Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeitszeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz. Ingenieur. Tätigkeit lediglich als Ingenieurspädagoge beim VEB Robotron Vertrieb im Bereich der Berufsausbildung und Schulung. Verfassungsmäßigkeit des Neueinbeziehungsverbots
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein sich im Wege verfassungskonformer erweiternder Auslegung ergebender fiktiver bundesrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt gemäß § 1 der VO-AVItech vom 17.08.1950 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech ab von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
2. In das Versorgungssystem der technischen Intelligenz waren grundsätzlich nur solche Personen einbezogen, die mit ihrer technischen Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten. Lehrkräfte, die das im Unternehmen angewandte Wissen theoretischer und praktischer Art hingegen lediglich weitervermittelten, fielen nicht unter die VO-AVItech.
3. Den Gerichten ist es im Hinblick auf das Verbot von Neueinbeziehungen im Einigungsvertrag untersagt, eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über den in den einzelnen Versorgungssystemen vorgesehenen begünstigten Personenkreis hinaus vorzunehmen. Dieses Verbot der Neueinbeziehung ist auch verfassungsgemäß; der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR ohne Willkür anknüpfen (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 16).
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 5, 8 Abs. 3 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Tatbestände von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech – vom 1. März 1974 bis 31. Dezember 1978) sowie die jeweils erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger erlangte nach Beendigung seines Fachschulstudiums an der Fachschule für Maschinenbau in L.… mit Urkunde vom 18. März 1974 die Berechtigung, den Titel “Ingenieur” zu führen. Im Anschluss an dieses Studium nahm er ein pädagogisches Zusatzstudium an dem Institut für Ausbildung von Ingenieurpädagogen auf. Nach dessen erfolgreichem Abschluss im Februar 1975 war er befugt, die Berufsbezeichnung “Ingenieurpädagoge (Lehrkraft für berufspraktischen Unterricht)” zu führen.
Der Kläger war seit September 1970 als Ausbildungsassistent im volkseigenen Betrieb (VEB) Kombinat R.…-Zentralvertrieb-Schulungszentrum in L.… und danach ab September 1972 und auch noch am 30. Juni 1990 als Lehrer bei dem (nicht selbstständigen) Schulungszentrum des VEB bzw dessen Rechtsnachfolgern beschäftigt. Eine Versorgungszusage für eine zusätzliche Altersversorgung war ihm nicht erteilt worden.
Mit Bescheid vom 7. September 2000 stellte die Beklagte zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften nach dem AAÜG als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech die Zeiten vom 1. Juli 1979 bis 30. Juni 1990 sowie die insoweit erzielten Entgelte fest. Gleichzeitig lehnte sie entsprechende Feststellungen für den Zeitraum 18. März 1974 bis 30. Juni 1979 ab, weil der Kläger in dieser Zeit nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb beschäftigt gewesen sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2000).
Im Verlaufe des Verfahrens vor dem SG nahm der Kläger ein von der Beklagten abgegebenes Teilanerkenntnis für den Zeitraum 1. Januar 1979 bis 30. Juni 1979 an (Ausführungsbescheid vom 6. Februar 2002). Durch Urteil vom 2. Oktober 2002 hat das SG die angefochtenen Bescheide sowie den Ausführungsbescheid abgeändert und die Beklagte (sinngemäß) verpflichtet, die Zeiten vom 1. März 1974 bis 31. Dezember 1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech festzustellen. Im Übrigen – soweit es den Zeitraum 1. September 1970 bis Februar 1974 betraf – hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat die Ansicht vertreten, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 5 AAÜG im og Zeitraum; er sei berechtigt gewesen, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen und habe als Ingenieur in einem VEB gearbeitet.
In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 16. Mai 2003 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt: “Im Kern war es so, dass der Betrieb meines Mandanten für den VEB R.…-Anlagenbau und andere R.…betriebe bei der Inbetriebnahme neu errichteter Anlagen die Einweisung und Schulung der Ingenieure des Betreibers durchgeführt hat. Es wurden dabei auch alle technischen Einweisungen vorgenommen. Dabei musste exaktes theoretisches und praktisches Wissen vermittelt werden. Außerdem wurden die Mitarbeiter der Käufer ausgebildet, die mit den zu errichtenden Anlagen arbeiten sollten.” Das LSG hat durch Urteil vom selben Tag auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG hinsichtlich des zusprechenden Urteilsausspruchs aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Es hat ua ausgeführt: Der Kläger werde bereits nicht vom Anwendungsbereich des AAÜG erfasst. Denn er habe am 1. August 1991 weder auf Grund eines Verwaltungsaktes noch auf Grund eines Gesetzes noch nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage bundesrechtlich einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Die Feststellungen der Beklagten in den Bescheiden vom 7. September 2000 und vom 6. Februar 2002 stünden nicht entgegen. Denn sie enthielten keine positive Entscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG auf den Kläger. Der Kläger habe am 1. August 1991, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, nicht alle Voraussetzungen für die Einbeziehung in die AVItech erfüllt. Zwar sei er berechtigt gewesen, die Berufsbezeichnung “Ingenieur” zu führen. Er habe jedoch weder zum 30. Juni 1990 noch in der Zeit vom 1. März 1974 bis 31. Dezember 1978 eine “ingenieurtechnische” Tätigkeit ausgeübt, sondern sei – entsprechend seiner weiterführenden Ausbildung zum Ingenieurpädagogen – als Lehrer beschäftigt gewesen. Ausweislich der vorgelegten Arbeitsverträge sei er im Bereich der Berufsausbildung und Schulung pädagogisch eingesetzt gewesen. Mithin könne auch offen bleiben, ob es sich bei den jeweiligen Arbeitgebern um volkseigene Produktionsbetriebe (der Industrie oder des Bauwesens) gehandelt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 GG, § 62 SGG), der Amtsermittlungspflicht, einer Hinweispflicht sowie von § 8 Abs 2 und Abs 3 Satz 1 AAÜG und trägt vor: Das LSG habe seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte gestützt, die im gesamten Verfahren noch nicht erörtert worden seien. Er sei erstmals in der mündlichen Verhandlung informiert worden, dass Zweifel an dem ingenieur-technischen Charakter seiner Tätigkeit bestünden. Infolgedessen hätte ihm Gelegenheit gegeben werden müssen, umfassend Stellung zu nehmen. Auch sei das LSG verpflichtet gewesen, ihm vorab einen entsprechenden Hinweis zu erteilen, ihn zur Ergänzung seines Vorbringens aufzufordern und sodann die von ihm angebotenen Beweise zur Aufgabe und Arbeitsweise des Schulungszentrums zu erheben. Eine derartige Beweisaufnahme hätte ergeben, dass er als Ingenieur tätig gewesen sei. Ein Ingenieur sei ein auf wissenschaftlicher Grundlage ausgebildeter Fachmann für Technik. Zu dessen typischen Arbeitsbereichen gehörten Ausbildung und Lehre. Im Zentrum der Arbeit des Schulungszentrums habe die Vermittlung ingenieurtechnischen Spezialwissens gestanden. Im Hinblick hierauf seien die Lehrkräfte monatelang bei Entwicklern und Herstellern tätig gewesen, um anhand dort vorhandener Unterlagen die Grundlagen für die Schulungsdokumentation zu schaffen. Seine Aufgabe habe darin bestanden, den durch einschlägige Ingenieurstudiengänge vorgebildeten Kursteilnehmern den logisch-strukturellen Aufbau der den Gegenstand des Kurses bildenden Technik zu vermitteln. Der Theorie nachgeschaltet gewesen sei der praktische Unterricht. Die Lehrkräfte des Schulungsbetriebes hätten darüber hinaus in enger Verbindung zur Entwicklung und Produktion gestanden und seien punktuell direkt zu Arbeiten bei der Inbetriebnahme und der Anlaufunterstützung herangezogen worden.
Das LSG habe zu Unrecht den Begriff “ingenieur-technisch” einengend ausgelegt. Dies sei vor der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar gewesen. Die Einschränkung sei jedoch durch die zu Grunde liegenden Vorschriften nicht gedeckt. Auch Lehrer technischer Fächer an Hoch- und Fachschulen seien in den Kreis der Versorgungsberechtigten, wie sich aus der zweiten Durchführungsbestimmung ergebe, einzubeziehen gewesen.
Schließlich habe das LSG auch unzutreffend angenommen, dass die bereits ergangenen Bescheide keine eigenständige Feststellung über das Bestehen eines Versorgungsrechtsverhältnisses gemäß § 1 AAÜG iS von § 31 SGB X enthalten hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. Mai 2003 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Oktober 2002 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
1. Auf Grund seiner – das BSG bindenden – tatsächlichen Feststellungen hat das LSG zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) verfolgbaren Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech im noch streitigen Zeitraum vom 1. März 1974 bis zum 31. Dezember 1978 sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte hat (§ 8 Abs 3 Satz 1, Abs 1 und 2 AAÜG). Denn die Vorschriften des AAÜG finden auf den Kläger bereits keine Anwendung.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte keine positive Statusentscheidung in dem Bescheid vom 7. September 2000 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) sowie in dem Teilanerkenntnis getroffen. Denn sie hat als Versorgungsträger in dem Bescheid nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG sowie im Teilanerkenntnis lediglich die ihr in dieser Vorschrift übertragene besondere Befugnis ausgeübt, bestimmte, möglicherweise in der Rentenversicherung des SGB VI erhebliche Tatbestände – hier Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte – vorab festzustellen, die in einem speziellen Bezug zum früheren Versorgungsrecht des Beitrittsgebiets stehen. Sie hat mithin insoweit allein versorgungsspezifische Vorfragen geklärt. In der bloßen Anwendung der Vorschriften in dem angefochtenen Bescheid sowie im Teilanerkenntnis liegt jedoch nicht die bindende Feststellung, zum 1. August 1991 habe der Kläger eine wirkliche oder fiktive Versorgungsanwartschaft gehabt (vgl hierzu BSGE 90, 102, 105 ff = SozR 3-2600 § 307b Nr 10 und SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 ff).
b) Der Kläger war am 1. August 1991 auch aus keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Maßstabsnorm ist insoweit § 1 Abs 1 AAÜG. Nach Satz 1 dieser Bestimmung gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaft deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihn bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten. Beide Tatbestände erfüllt der Kläger nicht. Denn es lag weder am 30. Juni 1990 noch zu einem früheren Zeitpunkt eine Einzelfallentscheidung (auf Grund eines verwaltungsrechtlichen Vertrages oder eines Verwaltungsaktes) vor, durch die dem Kläger eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist.
c) Eine Rehabilitierungsentscheidung mit der Folge einer Anwendung des AAÜG auf den Kläger für Zeiten der Verfolgung unter den in § 13 Abs 3 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes genannten Voraussetzungen ist ebenfalls nicht gegeben.
d) Der Kläger hatte nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht und auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht auch keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage im Sinne der vom erkennenden Senat vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG (vgl hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f, Nr 4 S 26 f, Nr 5 S 32 f, Nr 6 S 39 f, Nr 8 S 72 ff). Zwar haben der Einigungsvertrag (≪EV≫ Art 9 Abs 2 iVm Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9) vom 31. August 1990 (BGBl II S 889) sowie § 22 Abs 1 Rentenangleichungsgesetz DDR vom 28. Juni 1990 (GBl I S 495, Art 9 Abs 2 EV iVm Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8) eine Neueinbeziehung in ein Versorgungssystem ab 3. Oktober 1990 verboten. Jedoch ist § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG aus Gründen der Gleichbehandlung verfassungskonform – erweiternd – auszulegen. Der Senat hat insoweit entschieden, dass eine (fiktive) Versorgungsanwartschaft nicht nur bei denjenigen besteht, die am 30. Juni 1990 zwar nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren, jedoch nach § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG so behandelt werden, weil sie zu irgendeinem Zeitpunkt davor aus dem Versorgungssystem ausgeschieden waren, sondern auch bei denjenigen, die am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme zwar die Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt gehabt hätten, jedoch aus bundesrechtlich nicht anzuerkennenden Gründen nicht einbezogen worden waren. Unter den Anwendungsbereich des AAÜG fallen somit auch diejenigen, die auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 1. August 1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage einen “Anspruch auf eine Versorgungszusage” gehabt hätten (vgl hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 11 f).
Ein derartiger – fiktiver – bundesrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (≪VO-AVItech≫ GBl S 844) iVm § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl S 487) von den folgenden Voraussetzungen ab (vgl hierzu BSGE SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60, Nr 8 S 74), nämlich von
- der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
- der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar
- in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG lag bei dem Kläger die sachliche Voraussetzung für einen fiktiven Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage zur AVItech nicht vor. Er hatte zwar 1974 nach dem erfolgreichen Abschluss des Fachschulstudiums für Maschinenbau die Befugnis, den Titel “Ingenieur” zu führen und damit die persönliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in die AVItech erfüllt. Er übte jedoch keine seiner Qualifikation “Ingenieur” entsprechende Tätigkeit aus. Denn er war beim VEB R.… bzw bei dessen Rechtsnachfolgern nicht als Ingenieur, sondern als Lehrkraft in einem Schulungszentrum tätig.
Wie sich aus der “Präambel” der VO-AVItech ergibt, sollten in das Versorgungssystem grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer “technischen” Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion förderten. Lehrkräfte, die das im Unternehmen angewandte Wissen theoretischer und praktischer Art hingegen lediglich weitervermittelten, die also schwerpunktmäßig eine betriebsbezogene Lehrtätigkeit ausübten, fielen nicht unter die VO-AVItech. Dies ergibt sich auch aus § 1 Abs 1 der 2. DB. Danach zählten zu dem privilegierten Personenkreis der Einzubeziehenden – ausnahmsweise – Lehrer technischer Fächer – aber nur – an den Fach- und Hochschulen. Dieser (Ausnahme-)Regelung hätte es nicht bedurft, wenn derartige Lehrer stets einzubeziehen gewesen wären, unabhängig von ihrer jeweiligen Wirkungsstätte.
Geht man hiervon aus, so hatte der Kläger als Lehrkraft in einem Schulungszentrum auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage und der am 1. August 1991 bundesrechtlichen Rechtslage keinen “Anspruch auf eine Versorgungszusage”. Denn er hatte am 30. Juni 1990 keine dem Berufsbild “Ingenieur” entsprechende Tätigkeit ausgeübt, für die unter den weiteren Voraussetzungen der VO-AVItech sowie der 2. DB dieses Versorgungssystem eingerichtet worden war. § 1 Abs 1 der 2. DB, der den in der VO-AVItech vorgegebenen Rahmen ausfüllt, macht – wie ausgeführt – deutlich, dass nicht alle, die die Berufsbezeichnung “Ingenieur” führten, zur “technischen Intelligenz” im Sinne der VO-AVItech gehörten, sondern nur diejenigen, die aktiv in den Produktionsprozess selbst eingegliedert waren. Hierzu zählte der Kläger nicht. Denn er war als Lehrer in einem dem VEB angeschlossenen Schulungszentrum eingesetzt und vermittelte in erster Linie technisches Wissen über die im VEB erzeugten technischen Produkte, also betriebsbezogenes Wissen. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag somit in der (betriebsbezogenen) Wissensvermittlung und nicht im oben definierten produktionsbezogenen ingenieur-technischen Bereich. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit auch bei der Inbetriebnahme der Produkte hinzugezogen wurde. Denn auch nach seinen Angaben war er in erster Linie als Lehrkraft eingesetzt, musste in diesem Zusammenhang den Unterricht vorbereiten, auch Lehr- und Anschauungsmaterial erstellen, und ggf die Produktionsabläufe “studieren”, um sie nachvollziehbar darstellen zu können.
e) Der Kläger kann auch nicht im Wege einer Gesetzes- bzw Rechtsanalogie auf Grund seiner beruflichen Qualifikation den in § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB zur VO-AVItech genannten Gruppen gleichgestellt werden. Den Gerichten ist es im Hinblick auf das Verbot von Neueinbeziehungen im EV untersagt, eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über den in den einzelnen Versorgungssystemen vorgesehenen begünstigten Personenkreis hinaus vorzunehmen. Das Verbot der Neueinbeziehung ist auch verfassungsgemäß; der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR ohne Willkür anknüpfen (vgl hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 16). Art 3 Abs 1 und 3 GG gebietet nicht, dort vorhandene Ungleichheiten rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen.
2. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) gegen die Feststellungen des LSG greifen nicht durch. Weder hat der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, § 62 SGG) noch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) dargetan.
Eine Überraschungsentscheidung hat das LSG entgegen der Auffassung des Klägers nicht getroffen. Nach seinem Vorbringen sowie nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 16. Mai 2003 war ihm in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen, ob eine Lehrkraft in einem Schulungszentrum eines VEB die Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech erfüllt. Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör mit der Begründung, das LSG habe ihm nicht ausreichend Zeit gegeben, sich zu dem og neuen Gesichtspunkt zu äußern, hat der Kläger ebenfalls nicht dargetan. Denn er hätte nur dann mit Erfolg die Verletzung rechtlichen Gehörs rügen können, wenn er alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft hätte, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl hierzu BVerwG Buchholz 310 § 130a VwGO Nr 47). Dies hat der Kläger jedoch nach seinem eigenen Vorbringen nicht getan. Denn er hat vor dem LSG weder beantragt, ihm eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu gewähren noch hat er einen Vertagungsantrag gestellt.
Selbst wenn man im Übrigen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unterstellen würde, so ist nicht dargelegt, dass das angefochtene Urteil überhaupt auf einem derartigen Verfahrensfehler beruhen kann. Denn aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht, dass das LSG auf der Grundlage seiner – hier maßgeblichen – Rechtsauffassung, die im Übrigen mit der Rechtsprechung des Senats übereinstimmt, sowie seiner Beweiswürdigung zu einer anderen Entscheidung hätte gelangen können. Gleiches gilt schließlich auch hinsichtlich der vom Kläger gerügten Verletzung der Amtsermittlungspflicht.
3. Der Kläger hatte somit am 1. August 1991 keine wirkliche oder fiktive Versorgungsanwartschaft, sodass er bereits nicht vom Anwendungsbereich des AAÜG erfasst war. Infolgedessen hatte er auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung von (weiteren) Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und der insoweit erzielten Arbeitsentgelte. Die Revision hat mithin keinen Erfolg.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen