Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Vollendung des 60. Lebensjahrs. Ermittlung des maßgeblichen Geburtsdatums eines türkischen Staatsangehörigen. Auslegung des Urkundenbegriffs des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I
Leitsatz (redaktionell)
1. Das der Erstangabe i.S.v. § 33a Abs. 1 SGB I entsprechende Geburtsdatum ist nicht automatisch durch ein Geburtsdatum zu ersetzen, das in einer älteren Urkunde verzeichnet ist. Ebenso wenig kann allein entscheidend sein, welches Geburtsdatum in der ältesten der nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 SGB I zu berücksichtigenden Urkunden enthalten ist. Vielmehr ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu entscheiden, ob sich aus einer älteren Urkunde nunmehr ein anderes Geburtsdatum “ergibt”.
2. Für die Klärung dessen kommt unter Berücksichtigung der Grundsätze, die sich der Entscheidung des EuGH in der Sache Dafeki vom 02.12.1997 (EuGHE I 1997, 6761) entnehmen lassen, dem Urteil des türkischen Zivilgerichts sowie der daraus folgenden Änderung des Geburtsregisters eine maßgebliche Bedeutung zu. Danach besteht grundsätzlich eine Verpflichtung der deutschen Stellen, von der Behörde eines anderen Staats ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist (vgl. BSGE 88, 89, 95). Dabei können die für die Maßgeblichkeit des Geburtsdatums relevanten Urkunden im Rahmen der Beweiswürdigung auch unter dem Gesichtspunkt geprüft werden, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Durchführung eines Verfahrens zur Änderung des Geburtsdatums im Heimatstaat wesentlich mit dem Ziel verfolgt worden ist, in Deutschland eine Sozialleistung missbräuchlich in Anspruch zu nehmen. Insoweit kann einerseits der zeitliche Zusammenhang zwischen der Änderung des amtlich registrierten Geburtsdatums und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen sowie andererseits auch von Bedeutung sein, über welchen Zeitraum das dokumentierte geänderte Geburtsdatum von einem Versicherten bereits geführt worden ist.
Normenkette
SGB I § 33a Abs. 1, 2 Nr. 2; SGB VI § 38 S. 1 Nr. 1
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Altersrente (AlR) wegen Arbeitslosigkeit und hierbei insbesondere darüber, ob für die Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers der 20. April 1938 oder der 20. April 1942 das maßgebliche Geburtsdatum ist.
Der Kläger ist in der Türkei geboren und besitzt die türkische Staatsangehörigkeit. Er lebt seit August 1969 in der Bundesrepublik Deutschland. Bei seinem Zuzug wies er sich gegenüber der Ausländerbehörde durch seinen Nationalpass aus, in dem der 20. April 1938 als sein Geburtsdatum eingetragen war. Mit diesem Geburtsdatum wurde er bei allen deutschen Stellen geführt. Die von der Beklagten an den Kläger vergebene Versicherungsnummer enthielt ebenfalls dieses Geburtsdatum.
Bis zum Ende des Jahres 1993 war der Kläger in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog er aufgrund seiner am 1. Januar 1994 erfolgten Arbeitslosenmeldung Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz.
Am 3. Februar 1998 beantragte der Kläger die Gewährung von AlR und legte hierzu – nach Aufforderung durch die Beklagte – Auszüge aus dem türkischen Einwohnerbuch (türkisch: Nüfus) vor. Aus der am 11. März 1998 ausgestellten Bescheinigung geht hervor, dass der Kläger am 20. April 1942 geboren sei. Die weitere Bescheinigung vom 21. April 1998 enthält den Vermerk, aufgrund der gerichtlichen Entscheidung vom 13. Oktober 1959 sei das gemäß Ersteintrag registrierte Geburtsdatum des 20. April 1942 auf den 20. April 1938 berichtigt worden. Außerdem reichte der Kläger eine Kopie des Urteils des Landgerichts Malatya (Türkei) vom 7. Oktober 1959 ein, aus dem sich die entsprechende Korrektur ergibt. Aus der weiter vorliegenden Wehrdienstbescheinigung vom Mai 1998 geht hervor, dass der Kläger seinen türkischen Wehrdienst in der Zeit vom 17. Oktober 1959 bis 17. Oktober 1962 ableistete und dort unter dem Geburtsjahr 1938 registriert war.
Mit Bescheid vom 2. September 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von AlR ab, weil der Kläger – unabhängig von den weiteren Voraussetzungen – das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Entsprechend der ursprünglichen Eintragung im türkischen Personenstandsregister, welcher wegen der zeitlichen Nähe zur Geburt eine höhere Beweiskraft zukomme, werde das 60. Lebensjahr erst am 20. April 2002 vollendet. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 1999 zurück.
Das Sozialgericht Köln (SG) hat die Klage mit Urteil vom 11. August 2000 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung durch Urteil vom 7. Februar 2001 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Mai 1998 AlR wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe einen Anspruch auf Gewährung von AlR ab 1. Mai 1998 nach § 38 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung. Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr 2 bis 4 dieser Vorschrift seien erfüllt, worüber auch bei den Beteiligten kein Streit bestehe.
Des Weiteren sei davon auszugehen, dass der Kläger im April 1998 das 60. Lebensjahr vollendet habe. Der 20. April 1938 sei als Geburtsdatum maßgeblich geblieben. Dieses Datum habe der Kläger bei seiner Einreise in Übereinstimmung mit der Eintragung in seinem Reisepass bei den Sozialleistungsträgern angegeben.
Von dieser Erstangabe sei eine Abweichung gemäß § 33a Abs 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht zulässig. Ein Schreibfehler (Nr 1 dieser Vorschrift) sei nicht ersichtlich. Nach § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I sei eine Urkunde erforderlich, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1 ausgestellt worden sei und aus der sich ein anderes Geburtsdatum ergebe. Eine derartige Originalurkunde, die vor der Erstangabe im Jahr 1969 ausgestellt worden sei, liege nicht vor. Dass der Kläger ursprünglich unter dem späteren Geburtsdatum 20. April 1942 registriert gewesen sei, lasse sich lediglich den Auszügen aus dem türkischen Einwohnerbuch und dem Gerichtsurteil von 1959 entnehmen. Letzteres enthalte aber gerade eine Korrektur auf das Datum der Erstangabe nach § 33a Abs 1 SGB I – 20. April 1938 –, welches dann in das Personenstandsregister übernommen worden sei. Eine Urkunde, die zum Nachweis dafür geeignet sei, dass der Kläger am 20. April 1942 geboren sei, existiere nicht, sodass die Ausnahmevorschrift des § 33a Abs 2 SGB I, die nur bei ganz eindeutigen Unrichtigkeiten anwendbar sei, nicht eingreife.
Dieses Ergebnis entspreche auch dem Sinn und Zweck der Gesamtregelung des § 33a SGB I. Dadurch solle ausgeschlossen werden, dass nach dem Zeitpunkt der Erstangabe erfolgte Änderungen des Geburtsdatums in Personenstandsregistern zu einer Änderung des im deutschen Sozialrecht maßgeblichen Geburtsdatums führen könnten. Aus § 33a Abs 2 SGB I werde die Absicht des Gesetzgebers deutlich, jeder nachträglichen Manipulation nach dem Zeitpunkt der Erstangabe einen Riegel vorzuschieben.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung materiellen Rechts (§ 38 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung, § 33a SGB I). Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus:
Der Kläger erfülle die Voraussetzungen zur Gewährung einer AlR wegen Arbeitslosigkeit noch nicht. Er vollende das 60. Lebensjahr erst am 19. April 2002, weil der 20. April 1942 als Geburtsdatum anzusehen sei. Das Geburtsregister bzw das Personenstandsregister in der Fassung der Ersteintragung sei die Urkunde, die ihrem Charakter nach geeignet sei, die Richtigkeit des darin angegebenen Geburtsdatums zu belegen. Auch wenn nicht ausschließlich die erfolgte Ersteintragung des Geburtsdatums im türkischen Personenstandsregister als Urkunde iS des § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I in Betracht komme, sei diese Ersteintragung dennoch von erheblicher Bedeutung. Diese Beurkundung erfolge zu einem Zeitpunkt, der näher an dem Zeitpunkt der Geburt liege, und werde aufgrund von Angaben derjenigen Personen vorgenommen, die im späteren Verfahren vor dem Zivilgericht den Antrag auf Änderung des Geburtsdatums stellten bzw als Zeugen vernommen würden. Es möge zwar zutreffen, dass diese Ersteintragung erst geraume Zeit nach der Geburt erfolgt sei, es sei jedoch nicht vorstellbar, dass das Erinnerungsvermögen der erklärenden Personen zum damaligen Zeitpunkt schlechter gewesen sein könnte als zum Zeitpunkt der späteren Beantragung der Änderung bzw der Entscheidung durch das Zivilgericht.
Es könne nicht übersehen werden, dass die Beantragung der Änderung des Geburtsdatums dazu gedient habe, dem Kläger die Möglichkeit zu verschaffen, den Militärdienst anzutreten. Jedenfalls hätten mit der Vorverlegung des Geburtsdatums für den Kläger Vorteile erreicht werden sollen.
Wenn sich das türkische Zivilgericht bei seiner Entscheidungsfindung auf die Erklärung von Zeugen sowie auf das äußere Erscheinungsbild des Klägers berufen habe, müssten an der Beweiskraft dieses Urteils und somit dieser Urkunde erhebliche Zweifel angemeldet werden. Die weiter vorgelegte Urkunde über den abgeleisteten Militärdienst könne als Mittel zur Beweiswürdigung nicht dienen, da das hieraus sich ergebende Geburtsdatum auf der Entscheidung des türkischen Zivilgerichts beruhe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 7. Februar 2001 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 11. August 2000 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat kann über die Revision der Beklagten aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, obwohl der Kläger nicht an ihr teilgenommen hat. Dieser ist nämlich zu dem Termin ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden (vgl § 110 Abs 1, § 124 Abs 1, § 153 Abs 1, § 165 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht für die Zeit ab 1. Mai 1998 einen Anspruch des Klägers auf AlR wegen Arbeitslosigkeit bejaht.
Rechtsgrundlage für den Rentenanspruch des Klägers ist § 38 Abs 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung (vgl Art 33 Abs 10 des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970). Der mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch das Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) eingeführte § 38 Abs 1 SGB VI sieht in seiner hier maßgeblichen Fassung durch das Gesetz vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1078) die Gewährung von AlR wegen Arbeitslosigkeit für Versicherte vor, die 1.) das 60. Lebensjahr vollendet haben, 2.) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und innerhalb der letzten eineinhalb Jahre vor Beginn der Rente insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren, 3.) in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 4.) die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
Nach den Feststellungen des LSG lag bei dem Kläger zu dem Zeitpunkt, ab dem der Rentenanspruch geltend gemacht worden ist (1. Mai 1998), und davor für mehr als 52 Wochen innerhalb der letzten eineinhalb Jahre Arbeitslosigkeit vor. Außerdem sind für acht Jahre Pflichtbeiträge bzw diesen gleichgestellte Beiträge in den letzten zehn Jahren vor dem 1. Mai 1998 und ausreichend Beiträge zur Erfüllung der Wartezeit von 15 Jahren entrichtet worden. Diese Punkte, über die nach den Ausführungen des LSG zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, sind von der Revision nicht angegriffen worden. Für den erkennenden Senat besteht somit kein Anlass, daran zu zweifeln, dass der Kläger ab dem 1. Mai 1998 die Voraussetzungen des § 38 Abs 1 Nr 2 bis 4 SGB VI erfüllt, zumal sich aus der Aktenlage keine gegenteiligen Hinweise ergeben.
Ebenso wenig ist es revisionsgerichtlich zu beanstanden, dass die Vorinstanz hinsichtlich der allein noch streitigen Voraussetzung des § 38 Abs 1 Nr 1 SGB VI zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger im Sinne des Gesetzes am 20. April 1998 das 60. Lebensjahr vollendet hat.
Bei der Prüfung der Frage, wann der Kläger das 60. Lebensjahr vollendet hat, hat das LSG zu Recht auf § 33a SGB I abgestellt. Diese Vorschrift ist mit Art 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970, 2981) eingefügt worden und am 1. Januar 1998 in Kraft getreten (vgl Art 32 Abs 1 1. SGB III-ÄndG). Die Regelung des § 33a SGB I, gegen die grundsätzliche Bedenken verfassungsrechtlicher oder europarechtlicher Art nicht bestehen (vgl zB Senatsurteile vom 5. April 2001 – B 13 RJ 21/00 R –, – B 13 RJ 33/00 R und – B 13 RJ 35/00 R – ≪letzteres in BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr 4≫; BSG SozR 3-1200 § 33a Nr 1, 2), soll die missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen in Fällen vermeiden, in denen aufgrund einer Änderung des amtlich registrierten Geburtsdatums ein längerer oder ein früherer Bezug von Sozialleistungen (zB AlR) begehrt wird (vgl dazu die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 13/8994, S 85).
§ 33a Abs 1 SGB I bestimmt: Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, so ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Nach dieser Grundsatzregel hat der Kläger sein 60. Lebensjahr am 20. April 1998 vollendet, denn nach den Feststellungen des LSG hat er bei seiner Einreise im Jahre 1969 in Übereinstimung mit seinem Reisepass bei den Sozialleistungsträgern den 20. April 1938 als sein Geburtsdatum angegeben.
Eine Änderung dieses iS von § 33a Abs 1 SGB I zuerst angegebenen Geburtsdatums mit dem Ziel, dass ein anderes Geburtsdatum im Hinblick auf Sozialleistungen maßgeblich sein soll, ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 33a Abs 2 Nr 1 und 2 SGB I möglich. Nach dieser Vorschrift darf von einem nach Abs 1 maßgebenden Geburtsdatum nur dann abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass ein Schreibfehler vorliegt (Nr 1) oder dass sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt (Nr 2). Auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen darf von dem nach § 33a Abs 1 SGB I maßgebenden Geburtsdatum (20. April 1938) hier nicht abgewichen werden, weil die Voraussetzungen des § 33a Abs 2 SGB I nicht gegeben sind.
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Schreibfehlers iS von § 33 Abs 2 Nr 1 SGB I liegen nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht vor. Darüber hinaus hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich aus keiner älteren Urkunde iS von § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I ein anderes Geburtsdatum ergibt.
In seinem Urteil vom 5. April 2001 – B 13 RJ 35/00 R – (in BSGE 88, 89, 92 ff = SozR 3-1200 § 33a Nr 4) hat der Senat bereits den Urkundenbegriff des § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I geklärt und weiter dargelegt, dass das der Erstangabe iS von § 33a Abs 1 SGB I entsprechende Geburtsdatum nicht automatisch durch ein Geburtsdatum zu ersetzen ist, das in einer älteren Urkunde verzeichnet ist. Ebenso wenig kann allein entscheidend sein, welches Geburtsdatum in der ältesten der nach § 33 Abs 2 Nr 2 SGB I zu berücksichtigenden Urkunden enthalten ist. Vielmehr ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu entscheiden, ob aus einer älteren Urkunde sich nunmehr ein anderes Geburtsdatum „ergibt”. Hierbei kommt unter Berücksichtigung der Grundsätze, die sich der Entscheidung des EuGH in der Sache Dafeki vom 2. Dezember 1997 (EuGHE I 1997, 6761 = SozR 3-7670 § 66 Nr 1) entnehmen lassen und die auch im vorliegenden Zusammenhang Anwendung finden, dem Urteil des türkischen Zivilgerichts sowie der daraus folgenden Änderung des Geburtsregisters eine maßgebliche Bedeutung zu. Danach besteht grundsätzlich eine Verpflichtung der deutschen Stellen, von der Behörde eines anderen Staates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist (vgl BSGE 88, 89, 95 = SozR 3-1200 § 33a Nr 4). Dabei können die für die Maßgeblichkeit des Geburtsdatums relevanten Urkunden im Rahmen der Beweiswürdigung auch unter dem Gesichtspunkt geprüft werden, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Durchführung eines Verfahrens zur Änderung des Geburtsdatums im Heimatstaat wesentlich mit dem Ziel verfolgt worden ist, in Deutschland eine Sozialleistung missbräuchlich in Anspruch zu nehmen. Insoweit kann einerseits der zeitliche Zusammenhang zwischen der Änderung des amtlich registrierten Geburtsdatums und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen sowie andererseits auch von Bedeutung sein, über welchen Zeitraum das dokumentierte geänderte Geburtsdatum von einem Versicherten bereits geführt worden ist.
In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen ist das LSG im Rahmen seiner Beweiswürdigung nach dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen zu der Beurteilung gelangt, dass die ursprüngliche Eintragung im türkischen Geburtsregister (20. April 1942) nicht besser als spätere, aber ebenfalls vor dem Zuzug des Klägers in die Bundesrepublik entstandene Urkunden, die jeweils das Geburtsdatum „20.4.1938” aufweisen (insbesondere das Urteil des türkischen Zivilgerichts vom 7. Oktober 1959, der daraufhin erfolgte Berichtigungsvermerk im türkischen Geburtsregister und der bei der ersten Einreise nach Deutschland vorgelegte Pass des Klägers), und damit nicht besser als die Grundregel des § 33a Abs 1 SGB I geeignet ist, die Richtigkeit des in ihr angegebenen Geburtsdatums zu belegen. Dabei hat es auch mit seiner Formulierung „eine derartige Originalurkunde (mit dem Geburtsdatum 20.4.1942), die vor der Erstangabe im Jahre 1969 ausgestellt worden ist, liegt nicht vor” ersichtlich nicht zum Ausdruck bringen wollen, bei der Ersteintragung der Geburt im türkischen Register handele es sich nicht um eine berücksichtigungsfähige Urkunde; vielmehr hat die Vorinstanz damit lediglich im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Schlussfolgerung der Beklagten zurückgewiesen, aus dieser die Geburt des Klägers erstmals dokumentierenden Urkunde ergebe sich bereits die Unrichtigkeit des nach § 33a Abs 1 SGB I maßgeblichen Geburtsdatums.
An die auf diese Weise zustande gekommenen Feststellungen des LSG zur Verneinung der Tatbestandsmerkmale des § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I ist der erkennende Senat gemäß § 163 SGG gebunden, da die Beklagte insoweit keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht hat. Vielmehr hat sie lediglich ihre eigene Auffassung an die Stelle der Beweiswürdigung des LSG gesetzt, wenn sie behauptet, das türkische Geburts- bzw Personenstandsregister idF der Ersteintragung sei eine Urkunde, die nach ihrem Charakter (primär) geeignet sei, die Richtigkeit des darin angegebenen Geburtsdatums zu belegen.
Ist nach alledem beim Kläger der 20. April 1938 als maßgebliches Geburtsdatum zugrunde zu legen, erfüllt er ab April 1998 auch die Voraussetzungen des § 38 Abs 1 Nr 1 SGB VI. Folglich ist ihm vom LSG zutreffend AlR wegen Arbeitslosigkeit ab 1. Mai 1998 zugesprochen worden (vgl § 99 Abs 1 SGB I).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen