Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. Berufsausbildungsbeihilfe. abstrakte Förderungsfähigkeit auch bei Zweitausbildung. Anforderungen an einen besonderen Härtefall
Leitsatz (amtlich)
1. Von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist ausgeschlossen, wer eine nach den §§ 60 bis 62 SGB 3 dem Grunde nach objektiv förderungsfähige Ausbildung absolviert.
2. Ein die darlehensweise Leistungsgewährung eröffnender besonderer Härtefall kommt insbesondere aus arbeitsmarktbezogenen Gründen in Betracht (Anschluss an und Fortführung von BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 6).
Normenkette
SGB 2 § 7 Abs. 5 Sätze 1-2, § 1 Abs. 1 S. 2; SGB 3 § 60 Abs. 1, 2 S. 1; SGB 3 §§ 60ff; BSHG § 26 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für die Zeit einer beruflichen Zweitausbildung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Die 1983 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau. Sie war in diesem Beruf nach Abschluss ihrer Ausbildung ein Jahr lang tätig und bezog anschließend Arbeitslosengeld (Alg) nach dem SGB III bis zum 31.7.2005. Ab 1.8.2005 nahm die Klägerin, die zunächst noch im Landkreis B. wohnte, eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten bei einer Rechtsanwaltskanzlei in H. auf. Die für B. zuständige Arbeitsgemeinschaft (ARGE) SGB II bewilligte ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis einschließlich Oktober 2005. Wegen ihres Umzugs nach H. beantragte die Klägerin bei der für H. zuständigen und nunmehr beklagten ARGE die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 1.11.2005. Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, die Klägerin habe als Auszubildende Anspruch auf Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder nach den §§ 60 bis 62 SGB III. In solchen Fällen sei die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) gemäß § 7 Abs 5 und 6 SGB II ausgeschlossen (Bescheid vom 11.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005).
Die Klägerin erhielt die im Ausbildungsvertrag vereinbarte monatliche Ausbildungsvergütung von 255 Euro im ersten, 300 Euro im zweiten und 325 Euro im dritten Ausbildungsjahr. Daneben bezog sie Wohngeld in Höhe von monatlich 92 Euro. Außerdem erhielt sie von ihrer Mutter das an diese ausgezahlte Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.9.2006): Leistungen nach dem SGB II seien nach § 7 Abs 5 SGB II ausgeschlossen. Eine Zweitausbildung, die nach den Normen des BAföG und des SGB III nicht gefördert werde, solle auch nicht nach dem SGB II gefördert werden. Auch eine darlehensweise Leistungsgewährung scheide aus, weil die Berufsausbildung noch nicht so weit fortgeschritten sei, dass ein Abschluss bevorstehe.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 1.11.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II lägen vor. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II greife nicht ein. Die Klägerin absolviere keine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung. Bei der aufgenommenen Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten handele es sich um eine solche in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, sodass die Förderungsfähigkeit iS von § 60 Abs 1 SGB III in Betracht komme. Die Förderungsfähigkeit sei aber nach § 60 Abs 2 Satz 1 SGB III dem Grunde nach ausgeschlossen. Danach sei nur die erstmalige Ausbildung förderungsfähig. Nach der Systematik des Arbeitsförderungsrechts sei unter einer Ausbildung nur die erste zu einem Abschluss führende Berufsausbildungsmaßnahme zu verstehen. Eine weitere Berufsausbildung sei schon begrifflich keine Ausbildung, sie könne aber arbeitsförderungsrechtlich als berufliche Weiterbildung zu werten sein. Die systematische Unterscheidung zwischen der förderungsfähigen Erstausbildung und einer Zweitausbildung sei auch im SGB II beibehalten worden. Bei der Förderungsvoraussetzung "erstmalige Ausbildung" handele es sich um eine Voraussetzung für die Förderungsfähigkeit dem Grunde nach und nicht nur um eine personenbezogene Voraussetzung für die Förderungsfähigkeit im Einzelfall. Ein Leistungsanspruch der Klägerin führe auch nicht zu schwer hinnehmbaren Wertungswidersprüchen. Die Klägerin werde wie Leistungsempfänger behandelt, die eine Ausbildung in einem nicht als Ausbildungsberuf anerkannten Beruf absolvierten (Urteil vom 24.5.2007).
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 7 Abs 5 SGB II. Der Ausschluss gelte auch dann, wenn für eine an sich förderungsfähige Ausbildung Leistungen der Ausbildungsförderung tatsächlich nicht gewährt würden, weil die Voraussetzungen im Einzelfall aus persönlichen Gründen, wie vorliegend in Form der Zweitausbildung, nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe bereits eine Berufsausbildung. In diesem Beruf seien bundesweite Integrationsmöglichkeiten gegeben. Eine darlehensweise Gewährung der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts komme nicht in Betracht, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am Beginn ihrer dreijährigen Zweitausbildung gestanden habe und besondere Lebensumstände, die die Annahme einer besonderen Härte rechtfertigen würden, nicht erkennbar seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 24.5.2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25.9.2006 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil und macht ergänzend geltend, dass sie unter Berücksichtigung der ursprünglichen Leistungsgewährung, die die endgültige Entscheidung zur Fortführung der Ausbildung und den Wechsel des Wohnortes begründet habe, Vertrauensschutz genieße.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat, weil sie sich in einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung befindet (§ 7 Abs 5 Satz 1 SGB II).
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruchs ist hier auf den Zeitraum vom 1.11.2005 bis zum 24.5.2007 beschränkt. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt versagt. In einem derartigen Fall ist grundsätzlich über die Ansprüche der Klägerin bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG zu entscheiden (BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 4 RdNr 17 mwN) .
1. Die Klägerin erfüllt nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen die Voraussetzungen des § 19 iVm § 7 Abs 1 SGB II, denn sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II), ist erwerbsfähig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 8 SGB II, hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 9 SGB II und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II). Die Klägerin kann gleichwohl keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen, weil sie nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II als Auszubildende von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen ist.
Nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Ausschlussregelung ist auf die Erwägung zurückzuführen, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder gemäß §§ 60 bis 62 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und deshalb im Grundsatz die Grundsicherung nicht dazu dient, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine - versteckte - Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass die dreijährige Ausbildung der Klägerin zur Rechtsanwaltsfachangestellten grundsätzlich förderungsfähig iS des § 60 Abs 1 SGB II gewesen ist, weil es sich um eine betriebliche Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handelt und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist.
Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich bei der Ausbildung der Klägerin zur Rechtsanwaltsfachangestellten auch mit Rücksicht auf die von ihr bereits durchlaufene Berufsausbildung zur Bürokauffrau begrifflich nicht um eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung. Denn die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung ist ausschließlich unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl BSG, Urteil vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 68/06 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in BSG und SozR vorgesehen) . Maßgebend ist deshalb allein die objektive Ausgestaltung der Maßnahme, nicht jedoch die Sicht des Teilnehmers. Eine der in § 7 Abs 6 SGB II geregelten Ausnahmen ist für die Klägerin nicht einschlägig. Hieraus folgt für die Klägerin ein Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Senat folgt auch im Übrigen nicht der Auffassung des LSG, die Ausbildung falle nicht unter die nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossenen, dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildungen, weil es sich für die Klägerin nicht um eine erstmalige Ausbildung iS des § 60 Abs 2 Satz 1 SGB III gehandelt hat. Denn Grundsicherungsleistungen an Auszubildende sind nach § 7 Abs 5 SGB II auch dann ausgeschlossen, wenn eine nach §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolviert wird, die Ausbildung aber nach den Vorschriften des SGB III im konkreten Fall wegen individueller Versagensgründe nicht gefördert werden kann, weil es sich wie vorliegend um eine Zweitausbildung des Hilfebedürftigen handelt, die im hier streitigen Zeitraum noch nicht gefördert werden konnte (s hierzu auch BSG, Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R; zur erweiterten Förderungsfähigkeit von Zweitausbildungen nach § 60 Abs 2 SGB III in der seit 30.8.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 3 des Fünften Gesetzes zur Änderung des SGB III vom 26.8.2008, BGBl I 1728 vgl Voelzke in jurisPR-SozR 19/2008 Anm 4; s auch Spellbrink, SozSich 2008, 30) . Individuelle Versagensgründe, die im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung eingetreten sind, bleiben insoweit außer Betracht. Scheidet die Förderung einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung schon im primär zuständigen System (hier: Arbeitsförderung nach SGB III) auf Grund individueller Versagensgründe aus, führt dies nicht zur Leistungspflicht des grundsätzlich nachrangigen Systems der Grundsicherung nach den Vorschriften des SGB II.
Ein individueller Versagensgrund im vorgenannten Sinne liegt vor, wenn eine Förderung nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III deshalb nicht in Betracht kommt, weil es sich um eine Zweitausbildung handelt. Dies hat der 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zu der vergleichbaren Problematik des Fachwechsels eines nach dem BAföG förderungsfähigen Studiengangs unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II bereits entschieden (Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R) . Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen der genannten Entscheidung an. Gründe für eine abweichende Beurteilung lassen sich nicht daraus herleiten, dass es sich vorliegend um eine nach dem SGB III förderungsfähige berufliche Ausbildungsmaßnahme handelt.
2. Die Klägerin kann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch nicht darlehensweise beanspruchen. Nach § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen gewährt werden.
Der Begriff der besonderen Härte, der voller gerichtlicher Überprüfung unterliegt (BSG, Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R) , fand sich bereits in der Vorläuferregelung des § 26 Abs 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Bei der Auslegung des Begriffs der besonderen Härte im Sinne der genannten Vorschrift hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entscheidend auf den Sinn und Zweck der Ausschlussregelung in § 26 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt. Der grundsätzliche Ausschluss von Ansprüchen zur Sicherung des Lebensunterhalts während einer förderungsfähigen Ausbildung beruhte danach darauf, dass die Ausbildungsförderung durch Sozialleistungen, die die Kosten des Lebensunterhalts umfassten, außerhalb des BSHG sondergesetzlich abschließend geregelt war ( BVerwGE 61, 352, 356; BVerwGE 94, 224, 226 f) . Deshalb solle das Sozialhilferecht grundsätzlich nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung solle die Sozialhilfe mithin davon befreien, eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu sein (BVerwGE 61, 352, 358 f; 71, 12, 15 ff; 82, 125, 129; 94, 224, 226) . Auf Grund des Regelungszusammenhangs zwischen § 26 Abs 1 Satz 1 und 2 BSHG hat das BVerwG gefolgert, dass Hilfebedürftige, die eine Ausbildung der genannten Art betrieben und nach den dafür vorgesehenen Leistungsgesetzen nicht (mehr) gefördert würden, in der Regel gehalten seien, von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen, um für die Dauer der Hilfebedürftigkeit den Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden. Ein "besonderer" Härtefall liege erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzuträten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, dh als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig, erscheinen ließen (BVerwGE 94, 224) .
Derartige Gründe, die über den Umstand, dass die Klägerin während des Laufs der Ausbildung keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält, hinausgehen, sind von der Klägerin weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Allerdings muss auch im Anwendungsbereich der Härteregelung des § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II dem bereits in § 1 Abs 1 Satz 2 SGB II verankerten Ziel der Grundsicherung, die erwerbstätigen Hilfebedürftigen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen, hinreichend Rechnung getragen werden (s hierzu BSG, Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R) . Der Zielsetzung des "Förderns" entspricht es auch, arbeitsmarktbezogene Aspekte bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Härte zuzulassen. Der 14. Senat des BSG hat hierzu ausgeführt, dass ein Härtefall insbesondere dann angenommen werden könne, wenn wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden sei, der nicht durch BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe gedeckt werden könne und deswegen begründeter Anlass für die Annahme bestehe, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit. Es müsse die durch objektive Gründe belegbare Aussicht bestehen, nachweisbar beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen zur Prüfung erfüllt seien, die Ausbildung werde mit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zu Ende gebracht.
Eine derartige Situation liegt bei der Klägerin jedoch nicht vor, da ihre Ausbildung bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung noch nicht in der geforderten Weise unmittelbar vor dem Abschluss stand.
Eine weitere - hier nicht einschlägige - Ausnahme kann nach der Rechtsprechung des 14. Senats anerkannt werden, wenn die bereits weit fortgeschrittene und bisher kontinuierlich betriebene Ausbildung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet ist. Ferner hat der 14. Senat einen Härtefall für möglich gehalten, wenn die finanzielle Grundlage der Ausbildung aus der Sicht des Auszubildenden gesichert schien (BSG, Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 28/06 R - RdNr 36) .
Auch insoweit fehlt es an hinreichenden objektiven Anhaltspunkten für ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin. Denn der Klägerin war es trotz der vorherigen Leistungsbewilligung durch die ARGE SGB II - Landkreis B. zum Zeitpunkt der ablehnenden Verwaltungsentscheidung mit Rücksicht auf die nur kurze Ausbildungsdauer noch zumutbar, die Ausbildung zu beenden.
Schließlich kann ein besonderer Härtefall vorliegen, wenn nur eine nach den Vorschriften des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III förderungsfähige Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (BSG, Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R und B 14/7b AS 28/06 R) . Der erkennende Senat schließt sich der auch insoweit überzeugenden Rechtsprechung des 14. Senats an. Die "Erwerbszentriertheit" des SGB II erfordert eine Auslegung der Härteregelung des § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II, die der Zielsetzung einer möglichst dauerhaften Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit Rechnung trägt. Nach dieser Fallgruppe kommt die darlehensweise Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht, wenn die Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (vgl hierzu eingehend BSG, Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 28/06 R ) und der Berufsabschluss nicht auf andere Weise - insbesondere durch eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung (§ 16 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm §§ 77 ff SGB III) - erreichbar ist. Auch hieran fehlt es. Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass die Klägerin allein durch die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden konnte. Dies ist jedoch im Hinblick darauf entbehrlich, dass jedenfalls schon belegbare objektive Anhaltspunkte dafür fehlen, dass eine derartige Situation vorliegen könnte. Denn die Klägerin, die über einen förmlichen Berufsabschluss als Bürokauffrau verfügte, hat die Zweitausbildung unmittelbar nach Erschöpfung des Anspruchs auf Alg nach dem SGB III aufgenommen. Damit fehlt es an einer jedenfalls vorauszusetzenden Mindestdauer der Betreuung durch die Beklagte. Das Erfordernis des Ablaufs eines derartigen Prüfungszeitraums trägt dem Ausnahmecharakter der Härtefallregelung Rechnung. Im Übrigen hat auch die Klägerin im Verfahren nicht den Standpunkt eingenommen, dass allein durch die Zweitausbildung ihre Eingliederung in das Erwerbsleben sichergestellt werden könnte.
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Verbesserung der Ausbildungschancen förderungsbedürftiger junger Menschen vom 26.8.2008 (BGBl I 1728) durch die Neufassung des § 60 Abs 2 SGB III die Förderungsfähigkeit einer Zweitausbildung eröffnet, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird (zu den Gründen s BT-Drucks 16/8718 S 11; zum ganzen Voelzke in jurisPR-SozR 19/2008 Anm 4) . Durch diese "Öffnung" des Ausbildungsförderungsrechts für die Zweitausbildung wird die letztgenannte Fallgruppe für das Vorliegen eines Härtefalls an Bedeutung verlieren.
3. Die Voraussetzungen des § 22 Abs 7 SGB II (eingefügt ab 1.8.2006 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) für einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung liegen mangels Bezugs von Berufsausbildungsbeihilfe ebenfalls nicht vor.
4. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe die Ausbildung nicht zuletzt im Vertrauen auf die rechtswidrige Alg II-Bewilligung durch die ARGE SGB II - Landkreis B. aufgenommen, sind die für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Beklagte das Verhalten der ARGE zurechnen lassen müsste. Denn der eingetretene Nachteil muss durch eine zusätzliche Amtshandlung beseitigt werden können (vgl nur BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1; BSG, Urteil vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 68/06 R, zur Veröffentlichung in BSG und SozR vorgesehen) . Eine Korrektur des fehlerhaften Verwaltungshandelns würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen, denn das Gesetz verbietet für den ausgeschlossenen Personenkreis grundsätzlich die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und lässt eine darlehensweise Gewährung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte zu. Für eine weitere Öffnung besteht kein gesetzlicher Spielraum.
5. Eine verfassungswidrige Benachteiligung durch den Leistungsausschluss ist nicht ersichtlich (vgl dazu bereits BSG, Urteile vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R und B 14/7b AS 28/06 R) .
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2096183 |
NZA 2009, 424 |
SGb 2008, 658 |
ZfSH/SGB 2009, 31 |
Weiterbildung 2009, 52 |