß der Kläger sich infolge einer schweren Krankheit im Fronteinsatz einen schweren Herzfehler zugezogen habe. Auch die anderen vom Kläger benannten ehemaligen Angehörigen der Genesungskompanie könnten nur die Angaben wiederholen, die der Kläger ihnen gegenüber gemacht habe, und nur bestätigen, daß dieser, was ohnehin unbestritten sei, während des Krieges unter Herzbeschwerden gelitten habe.
Der Kläger bringt hierzu im wesentlichen vor, daß das Berufungsgericht insoweit den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt habe. Nach § 103 SGG hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Hierbei muß es das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zwar berücksichtigen; es ist jedoch an das Vorbringen und die Beweisanträge nicht gebunden (§ 103 Satz 2 SGG). Zur Feststellung, ob die für das Bestehen oder Nichtbestehen des geltend gemachten Anspruchs erheblichen Tatsachen vorliegen, hat das Gericht alle geeigneten und notwendigen Ermittlungen anzustellen. Über den Umfang der zur Erforschung der Wahrheit erforderlichen Ermittlungen entscheidet der Tatrichter im Rahmen der ihm obliegenden Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts. Er verletzt seine Aufklärungspflicht, wenn er weitere Ermittlungen unterläßt, obgleich er sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, weil der aufgeklärte Sachverhalt nach seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt zur Entscheidung noch nicht ausreichte (BSG in SozR SGG § 103 Bl. Da 2 Nr. 7).
Der Kläger hatte zum Beweis seiner Behauptungen, die Ärzte hätten im Jahre 1942 sein Herzleiden auf eine Erkrankung im Fronteinsatz zurückgeführt, und er sei nur oder zumindest in der Hauptsache wegen seiner Herzbeschwerden so lange Zeit beim Ersatztruppenteil geblieben, Erklärungen anderer ehemaliger Angehöriger der Genesungskompanie vorgelegt. Da diese vom Kläger benannten Zeugen möglicherweise die Fragen beantworten konnten, auf deren Beantwortung es dem LSG nach dem klaren Inhalt des Urteils ankam, hätte das LSG versuchen müssen, diese Fragen durch eine Vernehmung der vom Kläger benannten ehemaligen Angehörigen der Genesungskompanie zu klären, bevor es die Klage wegen Nichterweislichkeit der aufklärungsbedürftigen Tatsachen abweisen durfte. Die Begründung, die das LSG dafür gegeben hat, daß es diesen Versuch unterlassen hat, A... M... könne als Laie keine Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs abgeben und Hans Mühlhäuser und Wilhelm Wagener könnten nur die Darstellung wiederholen, die ihnen der Kläger gegeben habe, geht fehl. Beweisthema war in diesem Zusammenhang nicht, wie es das LSG darstellt, die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs, sondern die Frage, ob der Kläger wegen Herzbeschwerden beim Ersatztruppenteil verblieben ist und ob er in dieser Zeit unter wesentlichen Herzbeschwerden gelitten hat. Zu diesen Fragen konnten sich aber auch Laien äußern. Wie eine genaue Durchsicht der von A... M... abgegebenen Erklärung ergibt, wollte dieser auch nicht, wie es das LSG offenbar annimmt, selbst eine Beurteilung der Zusammenhangsfrage abgeben, sondern lediglich auf Grund seiner Einsicht in die Personalakten des Klägers berichten, daß der Kläger unter erheblichen Herzbeschwerden gelitten hat und wie die Zusammenhangsfrage seinerzeit von Ärzten beurteilt worden ist. Unter den gegebenen Umständen hätte mithin das LSG, wie der Kläger mit Recht geltend macht, nicht in der Sache entscheiden dürfen, bevor es eine weitere Sachaufklärung durch Vernehmung des vom Kläger benannten ehemaligen Angehörigen des Ersatztruppenteils versucht hatte. Im Unterlassen dieses Versuchs liegt der wesentliche Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung und gleichzeitig ein zulässiger und begründeter Revisionsgrund, der nach § 163 SGG die Bindung des erkennenden Senats an die vom LSG getroffenen Feststellung, das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Wehrdienst und Herzklappenfehler sei unwahrscheinlich, beseitigt.
Da durch die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen die das Urteil des LSG tragenden Feststellungen weggefallen sind und der Senat wegen des Fehlens hinreichender Feststellungen nicht in der Sache entscheiden kann, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Einer Prüfung, ob auch die weiteren vom Kläger erhobenen Rügen durchgreifen, bedarf es daher nicht mehr. Das Berufungsgericht wird nunmehr den Sachverhalt entsprechend den vorstehenden Ausführungen aufzuklären und möglicherweise zu prüfen haben, ob in Anbetracht der Besonderheiten des vorliegenden Falles auf die vom Kläger angeregte weitere Beweiserhebung, insbesondere eine erneute Begutachtung durch die Ärzte, die seinen Herzklappenfehler operiert haben, verzichtet werden kann.
Fundstellen