Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage, in welcher Höhe die sogenannte Besitzstandsrente nach FANG Art 6 § 7 S 1 zu gewähren ist, wenn die Berufsunfähigkeitsrente beim Inkrafttreten dieses Gesetzes - wegen des gleichzeitigen Bezuges einer Unfallrente - zum Teil ruhte, der Grund hierfür aber nachträglich wegfiel.
Normenkette
FANG Art. 6 § 7 S. 1 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Juli 1965 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die sogenannte Besitzstandsrente nach Art. 6 § 7 Satz 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) zu gewähren ist, wenn die Rente beim Inkrafttreten des FANG zum Teil ruhte, der Grund hierfür aber später weggefallen ist.
Der Kläger setzt das von seiner Ehefrau, der Versicherten, eingeleitete Verfahren fort (§ 1288 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -; § 68 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Rente wegen Berufsunfähigkeit war mit Wirkung von August 1958 an, dem Monat, in dem auch der Versicherungsfall eingetreten war, dem Grunde nach anerkannt worden. Jedoch zahlte die Beklagte zunächst einen Vorschuß, und zwar von monatlich 76,- DM. Sie berief sich in ihrem "vorläufigen Bescheid" vom 26. September 1958 auf Art. 2 § 43 Abs. 1 Satz 2,3 und Abs. 2 Satz 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG). Dafür war erheblich, daß die Leistung u. a. auf Beiträgen zur tschechoslowakischen Rentenversicherung beruhte. - Mit Rücksicht auf die Rechtsänderung durch das FANG stellte die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden vom 12. April und 12. Juni 1961 die Rente endgültig fest. Dabei ermittelte sie, daß von den in Betracht kommenden Rentenberechnungsmethoden (Art. 6 § 6 Abs. 1 Satz 1 FANG i. V. m. §§ 1253 ff RVO nF; Art. 2 §§ 32 ff ArVNG; Art. 2 § 36 ArVNG) die nach Art. 2 § 36 Abs. 1 ArVNG (Berechnung der Rente nach altem Recht und Gewährung eines Sonderzuschusses) die für die Versicherte günstigste war. Den hieraus sich ergebenden Betrag von monatlich 76,- DM zahlte die Beklagte jedoch nur gekürzt aus, weil die Versicherte sowohl z. Z. der Verkündung als auch des Inkrafttretens des FANG zugleich eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung bezogen hatte (§ 1274 Abs. 1 RVO aF). Diese Rente war der Versicherten zum Ablauf des Monats März 1960 entzogen worden. Für die Rente aus der Rentenversicherung gelangte die Beklagte - abgestellt auf das Jahr 1958 - zu einem monatlichen Zahlbetrag von 63,50 DM. Diese Leistung hob die Beklagte in den Folgejahren nach Maßgabe der Rentenanpassungsgesetze (RAG) an. Auf die Rückforderung der Beträge, die im Hinblick auf die ursprünglich angenommenen Monatsbeträge von 76,- DM überzahlt worden waren, verzichtete sie. Dagegen lehnte sie es ab, den Ursprungsbetrag wieder für die Zeit nach Wegfall der Verletztenrente gelten zu lassen. Ihres Erachtens hatte es bei 63,50 DM als Ausgangsbetrag sein Bewenden.
Der Klage hat das Sozialgericht (SG) Bayreuth mit Urteil vom 30. November 1962 stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, der Versicherten vom 1. April 1960 an die Rente ohne Anwendung von Ruhensvorschriften auszuzahlen. Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 6. Juli 1965 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach seinem Dafürhalten war die Beklagte formell- und sachlich-rechtlich befugt, die zunächst nur als Vorschuß zuerkannte Rente herabzusetzen. Die Beklagte habe sich - so hat das LSG dargelegt - der richtigen Rentenberechnungsmethode bedient und die Auswirkung des Ruhens auf die sogenannte Besitzstandsrente berücksichtigen dürfen. Letzteres sei auch deshalb gerechtfertigt gewesen, weil der Umstand (Bezug einer Verletztenrente), der das Ruhen hervorgerufen habe, nicht nur von vorübergehender Art gewesen sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen. Der Kläger hat das Rechtsmittel eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Er meint, die Entscheidung des LSG vermöge im Ergebnis nicht zu befriedigen. Es sei nicht einzusehen, weshalb für die Versichertenrente nach Wegfall der Verletztenrente nicht von 76,- DM monatlich ausgegangen werde, obgleich dies der Fall sein würde, wenn die Rente niemals gekürzt worden wäre. Außerdem spreche der Sachverhalt für die Annahme, daß die Rente nur vorübergehend geruht habe; denn bei der endgültigen Feststellung der Rente durch die angefochtenen Bescheide habe die Versicherte die Verletztenrente schon nicht mehr bezogen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet.
Die Beklagte war nicht gehindert, die Versichertenrente herabzusetzen. Der erste - "vorläufige" - Bescheid aus dem Jahre 1958 war nicht unabänderbar geworden. Eine solche Beständigkeit war diesem Bescheid weder von Anfang an eigen noch wurde sie ihm später zuteil. Zunächst war die Rente - wie es Art. 2 § 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 ArVNG vorsieht - ausdrücklich nur als Vorschuß angewiesen worden. Später stand einer Feststellungskorrektur Art. 6 § 7 Satz 1 FANG nicht entgegen. Diese Vorschrift gebietet sogar die Reduzierung der Rente auf das im Gesetz näher beschriebene Leistungsmaß (dazu: BSG 24, 223). Denn Art. 6 § 7 Satz 1 FANG garantiert nicht schlechthin den Fortbestand der vorher zuerkannten Rente, sondern gesteht lediglich das Vorrecht auf diejenige Leistung zu, "die sich nach Anwendung der Kürzungs- und Ruhensvorschriften auf Grund des Art. 2 § 43 Abs. 1 des ArVNG ... und des Ersten Rentenanpassungsgesetzes ergibt". An diese Richtschnur hat sich die Beklagte gehalten.
Sowohl die Beklagte als auch die Vorinstanzen haben zutreffend in Art. 6 §§ 6 und 7 FANG die Rechtsgrundlage für die Beurteilung des Klageanspruchs gesehen. Dabei kann offenbleiben, ob § 6 Abs. 1 Satz 1 FANG unmittelbar Platz greift, weil die Rente - wenn auch nur vorläufig - vor Verkündung des FANG (3. März 1960) festgestellt worden war oder ob aus § 8 FANG die entsprechende Anwendung dieser Gesetzesvorschrift folgt (vgl. BSG SozR Nr. 1 zu Art. 6 § 8 FANG).
Gemäß Art. 6 § 7 FANG ist die zu erbringende Leistung durch Art. 2 § 43 Abs. 1 ArVNG festgelegt. Diese Bestimmung verweist ihrerseits auf die Vorschriften über die Umstellung von Renten (Art. 2 §§ 31-35 ArVNG) und schreibt die Anwendung des § 36 aaO vor. Der danach festgelegte Berechnungsmodus der Rente ergab den für die Versicherte günstigsten Wert. Daran änderte sich auch nichts durch die Minderung des Rentenbetrages infolge des Ruhens, das wegen des Zusammentreffens der Versichertenrente mit der Verletztenrente aus der Unfallversicherung ausgelöst wurde. Die Rechtsfolge des Ruhens wirkte sich auf die Höhe der nach Art. 2 § 36 Abs. 1 ArVNG festzusetzenden Rente aus. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt ausgesprochen (BSG 14, 251; SozR Nr. 5 und 6 zu Art. 2 § 36 ArVNG). Es hat dies aus der Fassung des Gesetzes und dem Gedanken der Besitzstandswahrung hergeleitet. Dem Berechtigten soll der letzte wirkliche Leistungsstand, eine vom Tatsächlichen her bestimmte Größe, aber auch nicht mehr erhalten bleiben. Deshalb kommt es auf den Rentenzahlbetrag an und nicht auf den - an sich - zustehenden, von einem Ruhen unberührten Betrag der Rente.
Freilich muß Art. 2 § 36 Abs. 1 ArVNG vorliegend - ebenso wie in den sonstigen Fällen des Art. 2 § 43 Abs. 1 Satz 2 ArVNG - sinngemäß verstanden werden, da weder für den Monat Dezember 1956 Anspruch auf Rente bestand, noch mit dem Inkrafttreten des ArVNG der Anspruch begründet wurde. Es ist infolgedessen das mit § 36 Abs. 1 aaO Gemeinte auf einen Sachverhalt wie diesen zu übertragen. Dazu bieten sich zwei Möglichkeiten an. Entweder richtet man sich nach dem Rentenzahlbetrag, der vor dem Wirksamwerden des Art. 6 § 7 FANG - also vor dem 1. Januar 1959 - gewährt wurde, oder man greift zurück auf den Betrag, der vor der Verkündung des FANG bei der Feststellung der Rente gezahlt wurde. Festgestellt wurde die Rente im September 1958. Für Letzteres gibt das Gesetz selbst eine Parallele in Art. 6 § 11 Satz 2 FANG. Diese Vorschrift trifft auf den vorliegenden Sachverhalt zwar nicht zu; denn sie bezieht sich auf Versicherungsfälle aus der Zeit vor dem 1. Januar 1957, während hier der Versicherungsfall im Jahre 1958 eingetreten ist, jedoch könnte die Gemeinsamkeit der Rechtslagen dieses Falles und der Sachverhalte, auf welche § 11 paßt, die gleiche rechtliche Behandlung rechtfertigen. Andererseits spricht Art. 6 § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FANG dafür, von den Verhältnissen unmittelbar vor dem 1. Januar 1959 auszugehen. Hier ist zu dieser Frage keine abschließende Stellungnahme erforderlich, weil die Rentenhöhe gleich bleibt, gleichviel, ob man von dem Betrag bei der Leistungsfeststellung im September 1958 oder von dem für Dezember 1958 ausgeht. Jedesmal ruhte ein Viertel der Versichertenrente. Das ist § 1274 Abs. 1 RVO (in der bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Fassung) zu entnehmen. Diese Vorschrift älteren Rechts und nicht der entsprechende Rechtssatz des neuen Rechts ist maßgebend, weil im Zusammenhang mit Art. 2 § 36 Abs. 1 ArVNG nur die älteren Ruhensbestimmungen gelten (BSG 18, 207, 211). Der Bestand der so gekürzten Versichertenrente ist durch Art. 6 § 7 FANG geschützt.
Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis ist auch nicht aus der Erwägung zu gewinnen, daß ein Ruhenstatbestand, der nur vorübergehender Natur und dessen Ende von vornherein absehbar ist, sich nicht nachteilig auf den Bestandsschutz der Rente nach Art. 2 § 36 Abs. 1 ArVNG auswirken soll. Das BSG hat diese Erwägung i. V. m. einem besuchsweisen Aufenthalt des Rentenberechtigten im Ausland gelten lassen (BSG 14, 251). Ob dieser Überlegung auch beim gleichzeitigen Bezug von Renten aus der Rentenversicherung und aus der Unfallversicherung Raum zu geben ist, obgleich hier das gesetzgeberische Motiv für das Ruhen der Rente ein anderes, nämlich die Maximalbegrenzung der Rentenleistungen überhaupt ist, kann dahinstehen. Das Ende des Geschehensablaufs stand in jenem, vom BSG entschiedenen Falle, im Dezember 1956 in "greifbarer" Zukunft bevor. Das gleiche läßt sich hier von der Unfallverletzung der Versicherten und damit von dem Recht auf Weiterbezug der Verletztenrente nicht sagen. Die aus der Unfallversicherung geleistete Entschädigung war zwar nur vorläufig festgestellt worden. Es mag auch mit einer Besserung des Gesundheitszustandes der Versicherten gerechnet worden sein. Ein Termin, zu dem die Verletztenrente wegfallen würde, war nicht vorauszusagen. Das folgt ua daraus, daß die Berufsgenossenschaft noch im Februar 1959 mit Wirkung vom 1. April 1959 die Verletztenrente herabsetzte, also neu feststellte.
Die Folge des Ruhens mußte sich auf den Effektivbestand der Versichertenrente nach Art. 2 § 36 Abs. 1 ArVNG und folglich bei der Anwendung des Art. 6 § 7 FANG auswirken. Das hat das LSG zutreffend erkannt. Die Revision kann infolgedessen keinen Erfolg haben; sie ist mit der auf § 193 Abs. 1, 4 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Fundstellen