Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehung während verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf eine Leistung für Kindererziehung (auch) einer Verfolgten des Nationalsozialismus, die während des bis 1949 als Ersatzzeit anerkannten verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes in Großbritannien ein Kind geboren hat (hier: 1943), scheitert am Erfordernis der "Inlandsgeburt" nach Art 2 § 61 Abs 1 S 1 AnVNG (= Art 2 § 62 Abs 1 S 1 ArVNG).
Orientierungssatz
Supranationales Recht kann die "Inlandsgeburt", die grundsätzliches Erfordernis und (kollisionsrechtlicher) Anknüpfungspunkt für die Leistung für Kindererziehung ist, nicht ersetzen.
Normenkette
AnVNG Art 2 § 61 Abs 1 S 1 Fassung: 1989-12-18; ArVNG Art 2 § 62 Abs 1 S 1 Fassung: 1989-12-18; SGB 1 § 30; RVKLG Art 3 Nr 2; WGSVG § 18; EWGV 1408/71 Art 3; EWGV 1408/71 Art 4; EWGV 1408/71 Art 10
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 02.06.1989; Aktenzeichen L 4 An 552/89) |
SG Konstanz (Entscheidung vom 13.02.1989; Aktenzeichen S 6 An 935/88) |
Tatbestand
Streitig ist eine Leistung für Kindererziehung.
Der Kläger ist Rechtsnachfolger der während des Revisionsverfahrens am 25. Januar 1990 verstorbenen früheren Klägerin Gertrud B. (folgend: Klägerin). Die 1903 geborene Klägerin, Verfolgte des Nationalsozialismus, hielt sich verfolgungsbedingt ab Mai 1939 in Großbritannien auf. Dort wurde am 8. Oktober 1943 ihr Sohn Oliver geboren. Seit 1968 bezog sie von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Altersruhegeld; dieser Rente lagen nach Art X des Bundesentschädigungs-(BEG)Schlußgesetzes für April 1939 und die Zeit von Januar 1950 bis April 1954 nachentrichtete Beiträge sowie die Zeit von Mai 1939 bis Dezember 1949 als Ersatzzeit zugrunde.
Den Antrag der Klägerin auf Leistung für Kindererziehung lehnte die Beklagte ab: Die Voraussetzungen des Art 2 § 61 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) lägen nicht vor, weil das Kind nicht im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze geboren und auch kein Ausnahmetatbestand erfüllt sei. Die Klägerin habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Großbritannien gehabt und sei nicht nach Abschluß der Verfolgungszeit bis Dezember 1949, sondern erst im Oktober 1956 zurückgekehrt (Bescheid vom 23. Februar 1988, Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1988).
Das Sozialgericht Konstanz (SG) hat die Beklagte durch Urteil vom 13. Februar 1989 unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Februar 1988 und vom 27. Juli 1988 verpflichtet, eine Leistung für Kindererziehung für den am 8. Oktober 1943 geborenen Sohn zu zahlen. Nach Art 2 § 61 Abs 4 AnVNG fänden §§ 18 und 19 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) entsprechende Anwendung. Die Klägerin falle unter § 18 WGSVG, da sie zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 1. Januar 1950 das Gebiet des Deutschen Reiches verlassen habe.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. In der angefochtenen Entscheidung vom 2. Juni 1989 ist im wesentlichen ausgeführt: Daran, daß wegen der Geburt außerhalb des in Art 2 § 61 Abs 1 AnVNG bezeichneten Gebietes der Anspruch entfalle, ändere das Recht der Europäischen Gemeinschaft nichts. Die Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Nr 1408/71 vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die zu- und abwandern (EWGV 1408/71), könne weder durch die Gebietsgleichstellung ihres Art 10 Abs 1 noch durch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 aaO das Erfordernis der Geburt im Geltungsbereich des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) oder der Reichsversicherungsgesetze ersetzen. Die Ausnahmebestimmung des Art 2 § 61 Abs 3 Nr 1 AnVNG treffe auf die Klägerin nicht zu; sie habe zum Zeitpunkt der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Geltungsbereich des AVG gehabt. Das ergebe sich, auch wenn hierbei ein subjektives Element zu beachten sei, aus der langen Verweildauer in Großbritannien und daraus, daß die Klägerin lange Zeit nach dem Ende möglicher Verfolgungsmaßnahmen zurückgekehrt sei. Auf Art 2 § 61 Abs 4 AnVNG iVm §§ 18, 19 WGSVG lasse sich der Anspruch ebenfalls