Entscheidungsstichwort (Thema)

Bronchialasthma als Berufskrankheit. Berufswechsel. Aufgabe der beruflichen Beschäftigung. Bemessung der MdE. abstrakte Schadensberechnung

 

Orientierungssatz

1. Der Versicherte, der nach rund 14 1/2 monatiger Einarbeitung und langjähriger Praxis die Tätigkeitsmerkmale eines Kopierers mit Abschlußprüfung erfüllt, übt eine berufliche Beschäftigung iS der BKVO 7 Anl 1 Nr 41 aus.

2. Der durch das Bronchialasthma erzwungene Wechsel von der Kopiertätigkeit in die Materialverwaltung bedeutet eine Aufgabe dieser beruflichen Beschäftigung. Denn die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten des Versicherten als Kopierer lassen sich seither nicht mehr verwenden.

3. Auf konkrete Einkommenseinbußen kommt es für Ansprüche auf Unfallentschädigung nicht an; es gelten vielmehr abstrakte Maßstäbe, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um Arbeitsunfälle oder um diesen gleichgestellte Berufskrankheiten handelt. Daß BKVO 7 Anl 1 Nr 41 ein Bronchialasthma "zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit" gezwungen haben muß, um Berufskrankheit zu sein, läßt diesen Grundsatz unberührt (Festhaltung BSG 1978-01-26 2 RU 27/77 = SozR 2200 § 551 Nr 10; BSG 1978-04-20 2 RU 79/77 = SozR 5677 Anl 1 Nr 46 Nr 8).

4. Da die MdE den Schaden nur abstrakt wiedergibt, bleibt hierfür unbeachtlich, ob der Versicherte nach Lage des Arbeitsmarktes auch ohne seine Berufskrankheit keine bessere Erwerbschancen hätte.

 

Normenkette

RVO § 551 Abs 1 S 1 Fassung: 1963-04-30; BKVO 7 Anl 1 Nr 41 Fassung: 1968-06-20; RVO § 581 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 05.07.1978; Aktenzeichen L 3 U 29/78)

SG Koblenz (Entscheidung vom 20.01.1978; Aktenzeichen S 5 U 131/77)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger Rente wegen einer Berufskrankheit zusteht.

Seit 1956 arbeitet der Kläger bei dem Landesvermessungsamt Rheinland-Pfalz. Nach 14 1/2 monatiger Einarbeitung wurde er dort vom 1. Oktober 1957 an als reproduktionstechnischer Angestellter (Kopierer) übernommen. Wegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung (Bronchialasthma) wurde er zum 1. Januar 1975 umgesetzt und seither als Materialverwalter im Landesvermessungsamt beschäftigt. Seine Bezüge richten sich weiterhin nach der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 2 des Bundesangestelltentarifs (BAT), obwohl die neue Tätigkeit, wie das Landesvermessungsamt im Berufungsverfahren mitgeteilt hat, nur die Merkmale der vergleichbaren Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 27 BAT erfüllt: "Magazin-Kammer-Lager- und Lagerhofvorsteher".

Durch Bescheid vom 26. April 1977 lehnte der Beklagte eine Entschädigung ab: Zwar leide der Kläger an einer obstruktiven deformierenden Bronchitis; auch beruhe es auf langjähriger Inhalation von Schadstoffen bei der Kopierertätigkeit, daß die Erkrankung vorzeitig zum Ausbruch gekommen und anhaltend begrenzt verschlimmert sei. Dennoch liege keine Berufskrankheit nach Nr 41 der 7. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vor. Denn das Bronchialasthma habe den Kläger nicht im Sinne dieser Vorschrift zur Aufgabe seiner beruflichen Beschäftigung gezwungen. Vielmehr liege lediglich ein Wechsel des Arbeitsplatzes vor, ohne daß damit finanzielle Nachteile verbunden seien.

Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat die auf Gewährung einer Entschädigung wegen einer Berufskrankheit gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Januar 1978), da der Kläger seine berufliche Beschäftigung oder jede Erwerbsarbeit nicht aufgegeben habe. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. In den Entscheidungsgründen des Urteils vom 5. Juli 1978 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz ua ausgeführt: Der Kläger habe wegen seines Bronchialasthmas keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Berufskrankheit. Das Leiden sei zwar beruflich verursacht und schränke den Kläger nach medizinischer Beurteilung auch zu 20 vH in seiner Erwerbsfähigkeit ein, so daß grundsätzlich die Gewährung einer Rente in Betracht käme. Nach § 1 und Anlage 1 Nr 41 der hier anzuwendenden 7. BKVO aF (vom 20. Juni 1968 - BGBl I 721) sei ein beruflich bedingtes Bronchialasthma aber eine Berufskrankheit nur, wenn es zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen habe. Die Entschädigung beruflich verursachter Atemwegserkrankungen diene dem Ausgleich einer mit dem erzwungenen Berufswechsel oder einer Berufsaufgabe regelmäßig verbundenen Einbuße an Verdienstmöglichkeiten. Daher fehle der Entschädigungsgrund, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - bei der neuen Tätigkeit gleichviel verdiene und dabei sozial kein wesentlich geringeres Ansehen genieße als zuvor. Der Kläger sei nämlich nach wie vor Verwaltungsangestellter nach Vergütungsgruppe BAT Vc. Zwar gehöre die früher ausgeübte Tätigkeit eines Kopierers tariflich zu der Tätigkeit von reproduktionstechnischen Angestellten; als solche gälten Fotografen, Reproduktionsfotografen, Farbenlithographen sowie Kopierer eines Flachdruckers, Offset-Vervielfältigers und Siebdruckers mit Abschlußprüfung; für den Kläger und behördenintern stelle daher diese Tätigkeit eine höherwertige Beschäftigung dar als die von Januar 1975 an als Material- und Lagerverwalter ausgeübte Verrichtung. Dies bleibe jedoch behördenintern und im Gegensatz zur Vergütungshöhe ohne nennenswerten Einfluß auf die Situation im öffentlichen Erwerbsleben. Der Kläger sei lediglich behördenintern umgesetzt worden. Die berufliche Gesundheitsschädigung beeinträchtige den Kläger auch nicht auf dem Gebiet des allgemeinen Erwerbslebens. Er sei ohne erlernten Beruf und seit über 20 Jahren als Angestellter im öffentlichen Dienst auf einem speziellen Gebiet tätig. Deshalb sowie wegen seines fortgeschrittenen Alters (Jahrgang 1927) gebe es für ihn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine realen beruflichen Entwicklungschancen. Die beruflich verursachte Gesundheitsschädigung mit vermindertem Leistungsvermögen sei somit ohne Bedeutung. Der Kläger sei dadurch sogar günstiger gestellt. Denn § 55 Abs 2 BAT verbiete dem Arbeitgeber bei unkündbaren Angestellten wie dem Kläger die Kündigung zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe bei vermindertem Leistungsvermögen, wenn dieses - wie im vorliegenden Fall - auf den Folgen einer Berufskrankheit beruhe. Unbeachtlich sei, ob der Arbeitgeber nach § 55 Abs 2 (Satz 2) BAT im Falle des Klägers die - entfernte - Möglichkeit habe, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe zu kündigen, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich sei. Erst wenn dies einträte, läge ein nach dem Unfallversicherungsrecht auszugleichender Schaden durch die berufliche Erkrankung vor. Ebensowenig komme es darauf an, ob der Kläger ohne die berufliche Erkrankung womöglich nach sechs Jahren in die Vergütungsgruppe Vb BAT aufgestiegen wäre. Darüber hinaus sei dies nach der vom Landesvermessungsamt erteilten Auskunft ohnehin nicht in Betracht gekommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und ua wie folgt begründet: Seine berufliche Erkrankung benachteilige ihn erheblich, und zwar nach versorgungsrechtlichem Maßstab in Höhe einer MdE um 80 vH. Bei seiner neuen Beschäftigung als Materialverwalter handele es sich um eine so geringwertige Tätigkeit, daß sie an sich einen Anspruch auf Entlohnung nicht rechtfertige; sie wirke darüber hinaus leidensverschlimmernd. Für den tatsächlichen Arbeitsanfall benötige er nur etwa ein bis zwei Stunden; die übrige Arbeitszeit müsse er untätig im Materialkeller verbringen. Die durchschnittliche Raumtemperatur betrage dort 30 Grad C, und über die Frischluftanlage würden überdies von außen Abgabe eingesogen. Ein beruflicher Aufstieg sei ihm jetzt unmöglich, während er entgegen der Auffassung des LSG als Kopierer nach BAT Vergütungsgruppe Vb aufgestiegen wäre.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz

vom 5. Juli 1978 sowie des Sozialgerichts Koblenz

vom 20. Januar 1978 aufzuheben und den Beklagten

zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufskrankheit zu

gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Berufungsurteil für zutreffend und erwidert, die Revision lasse die darin getroffenen Tatsachenfeststellungen unberührt. Im übrigen komme es hier unfallversicherungsrechtlich weder auf die Ausgestaltung der neuen Tätigkeit an noch auf einen etwa durch die berufliche Erkrankung verhinderten Aufstieg, wie ihn der Kläger behaupte.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Zu Unrecht hat das LSG die streitige Unfallrente schon dem Grunde nach mit der Begründung versagt, das Bronchialasthma des Klägers sei keine Berufskrankheit. Für die Entscheidung, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Rente in Mindesthöhe vorliegen, fehlt es jedoch an hinreichenden Tatsachenfeststellungen.

Berufskrankheiten sind nach § 551 Abs 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) "die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet". Hierzu hat das LSG - für den Senat bindend, weil im Revisionsverfahren unangefochten (§ 163 SGG) - festgestellt, der Kläger habe sich die obstruktive deformierende Bronchitis durch seine langjährige Berufstätigkeit als Kopierer im Landesvermessungsamt, einer Tätigkeit im Sinne des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO, zugezogen. Diese Krankheit des Klägers (Bronchialasthma) ist entgegen der vom LSG geteilten Auffassung des Beklagten eine Berufskrankheit iS des § 1 iVm Nr 41 der Anlage 1 der 7. BKVO in der hier anzuwendenden Fassung vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721). Die Neufassung dieser Anlage durch die Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329) ist erst am 1. Januar 1977 in Kraft getreten und gilt mangels entsprechender Überleitungsvorschrift nicht für Altfälle (vgl BSGE 47, 249, 251; Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1978 - 2 RU 100/77 -). Für die Anerkennung des Bronchialasthmas als Berufskrankheit setzt Nr 41 der Anlage 1 aF voraus, daß die Krankheit zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen hat. Seine berufliche Beschäftigung hat der Kläger Ende des Jahres 1974 aufgegeben, als er wegen seiner Atemwegserkrankung im Landesvermessungsamt vom Kopierer zum Materialverwalter umgesetzt wurde. Die Kopierertätigkeit war eine berufliche Beschäftigung iS der Nr 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO, da der Kläger durch Anlernung und langdauernde fachliche Arbeit bestimmte Kenntnisse, Fähigkeiten bzw Fertigkeiten erworben hat (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 9. Aufl S 492 k I, 492 q II, 492 r mN). Im Berufungsurteil ist insoweit in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellt (§ 163 SGG), der Kläger habe nach rund 14 1/2 monatiger Einarbeitung und langjähriger Praxis die Tätigkeitsmerkmale eines Kopierers mit Abschlußprüfung erfüllt (BAT Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 2). Der durch das Bronchialasthma erzwungene Wechsel in die Materialverwaltung bedeutet auch eine Aufgabe dieser beruflichen Beschäftigung. Denn seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten als Kopierer lassen sich seither nicht mehr verwenden; dies kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß der Kläger als Materialverwalter objektiv nur noch die Tätigkeitsmerkmale einer nachrangigen Vergütungsgruppe erfüllt. Von der objektiven Beschaffenheit der Tätigkeit hängt es ab, ob sich mit dem beruflichen Wechsel die Aufgabe der früheren Beschäftigung vollzog. Auf konkrete Einkommenseinbußen kommt es jedoch für Ansprüche auf Unfallentschädigung nicht an; es gelten vielmehr abstrakte Maßstäbe, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um Arbeitsunfälle oder um diesen gleichgestellte Berufskrankheiten handelt (§ 551 Abs 1 Satz 1 RVO, vgl BSGE 39, 49, 50; 47, 249, 252; SozR 2200 § 622 Nr 10; SozR 5677 Anlage 1 Nr 46 Nr 8).

Daß nach Nr 41 der Anlage 1 aF zur 7. BKVO ein Bronchialasthma "zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit" gezwungen haben muß, um Berufskrankheit zu sein, läßt diesen Grundsatz unberührt. Vielmehr dient dieses Merkmal zur Abgrenzung gegenüber solchen Erkrankungen, die typischerweise in keinem Kausalzusammenhang mit der beruflichen Beschäftigung stehen und nicht hinreichend schwer wiegen, um sie einem Arbeitsunfall gleichzuachten; ferner soll dadurch verhindert werden, daß der Versicherte auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz verbleibt und sich seine Krankheit verschlimmert mit der Folge eines womöglich erhöhten Entschädigungsanspruchs. Weder aus Entstehungsgeschichte noch Zweck der Regelung läßt sich herleiten, daß es darüber hinaus für Tatbestand oder Entschädigungsfolgen der Berufskrankheit auf einen konkreten Einkommensverlust ankäme. Eine derartige Auffassung wäre auch unvereinbar mit dem - höherrangigen - Recht der Verordnungsermächtigung in § 551 Abs 1 Satz 3 RVO sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes. Der Senat hat dies in seinen Urteilen vom 26. Januar und 20. April 1978 (SozR 2200 § 551 Nr 10 und SozR 5677 Anlage 1 Nr 46 Nr 8) bereits dargelegt. Hieran hält er fest.

Ob dem Kläger wegen seiner Berufskrankheit (Bronchialasthma) die streitige Verletztenrente dem Grunde nach zusteht, läßt sich damit indes nicht schon bejahen. Denn gemäß § 551 Abs 1 Satz 1 und § 581 Abs 1 Nr 2 hängt dieser Anspruch weiter davon ab, daß die Erwerbsfähigkeit infolge der Berufskrankheit um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Ein Grundurteil im Sinne von § 130 SGG darf jedoch erst ergehen, wenn die begründete Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Leistungsanspruch in solcher Mindesthöhe gegeben ist (vgl BSG SozR Nr 3 und 4 zu § 130 SGG, SozR Nr 9 zu § 123 SGG). Insofern hat das LSG jedoch keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern nur beiläufig erwähnt, nach medizinischer Beurteilung entfalle auf das beruflich erworbene Bronchialasthma des Klägers eine MdE um 20 vH. Im auf die Zurückverweisung folgenden erneuten Berufungsverfahren sind diese Feststellungen nachzuholen. Für das Ausmaß der MdE wird es nicht darauf ankommen, ob und inwieweit der Kläger durch die Berufskrankheit einen Einkommensverlust hinzunehmen hatte oder hat. Vielmehr bemißt sich die Unfallentschädigung auch für Berufskrankheiten losgelöst vom tatsächlichen Ausmaß des Personen- und Vermögensschadens grundsätzlich nach der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, wie dies allgemein für Unfallfolgen gilt (Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung, vgl Urteile des erkennenden Senats SozR 5677 Anlage 1 Nr 46 Nr 8 sowie vom 29. April 1980 - 2 RU 49/78 - und 2 RU 60/78 -; Brackmann aaO S 566y II ff mwN). Da die MdE den Schaden auf diese Weise nur abstrakt wiedergibt, bleibt hierfür ferner unbeachtlich, ob der Kläger nach Lage des Arbeitsmarktes auch ohne seine Berufskrankheit keine besseren Erwerbschancen hätte, wie dies im Berufungsurteil anklingt.

Dem steht die Rechtsprechung des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) im Ergebnis nicht entgegen. Wenn der Erkrankte bei beruflich bedingtem Hautleiden oder Bronchialasthma von vornherein oder nachträglich wieder eine wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit ausüben kann, hat zwar der 8. Senat einen Anspruch auf Unfallentschädigung verneint bzw die Entziehung der Rente für zulässig erachtet, weil dann entweder von vornherein die für den Tatbestand dieser beiden Berufskrankheiten gleichermaßen notwendige Aufgabe der beruflichen Beschäftigung fehle oder nachträglich die Berufskrankheit keine MdE mehr bewirke (BSGE 39, 49, 53; 44, 274, 278; 47, 249, 252 f; SozR 2200 § 622 Nr 7 und Nr 10; SozR 5677 Anlage 1 Nr 2; Urteile vom 22. Februar 1979 - 8a RU 32/78 - HVGBG Rundschreiben VB 93/79; vom 26. Juli 1979 - 8a RU 58/78 - SozSich 1979, 345; vom 30. August 1979 - 8a RU 94/78 - SozSich 1980, 53). Andererseits hat der 8. Senat dem Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1978 (SozR 5677 Anlage 1 Nr 46 Nr 8) insoweit nicht widersprochen, Unfallentschädigung dürfe nicht versagt werden, wenn sich der Schweregrad der Erkrankung in einer unfallrechtlich relevanten MdE ausdrücke, der Versicherte seine berufliche Beschäftigung oder Erwerbsarbeit aber in einem anderen, ihn nicht gefährdenden Bereich ausübe oder ausüben könne (BSG Urteil vom 26. Juli 1979 - 8a RU 62/78 -). Ob dies auch auf den Kläger zutrifft, werden die vom LSG nachzuholenden Ermittlungen ergeben.

Ferner hat der 8. Senat die Gleichwertigkeit der neuen Tätigkeit davon abhängig gemacht, daß der Versicherte daraus "in der Regel ... tatsächlich mindestens den gleichen Verdienst erzielt, wie er ihn mit seiner früheren beruflichen Beschäftigung erzielen würde" (Urteil vom 22. Februar 1979 - 8a RU 32/78 aaO) und das ihm neu eröffnete Arbeitsfeld "nicht nur den Charakter einer Aushilfs-, Not- oder Verlegenheitslösung trägt, sondern auf Dauer angelegt ist" (BSGE 39, 49, 52; SozR 2200 § 622 Nr 10). Eine Gleichwertigkeit der früheren und der jetzt ausgeübten Tätigkeit des Klägers ist aber auch unter den vom 8. Senat angenommenen Voraussetzungen hier nicht gegeben. Wie die Feststellungen des LSG ergeben, droht nämlich dem Kläger die Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe, weil seine neue Beschäftigung als Lagerverwalter nur nachrangige Tätigkeitsmerkmale erfüllt. Nach § 55 Abs 2 Satz 2 BAT hängt die Herabgruppierung deshalb lediglich noch davon ab, daß "eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist". Das LSG hat hierin nur eine von Arbeitgeberseite her "entfernte Möglichkeit" gesehen. Aus dem Blickwinkel des Klägers hingegen handelt es sich um eine - schwer einschätzbare - Einkommensgefährdung, die ihn wirtschaftlich auch dann einengt, wenn sie sich nicht verwirklicht. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen, wenn der "Angestellte dauernd außerstande ist, diejenigen Arbeitsleistungen zu erfüllen, für die er eingestellt ist und die die Voraussetzung für seine Eingruppierung in die bisherige Vergütungsgruppe bilden, und ihm andere Arbeiten, die die Tätigkeitsmerkmale seiner bisherigen Vergütungsgruppe erfüllen, nicht übertragen werden können" (§ 55 Abs 2 Unterabsatz 2 Satz 1 BAT). Die Herabgruppierung ist - was das LSG bei seinem Hinweis auf § 55 Abs 2 BAT übersieht - in diesem Fall rechtlich aber erst ausgeschlossen, wenn das Bronchialasthma des Klägers als Berufskrankheit festgestellt ist (Satz 2).

Die Entscheidung über die Kosten auch des Revisionsverfahrens trifft das LSG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659831

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