Entscheidungsstichwort (Thema)
Brautversorgung. besondere Härte
Orientierungssatz
1. Der Sachverhalt, daß der Verlobte, falls er aus dem Krieg zurückgekommen wäre das nichteheliche Kind der Klägerin adoptiert und dann als Vater unterhalten hätte ist nicht die Brautversorgung des § 89 Abs 1 BVG einzubeziehen.
2. Die Braut muß durch das Verlöbnis und durch den Kriegstod ihres Verlobten in eine wirtschaftliche Lage geraten sein, die der einer versorgungsberechtigten Witwe nahe kommt. Allein solche durch den Kriegstod verursachten Nachteile sind auszugleichen (vgl BSG 1972-03-14 9 RV 524/70 = BSGE 34, 96).
Normenkette
BVG § 89 Abs. 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 24.10.1972) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 1972 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Antrag der Klägerin auf Brautversorgung wurde 1963 und nach erneuter Prüfung mit Bescheid vom 30. August 1966 abgelehnt, weil das nichteheliche Kind der Klägerin nicht aus der Verbindung mit ihrem 1944 verstorbenen Verlobten M E (E.) hervorgegangen sei. Nach Aufhebung dieses Bescheides (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 8. Oktober 1969) und nach weiterer Sachaufklärung lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe durch den Kriegstod ihres Verlobten keinen wirtschaftlichen Schaden erlitten, der gemäß Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 21. Oktober 1968 (BVBl 1968, 150) für eine Brautversorgung im Wege des Härteausgleiches (§ 89 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) erforderlich sei (Bescheid vom 11. Dezember 1969). Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 23. März 1970, Urteil des Sozialgerichts - SG - München vom 30. September 1971 und Urteil des LSG vom 24. Oktober 1972). Das LSG hat die Versagung eines Härteausgleichs als nicht ermessensfehlerhaft beurteilt: Die Klägerin habe nicht ein Kind zu versorgen, das sie im Vertrauen auf die beabsichtigte Eheschließung empfangen habe; ihr Kind sei schon vor dem Verlöbnis mit E. geboren und habe einen anderen Vater. Auch andere Tatsachen, durch die die Klägerin infolge des Kriegstodes ihres Verlobten in eine ähnliche Lage wie eine Witwe geraten sei und die eine "besondere Härte" rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben. Durch den Tod ihres Verlobten habe sie insbesondere deshalb keinen rechtserheblichen wirtschaftlichen Schaden erlitten, weil sie die Umschulung zur Bürokraft, die sie im Hinblick auf die bevorstehende Heirat abgebrochen habe, nach dem Kriegstod des E. hätte fortsetzen können, statt als Hausgehilfin und Hilfsarbeiterin tätig zu bleiben. Eine "besondere Härte" i. S. des § 89 BVG liege nicht allein darin, daß der Klägerin durch den Kriegstod ihres Verlobten ein Anspruch auf Unterhalt entgangen sei. Schließlich sei auch nicht deswegen ein wirtschaftlicher Schaden, der eine "besondere Härte" begründe, anzunehmen, weil E. die nichteheliche Tochter der Klägerin habe adoptieren wollen. Er hätte dann zusätzlich zu den Unterhaltszahlungen des Erzeugers von 40,- DM monatlich und den Leistungen, zu denen die Klägerin als Mutter verpflichtet gewesen sei, für den Unterhalt gesorgt, die Hauptlast der Erziehung und Fürsorge hätte aber die Klägerin tragen müssen. - Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Revision rügt eine Verletzung des § 89 Abs. 1 BVG durch das LSG. Das Berufungsgericht habe den Rechtsbegriff "besondere Härte" zu eng ausgelegt. Der wirtschaftliche Schaden für die Klägerin liege vor allem darin, daß der Verlobte ihre Tochter adoptiert und als Vater unterhalten hätte. Die Unterhaltszahlungen des nichtehelichen Vaters hätten für den Unterhalt nicht ausgereicht. Die deshalb notwendigen Unterhaltsaufwendungen aus eigenen Mitteln der Klägerin wären ihr erspart geblieben, wenn es zur Eheschließung mit ihrem Verlobten gekommen wäre.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG sowie des Bescheides vom 11. Dezember 1969 und des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1970 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die begehrte Brautversorgung zu gewähren und hierüber nach der Rechtsauffassung des Senats einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist aber sachlich nicht begründet. Das LSG hat mit Recht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil zurückgewiesen.
Nach § 89 Abs. 1 BVG in der hier anzuwendenden, seit dem 1. Neuordnungsgesetz - NOG - vom 27. Juni 1960 (BGBl I, 453) geltenden Fassung kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften dieses Gesetzes besondere Härten ergeben. Der Brautversorgung nach dieser Bestimmung hat der BMA unter bestimmten Voraussetzungen für einen Teil der in Betracht kommenden Fälle allgemein zugestimmt, was nach § 89 Abs. 3 BVG idF des 1. NOG und nach § 89 Abs. 2 idF des 2. und 3. NOG möglich ist (Rundschreiben vom 11. Juli 1966, BVBl 1966, 82; Rundschreiben vom 21. Oktober 1968, BVBl 1968, 150). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte von der ihm durch § 89 Abs. 1 BVG eingeräumten Ermächtigung keinen rechtsfehlerhaften Gebrauch gemacht.
Da die Klägerin ihre nichteheliche Tochter nicht aus dem Verlöbnis mit E. empfangen hat, ist unstreitig der Fall nicht gegeben, den der BMA ursprünglich als einzigen "Härte"-Tatbestand i. S. des § 89 Abs. 1 BVG für eine Brautversorgung anerkannt hatte (Rundschreiben vom 11. Juli 1966; BSG 27, 286, 289). Der hier gegebene Sachverhalt, daß der Verlobte, falls er aus dem Krieg zurückgekommen wäre, das Kind der Klägerin adoptiert und dann als Vater unterhalten hätte, ist in keinem der die Brautversorgung betreffenden Rundschreiben des BMA vorgesehen, ist aber auch unabhängig davon nicht in die Brautversorgung im Rahmen des § 89 Abs. 1 BVG einzubeziehen.
Das Bundessozialgericht hat den Begriff der "besonderen Härte" in ständiger Rechtsprechung durch Vergleich mit der Witwenversorgung - die einer Verlobten nach dem BVG nicht zusteht - ausgelegt, und der BMA hat diese Grundsätze im Rundschreiben vom 21. Oktober 1968 gebilligt. Demnach muß, ungeachtet anderer, hier nicht zu prüfender Voraussetzungen (BSG 33, 291), die Braut durch das Verlöbnis und durch den Kriegstod ihres Verlobten in eine wirtschaftliche Lage geraten sein, die der einer versorgungsberechtigten Witwe nahe kommt; allein solche durch den Kriegstod verursachten Nachteile sind auszugleichen (BSG 27, 286, 288 f; 31, 83, 84, 86; 34, 96, 97). Einen derartigen wirtschaftlichen Schaden hat die Klägerin nicht dadurch erlitten, daß ihr Verlobter nicht als Adoptivvater zum Unterhalt ihrer Tochter hat beitragen können. Zunächst ist schon fraglich, ob E. das Kind der Klägerin überhaupt hätte adoptieren können (vgl. hierzu die Voraussetzungen der Adoption nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB -; § 1741 Satz 1, §§ 1744, 1745 BGB in der vor dem 1. Juli 1958 geltenden Fassung, § 1741 Satz 1, § 1744 Satz 3, §§ 1745, 1745 a, 1745 c BGB n. F.). Falls die Adoption dennoch zustande gekommen wäre, hätte keineswegs E. allein die Tochter der Klägerin zu unterhalten gehabt (§ 1766 BGB) und die Klägerin entsprechend vollkommen entlastet. Vielmehr wäre er gegenüber der Adoptierten als ehelichem Kind (§ 1757 BGB) neben der Mutter unterhaltspflichtig gewesen, bis zum 1. Juni 1958 allerdings vor der Mutter haftend und seitdem nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen beider Eltern, wobei die Arbeit der Klägerin im Haushalt als Unterhaltsbeitrag gerechnet worden wäre (§§ 1601 bis 1603, 1610 ff BGB, § 1606 Abs. 2 Satz 2 BGB aF, § 1606 Abs. 3 BGB nF). Die Adoption hätte praktisch der Klägerin nicht ihre tatsächlichen Unterhaltsleistungen erspart, sondern nur den Unterhalt der Tochter verbessert. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Adoption, die sich ohne den Kriegstod des Verlobten für die Klägerin ergeben hätten, unterscheiden sich nicht wesentlich von den wirtschaftlichen Vorteilen, die in der Regel eine Braut infolge der durch den Tod des Verlobten verhinderten Eheschließung gehabt hätte, nämlich als Ehefrau - u. U. zusammen mit ihren Kindern - ganz oder teilweise von ihm unterhalten zu werden. Der entsprechende allgemeine wirtschaftliche Nachteil, der durch den Verlust des Verlobten und damit des Unterhaltsanspruchs gegen ihn als Ehemann entstanden ist und der durch den Versorgungsanspruch der Witwe nach dem BVG entschädigt werden soll, kann jedoch nicht als Voraussetzung für eine "besondere Härte" i. S. des § 89 Abs. 1 BVG genügen. Sonst würde der Kreis der nach dem BVG zu versorgenden Personen, zu denen Bräute im Gegensatz zu Witwen grundsätzlich nicht gehören, uferlos ausgedehnt. Daher hat auch der erkennende Senat wiederholt einen wirtschaftlichen Schaden als Voraussetzung für eine Brautversorgung dann verneint, wenn die Verlobte einen Beruf, den sie im Hinblick auf die beabsichtigte Heirat aufgegeben hat, später nach dem Kriegstod ihres Verlobten wieder hätte aufnehmen können (SozR Nr. 6 zu § 89 BVG und Urteil vom 31. August 1972 - 9 RV 68/71 -) oder wenn eine Erwerbsunfähigkeit nicht durch den Tod des Verlobten wesentlich herbeigeführt worden ist (Urteil vom 10. Oktober 1972 - 9 RV 392/72 -). Wie in den ersten beiden Fällen war die Sachlage bei der Klägerin, soweit es sich um die Umschulung zur Bürokraft handelt.
Der hier für Fälle der Brautversorgung vertretenen Auffassung zu § 89 BVG steht der Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 (BVerwG 39, 335) nicht entgegen, wie der erkennende Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom heutigen Tage (9/8 RV 608/72) - auf das insoweit verwiesen wird - näher ausgeführt hat. Die hierzu vom 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 26. September 1972 (SozR Nr. 1 zu § 602 RVO) vertretene andere Auffassung berührt die Rechtsprechung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen Senate des BSG zu § 89 BVG im Ergebnis nicht.
Da mithin § 89 BVG nicht verletzt ist, haben der Beklagte und die Vorinstanzen mit Recht einen Härteausgleich abgelehnt. Die unbegründete Revision muß zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen