Leitsatz (amtlich)
Ein Jugoslawe, der bis August 1967 in der BRD versicherungspflichtig beschäftigt war und im Juni 1968 in Jugoslawien eine nach dortigem Recht versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat, hat keinen Anspruch auf Beitragserstattung, wenn er den Erstattungsantrag erst gestellt hat, nachdem das Abk Jugoslawien SozSich vom 1968-10-12 vom 1969-09-01 in Kraft getreten ist.
Leitsatz (redaktionell)
Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen an jugoslawische Gastarbeiter nach RVO § 1303 Abs 1:
Der Antrag auf Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge nach RVO § 1303 Abs 1 löst nicht nur das Erstattungsverfahren aus, sondern ist ein materiellrechtlicher Bestandteil der Anspruchsvoraussetzungen. Der Anspruch auf Erstattung der Beiträge entsteht daher erst, wenn der Versicherte sein Wahlrecht ausübt indem er den Antrag auf Beitragserstattung stellt.
Normenkette
RVO § 1303 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23, S. 3 Fassung: 1957-02-23; SozSichAbk YUG Art. 39 Fassung: 1968-10-12, Art. 11 Fassung: 1968-10-12, Art. 25 Fassung: 1968-10-12
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 1971 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Es ist umstritten, ob der Kläger die Erstattung der während seiner Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in den Jahren 1965 bis 1967 entrichteten Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung (ArV) verlangen kann ( § 1303 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO - ).
Der Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Er war vom 12. Juli 1965 bis 31. August 1967 in der BRD versicherungspflichtig beschäftigt. Am 10. Juni 1968 nahm er in Jugoslawien eine nach jugoslawischem Recht rentenversicherungspflichtige Beschäftigung auf.
Der Kläger beantragte im September 1969 die Erstattung seiner zur ArV entrichteten Beiträge. Die Beklagte lehnte die Beitragserstattung nach § 1303 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVO mit Bescheid vom 11. Mai 1970 ab, weil nach Art. 11 des am 1. September 1969 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der BRD und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969, 1437, 1568) eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Jugoslawien einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der BRD gleichstehe.
Der Kläger meint, er habe das Recht auf Beitragserstattung am 31. August 1969 erworben, da zu diesem Zeitpunkt die Frist von zwei Jahren seit Wegfall seiner Versicherungspflicht in der BRD verstrichen sei und er bis dahin in der BRD eine neue versicherungspflichtige Beschäftigung nicht aufgenommen habe. Dieses Recht habe ihm durch Inkrafttreten des Abkommens am 1. September 1969 nicht nachträglich genommen werden können.
Das Sozialgericht (SG) Landshut hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 10.12.1970). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 8.7.1971). Es hat sinngemäß ausgeführt, das Abkommen stelle die in beiden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten in ihrer Rechtswirkung gleich (Art. 25). Die nach Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung in der BRD in Jugoslawien begründete Pflichtversicherung schließe den Anspruch auf Beitragserstattung aus.
Der Anwendung des Abkommens stehe nicht entgegen, daß es erst in Kraft getreten sei - 1.9.1969 -, als die Frist von zwei Jahren nach Wegfall der versicherungspflichtigen Beschäftigung bereits abgelaufen gewesen sei. Zwar seien Ansprüche auf Leistungen, die bereits vor Inkrafttreten nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht entstanden seien, vom Abkommen nicht betroffen (Art. 39 Abs. 1); jedoch habe der Kläger vor dem 1. September 1969 keinen Rechtsanspruch auf die Beitragserstattung erworben. Die Zweijahresfrist sei zwar schon am 31. August 1969 abgelaufen; sie sei aber nur eine Bedingung für die Zulässigkeit, einen Anspruch anzumelden. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Beitragserstattung, die bei der Geltendmachung des Anspruchs vorliegen müßten, seien nach § 1303 Abs. 1 Satz 1 RVO das Entfallen der Versicherungspflicht und die Unmöglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung. Jede erneute Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung - auch nach Ablauf der Frist von zwei Jahren - verhindere die Beitragserstattung. In dem Zeitpunkt, in dem die Erstattung beantragt werde, müßten sowohl die Zweijahresfrist verstrichen sein, als auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs vorliegen. Das sei nicht der Fall, wenn der Versicherte "inzwischen" wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen habe. Beim Kläger hätten bei der Antragstellung im September 1969 die Voraussetzungen für die Beitragserstattung nicht mehr vorgelegen, denn die in Jugoslawien am 10. Juni 1968 begonnene versicherungspflichtige Beschäftigung sei nach Art. 39 Abs. 2 zu berücksichtigen, obwohl sie bereits vor Inkrafttreten des Abkommens aufgenommen worden sei.
Der Kläger hat Revision eingelegt und sinngemäß beantragt, die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Bescheid über die Erstattung der Hälfte der für ihn in der BRD zur ArV entrichteten Beiträge zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision, ist zulässig, aber nicht begründet. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat (BSG 10, 127, 129), räumt § 1303 Abs. 1 RVO den Versicherten ein Wahlrecht ein, ob sie von ihrem Beitragserstattungsrecht Gebrauch machen oder mit den bereits gezahlten Beiträgen weiter versichert bleiben wollen. Das Wahlrecht wird durch die Antragstellung auf Beitragserstattung ausgeübt. Der Antrag löst nicht nur das Verfahren aus, sondern ist ein materiell-rechtlicher Bestandteil der Anspruchsvoraussetzungen (BSG aaO). Das Wahlrecht kann ausgeübt werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 1303 Abs. 1 RVO vorliegen, wie Entfallen der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung, kein Recht zur freiwilligen Weiterversicherung, Ablauf einer Frist von zwei Jahren seit Wegfall der Versicherungspflicht und Nichtaufnahme einer neuen versicherungspflichtigen Beschäftigung. Der Anspruch auf Erstattung der Beiträge entsteht erst, wenn der Versicherte sein Wahlrecht ausübt, indem er den Antrag auf Beitragserstattung stellt. Aus § 1303 Abs. 1 RVO ergibt sich auch, daß das Wahlrecht nicht weiterbesteht, wenn keine Voraussetzung mehr vorliegt, etwa wenn der Versicherte wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat. In einem solchen Fall hat er sein Wahlrecht durch die Neuaufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung hinfällig gemacht. Er kann dann nicht mehr die Beitragserstattung wählen.
Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger mit Ablauf der Frist von zwei Jahren seit Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung in der BRD am 31. August 1969 das Recht erworben hatte, die Beitragserstattung zu wählen. Jedenfalls hat er nicht einen Anspruch auf die Erstattung der Beiträge erworben; denn als er den Erstattungsantrag im September 1969 stellte und damit ein Wahlrecht ausüben wollte, war die Voraussetzung, daß inzwischen nicht erneut eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen worden war, nicht erfüllt. Das LSG hat zu Recht ausgeführt, daß die in Jugoslawien am 10. Juni 1968 aufgenommene, dort versicherungspflichtige Beschäftigung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der BRD gleichsteht (Art. 25). Gleichstellung bedeutet, daß die Versicherungszeiten bei Leistungsansprüchen zu berücksichtigen sind. Dies kann, wie das LSG ebenfalls zu Recht dargelegt hat, sowohl positive Wirkungen haben, indem die zusammengerechneten Versicherungszeiten einen Leistungsanspruch begründen, als auch negative Wirkungen, insofern Versicherungszeiten das Entstehen eines Anspruchs auf eine Regelleistung - Beitragserstattung - verhindern. Das Abkommen ist hier anzuwenden, denn als der Kläger die Beitragserstattung beantragte und damit durch Ausübung eines Wahlrechts einen Erstattungsanspruch zur Entstehung bringen wollte, war es bereits in Kraft getreten.
Der Kläger verkennt die Rechtslage, wenn er meint das Abkommen habe rückwirkend seinen vor dessen Inkrafttreten entstandenen Leistungsanspruch auf Beitragserstattung vernichtet. Ein Leistungsanspruch war noch nicht entstanden, da der Kläger vor dem Inkrafttreten des Abkommens ein Wahlrecht nicht durch einen Antrag auf Beitragserstattung ausgeübt hatte.
Es ist nicht grundgesetzwidrig, daß durch das Abkommen und die dadurch bewirkte Gleichstellung der in Jugoslawien am 10. Juni 1968 aufgenommenen versicherungspflichtigen Beschäftigung in der BRD ein Wahlrecht des Klägers nach § 1303 Abs. 1 RVO hinfällig wurde. Selbst wenn das Wahlrecht als eine durch Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte bestehende vermögenswerte Rechtsposition angesehen werden könnte, ist mit dessen Wegfall für den Berechtigten kein Vermögensschaden eingetreten. Vielmehr wären ein durch Ausübung des Wahlrechts entstandener Erstattungsanspruch und die Aufrechterhaltung der Versicherung vermögensrechtlich gleichwertig. Im übrigen ist das Abkommen auch nicht mit einer zu beachtenden schädigenden Rückwirkung in Kraft getreten (Art. 42 Abs. 2; Bekanntmachung vom 11.8.1969 - BGBl II 1568 -).
Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Beitragserstattung. Seine Revision ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen