Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen der Prüfung der tatsächlichen Unterhaltsleistung iS des RKG § 65 Abs 1 Alternative 3 sind Aufwendungen für Hausrat bei der Feststellung des Unterhaltsmindestbedarfs nicht, hingegen die des Unterkunftsbedarfs zu berücksichtigen.
Normenkette
RKG § 65 Abs. 1 Alt. 3 Fassung: 1965-06-09
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. März 1972 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die 1921 geborene Klägerin ist die frühere, seit 1966 schuldlos geschiedene Ehefrau des Heilgehilfen K. A. (A.). Das aus der Ehe hervorgegangene Kind ist alsbald nach der Geburt wieder verstorben. Noch im Jahre 1966 hatte sich K. A. mit der Beigeladenen verehelicht. Am 25. Mai 1969 ist A. verstorben. Die Beigeladene ist ihrerseits im Juni 1972 eine neue Ehe eingegangen. Schon vor der Scheidung hatte K. A. der Klägerin seinen Miteigentumsanteil am gemeinsamen Eigenheim notariell übertragen und sich zugleich verpflichtet, dieser für den rechtskräftigen Fall der Scheidung einen Unterhalt von monatlich 50,-- DM zu zahlen. Zur Weiterzahlung dieses unterhalte ist A. im Jahre 1968 durch ein amtsgerichtliches Urteil trotz des Umstandes verpflichtet worden, daß die Klägerin 1967 eine Erwerbstätigkeit als Krankenpflegehelferin aufgenommen hatte; entsprechend hat der Versicherte auch tatsächlich gezahlt.
Mit Bescheid vom 20. Juni 1969, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 8. April 1970, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, ihr aus dem Versicherungsverhältnis des früheren geschiedenen Mannes Hinterbliebenenrente zu gewähren: Die von K. A. "aus sonstigem Grund” an die Klägerin gezahlten 50.-- DM monatlich machten nicht ein Viertel des angemessenen Unterhaltsbedarfs der Klägerin aus und seien geringfügig; sie erreichten außerdem nicht ein Viertel des eigenen Einkommens der Klägerin; auch habe diese aufgrund eigenen ausreichenden Einkommens keinen Unterhalt zu beanspruchen gehabt.
Mit der gegen die Ablehnung der Rente erhobenen Klage hatte die Klägerin in den Vorinstanzen Erfolg. Mit dem angefochtenen Urteil vom 7. März 1972 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten gegen das der Klägerin Hinterbliebenenrente zusprechende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen und in der Begründung ausgeführt: Die vom Versicherten der Klägerin erbrachten Zahlungen von 50,-- DM monatlich hätten ein Viertel des zeitlichen und örtlichen Mindestbedarfs der Klägerin von 168,66 DM monatlich - Regelsatz der Sozialhilfe von 137,-- DM zuzüglich von Beihilfen - nicht überschritten gehabt; ein Mietbedarf sei, da die Klägerin im eigenen Haus mietfrei gewohnt habe, allerdings nicht zu berücksichtigen gewesen. Die Unterhaltszahlungen hätten auch nicht, um als Unterhalt im Sinne des Gesetzes anerkannt zu werden, ein Viertel des eigenen Einkommens der Frau erreichen müssen. Im übrigen habe der vom Versicherten gezahlte Monatsbetrag von 50,-- DM bei einem eigenen Nettomonatseinkommen der Klägerin von rund 450,-- DM zur Zeit des Todes von K. A. zu einer merklichen Besserung ihrer Lebenshaltung beigetragen.
Das LSG hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen.
Die Beklagte hat die Revision eingelegt. Sie trägt vor: Die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung K. A.___AMPX_’_SEMIKOLONX___Xs gegenüber der Klägerin sei im letzten Jahr vor seinem Tode jedenfalls nicht höher gewesen als deren monatliches Nettoeinkommen von 410,-- DM zuzüglich des Mietwertes der Wohnung im eigenen Hause. Im übrigen sei zwar die dem Versicherten sowohl durch den notariellen Vertrag vom Jahre 1966 wie durch das amtsgerichtliche Urteil vom Jahre 1968 auferlegte Verpflichtung, der Klägerin einen Unterhalt von monatlich 50,-- DM zu zahlen, ein "sonstiger Grund” im Sinne des § 65 Satz 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG). Angesichts des eigenen Einkommens der Klägerin habe ein solcher Unterhalt für sie keine ins Gewicht fallende Bedeutung gehabt. Auch hätten die Zahlungen K. A. an die Klägerin als tatsächliche Unterhaltsleistung außer Betracht zu bleiben, weil er der Klägerin als Unterhalt nicht Beträge in Höhe eines Viertels ihres eigenen Erwerbseinkommens oder ihres angemessenen Unterhaltsbedarfs zugewendet habe.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG Dortmund vom 23. November 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene schließt sich den Anträgen und Ausführungen der Beklagten an.
II
Die zulässige Revision ist mit ihrem Hilfsantrag auf Zurückverweisung an die Vorinstanz begründet.
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 RKG (= § 1265 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) wird einer früheren Ehefrau eines Versicherten, deren Ehe mit diesem geschieden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr dieser zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes - EheG - (1. Alternative) oder aus sonstigen Gründen (2. Alternative) zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat (3. Alternative).
Von diesen drei Alternativen des Gesetzes erfordert die letzte den geringsten Prüfungsaufwand; im vorliegenden Falle ergibt diese Prüfung folgendes:
Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Verstorbene Versicherte K. A. der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode am 25. Mai 1969 einen Unterhalt von monatlich jeweils 50,-- DM tatsächlich gezahlt. Richtig ist das LSG davon ausgegangen, daß die Nutzungen, die die Klägerin aus dem ihr vom früheren Ehemann übertragenen Grundstückseigentum in Form von Gebrauchsvorteilen zieht, kein Unterhalt i.S. der hier anzuwendenden Vorschrift ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist das schon deswegen nicht der Fall, weil der Klägerin diese Nutzungen über den Tod des Versicherten hinaus verblieben sind und deshalb durch dessen Tod keine Unterhaltseinbuße eingetreten ist, die durch die Hinterbliebenenrente nach § 65 RKG auszugleichen wäre (BSG SozR Nrn. 19 und 21 zu § 1265 RVO).
Was nun die Unterhaltszahlung von 50,-- DM monatlich anbelangt, so begründet eine solche Zahlung nach der ständigen Rechtsprechung des BSG keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 65 Abs. 1 RKG, wenn sie geringfügig war; geringfügig ist sie, wenn sie nicht etwa 25 v.H. des Betrages erreicht, den ein Unterhaltsberechtigter unter den gegebenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen zur Deckung seines notwendigen Mindestbedarfs benötigt (BSG 22, 44, 47; SozR Nr. 49 zu § 1265 RVO; der erkennende Senat in SozR Nr. 26 aaO). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist aus dieser Rechtsprechung nicht zu folgern, daß eine tatsächliche Unterhaltsleistung im Sinne des § 65 Abs. 1 RKG nur angenommen werden kann, wenn die vom Versicherten der geschiedenen Frau erbrachten Zahlungen 25 v.H. auch des eigenen Erwerbseinkommens der Frau erreichen oder gar übersteigen. Zu Unrecht schließt die Beklagte aus dem rechtlichen Ausgangspunkt der oben angeführten Rechtsprechung, daß auch ein 25 v.H. des notwendigen Lebensbedarfs der geschiedenen Frau überschreitender Betrag nur dann als Unterhalt angesehen werden könnte, wenn er zudem 25 v.H. des eigenen Erwerbseinkommens der Frau übersteige. Wie der Senat bereits am 27. Juni 1973 (5 RKn 9/73) entschieden hat, kann diese Auffassung schon deshalb nicht gebilligt werden, weil bei der Höhe der heute möglichen Frauenerwerbseinkommen im Einzelfall selbst hohe Unterhaltszahlungen keinen Anspruch auf die Hinterbliebenenrente nach § 65 RKG begründen würden. Damit wäre der im Gesetz verwendete, an das EheG anknüpfende Unterhaltsbegriff in einem Maße eingeengt, das mit dessen Sinn und Zweck nicht mehr vereinbar wäre.
Entsprechend fehlt es auch an einer Rechtsgrundlage für die Auffassung der Beklagten, jedenfalls müsse die Unterhaltszahlung ein Viertel des "angemessenen Unterhalts” der Frau erreichen, um im Rahmen der 3. Alternative des § 65 Satz 1 RKG relevant zu sein.
Bei der Frage, mit welcher Größe der nach der Rechtsprechung des BSG zu ermittelnde Mindestbedarf der geschiedenen Frau anzusetzen ist, kann davon ausgegangen werden, daß er jedenfalls nicht unter den Monatssätzen liegen kann, die der Frau im Falle ihrer Mittellosigkeit nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zustehen würden. Das LSG hat unangefochten dargelegt, daß der monatliche Regelsatz der Sozialhilfe für eine alleinstehende Frau am Wohnort der Klägerin in Bergkamen in der Zeit von Mai 1968 bis Mai 1969 137,- DM betragen hat. Entgegen der Auffassung des LSG kommt es freilich bei der Frage, ob eine tatsächliche Unterhaltsleistung des geschiedenen Mannes im Sinne der 3. Alternative des § 65 Satz 1 RKG ein Viertel des monatlichen Lebensmindestbedarfs der geschiedenen Frau erreicht, auch auf den Unterkunftsbedarf der Frau an: Bei der Frage nach dem im Falle der Mittellosigkeit der Frau objektiv gegebenen Bedarf ist es naturgemäß ohne Belang, daß der Bedarf im konkreten Fall - hier wegen mietfreien Wohnens im eigenen Hause - bereits gedeckt ist. Andererseits ist das LSG zu Unrecht davon ausgegangen, daß u.a. auch Aufwendungen für Hausrat beim Unterhaltsmindestbedarf zu berücksichtigen seien. Die Anschaffung von Hausrat gehört nicht zum regelmäßigen, in kürzeren Abständen wiederkehrenden Unterhaltsaufwand und deshalb nicht zum monatlich wiederkehrenden notwendigen Lebensmindestbedarf.
Durch Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz war dem LSG Gelegenheit zu geben, den notwendigen Lebensmindestbedarf der Klägerin rechtsfehlerfrei festzustellen.
Die Prüfung der beiden anderen Alternativen des § 65 Satz 1 RKG konnte kein anderes Ergebnis zeitigen. Zwar kommen notarielle Unterhaltsverpflichtung vom Jahre 1966 und amtsgerichtliches Urteil vom Jahre 1968 als "sonstige Gründe” eines Unterhaltsanspruchs der Klägerin gegen den geschiedenen Mann im Sinne der 2. Alternative aaO in Betracht; indessen ergeben sich hinsichtlich der Höhe dieses Anspruchs die gleichen Fragen wie bei der letzten Alternative. Im übrigen liegt auf der Hand, daß der verheiratete Versicherte der Klägerin vor seinem Tode nach §§ 58, 59 des EheG bei einem Monatseinkommen unter 800,-- DM der mehr als 400,-- DM verdienenden Klägerin keinesfalls verpflichtet gewesen sein kann, einen monatlichen Unterhalt von mehr als 50,-- DM zu zahlen.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen und der Anspruch im Kostenpunkt der Endentscheidung vorzubehalten.
Fundstellen