Leitsatz (amtlich)
An der Rechtsprechung des BSG, daß die erhöhte Elternrente nach BVG § 51 Abs 4 für den Verlust des einzigen leiblichen Kindes auch dann zu zahlen ist, wenn daneben noch ein Adoptiv-, Stief- oder Pflegekind vorhanden ist, wird auch für die Zeit nach Inkrafttreten des 1. NOG KoV festgehalten (BSG 1959-04-22 11 RV 1212/58 = BSGE 9, 295; 1962-10-24 10 RV 1427/59 = Breith 1963, 257).
Normenkette
BVG § 51 Abs. 4 Fassung: 1960-06-27, Abs. 8 Fassung: 1960-06-27, § 49 Abs. 2 Fassung: 1952-03-19, § 51 Abs. 4 Fassung: 1956-06-06; KOVNOG 1
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordhrein-Westfalen vom 2. Dezember 1959, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31. Juli 1958 sowie der Bescheid vom 15. August 1956 teilweise und der Bescheid vom 21. Februar 1957 in vollem Umfang aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Verlust ihres einzigen leiblichen Kindes R G ab 1. April 1956 die erhöhte Elternrente gemäß § 51 Abs. 4 des Bundesversorgungsgesetzes zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin bezog Elternrente nach ihrem am 26. April 1945 gefallenen Sohn R G deren Auszahlung später wegen einer früheren Überzahlung eingestellt wurde. Es besteht noch ein Rückforderungsanspruch des Beklagten in Höhe von 327 DM. Die Klägerin war seit 1930 mit dem 1955 verstorbenen W J verheiratet, der zwei minderjährige Kinder mit in die Ehe brachte, die heute noch leben. Im Juni 1956 beantragte die Klägerin, ihr wegen Verlustes des einzigen Kindes die erhöhte Elternrente zu gewähren. Das Versorgungsamt erließ am 15. August 1956 lediglich einen Rentenänderungsbescheid auf Grund des 5. Änderungsgesetzes zum Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 6. Juni 1956. In ihrem Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, daß auf ihren Erhöhungsantrag nicht eingegangen worden sei. Mit Bescheid des Landesversorgungsamts vom 21. Februar 1957 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, weil noch zwei Stieftöchter vorhanden seien. Die Klage blieb erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) wies mit Urteil vom 2. Dezember 1959 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 31. Juli 1958 zurück und ließ die Revision zu. § 51 Abs. 4 BVG wolle einen besonders schweren ideellen Schaden der Eltern ausgleichen. Ein solch ideeller Schaden sei erst dann gegeben, wenn das "einzige" der in § 49 BVG gemeinten Kinder verstorben sei. Aus Aufbau und Zusammenhang der gesetzlichen Regelung ergebe sich, daß "Kind" i. S. des § 51 Abs. 4 BVG jedes Kind i. S. des § 49 BVG sei, dessen Tod einen Elternrentenanspruch auslösen könne. An den Verlust des Stief-, Pflege- und Adoptivkindes würden die gleichen Rechtsfolgen geknüpft wie an den Verlust des leiblichen Kindes. Der Tod des einzigen leiblichen Kindes der Klägerin stelle daher nicht den Verlust des "einzigen Kindes" i. S. des § 51 Abs. 4 BVG dar, weil noch zwei Stiefkinder der Klägerin lebten. § 51 BVG ergänze lediglich die Grundnorm des § 49 BVG. Das Bundessozialgericht (BSG) trage in der Entscheidung in BSG 9, 295 dem Umstand nicht genügend Rechnung, daß auch bei Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern eine besonders enge persönliche Beziehung und starke sittliche Bindung bestehe. Insbesondere gebe der Stiefelternteil, der das Kind des anderen Ehegatten innerhalb der Familie versorge und unentgeltlich unterhalte, dadurch zu erkennen, daß er bereit sei, mit dem Stiefkind in echter Familiengemeinschaft zu leben und das Kind wie ein eigenes zu behandeln. Darüber hinaus finde hier die sittliche Beziehung zum Kind in der engen persönlichen Bindung an den anderen Gatten seine Grundlage. Die so entstandenen Eltern-Kinderverhältnisse schüfen ein nicht weniger enges Band zwischen den Beteiligten als zwischen leiblichen Eltern und Kindern. Hinzu komme, daß die Eltern auch noch bereit sein müßten, ein bedeutendes finanzielles Opfer zu bringen, nämlich die Kinder unentgeltlich zu unterhalten. Daher sei eine unterschiedliche Bewertung der sittlichen Beziehung von Eltern zu ihren leiblichen und den ihnen nach § 49 Abs. 2 BVG gleichgestellten Kindern nicht möglich, weshalb eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt sei. Durch § 51 Abs. 4 BVG solle nur ein bescheidener Ausgleich dafür gewährt werden, daß durch den Verlust des letzten, des einzigen Kindes oder aller Kinder zu Lebzeiten der Eltern die Familie zerstört werde und die Eltern das Leben im Familienverband entbehren müßten. Das Gesetz gehe im übrigen grundsätzlich von der Eltern paar rente aus. Der Bemessung der Elternrente würden jeweils die Bedürfnisse eines Elternpaares zugrunde gelegt. Würde man das leibliche Kind auch neben anderen Kindern als "einziges" Kind i. S. des § 51 Abs. 4 BVG ansehen, so würde das zu einer unterschiedlichen Berechnung der Elternrente für die beiden Elternteile führen müssen, die im Gesetz nicht vorgesehen sei. Eine Erhöhung der Einkommensgrenze für das Elternpaar könnte nicht erfolgen, weil nur bei einem Elternteil die Voraussetzung des § 51 Abs. 4 BVG erfüllt wäre.
Die Revision rügt unter Hinweis auf BSG 9, 295 Verletzung des § 51 Abs. 4 BVG. Wenn diese Vorschrift einen besonderen "ideellen" Schaden ausgleichen solle, so dürfe nur auf das leibliche Kind abgestellt werden.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des LSG- und des SG-Urteils sowie der angefochtenen Bescheide den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Verlust des einzigen Kindes die erhöhte Elternrente ab 1. April 1956 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Daß die Auffassung des LSG richtig sei, ergebe sich auch aus der Neufassung des § 51 Abs. 8 BVG durch das Erste Neuordnungsgesetz (1. NOG). Mit dieser Vorschrift werde der Begriff des Kindes, soweit er in § 51 BVG von rechtserheblicher Bedeutung sei, definiert. Zu Unrecht nehme der 10. Senat des BSG in seinem - nicht veröffentlichten - Urteil vom 24. Oktober 1962 - 10 RV 1427/59 - an, daß diese Vorschrift nur Kinder betreffe, die die Voraussetzungen für die Rentenerhöhung begründeten. Zur Entstehungsgeschichte des § 51 Abs. 8 BVG sei durch den Erlaß des Arbeits- und Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13. Oktober 1959 - Az. II B 2 - 4229 - u. a. bekanntgemacht worden, daß auf der Besprechung der Referenten der Kriegsopferversorgung (KOV) der obersten Arbeitsbehörden der Länder am 3. Juli 1959 im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) die Frage aufgeworfen worden sei, ob dem Urteil des BSG vom 22. April 1959 (= BSG 9, 295) im Hinblick auf das Rundschreiben des BMA vom 4. März 1958 - Va 2 - 1000/58 - grundsätzliche Bedeutung zukomme. Im Rahmen der Neugestaltung des Rechts der KOV habe er vorgeschlagen, dem § 51 BVG folgenden Absatz beizufügen: "Als Kinder im Sinne dieser Vorschrift gelten alle Kinder, die einen Anspruch auf Gewährung von Elternrente nach § 49 BVG des Gesetzes auslösen können." Damit werde die im Rundschreiben des BMA vertretene Auffassung gesetzlich verankert. Die Bestimmung des § 51 Abs. 8 BVG sei also gerade unter Berücksichtigung der in dem angeführten Rundschreiben des BMA zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung, wonach auch das Vorhandensein von Adoptiv-, Stief- oder Pflegekindern die Gewährung der Erhöhung nach § 51 Abs. 4 BVG ausschließen könne, dem Gesetz eingefügt worden. Ebenso ergebe sich aus der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des 1. NOG, daß das angeführte Urteil des BSG vom 22. April 