Leitsatz (amtlich)

1. Die ununterbrochene versicherungspflichtige Beschäftigung gemäß AVAVG 1927 § 99 Abs 1 S 3 idF des Änderungsgesetzes 1953-08-24 (BGBL 1 1022) kann auch bei verschiedenen Arbeitgebern nacheinander zurückgelegt sein. Die Beschäftigungen müssen jedoch grundsätzlich kalendermäßig aneinander anschließen.

Unschädlich ist aber jedenfalls ein dazwischen liegender Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder betriebsüblich arbeitsfreier Sonnabend (Samstag).

Daß der Arbeitnehmer eine Lücke zwischen den Beschäftigungen nicht verschuldet hat, hindert die Unterbrechung in aller Regel nicht.

Die berufsübliche Pause zwischen zwei Bühnenspielzeiten unterbricht die versicherungspflichtige Beschäftigung.

2. Die Klage auf Gewährung der versicherungsmäßigen Arbeitslosenunterstützung für die verlängerte Bezugsdauer gemäß AVAVG 1927 § 99 Abs 1 S 3 verfolgt keinen Anspruch im Sinne des SGG § 144 Abs 1 Nr 2. Die Berufung findet deshalb nach SGG § 143 statt.

3. Ist der Prozeßbevollmächtigte im Termin vor dem Landessozialgericht ausgeblieben und verhandelt gleichwohl der Beteiligte zur Sache, so verliert er für das Revisionsverfahren nicht das Recht, einen die Ladung des Prozeßbevollmächtigten betreffenden Verfahrensmangel zu rügen (vergleiche SGG § 202 iVm ZPO § 295), es sei denn, der Vorsitzende hatte ihn ausweislich der Sitzungsniederschrift belehrt.

 

Normenkette

AVAVG § 99 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1953-08-24; AVAVG 1927 § 99 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1953-08-24; SGG § 73 Fassung: 1953-09-03, § 144 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 162 Fassung: 1953-09-03, § 143 Fassung: 1953-09-03, § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 295 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 1954 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der Kläger ... war als Operettentenor vom 1. September 1950 bis zum 26. August 1951 beim Stadttheater ... vom 16. August 1951 bis zum 15. August 1952 beim Stadttheater ... die Klägerin ..., seine Ehefrau, als Operettensängerin vom 1. Januar 1951 ab bei denselben Theatern beschäftigt. Nach Übersiedlung in die Bundesrepublik waren beide vom 1. September 1952 bis zum 20. Juni 1953 beim Stadttheater ... tätig. Am 22. Juni 1953 meldeten sie sich beim Arbeitsamt Darmstadt arbeitslos. Dieses bewilligte ihnen die versicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung (Alu) je für 26 Wochen.

Die späteren Anträge der Kläger, wegen "ununterbrochener versicherungspflichtiger Beschäftigung" von mehr als 104 Wochen die Alu-Bezugsdauer auf 32 Wochen zu verlängern, wurden vom Arbeitsamt abgelehnt, da die Beschäftigung in der Zeit vom 16. bis zum 31. August 1952 unterbrochen gewesen sei. Ihr Widerspruch hiergegen wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Auf Grund ihrer Klagen beim Sozialgericht Darmstadt, die gemäß § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verbunden wurden, hob dieses durch Urteil vom 28. Mai 1954 die Widerspruchsbescheide auf und erkannte dahin, daß die beklagte Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung den Klägern Alu für je 32 statt 26 Wochen zu gewähren habe. Es nahm an, daß die Kläger vom 16. bis zum 31. August 1952 nicht arbeitslos im Sinne des Gesetzes und daher die versicherungspflichtigen Beschäftigungen nicht unterbrochen waren, da während dieser kurzen Zeitspanne Vermittlungsfähigkeit nicht anzuerkennen sei, ein Schauspieler, der bereits einen Vertrag für die neue Spielzeit habe, sich selbst auch während einer solchen Pause nicht als arbeitslos fühle.

Die Rechtsmittelbelehrung enthielt den Hinweis, daß gemäß § 143 SGG Berufung eingelegt werden könne.

II. Mit Schriftsatz vom 4. August 1954 legte der Präsident des Landesarbeitsamts Hessen für die Bundesanstalt Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt ein. Dabei war bei der Bezeichnung der Kläger nicht vermerkt, daß diese im Verfahren vor dem Sozialgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten waren. Zur mündlichen Verhandlung am 25. August 1954 wurden deshalb nur die Kläger persönlich geladen. Erst mit Schreiben vom 19. August wurden Abschrift der Berufungsschrift und Mitteilung über die Terminsanberaumung auch dem Prozeßbevollmächtigten übersandt, jedoch ohne förmliche Zustellung. Dieser äußerte sich zu der Berufung mit einem Eilbrief vom 23. August, der am 25. August beim Landessozialgericht einging, dem zuständigen Senat jedoch erst am 26. August, also nach der Verhandlung, vorgelegt wurde.

Mit Urteil vom 25. August 1954 hob das Hessische Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Mai 1954 auf. Bezüglich der Zulässigkeit der Berufung vertrat es die Auffassung, daß nur darüber Streit bestanden habe, ob den Klägern Alu für 26 oder 32 Wochen zu gewähren sei. Deshalb sei die Berufung an sich gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG unzulässig gewesen. Die in dem angefochtenen Urteil erteilte Rechtsmittelbelehrung habe aber als Zulassung nach § 150 Nr. 1 SGG angesehen werden können, zumal es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung gehandelt habe und die Zulassung der Berufung auf ausdrücklichen Antrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 1954 erfolgt sei.

Materiell-rechtlich kam das Landessozialgericht zu dem Ergebnis, daß die versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen gewesen sei, da nach Beendigung der Spielzeit in Plauen kein Beschäftigungsverhältnis mehr vorgelegen habe.

Das Landessozialgericht sprach sich auch gegen den Dienstblatterlaß der Bundesanstalt Nr. 466/53 vom 9. Oktober 1953 aus, in dem diese den Arbeitsämtern empfohlen hat, in sinngemäßer Anwendung der Grundsätzlichen Entscheidung Nr. 4008 des früheren Reichsversicherungsamtes den unmittelbaren Anschluß einer Beschäftigung an eine frühere noch als gewahrt anzusehen, wenn die neue Beschäftigung so schleunig aufgenommen worden sei, als dies dem Arbeitnehmer nach den ganzen Umständen billigerweise zugemutet werden könne. Der in diesem Erlaß verwendete Begriff "ohne schuldhaftes Zögern" führe zu ungleicher Behandlung gleicher Tatbestände. Die Begrenzung dieser Zwischenzeit auf 7 Tage in dem weiteren Dienstblatterlaß Nr. 33/54 vom 20. Januar 1954 sei unverständlich. Der Gesetzgeber habe etwaige mit seiner Regelung verbundene Härten in Kauf nehmen wollen. Abgelehnt wurde auch die Auffassung des Sozialgerichts, darauf abzustellen, ob während der Zeit zwischen den Beschäftigungsverhältnissen Arbeitslosigkeit im Sinne des AVAVG vorgelegen habe.

Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen.

III. Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger, Rechtsanwalt ..., am 11. September 1954 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 21. September 1954 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 22. September - hat dieser Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und in der Sache selbst entsprechend den Anträgen und dem Urteil erster Instanz zu erkennen. Gerügt wird als wesentlicher Verfahrensmangel die Verletzung der §§ 73 Abs. 3, 110 Satz 1, 153 SGG, da Berufungsschrift und Ladung nicht dem Prozeßbevollmächtigten zugestellt worden seien.

Die Bundesanstalt als Revisionsbeklagte hat mit Schriftsatz vom 4. Februar 1955 beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen. Die Nichtbeachtung des § 73 Abs. 3 SGG sei gemäß § 187 Zivilprozeßordnung (ZPO) in Verbindung mit § 202 SGG dadurch als geheilt anzusehen daß dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger die Ladung zum Termin und der Schriftsatz der Bundesanstalt am 20. August 1954 noch zugegangen seien. Eine beachtliche Verletzung der §§ 104, 110 SGG liege nicht vor, da es sich nur um Ordnungsvorschriften handele. Der etwaige Mangel sei im übrigen dadurch behoben, daß der Kläger ... für sich und für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 25. August 1954 ohne Rüge zur Sache verhandelt und Anträge gestellt habe. Nach § 295 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 202 SGG könne deshalb der Mangel nachträglich nicht mehr gerügt werden. Das letztere haben die Kläger unter Hinweis auf § 62 SGG mit Schriftsatz vom 28. Februar 1955 bestritten.

Im einzelnen wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

IV. Das Gericht hatte zunächst zu prüfen, ob die Revision statthaft ist sowie ob sie frist- und formgerecht eingelegt und begründet wurde.

Bei der Frage der Statthaftigkeit war weiter festzustellen, ob nicht etwa bereits die Berufung unstatthaft war (vgl. RGZ 151 S. 45; ebenso Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 1 zu § 169 SGG, und Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl., Anm. 1 zu § 554 a).

Während das Sozialgericht in seiner Rechtsmittelbelehrung die allgemeine Berufung gemäß § 143 SGG für gegeben ansah, stellte sich das Landessozialgericht auf den Standpunkt, daß nur eine Berufung nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 150 Nr. 1 SGG in Frage komme, und legte die Rechtsmittelbelehrung als Zulassung nach § 150 Nr. 1 SGG aus.

Die Auffassung des Landessozialgerichts ist unzutreffend.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (drei Monaten). Sie wird in einem solchen Falle gemäß § 150 Nr. 1 SGG zulässig, wenn das Sozialgericht sie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Urteil seinerseits zuläßt. Aber um einen Fall nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG handelt es sich hier nicht. Es ist zwar richtig, daß die Kläger Alu für 6 weitere Wochen begehrten, so daß sie rein äußerlich einen Verlängerungsantrag stellten. Aber sie konnten den Antrag gar nicht anders fassen, nachdem ihnen Ende Juni 1953 die Alu für 26 Wochen bewilligt worden war und erst das Gesetz zur Änderung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge vom 24. August 1953 (BGBl. I S. 1002) - in Kraft getreten am 1. August 1953 - die Möglichkeit einer 32-wöchigen Bezugsdauer eröffnete. Es ist aber auch ohne Bedeutung, welche Worte die Kläger gewählt haben. Entscheidend ist nur der eigentliche Streitgegenstand. Nach § 99 Abs. 1 Satz 3 AVAVG i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 24. August 1953 beträgt bei Arbeitslosen, die Rente aus der Rentenversicherung ... wegen Alters, Invalidität oder Berufsunfähigkeit nicht beziehen, nach ununterbrochener versicherungspflichtiger Beschäftigung von 104 Wochen vor der Arbeitslosmeldung die Unterstützungsdauer 32 Wochen. Das Gesetz bewilligt also nicht etwa zu der bis dahin geltenden Höchstbezugsdauer von 26 Wochen die Alu für eine weitere Bezugsspanne hinzu, sondern es ersetzt für diejenigen Arbeitslosen, welche die Voraussetzungen erfüllen, die 26-Wochen-Bezugsdauer durch eine 32-Wochen-Bezugsdauer. Das Arbeitsamt hat also in diesen Fällen keine Verlängerungsverfügung zu erlassen, sondern die Bezugsdauer neu festzusetzen, wenn sich das auch im praktischen Verwaltungsbetrieb äußerlich kaum unterscheiden mag. Weil die Kläger aber diesen anders gearteten Unterstützungsanspruch geltend machen, handelt es sich - sogar abgesehen von der Länge der strittigen Unterstützungsdauer - nicht um einen Fall des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG, sondern um die Geltendmachung eines besonderen Anspruchs. Für diese Frage war aber die allgemeine Berufung nach § 143 SGG zulässig, so daß von dieser Seite gegen die Statthaftigkeit der Revision keine Bedenken bestanden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Landessozialgericht die Revision nicht bereits nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG hätte zulassen müssen, weil es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Die Revision ist nämlich nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.

Wie dargelegt, war Rechtsanwalt Dr. W in der Berufungsschrift des Präsidenten des Landesarbeitsamts Hessen nicht als Prozeßbevollmächtigter der Kläger genannt. Die Berufungsschrift vom 3. August 1954 ist beim Landessozialgericht am 4. August eingegangen. Am 5. August wurde bereits Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 25. August 1954 angesetzt und das persönliche Erscheinen der Kläger angeordnet. An demselben Tage hat der Berichterstatter die Akten des Sozialgerichts angefordert. Diese gingen am 12. August beim Landessozialgericht ein. Wann sie der Berichterstatter erhalten hat, ergibt sich nicht aus den Akten. Jedenfalls hat er mit Schreiben vom 19. August dem Rechtsanwalt Dr. W mitgeteilt:

"In der Berufungssache Eheleute H ... erhalten Sie anliegende Abschrift der Berufungsklage und der Mitteilung über die Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung auf Mittwoch, den 25. August 1954, vormittags 11 Uhr ...".

Eine Zustellung der Berufungsschrift und der Ladung an Rechtsanwalt Dr. W. ist nicht erfolgt, obwohl nunmehr dem Landessozialgericht die Bevollmächtigtenstellung von Dr. W. bekannt war. An der Nichtzustellung ändert auch nichts, daß Dr. W. unter dem 20. August 1954 einen ihm am 19. August mitübersandten Vordruck unterschrieben hat, wonach er bestätigt, "Ausfertigung der Ladung" erhalten zu haben. Nach § 73 Abs. 3 SGG sind, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, die Mitteilungen des Gerichts an ihn - und nur an ihn - zu richten. Hinzukommt, daß nach § 104 SGG, dessen Verletzung zwar nicht dem Paragraphen nach, aber inhaltsmäßig mitgerügt worden ist, der Vorsitzende eine Abschrift der Klage an die übrigen Beteiligten mit der Aufforderung übersendet, sich schriftlich zu äußern. Für die Äußerung kann eine Frist gesetzt werden, die nicht kürzer als ein Monat sein soll. Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung teilt der Vorsitzende den Beteiligten, hier also für die Kläger dem Prozeßbevollmächtigten, nach § 110 Satz 1 SGG in der Regel zwei Wochen vorher mit.

Die Vorschriften der §§ 104, 110 SGG stellen zwar nur Ordnungsvorschriften dar, und ihre Verletzung würde die Revision an sich nicht begründen. Jedoch darf das rechtliche Gehör gemäß § 62 SGG nicht beeinträchtigt werden.

Rechtsanwalt Dr. W hat geltend gemacht, daß ihm das Schreiben vom 19. August 1954 am Freitag, dem 20. August, kurz vor Büroschluß zugegangen sei. Da sein Büro am Sonnabend mit Rücksicht auf die Gerichtsferien geschlossen gewesen sei, habe er seine Erwiderung erst am Montag, dem 23. August, diktieren können. Wie sich aus dem Poststempel auf dem Briefumschlag bei den Akten des Landessozialgerichts ergibt, hat er seinen Schriftsatz vom 23. August an demselben Tage als Eilbrief an das Landessozialgericht abgeschickt, und er konnte annehmen, daß der Brief noch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung beim Gericht eintreffen werde. Dem Eingangsstempel nach ist der Eilbrief aber erst am 25. August, also am Tage der mündlichen Verhandlung, beim Landessozialgericht eingegangen und dem zuständigen Senat zugeschrieben worden. Vorgelegt ist er diesem nach einem Aktenvermerk erst am 26. August; er konnte deshalb nicht mehr Gegenstand der Verhandlung werden.

In seinem Schriftsatz hatte Rechtsanwalt Dr. W beantragt, die Berufung der Bundesanstalt zurückzuweisen, notfalls aber eine gutachtliche Stellungnahme des D B K und der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger in Hamburg darüber einzuholen, daß eine Pause von zwei Wochen von den beteiligten Berufskreisen ohne jede Einschränkung als eine ununterbrochene Beschäftigung angesehen werde.

Ob das Gericht diesem Antrag stattgegeben hätte, und ob das Gutachten in dem gedachten Sinne ausgefallen wäre, kann dahingestellt bleiben. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß der Prozeßbevollmächtigte, wenn ihm Berufungsschrift und Ladung rechtzeitig zugestellt worden wären, auf die erwähnte oder auch noch auf andere Art die Interessen seiner Auftraggeber besser hätte wahren und daß das Urteil dadurch hätte beeinflußt werden können. Deshalb ist die nicht rechtzeitige Zustellung der Berufungsschrift und der Ladung an den Prozeßbevollmächtigten als wesentlicher Verfahrensmangel anzuerkennen (vgl. dazu Urteil des Bayer. LVA. v. 3.5.1914 - EuM. Bd. 5 S. 413 - und des RVA. v. 11.2.1915 - EuM. Bd. 8 S. 385 -), und es ist auch die Voraussetzung des § 162 Abs. 2 SGG erfüllt.

Der Einwand der Bundesanstalt, dieser Mangel könne nach § 202 SGG in Verbindung mit § 295 Abs. 1 ZPO nicht mehr gerügt werden, weil der Kläger W H in der mündlichen Verhandlung des Landessozialgerichts vom 25. August 1954 erschienen sei sowie für sich und seine Ehefrau zur Sache verhandelt und Anträge gestellt habe, ohne den Mangel der nicht ordnungsmäßigen Ladung ihres Prozeßbevollmächtigten zu rügen, konnte demgegenüber keinen Erfolg haben. Zwar kann nach § 295 ZPO die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Ein Anhaltspunkt dafür, daß eines dieser Merkmale zutrifft, ist jedoch nicht festzustellen gewesen. Insbesondere geht aus der Sitzungsniederschrift nicht hervor, daß der Kläger W H über die Vorschrift vom Vorsitzenden belehrt worden ist. Das aber oder ein anderer klarer Hinweis wäre zu fordern, wenn man annehmen wollte, daß der Kläger den Mangel trotz Kenntnis oder Kennenmüssens nicht gerügt hätte (vgl. Baumbach-Lauterbach, ZPO, 22. Aufl., Anm. 2 C zu § 295). Er hatte deshalb das Rügerecht für das Revisionsverfahren nicht verloren.

VI. Nach alledem war die Revision, die form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, als zulässig anzuerkennen.

Ob sie auch materiell-rechtlich zum Erfolg führt, konnte das Bundessozialgericht nicht entscheiden, da angesichts der Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs nicht feststeht, wie die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils bei Vermeidung des Verfahrensmangels ausgefallen wären. Deshalb mußte das Urteil gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen werden.

Allerdings konnte der Senat zu der maßgeblichen Rechtsfrage bereits in folgendem Rahmen Stellung nehmen:

VII. Mit der Vorschrift des § 99 Abs. 1 Satz 3 a. a. O., wonach Arbeitslose nach längerer ununterbrochener versicherungspflichtiger Beschäftigung die Alu für eine erhöhte Bezugsdauer erhalten können, wollte der Gesetzgeber denjenigen Arbeitslosen eine besondere Vergünstigung einräumen, die überhaupt nicht oder bedeutend weniger als andere die Versicherungsleistungen in Anspruch genommen haben. Diese Vorschrift stellt eine Ausnahme von der Regel des § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 AVAVG dar und ist deshalb nach allgemein anerkanntem Rechtsgrundsatz eng auszulegen. Eine Härteklausel sieht das Gesetz nicht vor.

Der Begriff der ununterbrochenen versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 setzt allerdings nicht voraus, daß diese bei ein und demselben Arbeitgeber abgeleistet sein muß; der Wortlaut des Änderungsgesetzes vom 24. August 1953 hätte dies andernfalls leicht ausdrücken können und daher auch müssen. Sie kann demnach auch bei verschiedenen Arbeitgebern nacheinander zurückgelegt sein. Die Beschäftigungen müssen jedoch grundsätzlich kalendermäßig aneinander anschließen. Unschädlich ist es dabei aber jedenfalls, wenn zwischen zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungen ein Sonntag oder gesetzlicher Feiertag liegt. Das Gleiche ist noch anzunehmen, wenn betriebsüblich der Sonnabend (Samstag) arbeitsfrei ist, die Beschäftigung demnach am Freitag beendet und die neue am Montag begonnen wird. In diesen Fällen schließt ein zweites Beschäftigungsverhältnis so unmittelbar an das erste an, daß noch kein Zwischenraum vorliegt, der als Unterbrechung im Rechtssinne anzusprechen wäre. Erst hinter diesem Stadium des sozusagen noch "nahtlosen" Zusammenhangs beginnt die Prüfung, ob eine - noch weitere - Zwischenzeit zur Unterbrechung führt.

Dabei hielt der Senat es für erforderlich, von vornherein zwei Gesichtspunkte, die leicht für eine Nichtunterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung in Anspruch genommen werden könnten, auszuschalten, nämlich das Argument der berufsüblichen Pause und in aller Regel auch das Moment des Nichtverschuldens.

Zahlreiche deutsche Bühnen spielen nicht zwölf Monate im Jahr, sondern nur neun, zehn oder elf Monate. Es können also Pausen bis zu drei Monaten und bei unterschiedlicher Lage der Spielzeiten sogar noch längere Pausen entstehen. Solche berufsüblichen Zwischenräume nicht als Unterbrechung der Beschäftigung anzusehen, würde einmal dem Sprachgebrauch Gewalt antun, zum anderen aber auch die von jeher genutzten und vernünftigerweise zu nutzenden Möglichkeiten beeinträchtigen, in diesen Pausen zur Aufbesserung der Einkünfte oder auch aus sonstigen, insbesondere künstlerischen Motiven andere Tätigkeiten zu übernehmen oder im Notfall, soweit die Voraussetzungen des AVAVG erfüllt sind, Arbeitslosenunterstützung zu beziehen. Dies gilt auch für den Fall, daß der Bühnenangehörige bei Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung bereits den Vertrag für eine neue Spielzeit in der Hand hat. Die Auffassung des Sozialgerichts, daß insoweit weder eine Vermittlungsfähigkeit vorliege noch der Bühnenangehörige selbst sich als arbeitslos ansehe, ist - zumindest in solcher Verallgemeinerung - unzutreffend.

Auch passen saisonmäßige Pausen, in deren Verlauf keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet werden, schon aus diesem Grunde nicht in den Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 3, der gerade die langjährigen Beitragszahler belohnen, nicht dagegen Personenkreisen Vorteile verschaffen will, die mehr oder weniger regelmäßig immer wieder mit der Beitragszahlung aussetzen.

Auszuschalten ist nach Auffassung des Senats ferner in aller Regel auch die Frage, ob eine Pause zwischen zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungen von dem Beschäftigten verschuldet ist oder nicht. Insoweit vermag der Senat auch den Ausführungen des Präsidenten der beklagten Bundesanstalt in den Dienstblatterlassen 466/53 und 33/54 nicht beizupflichten. Den Arbeitsämtern wird darin in sinngemäßer Anwendung der Grundsätzlichen Entscheidung des früheren Reichsversicherungsamts Nr. 4008 vom 31. Oktober 1930 (RABl. 1931 IV S. 91) empfohlen, eine Unterbrechung nicht anzunehmen, wenn die neue versicherungspflichtige Beschäftigung ohne schuldhaftes Zögern angetreten wird, wobei die Bundesanstalt eine Zwischenfrist von höchstens 7 Tagen noch für vertretbar erklärt. Abgesehen davon, daß durch eine solche Handhabung ein erheblicher Unsicherheitsfaktor in die Beurteilung dieser Rechtsfälle hineingetragen würde, der zu unterschiedlichen und dadurch unbilligen Entscheidungen führen müßte, wäre auch hier der Ausnahmecharakter des § 99 Abs. 1 Satz 3 nicht gewahrt. Hinzukommt, daß die Gedankengänge der Grundsätzlichen Entscheidung Nr. 4008 auf diese Fälle nicht ohne weiteres anwendbar erscheinen, weil sie zu einem anderen Fragenkreis der Arbeitslosenversicherung, nämlich zur Wartezeit, ergangen ist.

Allerdings hält der Senat gewisse Ausnahmen im Rahmen des Nichtverschuldens nicht für völlig ausgeschlossen. Jedoch könnte es sich nur um Fälle handeln, die so geartet sind, daß bei wörtlicher Auslegung der Sinn des § 99 Abs. 1 Satz 3 a. a. O. in sein Gegenteil verkehrt und die Annahme einer Unterbrechung zu einer außer gewöhnlichen Härte führen würde; denn allgemeine Härtefälle hat der Gesetzgeber bei seiner Regelung mit in Kauf genommen. Dies könnte z. B. in Frage kommen, wenn der Anspruch auf die erhöhte Unterstützungsdauer durch entsprechend lange ununterbrochene Beschäftigung bereits erworben war, die Arbeitslosenunterstützung aber erst nach einer weiteren, nicht unmittelbar anschließenden versicherungspflichtigen Beschäftigung begehrt wird (vgl. den Fall der Zahnarzthelferin, die wegen der Geburt ihres Kindes aus zehnjähriger Beschäftigung ausschied und sich nach mehrwöchiger Zwischenzeit noch zu einer elftätigen Aushilfe bei dem früheren Arbeitgeber bereit fand, in dem Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 6.4.1955 - LAr 200/54 -).

VIII. Die Grenze zwischen Unterbrechung und Nichtunterbrechung im vorliegenden Falle anhand des endgültigen Tatbestandes und unter Zugrundelegung der vorstehenden Rechtsausführungen zu ermitteln, ist zunächst Aufgabe des Landessozialgerichts.

Die Entscheidung über die Kosten muß der Endentscheidung vorbehalten bleiben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926624

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