Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit der Berufung. Rente für abgelaufene Zeiträume
Orientierungssatz
Hat das SG lediglich über die Höhe der durch das Altersruhegeld abgelösten und damit auf eine bis zu einem bestimmten Zeitpunkt begrenzten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit entschieden, so betrifft die Berufung die Höhe der Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum iS des § 146 SGG.
Normenkette
SGG § 146 Fassung: 1958-06-25
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, insbesondere darüber, wie sich die für die Zeit des Kriegsdienstes und der anschließenden Kriegsgefangenschaft nachentrichteten Beiträge auf die Rentenberechnung auswirken.
Der im Jahre 1912 geborene Kläger, der seit 1932 als selbständiger Handwerker in die Handwerksrolle eingetragen war, entrichtete bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst im Jahre 1941 Pflichtbeiträge nach dem Gesetz über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk (HVG) vom 21. Dezember 1938 (RGBl I, 1900). Seit Mai 1941 leistete er Kriegsdienst; er kehrte am 28. September 1949 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Während dieser Zeit wurden Beiträge zur Handwerkerversorgung nicht entrichtet. Der Kläger kam der mit Bescheid vom 16. Mai 1951 ausgesprochenen Aufforderung der Beklagten nach, für die Zeit vom 1. Mai 1941 bis zum 31. Oktober 1949 insgesamt 102 rückständige Monatsbeiträge nach dem HVG nachzuentrichten.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Mai 1974 die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Dezember 1973 an. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte sie die Zeit des Kriegsdienstes und der anschließenden Kriegsgefangenschaft nicht als Ersatzzeit, sondern als mit Pflichtbeiträgen belegte Zeit. Diesen Bescheid hat der Kläger nicht angefochten.
Den mit Schreiben vom 11. Mai 1977 gestellten Antrag des Klägers auf Neufeststellung der Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. November 1977 ab. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens wandelte die Beklagte die Rente mit Bescheid vom 22. September 1978 mit Wirkung vom 1. Februar 1978 an in das Altersruhegeld um. Diesen Bescheid hat der Kläger wegen der Rentenhöhe mit einer gesonderten Klage angefochten. Auf Antrag der Beteiligten hat das Sozialgericht (SG) mit Beschluß vom 25. April 1979 das Ruhen des Verfahrens angeordnet, weil die Beteiligten bereits einen Rechtsstreit wegen der Anerkennung der Ersatzzeit von April 1941 bis 28. September 1949 führen.
In dem Verfahren wegen der Höhe der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat das SG die Klage mit Urteil vom 29. Mai 1979 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers mit Urteil vom 3. Dezember 1979 das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. November 1977 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Neufeststellungsantrag des Klägers nicht aus den im Bescheid vom 2. November 1977 angeführten Gründen abzulehnen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe sich von der Unrichtigkeit des bindend gewordenen Rentenfeststellungsbescheides vom 14. Mai 1974 überzeugen müssen. Die Beklagte habe die Zeit des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft als Ersatzzeit und die für die gleiche Zeit entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge und daher als Beiträge zur Höherversicherung zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Sie ist der Ansicht, daß sie sich von der Unrichtigkeit des Rentenfeststellungsbescheides nicht zu überzeugen brauche.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Sozialgerichts vom 29. Mai 1979 zurückzuweisen.
Der Kläger hat in der Revisionsinstanz keinen Antrag gestellt und sich zur Revision der Beklagten nicht geäußert.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten hat auch Erfolg. Das LSG hat zu Unrecht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben, denn die Berufung des Klägers ist unzulässig.
Das SG hat im Hinblick auf den Beschluß vom 25. April 1979, mit dem das Ruhen des Verfahrens über die Höhe des Altersruhegeldes angeordnet wurde, in dem vom Kläger mit der Berufung angegriffenen Urteil vom 29. Mai 1979 lediglich über die Höhe der durch das Altersruhegeld abgelösten und damit auf die Zeit bis zum 31. Januar 1978 begrenzten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit entschieden. Dementsprechend hat der Kläger - jedenfalls mit seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag - lediglich den Bescheid der Beklagten vom 2. November 1977 angegriffen und die Neufeststellung der zeitlich begrenzten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geltend gemacht. Die Berufung des Klägers betraf also im Sinne des § 146 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Höhe der Rente für einen bei ihrer Einlegung bereits abgelaufenen Zeitraum. Obwohl Gegenstand des Verfahrens und damit der Berufung nicht unmittelbar der Rentenanspruch ist, sondern ein auf § 1300 Reichsversicherungsordnung (RVO) gestützter Anspruch auf Neufeststellung, ist die Berufung nach § 146 SGG ausgeschlossen (vgl BSG SozR Nr 34 zu § 148 SGG und Nr 22 zu § 146 SGG). Das SG hat die Berufung nicht nach § 150 Nr 1 SGG zugelassen; insbesondere liegt in der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden, nicht die Zulassung der Berufung (vgl BSG SozR Nr 4, 10, 16, 41 zu § 150 SGG). Da der Kläger in der Berufungsinstanz keinen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt hat, ist die nach § 146 SGG ausgeschlossene Berufung auch nicht nach § 150 Nr 2 SGG statthaft.
Das gilt auch, soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag lediglich die Anrechnung einer Ersatzzeit - neben der Erstattung der nachentrichteten Beiträge - geltend gemacht hat, denn auch insoweit betrifft die Berufung die Höhe der Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum.
Die Berufung des Klägers ist zwar nicht nach § 146 SGG, sondern nach § 149 SGG ausgeschlossen, soweit sie den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Erstattung der nachentrichteten Beiträge in Höhe von 135,40 DM betrifft. Auch insoweit liegen die Ausnahmetatbestände des § 150 SGG, die zur Statthaftigkeit einer an sich ausgeschlossenen Berufung führen, nicht vor.
Das LSG hat also zu Unrecht sachlich über die nicht zulässige Berufung des Klägers entschieden. Der darin liegende Verfahrensmangel war auch ohne Rüge der Beklagten von Amts wegen zu beachten (vgl BSG SozR 1500 § 150 Nr 18 mwN).
Der Senat hat auf die danach begründete Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufgehoben und die unzulässige Berufung des Klägers verworfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen