Leitsatz (amtlich)
Schließt ein Studium mit der Promotion ab, so sind Ausfallzeiten iS von AVG § 36 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b auch die Zeiten, in denen der Versicherte seine Zeit und Arbeitskraft überwiegend der Vorbereitung seiner Dissertation gewidmet hat.
Normenkette
AVG § 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b Fassung: 1957-02-23; RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 1973 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Unter den Beteiligten ist streitig, ob bei der Berechnung des Altersruhegeldes des im Jahre 1905 geborenen Klägers neben bereits angerechneten 48 Kalendermonaten der Hochschulausbildung in den Jahren 1928 bis 1932 auch die Zeit von Oktober 1932 bis Januar 1934, begrenzt auf 12 Monate, als Ausfallzeit zu berücksichtigen ist. Die Klage hatte in den beiden ersten Rechtszügen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - München vom 16. Juni 1972 und des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 10. Juli 1973). Das Berufungsurteil ist im wesentlichen auf folgende Feststellungen und Erwägungen gestützt: Der Kläger sei in der streitigen Zeit zwar nur noch formell immatrikuliert und vom Studium beurlaubt gewesen; er habe sich aber auch in dieser Zeit ganz überwiegend seinem Studium gewidmet, nämlich für seine - allerdings erst 1941 erfolgte - Promotion Vorarbeiten geleistet (Dissertationsthema: "Die Autonomie der Polen in Galizien nach dem österreich-ungarischen Ausgleich im Jahre 1867"); hierzu seien ein umfangreiches Quellenstudium, ein ausgedehntes Studium der polnischen und der ukrainischen Sprache und eine Reise nach Polen erforderlich gewesen. Somit müsse der streitige Zeitraum als Studienzeit i. S. des § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) angerechnet werden.
Mit der zugelassenen Revision führt die Beklagte aus:
Zum Wesen der Hochschulausbildung gehöre die Einordnung in einen geregelten Ausbildungsgang an einer Hochschule. Daran fehle es hier. Die streitige Zeit habe sich an ein praktisch, wenn auch nicht förmlich, abgeschlossenes achtsemestriges Studium angeschlossen; die Promotion sei erst im Dezember 1941 erfolgt. Es sei auch zu bezweifeln, daß sich der Kläger gerade während des streitigen Zeitraumes überwiegend auf seine Promotion vorbereitet habe.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Zurückweisung der Revision.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das LSG hat zu Recht den Zeitraum von Oktober 1932 bis Januar 1934 als Zeit der Hochschulausbildung i. S. von § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) AVG gewertet. Zeiten der Hochschulausbildung sind nicht nur Ausbildungszeiten, die ein immatrikulierter Student an der Hochschule verbringt (vgl. Urteil des erkennenden Senats - SozR Nr. 47 zu § 1259 der Reichsversicherungsordnung - RVO - mit weiteren Nachweisen), sondern auch Zeiten, die zur Vorbereitung und Ablegung der das Studium abschließenden Prüfung (vgl. BSG 20, 35 (36)) erforderlich sind (Urteil des 1. Senats des Bundessozialgerichts - BSG - vom 26. Juli 1967, Die Rentenversicherung 1968, 13 (14)). Das gilt auch für die Zeit der Vorbereitung einer Dissertation, wenn - wie hier - das Studium durch eine Promotion abgeschlossen worden ist. Dabei ist allerdings vorausgesetzt, daß dem Versicherten wegen der Beanspruchung durch das Promotionsverfahren die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht möglich gewesen ist. Diese Voraussetzung ist als erfüllt anzusehen, soweit der Versicherte seine Zeit und Arbeitskraft zumindest überwiegend der Vorbereitung seiner Dissertation zugewandt hat; denn in einem solchen Fall ist er im allgemeinen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 15. November 1973 - SozR Nr. 59 zu § 1259 RVO -).
Diese Grundsätze hat das LSG nicht verkannt. Nach seinen Feststellungen hat sich der Kläger während der streitigen Zeit ganz überwiegend der Vorbereitung seiner späteren Promotion gewidmet; soweit die Beklagte die Richtigkeit dieser Feststellung bezweifelt, ist das unbeachtlich, da begründete Verfahrensrügen hierzu nicht vorgebracht sind (vgl. § 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Daß der Kläger in der in Betracht kommenden Zeit nicht einen geregelten Ausbildungsgang an der Hochschule durchlaufen hat, ist, da es sich hier um eine Zeit der Dissertationsvorbereitung handelt, unerheblich. Ohne Bedeutung ist auch, daß es zur Promotion erst nach längerer Zeit gekommen ist; es ist nicht ersichtlich, inwiefern im Hinblick auf die vom Kläger näher begründete Verzögerung die Arbeit des Klägers an seiner Dissertation nicht der Vorbereitung der Promotion gedient haben soll.
Von der Vorbereitungszeit können allerdings - wegen der in § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) AVG enthaltenen zeitlichen Begrenzung der anrechnungsfähigen Hochschulausbildung auf 5 Jahre - nur 12 Monate angerechnet werden. Dies haben die Vorinstanzen auch beachtet. Zur Klarstellung (vgl. SozR Nr. 43 zu § 1259 RVO) ist nur hervorzuheben, daß damit die ersten 12 Monate der streitigen Zeit, also die Monate von Oktober 1932 bis September 1933, als Ausfallzeit angerechnet werden.
Die Revision ist hiernach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen