Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 11.07.1958) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 11. Juli 1958 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die im Jahre 1899 geborene Klägerin war bis zum Jahre 1948 mit dem 1895 geborenen, am 6. Oktober 1955 verstorbenen invalidenpflichtversicherten Schmelzer Otto K. verheiratet, der seinerseits 1948 nach Scheidung (aus seinem Alleinverschulden) erneut heiratete.
Die Klägerin hatte im Anschluß an die Scheidung eine Unterhaltsklage gegen ihren ehemaligen Ehemann geführt, die mit einem gerichtlich abgeschlossenen Vergleich beendet wurde, nach dem jener ihr von seinem monatlichen Verdienst von rd. 230,– DM wöchentlich zunächst 12,50 DM und seit dem 1. Januar 1949 15,– DM zu zahlen hatte. Der Ehemann der Klägerin kam dieser Unterhaltsverpflichtung nur bis zum Oktober 1949 nach; seit dieser Zeit, von der an er bis zu seinem Tode arbeitslos war, hat die Klägerin keine Unterhaltsleistungen mehr erhalten. Auch ein auf Grund des vollstreckbaren Vergleichs am 1. September 1955 herbeigeführter Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wegen der bis zu dieser Zeit aufgelaufenen Unterhaltsrückstände von insgesamt 3.875,– DM führte zu keinem Erfolg, weil die bei der Sparkasse Berlin gepfändeten Konten – K. sollte nach Angabe der Klägerin von seinen Eltern insgesamt rd. 1.650,– DM geerbt haben – bereits vor Eingang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgehoben waren.
K. bezog im Zeitpunkt seines Todes eine Invalidenrente von 129,90 DM; sein nur aus Arbeitslosenfürsorgeunterstützung bestehendes Einkommen in der vor der Bewilligung dieser Invalidenrente liegenden Zeit (vor dem 1.6.1953) lag seit 1949 stets noch niedriger als jene Rente; die zweite Ehefrau K'S. hatte im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes ein eigenes monatliches Einkommen von 150,– bis 180,– DM, während die Klägerin nach der aus gesundheitlichen Gründen notwendigen Aufgabe ihrer eigenen Tätigkeit seit Ende März 1955 (bis zu welcher Zeit sie ein monatliches Nettoeinkommen von rd. 200,– DM erhalten hatte) Arbeitslosenunterstützung von rd. 110,– DM monatlich erhielt.
Die Klägerin beantragte im Oktober 1955 bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente aus der Invalidenrente ihres verstorbenen Ehemannes.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 28. Januar 1956 diesen Antrag ab. Sie sah bereits die Voraussetzungen für die Möglichkeit der Gewährung der begehrten Witwenrente, die im übrigen als Kann-Leistung in das freie Ermessen des Versicherungsträgers gestellt sei, nicht als erfüllt an, da nach dem gegebenen Sachverhalt der verstorbene Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt seines Todes nach den Vorschriften des Ehegesetzes keinen Unterhalt für die Klägerin zu leisten gehabt habe. Die ungünstige wirtschaftliche Lage des Ehemannes der Klägerin und seine Verpflichtungen gegenüber seiner zweiten Ehefrau ließen erkennen, daß er bereits seit Oktober 1949 zur Unterhaltszahlung nicht mehr imstande und daher auch nach den Vorschriften des Ehegesetzes nicht mehr dazu verpflichtet gewesen sei.
Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde durch Bescheid vom 3. Juli 1956 zurückgewiesen; in diesem Bescheid wurde noch betont, daß sich an der Annahme, im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes habe keine gesetzliche Unterhaltspflicht für ihn bestanden, nichts durch die ihm zugefallene kleine Erbschaft ändere, wie dies insbesondere die fruchtlos verlaufene Pfändung ausweise.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin hatte die Klägerin gleichfalls keinen Erfolg; das abweisende Urteil vom 4. März 1957 billigte die von der Beklagten angegebenen Gründe; es führte im einzelnen noch aus, daß zwar eine Unterhaltsverpflichtung K's. gegenüber seiner zweiten Ehefrau im Zeitpunkt seines Todes nicht bestanden habe, da deren Einkommen höher gewesen sei als das ihres Mannes, daß aber auch dann, wenn man allein das Einkommen der Klägerin und das ihres geschiedenen Mannes gegenüberstelle (rd. 110,– zu rd. 130,– DM), letzterem nicht zugemutet werden könnte, von seinem nur unwesentlich höheren Einkommen, das auch ihm nur einen sehr bescheidenen Lebensstandard gesichert habe, der Klägerin noch Unterhaltszahlungen zu leisten, zumal deren Arbeitslosenunterstützung immerhin das Doppelte des damals gültigen Unterstützungssatzes der öffentlichen Fürsorge betragen habe.
Das Sozialgericht weist in seinem Urteil abschließend darauf hin, daß das Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz zur Zeit seiner Entscheidung in Berlin noch nicht in Kraft getreten sei; es betont, daß es der Klägerin anderenfalls vom 1. Januar 1957 an die Witwenrente zugesprochen hätte, da ein vollstreckbarer Schuldtitel als „sonstiger Grund” im Sinne der neuen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzusehen sei.
Auch vor dem Landessozialgericht drang die Klägerin nicht durch. Mit Urteil vom 11. Juli 1958 wies dieses die Berufung im wesentlichen mit folgender Begründung zurück: Für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 habe das Sozialgericht zu Recht das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung nach den Vorschriften des Ehegesetzes im Zeitpunkt des Todes des Versicherten abgelehnt. Dies gelte selbst dann, wenn man den dabei zu betrachtenden Zeitraum sehr weit rückwärts, schon zwei Jahre vor dem Tod des Versicherten, beginnen lasse. Das Einkommen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin habe allenfalls für seinen eigenen angemessenen Unterhalt ausgereicht. Auch die Berücksichtigung der angefallenen Erbschaften könne zu keinem anderen Ergebnis führen, zumal die Erbschaft nach der Mutter (1.000,– DM) zum größten Teil auf deren Beerdigungskosten verwandt worden sei und von der Erbschaft nach dem Vater (638,80 DM) unter Berücksichtigung der Miterben überhaupt nur 200,– DM (erst nach dem Tode K's.) an dessen Witwe ausgezahlt worden seien.
Auch für die Zeit seit dem 1. Januar 1957 komme es trotz der gesetzlichen Änderung – abgesehen von dem Fall der tatsächlichen Unterhaltsleistung im letzten Jahr vor dem Tod, der hier nicht vorliegt – doch ausschlaggebend darauf an, ob im Zeitpunkt des Todes des Versicherten dessen Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen, d. h. ein sachlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch bestanden hätte. Dies sei hier nicht der Fall. Als „sonstiger Grund” sei nicht ein – wenn auch nutzloser – Schuldtitel anzusehen. Gemeint sei vom Gesetzgeber vielmehr allein eine vertraglich festgelegte und verwirklichte Unterhaltsverpflichtung in einem Fall 9 in dem nach dem Ehegesetz kein Unterhaltsanspruch gegeben sei. Der jahrelang nicht mehr bestehende Unterhaltsanspruch sei auch durch den einmaligen Anfall eines kleinen Vermögens nicht wieder aufgelebt; § 8 des Gesetzes über die Arbeitslosenfürsorge vom 12. September 1949 (VOBl. I 1949 S. 485) und die dazu ergangene Erste Durchführungsbestimmung vom 15. Dezember 1949 (VOBl. I 1950 S. 2) zeige deutlich, daß die Verwertung solcher kleinen Vermögen nach Auffassung des Gesetzgebers einem Arbeitslosen nicht zugemutet werden könne. Hinzu komme, daß die Klägerin damals selbst ein etwa dem des Klägers entsprechendes Einkommen gehabt habe.
Das Urteil des Landessozialgerichts ist am 9. August 1958 zugestellt.
Die Beklagte hat am 3. September 1958 die vom Landessozialgericht zugelassene Revision eingelegt und diese am 30. September 1958 begründet.
Mit der Revision macht sie geltend, über § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) könne sich der Unterhaltspflichtige nur für die Zukunft von den Unterhaltsleistungen aus einem Urteil oder einem gerichtlichen Vergleich befreien. Solange ein derartiges Urteil nicht ergangen sei, müsse daher das Fortbestehen der Unterhaltspflicht angenommen werden. Der durch den gerichtlichen Vergleich gesicherte Vollstreckungsanspruch stelle einen „sonstigen Grund” dar. Im übrigen sei der verstorbene Ehemann der Klägerin entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts verpflichtet gewesen, von seiner Rente in Höhe von 129,– DM jedenfalls einen kleinen Teil als Unterhalt an die Klägerin zu zahlen, da ihm dies zumutbar gewesen sei, um so mehr, als die Klägerin nur Arbeitslosenhilfe bezogen habe, die wegen der Möglichkeit einer Zurückforderung den Charakter eines Darlehens habe. Hilfsweise sei auch noch darauf hinzuweisen, daß ein Unterhaltsanspruch trotz Unvermögens des Verpflichteten bestehen bleibt, wenn dieser sich bewußt seiner Verpflichtung durch Arbeitsaufgabe usw. entziehe.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den bisherigen Anträgen zu erkennen, d. h. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids und des sozialgerichtlichen Urteils zur Gewährung der Witwenrente zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt demgegenüber Zurückweisung der Revision, wobei sie sich auf die angefochtene Entscheidung und das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG. Bd. 5 S. 276) beruft.
Entgegen der Auffassung des 1. Senats des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 29. Juli 1958 (BSG. Bd. 8 S. 29) seien mit „sonstigen Gründen” nicht vollstreckbare Unterhaltstitel, deren Existenz immer von Zufälligkeiten abhänge, sondern vertragliche Unterhaltsverpflichtungen gemeint.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet; sie ist vom Landessozialgericht zugelassen und daher statthaft.
Die Revision ist nicht begründet.
Da der versicherte frühere Ehemann der Klägerin in der Zeit zwischen dem 1. Mai 1942 und dem 31. Dezember 1956 gestorben ist, war (vgl. BSG. Bd. 5 S. 276) zunächst zu prüfen, ob der Klägerin bereits für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 eine Witwenrente nach altem Recht (§ 1256 Abs. 4 RVO a.F.) zusteht; wird diese Frage verneint, so ist in dem vorliegenden „schwebenden Verfahren” weiter zu prüfen, ob der Rentenanspruch nach neuem Recht (§ 1265 RVO n.F.) begründet ist.
Voraussetzung dafür, daß der Versicherungsträger von seinem Ermessen nach § 1256 Abs. 4 RVO a.F. Gebrauch machen und eine Witwenrente gewähren konnte, war das Bestehen der Unterhaltspflicht des Verstorbenen nach dem Ehegesetz im Zeitpunkt seines Todes.
I. Da der Versicherte erst 1955 verstorben ist, ist die Frage, ob er der Klägerin im Zeitpunkt seines Todes Unterhalt zu leisten hatte, nach dem Ehegesetz vom 20. Februar 1946 zu beurteilen (vgl. BSG. Bd. 5 S. 179 ff. und S. 276 ff.), obwohl § 1256 Abs. 4 RVO a.F. noch das Ehegesetz vom 6. Juli 1938 in bezug nimmt.
Das Landessozialgericht hat die Rechtsauffassung vertreten, daß unter Berücksichtigung der gegenseitigen Einkommensverhältnisse der beiden früheren Ehegatten selbst dann, wenn von einer Berücksichtigung der etwaigen Verpflichtung des Verstorbenen, für seine zweite Ehefrau Unterhalt zu gewähren, abgesehen würde, dem Verstorbenen überhaupt keine Leistungen an seine erste Ehefrau zugemutet werden konnten.
Das Landessozialgericht schließt dies insbesondere daraus, daß jener nur ein (Renten-) Einkommen von 129,– DM monatlich bezogen habe, während die Klägerin als Arbeitslosenfürsorgeunterstützung fast ebensoviel, nämlich 110,– DM, erhalten habe. Wenn die Klägerin diese Würdigung als rechtsirrig rügt und die Auffassung vertritt, dem Verstorbenen habe zugemutet werden können, jedenfalls einen kleinen Teil seines Einkommens (10,– DM) als Unterhalt an sie zu zahlen, so kann ihr nicht zugestimmt werden. Bei den im Jahre 1955 in Berlin bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen hat ein Betrag von 129,– DM monatlich kaum ausgereicht, den eigenen angemessenen Unterhalt des Verstorbenen, eines ehemaligen Schmelzers, zu gewährleisten, so daß unter Berücksichtigung der beiderseitigen Bedürfnisse und beider wirtschaftlichen Lage das Verlangen nach Abgabe auch nur eines kleinen Teils der Einnahmen des Ehemannes nicht der Billigkeit entsprach, zumal bereits ein zahlenmäßig so niedriger Unterhalt wie 10,– DM monatlich dazu geführt hätte, daß die Gesamteinkünfte der Klägerin diejenigen ihres früheren Ehemannes überstiegen. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, daß die Einkünfte der Klägerin aus der Arbeitslosenversicherung stammten; daß unter Umständen eine gewisse Erstattungspflicht für die Zukunft denkbar war, hat auf den hier anzustellenden Vergleich der Vermögensverhältnisse beider Partner im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes keinen Einfluß.
Ebensowenig kann angenommen werden, daß der Anfall der Erbschaften nach den Eltern des verstorbenen Ehemannes dessen wirtschaftliche Situation derartig maßgebend umgestaltet hätte, daß dadurch der gesetzliche Unterhaltsanspruch wieder aufgelebt wäre. In dieser Hinsicht ist zu bedenken, daß nach den mit der Revision nicht angefochtenen und daher für das Bundessozialgericht maßgeblichen Feststellungen des Landessozialgerichts der Ehemann der Klägerin seit 1949 bis Mitte 1955 (Beginn seiner Invalidenrente) aus der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung nur eine noch erheblich unter dem späteren Rentensatz von 129,– DM monatlich liegende Einnahme hatte, während die Klägerin damals (bis März 1955) monatlich rd. 200,– DM verdiente. Der nach Abzug der offenbar beträchtlichen Beerdigungskosten an den Ehemann der Klägerin gefallene Geldbetrag aus der Erbschaft nach seiner Mutter war ohnehin nur recht niedrig; unter den oben dargestellten Verhältnissen kann nicht angenommen werden, daß dem Ehemann der Klägerin billigerweise zuzumuten war, zur Zeit des Erbschaftsanfalls, zu der die Klägerin fast doppelt so hohe Einnahmen wie er hatte, für einige Monate aus der ererbten Summe, also aus seinem Vermögen, eine Unterhaltsleistung an die Klägerin zu zahlen. Der geringe ihm nach seinem Vater zufallende Betrag floß – offensichtlich infolge der Erbteilung – überhaupt erst nach seinem Tode zu und konnte daher, abgesehen von seiner Geringfügigkeit, ebenfalls nicht ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht zur Folge haben.
Die Annahme schließlich, der frühere Ehemann der Klägerin habe im Jahre 1949 die Arbeit aufgegeben, um sich seinen Unterhaltspflichten zu entziehen, ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage Berlins zu jener Zeit und der Erwerbseinbuße des Ehemannes durch den Verlust seines Arbeitsplatzes so fernliegend, daß in dieser Hinsicht die vorliegenden Feststellungen für die Entscheidung des Revisionsgerichts durchaus ausreichen.
Es ergibt sich damit zunächst, daß das Landessozialgericht zu Recht das Bestehen einer Unterhaltspflicht des früheren Ehemannes der Klägerin im Zeitpunkt seines Todes verneint hat; da somit diese Voraussetzung, die eine Anwendung der Ermessensvorschrift des § 1256 Abs. 4 RVO a.F. überhaupt erst ermöglichen konnte, fehlt, ist die Entscheidung des Landessozialgerichts für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 zutreffend.
II. § 1265 RVO n.F. erweitert den Anspruch der früheren Ehefrau eines verstorbenen Versicherten dadurch, daß die Kannleistung in eine Pflichtleistung umgestaltet ist und daß der Anspruch den betreffenden Frauen zusätzlich auch dann zusteht, wenn der Verstorbene zwar nicht nach dem Ehegesetz, aber aus „sonstigen Gründen” unterhaltspflichtig war oder im letzten Jahr vor seinem Tode tatsächlich Unterhalt geleistet hat.
Da eine tatsächliche Unterhaltsleistung hier nicht vorgelegen hat und eine Unterhaltsverpflichtung im Zeitpunkt des Todes wie auch im Jahre vor dem Tode nach den Vorschriften des Ehegesetzes aus den oben dargelegten Gründen nicht bestanden hat, brauchte nur noch geprüft zu werden, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin etwa aus „sonstigen Gründen” zum Unterhalt verpflichtet war.
Als derartiger Grund könnte hier einzig der den Unterhaltsprozeß abschließende gerichtliche Vergleich angesehen werden. Wie der erkennende Senat (BSG. Bd. 11 S. 199) ausgesprochen hat, ist dieser Vergleich jedenfalls nicht bereits deshalb als sonstiger Grund anzusehen, weil er prozessual dem Gläubiger für die Zeitdauer seines Bestehens einen Vollstreckungsanspruch einräumt. Unter „sonstigen Gründen” können vielmehr, wie jenes Urteil ausführt, nur materiell-rechtliche Gründe verstanden werden. Es wäre demnach nur noch daran zu denken, den Prozeßvergleich insoweit als sonstigen Grund anzusehen, als er materiell-rechtliche Wirkungen hat und im Wege gegenseitigen Nachgebens den Streit über eine Unterhaltspflicht durch einen neuen Vertrag, eben den Vergleich, ersetzt. Eine derartige Betrachtungsweise wird der in § 1256 RVO a.F. vorgesehenen Alternative jedoch nicht gerecht. Wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift klar ausweist, ist nämlich die Alternative der „sonstigen Gründe” nur und bewußt deshalb eingeführt worden, um zusätzlich die Möglichkeit zu eröffnen, neben der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung auch vertragliche Unterhaltsverpflichtungen als Voraussetzung für die Rentengewährung zuzulassen. Demnach kam es dem Gesetzgeber darauf an, auch in den Fällen, in denen das Ehegesetz keine Möglichkeit zu einem Unterhaltsanspruch vorsah, die Rentengewährung zu ermöglichen, wenn der geschiedene Ehemann trotzdem bewußt vertraglich eine gegenüber dem Anspruch aus dem Ehegesetz echte zusätzliche Unterhaltsverpflichtung übernahm. Zu denken ist hier insbesondere an die Vielzahl der Fälle, in denen der Ehemann zwar nicht für allein oder überwiegend schuldig erklärt worden ist, in denen er jedoch trotzdem eine Unterhaltspflicht übernimmt, sei es, weil er sich dazu moralisch verpflichtet fühlt, sei es, um dadurch die Durchführung und den Abschluß des Scheidungsprozesses zu erleichtern oder gar erst zu ermöglichen, sei es aus anderen Gründen; zu denken ist weiter an die Fälle, in denen aus gleichgelagerten Motiven der Ehemann bei bestehender gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung bewußt eine wertmäßig darüber hinausgehende Leistung zusagen will. Die Fälle dagegen, in denen der Ehemann allein, um den Vorschriften des Ehegesetzes zu genügen, Unterhalt leistet, können nicht als sonstiger Grund, d. h. als ein vom Ehegesetz letztlich völlig losgelöster anderer Grund, angesehen werden, selbst wenn, wie beim Vergleich, konstruktiv eine selbständige neue Verpflichtung vorliegt.
Es wäre schlechthin unerträglich, wenn es von der – üblicherweise überwiegend von den Prozeßbevollmächtigten abhängigen – prozessualen Taktik im Rahmen eines Unterhaltsprozesses abhinge, ob ein an sich allein auf dem Ehegesetz beruhender und nach der Sachlage im Zeitpunkt der Beendigung jenes Prozesses unzweifelhaft begründeter Unterhaltsanspruch, je nachdem, ob er zufälligerweise durch streitiges oder unstreitiges Urteil oder durch Vergleich festgestellt wurde, später entweder einen sonstigen Grund darstellen könnte oder nicht, so daß dann der unter Umständen jahrzehntelange Rentenbezug entscheidend von jenen Zufälligkeiten abhinge.
Soweit daher die Klarstellung des Bestehens eines Unterhaltsanspruchs nur erfolgt, um dem Zwang des Ehegesetzes nachzukommen, handelt es sich nicht um einen sonstigen Grund im Sinne des § 1265 RVO, gleichgültig, in welcher Weise die von der Ehefrau allein erstrebte Vollstreckbarkeit dieses Anspruchs erreicht wurde. Nur dann, wenn eindeutig zur Zeit des Todes eine Unterhaltspflicht des Verstorbenen bestanden hatte, die bewußt zusätzlich neben der aus dem Ehegesetz ohnehin folgenden Unterhaltspflicht oder bei fehlender gesetzlicher Unterhaltspflicht bewußt trotzdem übernommen worden war, liegen „sonstige Gründe” im Sinne des § 1265 RVO vor.
Hiernach erweist sich das angefochtene Urteil auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 1956 als zutreffend, so daß die Revision zurückzuweisen war.
III. Einer Anrufung des Großen Senats bedurfte es nach der Überzeugung des erkennenden Senats nicht, weil das Urteil des 1. Senats keinen gerichtlichen Vergleich, sondern ein Anerkenntnisurteil betrifft, und zudem nicht erkennen läßt, ob das Anerkenntnis nur den Unterhaltsanspruch aus dem Ehegesetz oder auch darüber hinausgehende Leistungen betraf, die vorliegende Entscheidung nicht alle gerichtlichen Vergleiche erfaßt, sondern nur diejenigen, welche Unterhaltsansprüche aus dem Ehegesetz behandeln.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Brockhoff, Dr. Dapprich, Fechner
Fundstellen