nicht stützen. Durch diese Vorschriften werde kein Anspruch begründet, sondern nur die Auszahlung ins Ausland geregelt. Eine allgemeine Gebietsgleichstellung für Verfolgte enthalte das WGSVG nicht. Es liege auch keine planwidrige Unvollständigkeit des AnVNG oder des WGSVG vor; denn der Gesetzgeber habe in Art 2 § 61 Abs 4 AnVNG eine Regelung für den Personenkreis der Verfolgten getroffen, ohne eine Gleichstellung des jeweils gewählten verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes mit dem Aufenthalt im Geltungsbereich des AVG zu schaffen und obgleich für den anderen Personenkreis des § 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) durch § 28b Abs 2 FRG die Gebietsgleichstellung geregelt worden sei. Im übrigen sei der Klägerin der gesamte Zeitraum des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes beim Altersruhegeld angerechnet worden. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) sei ebenfalls nicht zu erkennen (Hinweis auf BSGE 63, 282, 289ff).
Zur Begründung der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung des Art 2 § 61 Abs 4 AnVNG iVm §§ 18, 19 WGSVG. Daß diese Vorschriften des WGSVG unter der Überschrift der Zahlung von Renten ins Ausland stünden, rechtfertige die vom LSG getroffene Auslegung nicht, zumal die Absätze 1 bis 3 des Art 2 § 61 AnVNG den Leistungsanspruch für bestimmte Personen träfen. Durch die Verweisung in Abs 4 aaO auf das WGSVG sei die dort bezeichnete Personengruppe als anspruchsberechtigt einbezogen und keine Auszahlungsmodalität geregelt worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 2. Juni 1989 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Februar 1989 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG den Anspruch auf Leistung für Kindererziehung verneint.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist Art 2 § 61 AnVNG, der - ebenso wie die §§ 62 bis 66 aaO - durch Art 3 Nr 2 des Gesetzes über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 (Kindererziehungsleistungs-Gesetz - KLG) vom 12. Juli 1987 (BGBl I 1585) eingefügt worden und am 17. Juli 1987 in Kraft getreten ist. Nach Art 2 § 61 Abs 1 Satz 1 AnVNG, nunmehr idF des Art 8 Nr 1 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261), in Kraft getreten mit Wirkung vom 17. Juli 1987 (Art 85 Abs 3 RRG 1992), erhalten Mütter, die vor dem 1. Januar 1921 geboren sind, für jedes Kind, das sie im Geltungsbereich dieses Gesetzes lebend geboren haben, eine Leistung für Kindererziehung. Der Geburt im Geltungsbereich dieses Gesetzes steht nach Satz 2 aaO die Geburt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze oder in Berlin vor dem 1. Februar 1949 gleich. Die Leistung, deren Höhe jährlich 1,125 vH der jeweils für die Berechnung von Renten geltenden allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 32 Abs 2 AVG) beträgt (aaO Satz 3), wird gemäß Abs 2 aaO stufenweise nach Jahrgängen, nach Nr 1 für Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1907 vom 1. Oktober 1987 an gewährt.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der soeben bezeichneten Vorschriften nicht, da das Kind, für das die Leistung begehrt wird, in Großbritannien geboren ist. Supranationales Recht kann die "Inlandsgeburt", die - worauf in anderem Zusammenhang noch näher einzugehen sein wird - grundsätzliches Erfordernis und (kollisionsrechtlicher) Anknüpfungspunkt für die beantragte Leistung ist, nicht ersetzen. Zwar fallen die Vorschriften des Art 2 §§ 61 ff AnVNG, die als "Leistungen für Kindererziehung" (an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921) - so die Überschrift über diesem 6. Abschnitt des AnVNG - gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 Buchst g) des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) idF des KLG zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gehören, auch unter den sachlichen Geltungsbereich des Art 4 der EWGV 1408/71 (wozu erforderlich ist, aber auch genügt, daß die Regelung "jedenfalls unter anderem einen Bezug zu einem der in Art 4 Abs 1 dieser Verordnung ausdrücklich aufgezählten Risiken hat", vgl EuGH, Urteil vom 27. März 1985 - 122/84 = SozR 6050 Art 4 Nr 18 S 44); indessen enthält die EWGV 1408/71 keine Norm, aufgrund derer die Geburt in Großbritannien einer Geburt im Geltungsbereich des AVG oder im Geltungsbereich deutscher Gesetze gleichgestellt werden könnte. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß Art 3 Abs 1 der Verordnung den hier streitigen Sachverhalt nicht trifft. Danach haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Die Vorschrift verbietet die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Deshalb kann sie, da eine Leistung ausschließlich nach deutschem Recht von einem deutschen Träger in Streit steht, die Klägerin als deutsche Staatsangehörige nicht schützen, als (möglicherweise auch) britische Staatsangehörige deswegen nicht, weil auch eine Deutsche für die Geburt eines lebenden Kindes in Großbritannien (sofern keiner der noch zu erwähnenden Ausnahmetatbestände vorliegt) einen Anspruch der streitigen Art nicht erwirbt. Der vom LSG erwähnte Art 10 Abs 1 der EWGV 1408/71 ist schon deshalb nicht einschlägig, weil er sich auf das Verbot der Kürzung, der Änderung, des Ruhens, Entzugs und der Beschlagnahme von Geldleistungen wegen des Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat bezieht, andererseits aber voraussetzt, worum es im vorliegenden Rechtsstreit geht und woran es fehlt, nämlich daß ein "Anspruch erworben worden ist."
Allerdings kommt es nicht ausschließlich auf eine Geburt im Geltungsbereich des AVG oder der in Art 2 § 61 Abs 1 Satz 2 AnVNG gleichgestellten Gebiete an. Nach Abs 3 Nr 1 aaO besteht auch ein Anspruch für Mütter, die zwar ein Kind außerhalb des bezeichneten Geltungsbereiches lebend geboren haben, aber im Zeitpunkt der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Geltungsbereich hatten. Damit soll Zufälligkeitsergebnissen vorgebeugt werden, wenn zB das Kind urlaubsbedingt im Ausland geboren wurde (vgl Regierungsentwurf zum KLG, BT-Drucks 11/197, Allg. Teil S 9 und Besonderer Teil zu § 62 ArVNG S 11). Darüber hinaus ist eine Anlehnung an das Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetz (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I 1450) zu erkennen, das in den neugeschaffenen §§ 2a und 28a AVG auf Erziehungszeiten - ebenfalls im maßgebenden Geltungsbereich -, und nicht nur auf einen Zeitpunkt abhebt. Indessen hatte die Klägerin im Oktober 1943 ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch bei weiter Auslegung dieses Begriffes nicht (mehr) im damaligen Reichsgebiet als dem Gebiet, wo sich jemand "unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt" (§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB I). Keiner näheren Erörterung bedarf, inwieweit hierbei der Verweilwille als subjektives Element eine Rolle spielt und bei bestimmten Personengruppen der unfreiwillige Aufenthalt nicht als gewöhnlicher Aufenthalt zu werten sein mag (vgl zB VDR-Komm, Stand 1. Juli 1988, Anm 13 zu Art 2 § 62 ArVNG: Evakuierte während der Evakuierung; Flüchtlinge, solange sie in Drittstaaten interniert und festgehalten wurden; in das Ausland verschleppte Frauen), insbesondere ob - wie aus der Begründung des Widerspruchsbescheides als Verwaltungspraxis der Beklagten zu entnehmen - bei Verfolgten eine Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Verfolgungsgebiet für den Fall der Rückkehr bis zum 31. Dezember 1949 anzunehmen sein soll. Dies gilt auch für die Rechtsprechung, die von einer längeren tatsächlichen Verweildauer an einem Ort regelmäßig auf die Begründung eines dortigen gewöhnlichen Aufenthaltes geschlossen hat (BSGE 27, 88, 89; 57, 93, 95; 60, 262, 263). Denn die Klägerin ist erst 1956, also lange Zeit nach Beendigung von Verfolgungsmaßnahmen, in das Gebiet der heutigen Bundesrepublik zurückgekehrt. Andere in Art 2 § 61 Abs 3 AnVNG unter Nrn 2 und 3 erwähnte Ausnahmetatbestände vom Erfordernis der "Inlandsgeburt" kommen nicht in Betracht. Das LSG hat unangefochten und daher für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin unmittelbar vor der Geburt Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung aufgrund einer Beschäftigung in Großbritannien zurückgelegt haben oder versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen sein oder ihr Ehemann diese Voraussetzungen erfüllt haben könnte.
Nun stützt der Kläger die Revision weder auf EWG-Recht noch auf Art 2 § 61 Abs 3 AnVNG, sondern lediglich auf Abs 4 dieser Vorschrift, wonach auf die Leistung für Kindererziehung die §§ 18 und 19 WGSVG entsprechende Anwendung finden. Er meint, durch die Verweisung auf § 18 WGSVG sei die dort bezeichnete Personengruppe als anspruchsberechtigt einbezogen worden; es genüge die Zugehörigkeit der Klägerin zum Personenkreis des § 18 WGSVG und die Geburt zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 1. Januar 1950. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Schon Konzept und systematischer Aufbau des Art 2 § 61 AnVNG sprechen gegen diese Rechtsauffassung. Abs 1 Satz 1 der Vorschrift enthält die Regelung über den anspruchsberechtigten Personenkreis, Satz 2 aaO über die Höhe und Abs 2 über den Beginn der Leistung. Abs 3 aaO erweitert, wie bereits dargelegt, den Personenkreis der Anspruchsberechtigten ("Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Mütter ..."). Abs 4 aaO dagegen knüpft weder an Abs 1 Satz 1 noch an Abs 3 an. Denn mit der Formulierung, daß "auf die Leistung" §§ 18, 19 WGSVG entsprechende Anwendung finden, wird die Erfüllung der anspruchsbegründenden Merkmale (Lebensalter, grundsätzlich Lebendgeburt im "Inland") vorausgesetzt und lediglich hinsichtlich der Auszahlung eine Besonderheit normiert. In diesem Zusammenhang muß beachtet werden, daß gemäß § 30 Abs 1 SGB I die Vorschriften des SGB I (grundsätzlich nur) "für alle Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben", also - vorbehaltlich über- und zwischenstaatlichen Rechts (Abs 2 aaO) - das Territorialitätsprinzip als Anknüpfung dient. Art 2 § 61 Abs 4 AnVNG bringt eine Abweichung von diesem Grundsatz, indem er für eine bestimmte Personengruppe eine Vergünstigung schafft. Das verdeutlichen die Bezugsvorschriften der §§ 18, 19 WGSVG mit der Überschrift "Zahlungen von Renten ins Ausland". § 18 regelt in seinem Abs 1 Satz 1, daß Verfolgte, die zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 das Gebiet ua des Deutschen Reiches verlassen haben, unter weiteren, hier nicht interessierenden Voraussetzungen die Rente wie Verfolgte gezahlt erhalten können, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des WGSVG haben. § 19 WGSVG enthält ergänzende Bestimmungen für vertriebene Verfolgte. Wenn nun nach Art 2 § 61 Abs 4 AnVNG die genannten Vorschriften des WGSVG auf die Leistung für Kindererziehung (nur) entsprechende Anwendung finden, so deshalb, weil diese Leistung keine Rente iS der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Was das Gesetz damit nach seinem Wortlaut und Sinn zum Ausdruck gebracht hat, entspricht dem Gesetzgebungswillen: "Nach Abs 4 sollen die in den genannten Vorschriften des Wiedergutmachungsrechts bezeichneten Personen die Leistung für Kindererziehung auch bei Aufenthalt im Ausland erhalten. Im übrigen wird die Leistung wegen ihres besonderen Charakters - vorbehaltlich des über- und zwischenstaatlichen Rechts - nicht ins Ausland gezahlt" (Regierungsentwurf zum KLG, BT-Drucks 11/197, Besonderer Teil, Begründung zu § 62 ArVNG, letzter Absatz, S 11).
Eine planwidrige, vom Richter zu schließende Lücke im Gesetz, sei es in Art 2 § 61 AnVNG, im WGSVG oder im Zusammenwirken beider Komplexe dahin, daß bei Verfolgten eine Geburt während des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes im Rahmen des Art 2 § 61 AnVNG einer Geburt im Inland gleichgesetzt werden müßte, läßt sich nicht erkennen. Mit Recht hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß insbesondere zwei Gesichtspunkte gegen eine ungewollte Lücke im Gesetz sprechen. Zum einen ist in Art 2 § 61 Abs 4 eine Regelung für Verfolgte getroffen; dem Gesetzgeber des KLG war also der Personenkreis des WGSVG bewußt. Andererseits wurde durch Art 5 KLG dem § 28b FRG ua ein Abs 2 angefügt, wonach für den Anspruch auf eine Leistung für Kindererziehung ua nach Art 2 § 61 AnVNG bei dem in Abs 1 genannten Personenkreis (in § 1 FRG bezeichnete Personen sowie Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik oder Berlin-Ost hatten) die Geburt eines Kindes in den dort genannten Gebieten der Geburt im Geltungsbereich des FRG gleichsteht; somit hat der Gesetzgeber auch für eine bestimmte Personengruppe die Gebietsgleichstellung hinsichtlich des Geburtsortes vorgenommen, dh im Ergebnis den Kreis der nach Art 2 § 61 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 AnVNG Berechtigten erweitert. Dies zeigt, daß der Gesetzgeber, wollte er Verfolgte hinsichtlich der Geburt während des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes in die Vergünstigungen des KLG einbeziehen, dies - etwa nach dem Vorbild des § 28b Abs 2 FRG - hätte tun können und müssen. Das ist jedoch nicht geschehen. Aufgrund dessen kann keine Lücke im Gesetz festgestellt, sondern allenfalls ein "Fehler" des Gesetzes angenommen werden (vgl Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 73).
Etwas anderes kann auch nicht aus allgemeinen entschädigungsrechtlichen Gesichtspunkten hergeleitet werden. Eine "Generalklausel" gibt es im Recht der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung nicht. Die Anwendbarkeit des bereits erwähnten § 28b Abs 2 FRG beschränkt sich auf die dort bezeichneten Gebiete (vgl zu § 28b Abs 1 FRG, der die Anrechnung von Versicherungszeiten wegen Kindererziehung betrifft, Urteil des Senats vom 12. Juli 1988 - 4/11a RA 36/87 = BSGE 63, 282, 287 f). Alle Entschädigungsregelungen des WGSVG setzen zudem einen durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen verursachten Schaden in einem Rentenanspruch oder einer Rentenanwartschaft voraus (BSGE aaO 288), woran es hier fehlt, weil die Leistung nach dem KLG keine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern eine Leistung (des Familienlastenausgleichs) eigener Art ist. Überdies sind Lebenssachverhalte wie der vorliegende bereits hinreichend entschädigungsrechtlich erfaßt. Die Klägerin erhielt wegen des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes und für diesen eine die Höhe ihres Altersruhegeldes steigernde Ersatzzeit (Monate Mai 1939 bis Dezember 1949).
Schließlich widerspricht es nicht dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 bis 3 GG und auch nicht den Grundsätzen des Rechts- und Sozialstaates, daß der Gesetzgeber des KLG an die "Inlandsgeburt" angeknüpft hat; denn es sollte ein Ausgleich für den generellen Ausfall in der deutschen Rentenversicherung durch Geburt oder Erziehung geschaffen, aber keine Entschädigung gewährt werden für einen Schaden, der lediglich in einer fremden Versicherung hätte eintreten können. Dies hat der Senat in der bereits erwähnten Entscheidung vom 12. Juli 1988 (dort S. 290 ff) im einzelnen dargelegt (ebenso: Urteil des Senats vom 25. April 1990 - 4 RA 48/89). Zwar handelte es sich in jenen Fällen um Kindererziehungszeiten nach § 28a AVG; nichts anderes kann aber für die Leistung des Art 2 § 61 AnVNG gelten, zumal die Ausnahmetatbestände, unter denen eine Erziehung bzw Geburt außerhalb des Geltungsbereiches des AVG oder der jeweiligen Reichsversicherungsgesetze nicht schadet, einander angeglichen sind.
Nach alledem konnte die Revision keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen