Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesonderte Prüfung der Statthaftigkeit der Berufung bei mehreren prozessualen Ansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

Schließt § 149 SGG bei einer Rückforderung die Berufung nicht aus, so führt das nicht dazu, daß die Berufung hinsichtlich der die Rückforderung auslösenden Aufhebung des Leistungsbescheides für die Vergangenheit entgegen § 146 SGG ebenfalls statthaft wäre.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Aufhebung von Verwaltungsakten über Sozialleistungen und deren Rückforderung ist mit dem SGB 10 in der Prüfung des Vertrauensschutzes ein Wandel gegenüber dem früheren Rechtszustand eingetreten. Während früher der Vertrauensschutz weitgehend erst bei der Rückforderung zu prüfen war (für die Angestelltenversicherung vgl § 80 S 2 AVG aF), hat die Prüfung des Vertrauensschutzes nunmehr ausschließlich schon bei der Aufhebung des Leistungsbescheides zu erfolgen (für die Rücknahme vgl § 45 SGB 10). Die Rechtsänderung hat damit die Stellung des Leistungsempfängers bei der Aufhebung gestärkt, andererseits aber gleichzeitig bei der Rückforderung geschwächt; wenn nämlich ein Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) nach dem SGB 10 aufgehoben worden ist, ist jetzt die Rückforderung der Leistungen ohne weiteres geboten (§ 50 Abs 1 SGB 10). Diese Rechtsänderung hat eine Gewichtsverlagerung bei der Statthaftigkeit der Berufung bewirkt.

2. § 146 SGG kann weder entgegen dem eindeutigen Wortlaut ausgelegt werden, noch kann der in ständiger Rechtsprechung vertretene Grundsatz, daß die Statthaftigkeit der Berufung für jeden prozessualen Anspruch gesondert zu prüfen ist, aufgegeben werden (entgegen LSG Stuttgart vom 13.12.1982 L 9 Kg 1180/82 und LSG München vom 11.11.1983 L 4/Kg 31/82 = Breithaupt 1984, 1017).

3. Es kann nicht aus § 149 SGG hergeleitet werden, wenn diese Vorschrift bei der Rückforderung die Berufung nicht ausschließe, müsse die Berufung hinsichtlich der die Rückforderung auslösenden Aufhebung (hier speziell: Rücknahme) von Leistungsbescheiden ebenfalls statthaft sein.

 

Normenkette

SGG § 146 Fassung: 1958-06-25, § 149 Fassung: 1974-07-30; SGB 10 § 45 Fassung: 1980-08-18, § 50 Fassung: 1980-08-18

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 25.09.1984; Aktenzeichen L 2 An 35/83)

SG Berlin (Entscheidung vom 10.08.1983; Aktenzeichen S 6 An 1683/82)

 

Tatbestand

Unter den Beteiligten ist streitig, ob bei der Anfechtung eines nach § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) ergangenen, mit einer Rückforderung verbundenen Rücknahmebescheides die Berufung nach § 146 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unstatthaft ist, soweit sie die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (nur) für die Vergangenheit betrifft.

Der im Jahr 1906 geborene Kläger, Verfolgter, als Vertriebener anerkannt, Staatsangehöriger von Großbritannien, beantragte im Jahr 1972 bei der Beklagten Altersruhegeld, und zwar aus Beiträgen, die er bis 1939 in der Slowakei entrichtet hatte. Die Beklagte erkannte im Juli 1973 den Anspruch an, ließ die Rente jedoch nach § 94 Abs 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) aF ruhen. Im März 1981 beantragte der Kläger, ihm das Altersruhegeld nach Großbritannien auszuzahlen. Die Beklagte entsprach mit Bescheid vom 6. Oktober 1981 und Ergänzungsbescheid vom 22. Oktober 1981 dem Antrag in der Form, daß das Altersruhegeld nach § 19 Abs 1 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) für die Zeit vom 1. Januar 1976 mit Zinsen an den Kläger auszuzahlen sei. Die fälligen Teilbeträge wurden an den Kläger überwiesen.

Bald danach wies die Beklagte mit Telegrammen vom 25. November 1981 den Kläger und dessen früheren Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. P darauf hin, daß die Beträge zu Unrecht angewiesen worden seien.

Mit Bescheid vom 26. November 1981 nahm sie den Bescheid vom 6. Oktober 1981 nach § 45 SGB X zurück, weil der Berechnung des Altersruhegeldes (nur) Zeiten zugrunde lägen, die außerhalb des Geltungsbereichs des AVG zurückgelegt worden seien und für die keine Deckungsmittel der früheren Reichsversicherung zu übertragen gewesen seien; gleichzeitig forderte sie - die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 30.November 1981 in Höhe von 46.967,10 DM - den einmaligen Zinsbetrag von 151,63 DM - und die laufende Zahlung für Dezember 1981738,80DM von dem Kläger zurück. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 10. August 1983 "den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 1981, 26. November 1981" aufgehoben, soweit dieser die Rückforderung enthält, die Klage gegen die Rücknahme für die Zukunft aber abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, die Rücknahme habe nur für die Zukunft erfolgen dürfen, dagegen nicht für die Vergangenheit, da das Vertrauen des Klägers auf den Bestand des Bescheides schutzwürdig sei. Das Urteil enthält nichts darüber, ob die Berufung zugelassen werde, aber eine "Rechtsmittelbelehrung bei zulässiger oder zugelassener Berufung".

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten "als unzulässig verworfen, soweit streitig ist, ob die Beklagte den Bescheid vom 6. Oktober 1981 für die Vergangenheit zurücknehmen durfte", im übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Die Urteilsformel des SG sei dahin klarzustellen, daß der Bescheid vom 6. Oktober 1981 nicht aufgehoben werde. Die Berufung betreffe nur das Altersruhegeld für bereits abgelaufene Zeiträume. Sie sei deshalb hinsichtlich der Rücknahme (§ 45 SGB X) nach § 146 SGG unzulässig, hinsichtlich der Rückforderung (§ 50 Abs 1 SGB X) dagegen nach § 149 SGG zulässig. Der zulässige Teil der Berufung sei nicht begründet, weil der Kläger das Altersruhegeld für die Vergangenheit "als auf einer Rechtsgrundlage - nämlich dem Bescheid vom 6. Oktober 1981 - basierend" erhalten habe.

Mit der Revision trägt die Beklagte vor: Die zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung (BSG SozR 1500 § 146 Nr 9), nach der bei einer Rückforderung die Berufung hinsichtlich der Frage der Rechtswidrigkeit des zugrunde liegenden Bescheides nach § 146 SGG nicht zulässig sei, könne auf das nunmehr geltende Recht (SGB X) nicht mehr angewendet werden. Anderenfalls wäre die für Rückforderungsansprüche geschaffene Vorschrift des § 149 SGG praktisch funktionslos. § 146 SGG gelte nur dann, wenn der Rentenanspruch vom SG nach den Anspruchsvoraussetzungen des AVG bejaht worden sei; sei dagegen nur die Bescheidaufhebung und Rückforderung nach den §§ 44 ff SGB X als unzulässig angesehen worden, gelte § 149 SGG. Schließlich habe sie, die Beklagte, im Berufungsverfahren gerügt, daß das SG weder eine etwaige Vermögensdisposition des Klägers noch den Zeitpunkt der Einlösung des Schecks für Dezember 1981 vor Empfang des Telegramms vom 25. November 1981 ermittelt habe. Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 1983 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung der Beklagten teils als unzulässig verworfen, teils als unbegründet zurückgewiesen.

Die Berufung gegen Urteile der SGe ist nach den §§ 144 bis 149 SGG beschränkt. Werden mehrere prozessuale Ansprüche erhoben, so ist die Statthaftigkeit der Berufung für jeden Anspruch gesondert zu prüfen, auch wenn diese Ansprüche in einem Zusammenhang stehen, ihnen etwa der Grund oder das Versicherungsverhältnis, aus dem sie stammen, gemeinsam ist (BSG, zuletzt SozR 1500 § 144 Nr 4 und § 146 Nr 2 mwN). Das gilt auch für das Begehren auf Aufhebung e i n e s Bescheides, der sowohl die Entziehung als auch die Rückforderung einer Leistung betrifft (BSGE 6, 11, 15; SozR 1500 § 146 Nr 9; vgl auch § 50 Abs 3 Satz 2 SGB X). Ein dem vergleichbarer Fall liegt hier vor.

Mit der Klage betreibt der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 26. November 1981. Dieser enthält zwei Verfügungssätze, nämlich die Rücknahme des Bescheides vom 6. Oktober 1981 über die Auszahlung des dem Grunde nach geschuldeten Altersruhegeldes einerseits und die Rückforderung der bereits ausgezahlten Beträge andererseits. Dementsprechend verfolgt der Kläger zwei verschiedene prozessuale Ansprüche und betrifft die Berufung ebenso diese verschiedenen Ansprüche, wenn auch hinsichtlich der Rücknahme mit der Beschränkung auf die Vergangenheit.

Von dem Grundsatz, daß die Statthaftigkeit der Berufung für jeden Anspruch gesondert zu prüfen ist, hat die Rechtsprechung eine Ausnahme nur zugelassen für den Fall, daß von zwei in einer Klage zusammengefaßten Ansprüchen der eine - für den die Berufung statthaft ist - für den anderen - hinsichtlich dessen ein Berufungsausschließungsgrund besteht - präjudiziell ist; wolle man in einem solchen Fall die Statthaftigkeit der Berufung für beide Ansprüche getrennt beurteilen, so könne das zu dem merkwürdigen Ergebnis führen, daß mangels Statthaftigkeit des Rechtsmittels das Urteil der Vorinstanz über den abhängigen Anspruch rechtskräftig werde, obwohl ihm durch die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über den präjudiziellen Anspruch die Grundlage entzogen werde (BSG SozR Nr 14 zu § 149 SGG; SozR 1500 § 146 Nr 4). Das gilt jedoch nicht für den umgekehrten Fall (BSGE 11, 167, 169; SozR 1500 § 146 Nr 9; BSGE 47, 241, 243 = SozR 4100 § 134 Nr 11).

Während die Berufung mit Bezug auf die Rückforderung nach § 149 SGG statthaft ist, ist sie hinsichtlich des Anspruches auf Aufhebung des Teiles des Bescheides vom 26. November 1981, der den früheren Bescheid zurückgenommen hat, nach § 146 SGG nicht statthaft. Die Vorschrift sieht vor, daß in Angelegenheiten der Rentenversicherung die Berufung nicht zulässig ist, soweit sie nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft. Dieser Tatbestand liegt hier vor; soweit die Berufung der Beklagten sich gegen die Aufhebung des Rücknahmebescheides durch das SG für die Vergangenheit richtet, betrifft sie iS des § 146 SGG nur Rente für einen abgelaufenen Zeitraum. Denn der aufgrund der Berufung noch streitige Rentenauszahlungsanspruch des Klägers kann nur für eine Zeit, die zur Zeit der Berufung schon in der Vergangenheit lag, bestanden - oder nicht bestanden - haben. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß hier die Berufung den Anspruch auf Auszahlung des Altersruhegeldes nicht unmittelbar, sondern auf dem Umweg über die Verteidigung gegen die Rücknahme des Rentenauszahlungsbescheides betrifft. Für die Anwendung des § 146 SGG kommt es lediglich darauf an, ob es bei der Berufung um eine Rente für die Vergangenheit geht; die Klageart, die Beteiligtenstellung und die einzelnen Streitpunkte sind dabei unerheblich (SozR Nrn 4, 5 und 17 zu § 146 SGG). § 146 SGG ist deshalb auch bei Klagen gegen Aufhebungsbescheide anzuwenden, selbst wenn die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides nicht streitig ist.

Daran ändert sich nichts dadurch, daß hier die Rücknahme nach dem SGB X ausgesprochen worden ist. Zwar ist gerade bei der Aufhebung von Verwaltungsakten über Sozialleistungen und deren Rückforderung mit dem SGG in der Prüfung des Vertrauensschutzes ein Wandel gegenüber dem früheren Rechtszustand eingetreten. Während früher der Vertrauensschutz weitgehend erst bei der Rückforderung zu prüfen war (für die Angestelltenversicherung vgl § 80 Satz 2 AVG aF), hat die Prüfung des Vertrauensschutzes nunmehr ausschließlich schon bei der Aufhebung des Leistungsbescheides zu erfolgen (für die Rücknahme vgl § 45 SGB X). Die Rechtsänderung hat damit die Stellung des Leistungsempfängers bei der Aufhebung gestärkt, andererseits aber gleichzeitig bei der Rückforderung geschwächt; wenn nämlich ein Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) nach dem SGB X aufgehoben worden ist, ist jetzt die Rückforderung der Leistungen ohne weiteres geboten (§ 50 Abs 1 SGB X). Diese Rechtsänderung hat eine Gewichtsverlagerung bei der Statthaftigkeit der Berufung bewirkt. Die Beschränkung auf eine einzige Gerichtsinstanz war früher für den Leistungsempfänger und den Leistungsträger leichter zu ertragen, weil dem - nicht berufungsfähigen - Aufhebungs- (Rücknahme-)Verfahren das besondere - bei größeren Beträgen berufungsfähige - Rückforderungsverfahren folgte und die Einhaltung der besonderen Schutzvorschriften in der Regel in zwei Instanzen nachgeprüft werden konnte. Deshalb haben ua das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13. Dezember 1982 - L 9 Kg 1180/82 -) und das Bayerische LSG (Breith. 1984, 1017) gemeint, an der bisherigen Spruchpraxis könne nicht mehr festgehalten werden (ähnlich Zeihe, SGG, RdNr 9e zu § 149). Dem kann sich der erkennende Senat nicht anschließen.

Weder kann § 146 SGG entgegen dem eindeutigen Wortlaut ausgelegt noch kann der in ständiger Rechtsprechung vertretene Grundsatz, daß die Statthaftigkeit der Berufung für jeden prozessualen Anspruch gesondert zu prüfen ist, aufgegeben werden. Jedenfalls reicht die erwähnte Gewichtsverlagerung dazu nicht aus. Der Rechtsweg der Beteiligten wird nicht in unzumutbarer Weise verkürzt, wenn diesen bei Streitigkeiten um eine Rente für bereits abgelaufene Zeiträume nur eine Gerichtsinstanz bereitgestellt wird (vgl dazu auch BSGE 18, 266, 269 = SozR Nr 22 zu § 144 SGG, GS). Diese Erwägungen gelten auch für die von der Beklagten erstrebte Ausweitung des § 149 SGG auf die der Rückerstattung zugrunde liegende Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Beklagte nimmt zu Unrecht ein "Spannungsverhältnis" zwischen § 149 SGG und § 146 SGG an. Die Vorschriften in den §§ 144 bis 149 SGG über den Ausschluß der Berufung sind nicht so gestaltet, daß bei der Nichtanwendbarkeit einer Ausschlußvorschrift keine andere einen Ausschluß der Berufung bewirken könnte. Deshalb kann nicht aus § 149 SGG hergeleitet werden, wenn diese Vorschrift bei der Rückforderung die Berufung nicht ausschließe, müsse die Berufung hinsichtlich der die Rückforderung auslösenden Aufhebung (hier speziell: Rücknahme) von Leistungsbescheiden ebenfalls statthaft sein. Insoweit hat § 146 SGG nach wie vor seine Bedeutung, wobei es, wie schon hervorgehoben, nicht auf die im einzelnen streitigen Punkte ankommt, so daß es auch unerheblich ist, daß mit dem SGB X hier weitere Streitpunkte möglich geworden sind. Der Gesetzgeber des SGB X hat jedenfalls an keiner Stelle zu erkennen gegeben, daß er mit seinen Neuregelungen zugleich die Berufungsfähigkeit der unter § 146 SGG fallenden prozessualen Ansprüche in den Fällen der Verbindung mit einer nach § 149 SGG berufungsfähigen Rückforderung habe ausweiten wollen.

Schließlich kann nicht etwa deswegen von der bisherigen Rechtsprechung abgewichen werden, weil seit dem Inkrafttreten des SGB X der § 149 SGG - in seinem hier einschlägigen Teil - praktisch leerlaufe oder funktionslos sei. Abgesehen davon, daß die Vorschrift die Funktion hat, Berufungen in Rückerstattungsstreitigkeiten bei einem Beschwerdewert bis 1000,- DM auszuschließen, handelt es sich hier um einen Einwand, den der 11. Senat bei einem ähnlichen Fall schon in BSGE 11, 167, 171f verworfen hat. Die Berufung war dort nach § 148 Nr 3 SGG aF ausgeschlossen, soweit sie eine neue Rentenfeststellung betraf; sie war hinsichtlich der Rückforderung zulässig, insoweit aber wegen der rechtskräftigen Klageabweisung gegen die neue Feststellung ohne weitere Prüfung als unbegründet zurückzuweisen. Der Senat hat dort ausgeführt, daß ein zulässiges Rechtsmittel nicht deshalb "inhaltslos" ist, weil sich seine Zurückweisung als unbegründet aus einer rechtskräftigen anderen Entscheidung zwingend ergibt. Im übrigen trifft die Behauptung, § 149 SGG sei jetzt bedeutungslos, nicht zu. § 149 SGG hat in den Fällen des § 50 Abs 2 SGB X an Bedeutung nicht verloren, vielmehr eher gewonnen; zu denken ist ferner an die Fälle des § 50 Abs 1 SGB X, in denen die Berufung hinsichtlich der Anfechtung des Aufhebungsbescheides (Rücknahmebescheides) nach § 150 Nr 1 oder 2 SGG zulässig ist. Zudem könnte bei Rückforderungen nach § 50 Abs 1 SGB X auch zu prüfen sein, ob der Anspruch zu stunden, niederzuschlagen oder zu erlassen ist (§ 76 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV), worauf hier nicht näher eingegangen werden muß.

Die Rechtsprechung hat überdies in ähnlichen Fällen ebenfalls keine Bedenken gegen die Gewichtsverteilung geäußert, die bei den Berufungsausschließungsvorschriften seit Inkrafttreten des SGB X besteht. Schon früher war zB die Verhängung einer Sperrzeit nicht berufungsfähig (GS aaO), während für die sich daraus ohne weiteres ergebende Rückzahlungspflicht (§ 152 Abs 1 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz aF -AFG-) eine zweite Instanz zur Verfügung stand (vgl auch die ähnlichen Fälle in SozR 1500 § 77 Nr 20 und § 144 Nr 25); dieser Unterschied in der Berufungsfähigkeit wurde nicht beanstandet.

Die von der Beklagten geschilderten Bedenken könnten übrigens nur dann bestehen, wenn Rücknahme und Rückforderung in einem Bescheid geregelt worden sind. Hat dagegen der Versicherungsträger die Rücknahme für die Vergangenheit isoliert ausgesprochen und ist diesem Bescheid - aus welchen Gründen immer - eine Rückforderung überhaupt nicht oder doch wesentlich später - in einem zweiten Bescheid - gefolgt, dann wird noch deutlicher, daß der Streit um die Rücknahme nicht entgegen § 146 SGG wegen eines weiteren Streites um die Rückforderung als berufungsfähig angesehen werden kann (BSGE 11 aa0).

Ist sonach die Berufung in bezug auf die Aufhebung der Auszahlungsanordnung nach § 146 SGG unstatthaft und kann § 149 SGG nicht ausdehnend angewendet werden, so greift auch die Sonderbestimmung des § 150 SGG nicht ein. Dabei kann offenbleiben, ob das SG etwa dadurch gegen die Pflicht zur Erforschung des Sachverhaltes von Amts wegen (§ 103 SGG) verstoßen hat, daß es zu einer etwaigen Vermögensdisposition des Klägers und zu dem Eingang des Telegramms vom 25. November 1981 keine Ermittlungen angestellt hat. Denn die Beklagte hat einen Verfahrensmangel dieser Art nicht bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gerügt, wie das nach § 150 Nr 2 SGG erforderlich gewesen wäre. Nach der Revisionsbegründung soll die Rüge in den Schriftsätzen der Beklagten vom 12. Oktober 1983 und vom 29. November 1983 enthalten sein. In dem ersten der beiden Schriftsätze beschränkt sich die Beklagte, nachdem sie Ausführungen zum materiellen Recht gemacht hat, auf den Vortrag, im übrigen stehe zwar fest, daß der Bevollmächtigte den Nachzahlungsbetrag erhalten habe, nicht jedoch, wann und in welcher Höhe die Weiterleitung an den Kläger erfolgt sei; der Scheck für die Dezemberrente 1981 dürfte erst nach Empfang des Telegramms vom 25. November 1981 eingelöst worden sein. Im zweiten Schriftsatz erklärt sie nur, es falle auf, daß keine detaillierten Angaben zu den aufgeworfenen Fragen gemacht würden. Dieser Vortrag stellt keine Rüge von Verfahrensmängeln dar. Er befaßt sich lediglich mit dem Verhalten des Klägers und seines Bevollmächtigten, nicht jedoch mit der Verfahrensweise des SG. Wenn die Beklagte Fragen an den Kläger zum Sachverhalt stellt, so ergibt sich daraus nicht die Beanstandung, das SG habe diese Fragen verfahrenswidrig nicht gestellt.

Die zulässige Berufung hinsichtlich der Rückforderung ist nicht begründet. Das hat das LSG zutreffend ausgeführt. Gegen diesen Teil der Begründung des angefochtenen Urteils hat die Revision auch keine Einwendungen erhoben.

Die Revision der Beklagten war sonach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656600

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