1959 der Anlaß zur gesetzlichen Regelung gewesen sei. Dieses Urteil habe sich in seinem entscheidenden Teil mit einem Fall befaßt, in dem es darum gegangen sei, ob die Erhöhung nach § 51 Abs. 4 BVG mit Rücksicht auf ein vorhandenes Adoptivkind ausgeschlossen sei oder nicht. Gegen die Auslegung des 10. Senats bestünden logische Bedenken, auch führe sie zu Widersprüchen, wie sich aus folgendem Beispiel ergebe: Der leibliche Sohn einer Kriegermutter fiel im Kriege; der Stiefsohn wurde verwundet und starb im Jahre 1963 an Schädigungsfolgen. Folge man der Auffassung des 10. Senats, so wäre in einem solchen Fall der Tatbestand des § 51 Abs 4 zweimal erfüllt, da die Mutter zunächst den einzigen (leiblichen) Sohn und mit dem Tode des Stiefsohnes nun den letzten Sohn i. S. des § 51 Abs. 4 BVG verloren habe. Die Begriffe einziger und letzter Sohn schlössen sich aber gegenseitig aus logischen Gründen aus; sie könnten nicht in demselben Fall zugleich verwirklicht werden. Eine Auslegung, die zu einem solchen Ergebnis führe, könne nicht richtig sein. Daher stehe im vorliegenden Fall zumindest ab Inkrafttreten des 1. NOG keine erhöhte Eltern-Teilrente nach § 51 Abs. 4 BVG mehr zu. § 51 Abs. 8 BVG habe jedoch keine Änderung des materiellen Rechts, sondern nur eine Klarstellung der ursprünglichen Fassung des Gesetzes herbeigeführt. Die Ausführungen des LSG seien zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1; 164, 166 SGG). Sie ist auch sachlich begründet.
§ 51 Abs. 4 BVG idF vom 6. Juni 1956 (BGBl I 469) sieht eine Erhöhung der Elternrente und der Einkommensgrenze bei einem Elternteil um 35 DM vor, wenn das einzige oder das letzte Kind oder alle Kinder an den Folgen einer Schädigung gestorben sind. Zu der hier strittigen Frage, was als einziges Kind i. S. dieser Vorschrift gilt, sind bereits zwei Urteile des BSG ergangen. In BSG 9, 295 ist entschieden worden, daß sich die Elternrenten nach § 51 Abs. 4 BVG bei Verlust des einzigen Kindes durch Schädigungsfolgen i. S. des BVG auch dann erhöhen, wenn die Eltern nach dem Tode dieses Kindes ein fremdes Kind an Kindes Statt angenommen und keine leiblichen Kinder mehr bekommen haben. Die gegenteiligen Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 51 BVG wurden als mit § 51 Abs. 4 BVG nicht vereinbar erklärt. Nach dieser Entscheidung handelt es sich bei der Erhöhung der Elternrente um ein soziales Schmerzensgeld (so bereits BSG 1, 275), d. h. um einen bescheidenen "Ausgleich" des besonders schweren "ideellen" Schadens, von dem solche Eltern betroffen sind, die das einzige oder letzte Kind oder alle Kinder verloren haben. Diesem Zweck werde nur die Auslegung gerecht, die auf das einzige leibliche Kind abstelle (aaO 299). Der Senat hält diese Entscheidung vom 22. April 1959, die vor Inkrafttreten des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) ergangen ist, für zutreffend, insbesondere auch soweit hier ausgeführt ist, das der Allgemeinheit gebrachte besondere Opfer werde nicht dadurch ungeschehen gemacht, daß die Eltern selbst sich einen Ausgleich dadurch zu schaffen suchen, daß sie nach dem Tode des "einzigen" Kindes ein fremdes Kind an Kindes Statt annehmen. Der Verlust des einzigen oder letzten, im Mannesalter stehenden leiblichen Sohnes kann jedenfalls durch die spätere Adoption eines Kindes nicht ausgeglichen werden, zumal in der Regel nicht abzusehen ist, ob das Adoptivkind jemals ein Alter erreichen wird, in dem es als Ernährer der Eltern in Betracht kommt. Darum kann auch die spätere Adoption eines Kindes nicht als eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG angesehen werden (a. A.: Rundschreiben des BMA vom 4. März 1958 in BVBl 1958, 38-39, der in diesem Fall aber einen Härteausgleich gewähren will).
Die vom LSG gegen diese Entscheidung vorgetragenen Bedenken vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Das LSG räumt selbst ein, daß § 51 Abs. 4 BVG einen besonders schweren ideellen Schaden der Eltern ausgleichen will; mit dem Tode des einzigen leiblichen Kindes stirbt, wie auch das LSG andeutet, das Geschlecht der Eltern aus. Schon deshalb kann der Verlust des einzigen oder letzten leiblichen Kindes grundsätzlich dem eines fremden, h. h. Adoptiv- oder Pflegekindes, nicht gleichgesetzt werden. Zwar mag das Stiefkind als leibliches Kind des Ehepartners oft in einem persönlicheren Verhältnis zum Stiefvater oder zur Stiefmutter stehen, als dies bei gänzlich fremden Kindern häufig der Fall ist. Das BVG macht aber einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Stiefkindern und leiblichen Kindern, indem es den Stiefeltern einen Elternrentenanspruch überhaupt nur dann zugesteht, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung unentgeltlich unterhalten habe. Es genügt sonach nicht einmal die aufopfernde Pflege und unentgeltliche Unterhaltung nach der Schädigung (§ 49 Abs. 2 Nr. 2 BVG). An der Voraussetzung der Gewährung unentgeltlichen Unterhalts wird es schon dann fehlen, wenn die Stiefmutter dem Stiefsohn nur einzelne Unterhaltsleistungen, z. B. Herrichtung von Kleidung, Wäsche und Schuhwerk, oder unentgeltlichen Unterhalt nur vorübergehend gewährt hat (vgl. Wilke, Bundesversorgungsgesetz, Anm. V zu § 49). Darum ist es schon sehr fraglich, ob die beiden Stieftöchter der Klägerin, da der zu ihrem Unterhalt allein verpflichtete leibliche Vater erst lange Zeit nach Kriegsende verstorben ist, bei der Klägerin überhaupt als Kinder i. S. des § 49 BVG, wenn sie an einer Schädigung stürben, mitzählen könnten. Schon diese Erwägung läßt es im vorliegenden Falle bedenklich erscheinen, statt von einem "einzigen" Kind, von drei Kindern der Klägerin i. S. des § 49 BVG zu sprechen. Das Gesetz macht somit in § 49 BVG keinen Unterschied zwischen Stief- und bloßen Pflegekindern, grenzt sie aber eindeutig gegen leibliche Kinder ab. Auch der Hinweis des LSG, daß das Gesetz grundsätzlich von der Eltern paar rente ausgehe, vermag nicht zu überzeugen, da "Elternpaar" und "Elternteil" in § 51 BVG gleichwertig nebeneinander gestellt und die Voraussetzungen des Elternrentenanspruchs für beide selbständig geregelt sind.
Der 10. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 24. Oktober 1962 - 10 RV 1427/59 - entschieden, daß auch nach Einfügung des Abs. 8 in § 51 BVG durch das 1. NOG sich in den Fällen, in denen das einzige leibliche Kind an Schädigungsfolgen gestorben ist, nichts daran geändert hat, daß die Elternrente nach § 51 Abs. 4 BVG zu erhöhen ist, auch wenn noch ein Adoptiv-, Stief- oder Pflegekind i. S. des § 49 Abs. 2 BVG vorhanden ist und die Eltern keine leiblichen Kinder mehr bekommen haben. Hierbei komme es nicht darauf an, ob das Adoptiv-, Stief- oder Pflegekind vor oder nach dem Tode des einzigen leiblichen Kindes angenommen worden ist. In dem dort entschiedenen Fall hatte die Klägerin neben ihrem einzigen leiblichen, 1941 gefallenen Sohn seit 1937 einen Pflegesohn in ihren Haushalt aufgenommen, für den sie vom Jugendamt Unterhaltsbeträge erhielt. Diese Entscheidung betraf somit ein Pflegekind, das vor dem Verlust des leiblichen Sohnes in den Haushalt aufgenommen wurde; sie bindet den Senat nach § 42 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an sich nur in diesem Umfang. Der 10. Senat hat jedoch mit seinem Urteil grundsätzlich auch die im vorliegenden Fall strittige Rechtsfrage entschieden, da das Gesetz jedenfalls in § 49 BVG die Stief- und Pflegekinder gleichbehandelt.
Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte rechtliche Bedenken vorgetragen, die - insbesondere für die Zeit ab 1. Juni 1960 - nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind. Der Senat hatte jedoch mit in Betracht zu ziehen, daß im Interesse der Rechtssicherheit ein oberes Bundesgericht von einer feststehenden Rechtsprechung nicht abgehen soll, es sei denn, daß schwerwiegende Gründe dafür sprechen (vgl. BAG 12, 278; Großer Senat des BFH in NJW 1964, 942; BFH vom 29. November 1963 in NJW 1964, 2273), die Rechtsprechung also unverkennbar mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen ist. Der Senat konnte sich aber trotz gewisser Bedenken nicht davon überzeugen, daß die seitherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff des "einzigen" Kindes sich nicht halten läßt. Dies gilt insbesondere auch für die Zeit ab 1. Juni 1960, nachdem durch das 1. NOG die Vorschrift des § 51 Abs. 8 in das Gesetz eingefügt worden ist. Hier ist bestimmt, daß als Kinder i. S. dieser Vorschrift alle Kinder gelten, die einen Anspruch auf Gewährung von Elternrente nach § 49 BVG auslösen können. Es ist bereits oben angedeutet worden, daß es im vorliegenden Fall überhaupt fraglich ist, ob der Tod eines Stiefkindes der Klägerin einen Anspruch auf Elternrente nach § 49 BVG begründen könnte. Aber auch abgesehen von dieser Besonderheit lassen sich keine hinreichend überzeugenden Gesichtspunkte dafür finden, der Klägerin die Erhöhung der Elternrente nach § 51 Abs. 4 BVG zu versagen. Es ist dem Beklagten zwar einzuräumen, daß die Vorschrift des § 51 Abs. 8 BVG mit Rücksicht auf die Entscheidung des BSG vom 22. April 1959 - 11 RV 1212/58 (= BSG 9, 295) in das Gesetz eingefügt worden ist. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der KOV (Bundesrats-Drucksache 176-195, 1959, S. 13). Hier heißt es zur Begründung der neu eingeführten Vorschrift, daß bei der Durchführung des § 51 Abs. 3 und 4 BVG in der jetzigen Fassung immer wieder Schwierigkeiten bei der Auslegung der Frage auftauchen, welche Kinder als "einzige" oder als "letzte" Kinder anzusehen sind. Während einmal davon ausgegangen werde, daß eine Erhöhung nur dann erfolgen könne, wenn es sich um Kinder handele, die einen Anspruch auf Elternrente nach § 49 auslösen können, habe das BSG in dem vorerwähnten Urteil entschieden, daß unter Kindern i. S. des § 51 Abs. 4 BVG nur die leiblichen Kinder zu verstehen seien. Es bestehe ein dringendes Bedürfnis für eine gesetzliche Regelung im vorgeschlagenen Sinne.
Aus dieser Begründung ergibt sich indessen ebensowenig wie aus dem Gesetzeswortlaut selbst hinreichend deutlich, daß der Gesetzgeber den entscheidenden Ausspruch des BSG-Urteils, wonach eine Adoption nach Verlust des einzigen leiblichen Kindes der Erhöhung der Elternrente nicht entgegensteht, korrigieren wollte. Aus dem Hinweis in der Begründung, das BSG habe entschieden, daß unter Kindern i. S. des § 51 Abs. 4 BVG " nur die leiblichen Kinder zu verstehen sind", kann i. V. m. dem Wortlaut des § 51 Abs. 8 BVG zweifelsfrei nur entnommen werden, daß die Gesetzesänderung Klarheit darüber schaffen sollte, daß nicht nur der Verlust des einzigen leiblichen, sondern auch des einzigen Adoptiv-, Stief- oder Pflegekindes den Anspruch auf die erhöhte Elternrente auslöst. Die BSG-Entscheidung gab auch Anlaß, diese Frage gesetzlich zu regeln; denn in ihr war ausgeführt worden, es könne dahingestellt bleiben, ob Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern dann, wenn der Verstorbene, also das Adoptiv-, Stief- und Pflegekind "das einzige Kind oder das letzte Kind" gewesen ist, die Erhöhung der Elternrente zu beanspruchen haben (BSG 9, 298). Dafür, daß § 51 Abs. 8 BVG nur diese vom BSG angedeutete aber unentschieden gelassene Frage regeln wollte, spricht auch der Hinweis in der Begründung des Bundesrats, daß Schwierigkeiten bei der Auslegung der Frage auftreten, "welche" Kinder als "einzige" oder als "letzte" Kinder anzusehen sind. § 51 Abs. 8 BVG würde damit nur den Kreis der Kinder - leibliche, Adoptiv-, Stief- und Pflegekinder - bestimmt haben, die unterschiedslos für eine Erhöhung der Elternrente in Betracht kommen. Jedenfalls muß angenommen werden, daß der Gesetzgeber, wenn er die Rechtsprechung des BSG in der vom Beklagten vorgetragenen Weise hätte korrigieren wollen, sich veranlaßt gesehen hätte, dies deutlich durch eine andere Formulierung zum Ausdruck zu bringen, etwa derart, daß er bestimmt hätte, eine Erhöhung der Elternrente nach § 51 Abs. 4 BVG trete dann nicht ein, wenn neben dem gefallenen einzigen leiblichen Kind noch ein Adoptiv-, Stief- oder Pflegekind vorhanden ist und umgekehrt. Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber eine solche oder ähnliche Formulierung nicht gewählt, insbesondere mit keinem Wort das einzige oder letzte leibliche Kind dem der sonstigen einzigen bzw. letzten Kinder gegenübergestellt hat, ist zu schließen, daß § 51 Abs. 8 BVG nicht die im Rundschreiben des BMA vom 4. März 1958 (BVBl 1958, 38) vertretene Auffassung "gesetzlich verankern", sondern nur bestimmen oder klarstellen wollte, daß auch Adoptiv-, Stief- und Pflegekinder einzige Kinder i. S. des § 51 Abs. 4 BVG sein können. Damit sollte nach Auffassung des Senats den Eltern nicht der Anspruch auf erhöhte Elternrente beim Tode des einzigen leiblichen Kindes genommen werden. Man wollte den Verlust des einzigen leiblichen Kindes in seiner besonders schmerzlichen Bedeutung für die Eltern nicht geringer bewerten, andererseits aber auch den des einzigen Stief-, Adoptiv- oder Pflegekindes als besonderes Opfer anerkennen, zumal zwischen letzteren und den Eltern - worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat - ein auf familienähnlichen Beziehungen beruhendes dauerndes sittliches Band bestehen soll und auch zu bestehen pflegt. Diese Erwägung konnte es gerechtfertigt erscheinen lassen, solche Kinder ebenfalls als "einziges Kind" i. S. des § 51 Abs. 4 BVG gelten zu lassen und deren Eltern nicht von der Erhöhung der Rente auszuschließen. Der Einwand des Beklagten, daß bei dieser Auslegung des § 51 Abs. 4 BVG in dem von ihm genannten Beispiel beim Tode des einzigen leiblichen Sohnes und beim späteren Tode des letzten Sohnes (Stiefsohnes) jeweils, d. h. zweimal, der Tatbestand dieser Vorschrift erfüllt sei, ist zwar gedanklich richtig. Zu einer zweimaligen Erhöhung der Elternrente kommt es aber in einem solchen Fall deshalb nicht, weil § 51 Abs. 4 BVG durch seine alternative Formulierung klarstellt, daß die Erhöhung der Rente, gleichgültig ob das einzige, das letzte Kind oder alle, bzw. ab 1. Juni 1960 mindestens drei Kinder an Schädigungsfolgen gestorben sind, nur einmal erfolgt.
Der Senat folgt nach alledem der Entscheidung des 10. Senats im Ergebnis. Er hat dabei auch noch in Betracht gezogen, daß sich der Gesetzgeber nach Erlaß dieser am 24. Oktober 1962 verkündeten Entscheidung nicht zu einer Gesetzesänderung im Rahmen des 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) veranlaßt gesehen hat; § 51 Abs. 8 BVG ist hier unverändert als § 51 Abs. 7 BVG übernommen worden.
Sonach ergibt sich, daß der Klägerin trotz des Vorhandenseins zweier Stiefkinder wegen des Verlustes ihres einzigen leiblichen Sohnes die erhöhte Elternrente nach § 51 Abs. 4 BVG, und zwar auch für die Zeit nach Erlaß des 1. NOG, zusteht. Daher war unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG sowie teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide, wie geschehen, zu erkennen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Der Senat weist darauf hin, daß der Beklagte bei Berechnung der Überzahlung im Bescheid vom 28. April 1956 vom sonstigen Einkommen anscheinend den Freibetrag des § 51 Abs. 5 BVG in Höhe von 15 DM nicht in Abzug gebracht hat. Er dürfte sich wohl im Rahmen seines pflichtgemäßen Verwaltungsermessens zu einer Prüfung veranlaßt sehen, ob der Rückforderungsbetrag entsprechend zu ermäßigen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen