Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch der sozialversicherten Mutter auf Familienhilfe (RVO § 205) zugunsten des gemeinsamen Kindes geht dem Anspruch des schwerbeschädigten Vaters auf Krankenbehandlung zugunsten des gemeinsamen Kindes (BVG § 10 Abs 3 und 4) vor.
Leitsatz (redaktionell)
Ansprüche der Versorgungsverwaltung gegen die Krankenkasse auf Erstattung irrtümlich gewährter Leistungen (BVG § 81b), die vor dem 1.4.1964 entstanden sind, verjähren in entsprechender Anwendung des BGB § 195 in 30 Jahren.
Normenkette
RVO § 205 Fassung: 1933-03-01; BVG § 10 Abs. 3 Fassung: 1964-02-21, Abs. 4 Fassung: 1964-02-21, §§ 195, 81b
Tenor
Die Sprungrevision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. April 1969 wird zurückgewiesen.
Auf die Sprungrevision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. April 1969 dahin abgeändert, daß die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten, eine Betriebskrankenkasse und das Land Bayern, streiten darum, ob die klagende Krankenkasse die von der beklagten Versorgungsverwaltung angeblich zu Unrecht geleisteten Krankenbehandlungskosten für die Angehörigen eines Schwerbeschädigten nach § 81 b des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zu erstatten hat und ob die Versorgungsverwaltung mit dieser Forderung gegen eine Ersatzforderung der Klägerin (aus § 19 BVG) aufrechnen darf. Die Entscheidung hängt in erster Linie davon ab, ob die Klägerin nach § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder der Beklagte nach § 10 BVG im Rang vor dem anderen Beteiligten leistungspflichtig ist, in zweiter Linie davon ob der Beklagte gegen eine Ersatzforderung der Klägerin aufrechnen darf, und in dritter Linie, ob die Erstattungsforderung verjährt ist (§ 21 Abs. 2 BVG bzw. § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).
Die Versorgungsverwaltung ersetzte der Allgemeinen Ortskrankenkasse R und K Aufwendungen für Krankenbehandlung, welche dem Schwerkriegsbeschädigten J Sch für seine Ehefrau und seinen am 15. Mai 1954 geborenen Sohn J gemäß § 10 Abs. 3 BVG aF in der Zeit bis 1966 gewährt worden war. Als das Versorgungsamt erfahren hatte, daß die Ehefrau des Schwerbeschädigten und Mutter des krankenhilfebedürftigen Sohnes vom 16. Juli 1959 bis 4. März 1966 (abgesehen von einer kurzen Unterbrechung) bei der Firma T in H (Württemberg) beschäftigt war, forderte es von der Klägerin, der Betriebskrankenkasse T, die für die Ehefrau und das Kind während ihres Beschäftigungsverhältnisses entstandenen Krankenbehandlungskosten in Höhe von 422,49 DM nach § 81 b BVG zurück, weil die Betriebskrankenkasse diese Aufwendungen nach der RVO hätte erbringen müssen. Es rechnete in Höhe dieses Betrages gegen eine Ersatzforderung der Klägerin nach § 19 BVG auf. Die Betriebskrankenkasse lehnte die Erstattung ab. Sie hat mit Schriftsatz vom 7. Juni 1967 Klage erhoben und beantragt festzustellen, daß der Leistungsanspruch eines Beschädigten gegen die Versorgungsverwaltung nach § 10 Abs. 3 Buchst. a BVG aF (§ 10 Abs. 4 Buchst. a BVG nF) dem Leistungsanspruch nach § 205 RVO im Range vorgehe und der Anspruch des Beklagten wegen der Verjährungsfrist von zwei Jahren nach § 21 Abs. 2 BVG verjährt sei. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 24. April 1969 den Beklagten verurteilt, eine Aufrechnung gegen eine Forderung der Klägerin nur bezüglich der Leistungen an den Sohn J Sch vom 1. Januar 1964 an vorzunehmen. Im übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen; es hat den Beklagten verurteilt, die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten, und die Berufung zugelassen. Es hat ausgeführt, daß die Klägerin grundsätzlich die Krankenbehandlungskosten für den Sohn J nach § 205 RVO zu tragen habe, weil die Versorgungsverwaltung nur dann leistungspflichtig sei, wenn kein Sozialversicherungsträger zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet sei. Die Aufrechnung sei auch im öffentlichen Recht nach den §§ 387 ff BGB zulässig. Dagegen greife die Einrede der Verjährung durch, soweit der Beklagte Erstattung für Leistungen vor 1964 beanspruche. Durch das 2. NOG sei auch bei den Ansprüchen aus § 20 BVG eine Verjährungsfrist von zwei Jahren vom 1. Januar 1964 an eingeführt worden. Die erst mit Schreiben vom 13. Dezember 1966 geltend gemachte Forderung unterliege der am 31. Dezember 1965 endenden Verjährungsfrist nach § 21 Abs. 2 BVG. Nicht verjährt sei dagegen die Forderung für Krankenbehandlung seit 1. Januar 1964, weil hierfür die zweijährige Frist erst am 31. Dezember 1966 ablaufe.
Gegen dieses der Klägerin und dem Beklagten am 23. Mai 1969 zugestellte erstinstanzliche Urteil haben beide Beteiligte Sprungrevision eingelegt. Die Klägerin rügt, das SG habe § 205 Abs. 1 Satz 1 RVO verletzt; nach § 10 Abs. 4 Buchst. a BVG idF des 3. NOG habe der Schwerbeschädigte für den Ehegatten und für Kinder Anspruch auf Krankenbehandlung; diese Ansprüche seien nur ausgeschlossen, wenn ein Sozialversicherungsträger zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet ist (§ 10 Abs. 5 Buchst. a BVG). Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. April 1965 - 3 RK 48/62 - und dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 9. Dezember 1965 - V/2/5208.20 - 5166/65 - (BVBl 1966 S. 3 Nr. 3) müsse gefolgert werden, daß bei allen subsidiären Ansprüchen der versicherungsrechtliche Anspruch gegen eine Krankenkasse nur dann Vorrang habe, wenn es sich um einen eigenen Anspruch des Versicherten, also um einen Anspruch aus eigenem Recht handle; vorliegend käme ein Anspruch der versicherten Ehefrau für sich in Frage-, nicht aber ein Anspruch für den Sohn J. Dieser habe keinen Anspruch aus eigenem Recht, sondern er leite ihn lediglich aus dem Anspruch eines krankenversicherten Familienmitgliedes, der Mutter, ab. Der Anspruch auf Krankenbehandlung für das Kind nach dem BVG sei daher nicht nach § 10 Abs. 4 BVG ausgeschlossen. Im übrigen müßten die Erstattungsforderungen des Versorgungsträgers kurzfristig abgewickelt werden. Deshalb sei eine kurze Verjährungsfrist in § 21 Abs. 2 BVG geschaffen worden.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es der Klage nicht stattgegeben hat, und den Beklagten zu verurteilen, von der Aufrechnung in Höhe von 422,49 DM abzusehen.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den Beklagten verurteilt hat, und die Klage insoweit abzuweisen, als nicht bereits Klageabweisung erfolgt ist, ferner die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Es rügt eine unzutreffende Anwendung des § 21 Abs. 2 Satz 1 BVG. Streitgegenstand sei ein Erstattungsanspruch nach § 81 b BVG, der darauf beruhe, daß die Betriebskrankenkasse T auf Grund der Mitgliedschaft der Ehefrau des Versorgungsberechtigten für den Sohn nach § 205 RVO leistungspflichtig gewesen sei. Hierfür gelte die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren (Rundschreiben des BMA vom 25. Mai 1968 - V/2-5208.20-1171/68 in BVBl 7/1968). Der Erstattungsanspruch nach § 81 b BVG sei in § 21 Abs. 2 Satz 1 BVG nicht erfaßt. Bei dieser kurzen Verjährungsfrist wären die Ansprüche nach § 81 b BVG in der Regel nicht verfolgbar, denn die Feststellung des letztlich Leistungspflichtigen sei oft erst nach Jahren möglich. Die Revision der Klägerin sei unbegründet; nur wenn der Schwerbeschädigte selbst einen Rechtsanspruch auf Krankenbehandlung nach anderen gesetzlichen Vorschriften habe, sei die Krankenbehandlung im Sinne des § 10 Abs. 4 BVG idF des 2. NOG sichergestellt. Habe aber der Beschädigte keinen eigenen unmittelbaren Anspruch, so bestimme § 10 BVG nichts über den Vorrang eines der beiden Leistungsträger. Der Sohn der Eheleute Sch habe weder nach § 10 Abs. 4 BVG noch nach § 205 RVO selbst einen Rechtsanspruch, ihm stehe nur ein mittelbarer Anspruch auf Krankenbehandlung zu. In einem solchen Falle sei der Anspruch nach § 205 RVO vorrangig, da die Ansprüche nach dem BVG letztlich doch subsidiär seien.
Das SG hat die Berufung zugelassen (§ 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Beide Beteiligten haben der Sprungrevision die schriftliche Erklärung der Einwilligung des Rechtsmittelgegners in eine Sprungrevision beigefügt (§ 161 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Sprungrevision der Klägerin und des Beklagten, die in gehöriger Form und Frist eingereicht und begründet worden sind (§ 164 SGG), sind zulässig. Hinsichtlich der Frage, ob die Revisionen der Klägerin und des Beklagten auch begründet sind, ist jede Revision getrennt zu behandeln.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Krankenbehandlungskosten für den Sohn des Beschädigten in der Zeit vom 1.4.1965 bis 30.9.1966 in Höhe von 422,49 DM. Streitig ist, ob die Versorgungsverwaltung (der Beklagte) nach § 10 Abs. 3 und 4 BVG idF des 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I, S. 85) oder die Betriebskrankenkasse T (die Klägerin) nach § 205 RVO leistungspflichtig ist. Damit ist streitig, ob vorrangig ist der Krankenbehandlungsanspruch des Schwerbeschädigten zugunsten seines Kindes (§ 10 Abs. 3 und 4 BVG) oder der Anspruch der sozialversicherten Mutter auf Familienhilfe (§ 205 RVO). Der Streitfall betrifft also die Konkurrenz zweier Ansprüche, durch die eine dritte Person berechtigt werden soll, nämlich Familienhilfe nach § 205 RVO und Krankenbehandlung eines Angehörigen nach § 10 Abs. 3 und 4 BVG.
Nach § 81 b BVG hat ein Versicherungsträger, hier die klagende Betriebskrankenkasse, der Versorgungsverwaltung die Aufwendungen zu erstatten, welche die Versorgungsbehörde zu Unrecht anstelle des Versicherungsträgers dem Versicherten gewährt hat, wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Versicherungsträger zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Diese Vorschrift betrifft den internen Leistungsausgleich öffentlicher Leistungsträger.
Damit soll zugunsten des Leistungsempfängers die sofortige Krankenbehandlung ermöglicht werden, ohne daß erst die Zuständigkeitsfrage geklärt werden müßte, wodurch notwendige Maßnahmen verzögert werden würden (s. BT-Durcks. III/1825 S. 12 zu § 81 b BVG). Bei Ermittlung des leistungspflichtigen Leistungsträgers ist davon auszugehen, daß an sich beide Leistungsträger Krankenbehandlung an Angehörige des Beschädigten bzw. Versicherten nur subsidiär zu leisten haben (§ 10 Abs. 4 BVG, § 205 RVO). Nach der versorgungsrechtlichen Vorschrift ist der Anspruch auf Krankenbehandlung (nach § 10 Abs. 3 BVG) zugunsten des Kindes des Versorgungsberechtigten ausgeschlossen, wenn ein entsprechender Anspruch gegen einen Sozialversicherungsträger besteht (§ 10 Abs. 4 Buchst. a BVG idF des 2. NOG) oder wenn die Krankenbehandlung anderweit gesetzlich sichergestellt ist (§ 10 Abs. 4 Buchst. c BVG). Nach § 205 Abs. 1 RVO wird für das unterhaltsberechtigte Kind Familienhilfe gewährt, wenn es nicht anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege hat. Bei der Prüfung des Rangverhältnisses beider leistungsberechtigten Gruppen (aus der KOV bzw. aus der Sozialversicherung) ist zu beachten, daß schon dem Wortlaut nach Unterschiede bestehen. Während in der KOV eine Leistungspflicht konkret schon dann entfällt, wenn ein entsprechender Anspruch gegen einen Sozialversicherungsträger besteht, dieser (bestimmt bezeichnet) also leistungspflichtig ist, schließt § 205 RVO - ebenso auch § 10 Abs. 4 Buchst. c BVG - allgemein ohne konkrete Bezeichnung eines Leistungsträgers die Krankenbehandlung dann aus, wenn anderweit ein Leistungsanspruch besteht. Abgesehen von den Fassungsunterschieden ergibt sich ein Vorrang in der Leistungspflicht der öffentlichen Krankenkasse aus den Gesetzesmaterialien zu § 10 BVG. Die Verhandlungen des 26. Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen des Deutschen Bundestages über das BVG (1. Wahlperiode 1949) zu § 10 BVG S. 15, insbesondere S. 18, lassen erkennen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers Versorgungsschutz gegen Krankheit (nach dem BVG) nur der Personenkreis erhalten sollte, "der nach Lage der Sache für die Sozialversicherung nicht in Frage komme". Der vom Ausschuß gemeinsam erarbeitete Beschluß, dem zugestimmt worden ist, lautet: "Schwerbeschädigte und mit in ihrer Haushaltsgemeinschaft lebende Angehörige, deren Krankenschutz nicht sichergestellt ist oder sichergestellt werden kann, erhalten Heilbehandlung auch für Gesundheitsstörungen, die nicht Folge einer Schädigung im Sinne dieses Gesetzes (BVG) sind". Daran ändert auch nichts, daß nach der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers die Krankenbehandlung von Angehörigen eines Schwerbeschädigten nur eine Notstandsmaßnahme sein sollte (s. § 10 Abs. 5 Satz 2 BVG in seiner ursprünglichen Fassung vom 20. Dezember 1950 - BGBl I, 791), jetzt aber die Leistungspflicht nach dem BVG erweitert worden ist. Denn § 10 Abs. 4 Buchst. a BVG idF des 1. und 2. NOG hält ausdrücklich an einem Ausschluß von versorgungsrechtlicher Krankenbehandlung in den Fällen fest, in denen ein entsprechender Anspruch gegen einen Sozialversicherungsträger oder einen Träger der Tbc-Hilfe besteht. (Bei der Fassung des § 10 Abs. 5 Buchst. a BVG durch das 3. NOG handelt es sich im übrigen nur um eine redaktionelle Änderung). Geblieben ist - auch unter Berücksichtigung der Gesetzesänderung durch das 1. bis 3. NOG - der Ausschluß des Anspruchs auf Heilbehandlung nach dem BVG bei der Leistungspflicht bestimmter Leistungsträger, unter denen gerade die Sozialversicherungsträger benannt sind. Diese konkrete Bezeichnung der Sozialversicherungsträger, wozu auch die Betriebskrankenkassen rechnen (§§ 3, 225, 245 RVO), spricht ebenfalls für den Vorrang der Krankenkasse in der Krankenhilfe (§ 205 RVO) gegenüber der Leistungspflicht der Versorgungsverwaltung (§ 10 BVG). Hinzu kommt, daß § 205 RVO die eigene Leistungspflicht in dem Falle, daß auch der andere Leistungsträger verpflichtet ist, Krankenbehandlung für ein Kind zu leisten, nicht so ausdrücklich ausschließt wie § 10 BVG. Der Gesetzgeber wollte also die schon nach § 205 RVO vor dem BVG bestehende Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers keinesfalls dem Versorgungsträger aufbürden.
Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 28. April 1965 (SozR BVG § 10 Nr. 3) nicht entgegen, weil in dieser Entscheidung der schwerbeschädigte Ehemann der Versicherten einen eigenen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen Nichtversorgungsleiden hatte, während das Kind nur abgeleitete Ansprüche über den Versicherten und Versorgungsberechtigten hat.
Da somit im Innenverhältnis die Krankenkasse gegenüber dem Versorgungsträger ausgleichsverpflichtet ist, bleibt noch zu prüfen, ob die von der Versorgungsverwaltung vorgenommene Aufrechnung gegen eine Ersatzforderung der Krankenkasse zulässig ist und ob die Einrede der Verjährung, ggf. von welchem Zeitpunkt an, durchgreift.
Die Aufrechnung zwischen zwei öffentlichen Leistungsträgern ist auch im öffentlichen Recht möglich (s. dazu BSG 19, 209; BGHZ 16, 124; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl. 1966, S. 272). Hiergegen sind auch keine Revisionsrügen vorgetragen worden.
Die Verjährung ist auch dem Sozialrecht eigentümlich (Haueisen in DOK 1965, 201; BSG 19, 88, 90; Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. Oktober 1969 - 8 RV 53/68 -). Der Erstattungsanspruch der Versorgungsverwaltung unterliegt, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, verschiedenen Verjährungsfristen, je nachdem der Erstattungsanspruch vor dem 1. Januar 1964 (Inkrafttreten des 2. NOG, welches § 21 Abs. 2 Satz 1 BVG geändert hat) oder nachher entstanden ist. Der in der Zeit vom 16. Juli 1959 bis 13. Dezember 1966 (Forderung der Versorgungsverwaltung vom selben Tage) entstandene Erstattungsanspruch von 422,49 DM ist teils vor, teils nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung hinsichtlich der Verjährungsfrist entstanden.
Für die nach dem 31. Dezember 1963 entstandenen Erstattungsansprüche nach § 81 b BVG hat auch das SG die Verjährung ausgeschlossen und die Aufrechnung des Beklagten zugelassen. Diese Rechtsauffassung ist frei von Rechtsirrtum, weil die Versorgungsverwaltung noch im Jahre 1966, nämlich mit Schreiben vom 13. Dezember 1966, den Erstattungsanspruch gegen die Klägerin geltend gemacht hat, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Verjährung von zwei Jahren noch nicht wirksam geworden ist, weil das Jahr, in dem die Forderung entstanden ist, nicht mitgerechnet wird (§ 21 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz BVG). Da hier - nach § 205 RVO - entgegen der Annahme der Klägerin - nicht verletzt, die Aufrechnung zulässig und die Entscheidung des SG hinsichtlich der Verjährung für die Zeit nach dem 31. Dezember 1963 nicht zu beanstanden ist, erweist sich die Sprungrevision der Klägerin als unbegründet, sie war deshalb zurückzuweisen.
Für die Zeit vor dem 1. Januar 1964 hat, wie der erkennende Senat bereits mit der Entscheidung vom 30. Oktober 1969 - 8 RV 53/68 - ausgesprochen hat, für Erstattungsansprüche noch eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gegolten (ebenso der 9. Senat des BSG in SozR BVG § 21 Nr. 2 und Rundschreiben des BMA vom 28. Mai 1968 in BVBl 1968 S. 98 Nr. 39). Dem steht die Entscheidung des 9. Senats des BSG vom 30. September 1966 (SozR BVG § 21 Nr. 1) nicht entgegen. In dem damaligen Rechtsstreit hatte die Versorgungsverwaltung wegen einer Heilbehandlung mit der ihr bekannten vorläufigen leistenden Krankenkasse abgerechnet; der 9. Senat ist damals von dem der Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 BVG idF vor dem 2. NOG zugrunde liegenden allgemeinen Gedanken einer zeitlich befristeten Abrechnung ausgegangen und hat als gerecht angesehen, daß die Versorgungsverwaltung in gleicher Weise Nachteile hinnehmen muß, die auch der Krankenkasse vom Gesetzgeber zugemutet worden sind. Vorliegend ist ein anderer Sachverhalt gegeben. Die leistungspflichtige Krankenkasse war der Versorgungsverwaltung nicht bekannt. Sie hatte die Krankenbehandlungskosten auch nicht mit ihr, sondern mit zwei anderen Allgemeinen Ortskrankenkassen abgerechnet. Erst später - nach Kenntnis des Sachverhaltes - hat die beklagte Versorgungsverwaltung einen Erstattungsanspruch gegen die klagende Krankenkasse erhoben. Der hier vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich also von dem Sachverhalt, über den der 9. Senat zu befinden hatte. Wenn das SG bei dieser Rechtslage angenommen hat, daß für die vor dem 1. Januar 1964 entstandenen Erstattungsansprüche durch die am 1. Januar 1964 in Kraft getretene Änderung des § 21 Abs. 2 BVG die Verjährungsfrist von 30 Jahren auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1965 in allen Fällen verkürzt worden ist, so konnte der Senat dieser Auffassung nicht folgen. Das 2. NOG hat die Abkürzung der Verjährungsfrist in § 21 Abs. 2 BVG nicht mit rückwirkender Kraft ausgestattet. Mangels einer gesetzlichen Regelung gelten neu eingeführte materiell-rechtliche Ansprüche nur für die Zukunft, weil ein neues Gesetz grundsätzlich nur auf Sachverhalte anzuwenden ist, die sich nach seinem Inkrafttreten ereignen (BSG 16, 178; 17, 39). Die Abkürzung der Verjährungsfrist gilt deshalb nicht für die vor dem 1. Januar 1964 entstandenen Erstattungsansprüche der Versorgungsverwaltung nach § 81 b BVG (ebenso BSG vom 30. Oktober 1969 - 8 RV 53/68 -). Vielmehr unterliegen die dem 1. Januar 1964 vorhergehenden Ansprüche der Verjährungsfrist von 30 Jahren.
Da die Versorgungsverwaltung alsbald nach Kenntnis von der Beschäftigung der Ehefrau des Beschädigten von der öffentlichen Krankenversicherung und damit von dem Anspruch auf Krankenhilfe für den Sohn nach § 205 RVO den Erstattungsanspruch geltend gemacht hat, kann auch nicht der etwaige Einwand der Verwirkung in Betracht kommen (Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. Oktober 1969 - 8 RV 53/68); bei dieser Sachlage ist der Erstattungsanspruch des Beklagten auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1964 weder verjährt noch verwirkt, so daß die Aufrechnung des Beklagten auch insoweit durchgreift. Da das SG ohne hinreichenden Rechtsgrund die Verjährungsfrist von 30 Jahren abgekürzt hat, war auf die Revision des Beklagten das angefochtene Urteil zu seinen Gunsten antragsgemäß in diesem Umfang abzuändern.
Nach § 193 Abs. 4 SGG sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts davon befreit, außergerichtliche Kosten dem Prozeßgegner zu erstatten.
Fundstellen