Leitsatz (amtlich)
Eine Änderung der für die Rentenfeststellung maßgebend gewesenen Verhältnisse, die eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 5 % zur Folge hat, ist wesentlich, wenn dadurch die Grenze von 30 % erreicht wird, von der an nach dem SchwBG eine Gleichstellung mit den Schwerbeschädigten möglich ist.
Normenkette
RVO § 608 Fassung: 1924-12-15; SchwbG § 2 Abs. 1
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 9. Januar 1964 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der am 11. September 1907 geborene Kläger verunglückte am 2. September 1931 auf dem Weg zur Arbeit in einem der Beklagten als Mitglied angehörenden Unternehmen. Er war mit dem Fahrrad, an das er eine Steinforke gebunden hatte, auf dem Weg zur Arbeitsstelle. Als er wegen des schlechten Weges absteigen mußte, glitt er aus und fiel mit dem rechten Bein in die Forke. Er wurde in das Kreiskrankenhaus B eingeliefert und dort bis zum 30.September 1931 stationär behandelt. Die Beklagte führte damals kein Feststellungsverfahren über die Ansprüche des Klägers durch, da der Kläger am 18. November 1931 eine vorgedruckte Erklärung unterzeichnet hatte, daß er wiederhergestellt sei und auf Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten verzichte.
Am 22. April 1953 berichtete der Facharzt für Chirurgie Dr. Sch der Beklagten, daß der Kläger angegeben habe, seine Arbeit nicht mehr verrichten zu können, weil die schon seit mehreren Jahren bestehenden Beschwerden sich im letzten Jahr erheblich verstärkt hätten. Die Beklagte zog Gutachten der Chirurgischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten B (Prof. Dr. R/Dr. D) und des Krankenhauses B (Dr. Sch/Dr. T) bei sowie ein auf Grund der Akten und der Röntgenaufnahmen erstattetes Gutachten des Prof. Dr. R. Durch Bescheid vom 9. April 1954 gewährte sie dem Kläger für die Folgen des Unfalls vom 2. September 1931 Leistungen vom 15. April 1953 an, vom 13. November 1953 an eine Rente in Höhe von 25 v.H. der Vollrente. Hinsichtlich der Unfallfolgen ist im Bescheid ausgeführt: "Als Folge der Stichverletzung im Bereich des rechten Knies besteht eine deformierende Kniegelenkserkrankung re., wodurch die Beweglichkeit in diesem Gelenk eingeschränkt wird. Das rechte Bein weist einen Muskelschwund auf, der ebenfalls als Unfallfolge zu werten ist". Als Unfallfolge ist ausdrücklich nicht anerkannt: Arthrosis deformans im li. Kniegelenk.
Ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bremen, mit dem der Kläger insbesondere Leistungen von einem früheren Zeitpunkt an erstrebt hatte, ist am 12. Mai 1955 durch Rücknahme der Klage beendet worden.
Mit Schreiben vom 28. Juli 1961 beantragten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers eine "Neufeststellung der Erwerbsminderung". Die Beklagte zog die Unterlagen der Landesversicherungsanstalt O bei und ließ den Kläger in der Unfallchirurgischen Abteilung der Städtischen Krankenanstalten Bremen untersuchen (Gutachten Priv. Dozent Dr. S vom 15. Februar 1962). Auf Grund dieses Gutachtens lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 13. März 1962 die Erhöhung der bisher gewährten Teilrente von 25 v.H. ab, weil seit der letzten Rentenfeststellung in den Folgen des Unfalls keine wesentliche Verschlimmerung eingetreten sei.
Zur Begründung ist in diesem Bescheid u.a. ausgeführt: Nach dem Gutachten des Priv. Dozenten Dr. S habe zwar die Gelenkverbildung am rechten Kniegelenk etwas zugenommen und sich das Bewegungsausmaß des Gelenks verringert, so daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach dem heutigen Befund mit 30 v.H. einzuschätzen sei. Als "wesentlich" sei eine Änderung jedoch nur anzusehen, wenn sie wenigstens 10 v.H. betrage, was ganz eindeutig nicht der Fall sei.
Mit der Klage gegen diesen Bescheid hat der Kläger u.a. vorgetragen, daß die Einschätzung der MdE mit 30 v.H. den Auswirkungen des Unfalls nicht genügend Rechnung trage. Er hat beantragt, ihm eine Rente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren. Das SG hat ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. F (vom 1.Mai 1963) beigezogen und durch Urteil vom 14. Juni 1963 den Bescheid der Beklagten vom 13. März 1962 aufgehoben und unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 30.Juli 1961 an eine Rente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen.
Zur Begründung hat das SG u.a. ausgeführt, in den für die Entschädigung mit einer Dauerrente von 25 v.H. der Vollrente maßgebend gewesenen Verhältnissen sei nach den Gutachten der Sachverständigen Dr. S und Dr. F eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Gelenksverbildungen hätten röntgenologisch etwas zugenommen, auch das Bewegungsausmaß habe sich verringert und die Beklagte beachte nicht, daß sich jetzt ein Reizzustand am re. Kniegelenk gebildet habe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, daß eine die Erwerbsfähigkeit nur um 5 v.H. erhöhende oder mindernde Änderung der Verhältnisse im allgemeinen nicht wesentlich sei. Es habe jedoch ausgeführt, daß bei einer Rente von 20 v.H. eine wesentliche Änderung in einem Rückgang auf 15 v.H. zu erblicken sei. Ob sich das auf eine Veränderung von 25 v.H. auf 30 v.H. übertragen lasse, könne dahingestellt bleiben. Eine Abweichung um 5 v.H. sei hier schon mit Rücksicht auf die klaren medizinischen Befunde und übereinstimmenden Gutachten zulässig. Eine Feststellung der MdE sei keine Ermessungsausübung, beinhalte aber einen gewissen Beurteilungsspielraum. Bei Fällen, bei denen es sich um 25 oder 30 v.H. handele, werde man aber einen Beurteilungsspielraum nicht für zulässig halten können. Mit Rücksicht darauf, daß bei einer MdE von 30 v.H. nach dem Schwerbeschädigtengesetz eine Gleichstellung als Schwerbeschädigter mit allen Vorteilen möglich sei, sei im vorliegenden Fall eine Änderung der MdE um 5 v.H. eine wesentliche Änderung. Dies gelte um so mehr, als eindeutig feststehe, daß eine Verschlimmerung eingetreten sei. Eine höhere MdE als 30 v.H. habe das Gericht nicht annehmen können.
Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) Bremen durch Urteil vom 9.Januar 1964 als unbegründet zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Zur Begründung hat das LSG u.a. ausgeführt: Gegenüber dem Befund, auf den sich der Bescheid vom 9. April 1954 gründe, sei eine Änderung eingetreten. Nach dem Gutachten des Dr. F sei röntgenologisch eine Zunahme der eigentlichen degenerativen Gelenkerscheinungen und das Auftreten eines subakuten Reizzustandes mit Knochenstrukturumbau nachzuweisen und eine wesentliche Verschlimmerung in dem Befund der Kalksalzveränderungen im Bereich des Skeletts des rechten Kniegelenks als Zeichen eines anhaltenden Reizzustandes. Klinisch finde sich dagegen am rechten Bein keine wesentliche Änderung abgesehen von einer geringen Zunahme der Verschmächtigung der Wadendicke. Auch der von der Beklagten gehörte Gutachter Dr. S habe eine Zunahme der Bewegungseinschränkung und damit eine nicht nur röntgenologisch erkennbare Änderung bestätigt. Dr. F und Dr. S hätten bestätigt, daß die Kniegelenksbeschwerden sich verschlimmert hätten, und die MdE übereinstimmend auf 30 v.H. geschätzt. Der Senat habe keine Bedenken gehabt, dieser Bewertung der MdE zu folgen und das Vorliegen einer Verschlimmerung zu bejahen. Der Unfall liege allerdings mehr als 30 Jahre zurück und auch in dem nicht vom Unfall betroffenen Kniegelenk bestehe eine altersbedingte Arthrosis deformans. Durch Dr. S und Dr. F sei aber überzeugend dargelegt, daß die eingetretene Verschlimmerung trotzdem dem Jahrzehnte zurückliegenden Unfall zur Last zu legen sei. Eine Änderung sei in der Regel nur als wesentlich anzusehen, wenn sie mehr als 5 v.H., d.h. wenigstens 10 v.H. betrage (BSG 5,222). In Ausnahmefällen müsse jedoch eine Änderung der Rentenfeststellung zulässig sein, wenn sie durch die Lage der Verhältnisse geboten sei und die Belassung der festgesetzten Teilrente eine offenbare Unbilligkeit bedeuten würde (Bay. LVAmt, Breithaupt 1951, 1243). Das Bayerische Landesversicherungsamt habe das bejaht, wenn es um die Eigenschaft als Schwerunfallverletzter gehe, und das BSG (SozR Nr. 8 zu § 608 aF RVO) habe bei einer Rente von 20 v.H. einen Rückgang der MdE um 5 v.H. als wesentlich angesehen. Im vorliegenden Fall rechtfertige sich die Feststellung der neuen Rente dadurch, daß der Kläger bei einer MdE von 30 v.H. nach den Vorschriften des Schwerbeschädigtengesetzes eine Gleichstellung erreichen könne.
Die Beklagte hat den Empfang des Urteils unter dem 9.März 1964 bestätigt. Sie hat am 1.April 1964 Revision eingelegt und sie am 17. April 1964 begründet.
Sie beantragt,
die Urteile des LSG und SG aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 13. März 1962 abzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II
Die durch Zulassung statthafte Revision ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist also zulässig, jedoch hatte sie keinen Erfolg.
Die Beklagte wendet - erstmalig im Revisionsverfahren - gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Erhöhung der Rente unter Bezugnahme auf § 1547 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF ein, der Kläger habe diesen Anspruch nicht innerhalb der Frist von drei Monaten nach Eintritt der Verschlimmerung angemeldet. Dieser Einwand ist schon aus Rechtsgründen unbeachtlich. Die Revision verkennt, daß der durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I S. 241) aufgehobene § 1547 RVO aF (vgl. Art. 2 Nr. 16 UVNG) eine Ausnahmevorschrift zu § 1546 RVO aF war und deshalb nur Bedeutung hatte, wenn der Anspruch auf Unfallentschädigung infolge der Versäumung der Anmeldefrist des § 1546 RVO aF an sich ausgeschlossen gewesen wäre. Dieser Anspruch auf Entschädigung ist aber ein einheitlicher Anspruch, so daß der Versicherungsträger sich bei Auftreten neuer Unfallfolgen oder Verschlimmerung bestehender Folgen nicht mehr auf eine verspätete Anmeldung dieser Veränderungen berufen kann, wenn der Anspruch als solcher wie im vorliegenden Fall durch den Bescheid vom 9. April 1954, bereits bindend festgestellt war (vgl. z.B. RVO-Mitgl.Komm. Band I 2.Aufl., Anm. 3 zu § 1546). Ein verspätetes Geltend machen eines auf eine Verschlimmerung der Unfallfolgen gestützten Rentenerhöhungsanspruchs hatte nur zur Folge, daß ein Anspruch auf Erhöhung der Rente nach § 611 RVO aF nur für die Zeit nach der Anmeldung des Anspruchs bestand (vgl. aber jetzt § 623 Abs. 1 Satz 1 RVO).
In tatsächlicher Beziehung beruht das Urteil des LSG auf der Feststellung, daß die Verhältnisse im rechten Knie des Klägers sich im Vergleich zu den für den Bescheid vom 9. April 1954 maßgebend gewesenen Verhältnissen verschlimmert haben. Soweit die Revision die tatsächlichen Feststellungen angreift, auf Grund deren das LSG zu diesem Ergebnis gelangt ist, sind die Rügen nicht geeignet, die Bindung des Revisionsgerichts an dieses Ergebnis der Beweiswürdigung durch das LSG zu beseitigen (vgl. § 163 SGG).
Das LSG hat eingehend dargelegt, auf welche Befunde es die Überzeugung stützt, daß sich der Zustand des rechten Knies des Klägers zum Ungünstigen verändert hat. Insbesondere hat das LSG unter zutreffender Bezugnahme auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. S und Dr. F darauf hingewiesen, daß nicht nur röntgenologisch Veränderungen feststellbar sind, sondern sich auch die Beweglichkeit des Knies verringert hat und die durch einen Reizzustand verursachten Beschwerden zugenommen haben. Die Revision übersieht, daß beide Gutachter nicht nur eine Verschlimmerung angenommen, sondern diese auch eingehend begründet haben. Insbesondere hat auch Dr. F auf die Verschlimmerung des Reizzustandes und der Beschwerden hingewiesen. Die Revision hat keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluß rechtfertigen, daß das LSG mit seinen Feststellungen die gesetzlichen Grenzen des Rechts der freien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 128 SGG) überschritten hätte.
Weiterhin rügt die Revision mit ausführlicher Begründung, das LSG habe zu Unrecht angenommen, daß die festgestellten Veränderungen Folgen des Unfalls seien; es habe nicht berücksichtigt, daß bei dem Kläger eine allgemeine Arthrosis der Gelenke bestehe, die ihrer Natur nach zur Verschlimmerung neige, und habe deshalb die Bedeutung dieses anlagebedingten Leidens für die Veränderungen im rechten Knie nicht geprüft und die dadurch aufgeworfene Frage einer Art überholender Kausalität übersehen.
Auch diese Rüge ist nicht begründet.
Die Revision geht schon insofern von unzutreffenden Voraussetzungen aus, als sie nicht berücksichtigt, daß die Beklagte im Bescheid vom 9. April 1954 ausdrücklich als Unfallfolge festgestellt hat: "Als Folge der Stichverletzung im Bereich des rechten Knies besteht eine deformierende Kniegelenkserkrankung re., wodurch die Beweglichkeit in diesem Gelenk eingeschränkt wird. Das rechte Bein weist einen Muskelschwund auf, der ebenfalls als Unfallfolge zu werten ist." Das ist aber dahin auszulegen, daß die Beklagte die "deformierende Gelenkserkrankung" im rechten Knie als Unfallfolge festgestellt hat (vgl. z.B. BSG 18, 84). Diese Feststellung stimmt auch mit den Gutachten überein, die der Beklagten als Grundlage für ihre Entschließung zur Verfügung standen. Im Gutachten der Chirurgischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten B (Prof. Dr. R/Dr. D) vom 13. August 1953 ist in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die "allgemeine Arthrosis" dem Alter des Patienten entspreche, während die Arthrosis deformans "eindeutig auf das verletzte Kniegelenk isoliert" sei. Dieser Ansicht haben sich die Gutachter des Krankenhauses B (Dr. Sch/Dr. T) im Gutachten vom 10. Oktober 1953 und Prof.Dr. R in dem auf Grund der Akten und der Röntgenaufnahmen erstattenden Gutachten vom 12. März 1954 ausdrücklich angeschlossen. Prof.Dr. R hat ergänzend ausgeführt, die Behandlung mit Injektionen von Phenol-Campher in das Kniegelenk im Jahre 1931 habe zwar die Ausbildung einer evtl. tödlichen Allgemeininfektion verhindert, führe aber erfahrungsgemäß zu sehr erheblichen Knorpelnekrosen und dadurch zu einer starken Arthrosis deformans.
Die Bindung der Beklagten an diese Feststellung schließt allerdings nicht von vornherein die Prüfung der Frage aus, ob für die weiteren Veränderungen des Zustandes des Kniegelenks andere mit dem Unfall nicht mehr in Zusammenhang stehende Umstände als rechtlich allein wesentliche Ursache in den Vordergrund getreten sind (vgl. hierzu z.B. BSG 13,89; Bayer.LSG, Breithaupt 1961, 847; LSG Niedersachsen BG 1966, 119; Erlenkämper KOV 1963, 185; Klink BVBL 1964, 15, ZSR 1964, 328; Traub-Mair ZSR 1964, 321). Diese Frage ist jedoch weder von den Sachverständigen Dr. S und Dr. F noch vom LSG übersehen worden. Dr. S hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Veränderungen am - vom Unfall nicht betroffenen - linken Knie nicht zugenommen haben. Die Beklagte selbst hat im Bescheid vom 13. März 1962 auf dieses Gutachten Bezug genommen und die Rentenerhöhung nur mit der Begründung abgelehnt, daß die vom Gutachter festgestellten Veränderungen nicht "wesentlich" seien. Das LSG hat hervorgehoben, daß der Unfall mehr als 30 Jahre zurückliege und auch am linken Kniegelenk eine altersbedingte Arthrosis deformans bestehe. Die Revision hat keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluß rechtfertigen, daß das LSG bei der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zwischen den Unfallfolgen und den Veränderungen des Zustandes des rechten Knies seine Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt oder die gesetzlichen Grenzen des Rechts der freien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 128 SGG) überschritten hätte. Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, daß das LSG die Unfallfolgen als eine rechtlich wesentliche Ursache des durch die Sachverständigen Dr. S und Dr. F festgestellten Zustandes des rechten Knies bewertet hat.
Hinsichtlich der Einschätzung der durch den veränderten Zustand des rechten Knies bedingten MdE stimmen die Gutachter und die beiden Tatsacheninstanzen überein. Auch die Beklagte hat diese Einschätzung in die Begründung ihres Bescheides vom 13. März 1962 übernommen. In der Revisionsinstanz ist diese Einschätzung nicht durch begründete Rügen angegriffen worden (vgl. hierzu BSG 4, 147; BSG 11, 102, 117).
Für die Entscheidung über die Höhe des Rentenanspruchs des Klägers ist deshalb die Frage ohne unmittelbare Bedeutung unter welchen Voraussetzungen die Tatsacheninstanzen von der Einschätzung der MdE durch die Vorinstanz oder durch den Versicherungsträger um nur 5 v.H. abweichen können, obwohl ein so geringer Unterschied an sich innerhalb der Schwankungsbreite liegt, die jeder Schätzung eigentümlich ist (vgl. hierzu z.B. SozR Nr. 3 zu § 559 a RVO aF, BSG 5, 222, 229 mit weiteren Nachweisen).
Für das Revisionsgericht sind, wie dargelegt, einerseits die Feststellungen des LSG bindend, aus denen sich ergibt, daß der Zustand des rechten Knies des Klägers sich verschlimmert hat und nicht mehr dem Zustand entspricht, dessen Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers die Beklagte bei der Rentenfeststellung durch den Bescheid vom 9.April 1954 mit 25 v.H. eingeschätzt hatte. Andererseits steht aber für das Revisionsgericht auch bindend fest, daß die durch den veränderten Zustand bedingte MdE mit 30 v.H. einzuschätzen ist.
Infolge dieser Besonderheit des Falles ist im Revisionsverfahren nur darüber zu entscheiden, ob der Kläger deshalb keinen Anspruch darauf hat, daß ihm entsprechend dem jetzigen Zustand des rechten Knies eine Rente von 30 v.H. der Vollrente gezahlt wird, weil die Veränderung gegenüber den für die Feststellung der Rente von 25 v.H. der Vollrente maßgebend gewesenen Verhältnissen nicht "wesentlich" im Sinne von § 608 RVO aF ist.
Wie das LSG nicht verkannt hat, ist auch für diese Frage von Bedeutung, daß eine Veränderung, die nur eine Erhöhung (oder Herabsetzung) des Grades der MdE um 5 v.H. rechtfertigt, innerhalb der ohnehin bestehenden Schwankungsbreite dieser Schätzung bleibt. Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß grundsätzlich eine Veränderung der für die Rentenfeststellung maßgebend gewesenen Verhältnisse nach § 608 RVO aF (§ 622 RVO) einen Anspruch auf Neufeststellung der Rente nur begründet (oder den Versicherungsträger zur Neufeststellung berechtigt), wenn sie eine Erhöhung (oder Herabsetzung) des Grades der MdE um mindestens 10 v.H. zur Folge hat (vgl. SozR Nr. 8 zu § 608 RVO aF; Lauterbach, Unfallversicherung, 3.Aufl., Anm. 2 d zu § 622; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 1. bis 6. Aufl., S. 582 c, jeweils mit weiteren Nachweisen). Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, gilt dieser Grundsatz jedoch nicht uneingeschränkt und entbindet nicht schlechthin von jeder Prüfung der Besonderheiten des Einzelfalls. Das RVA hat eine um 5 v.H. abweichende Schätzung für zulässig gehalten, wenn streitig ist, ob die vom Gesetzgeber gezogene Grenze für den Anspruch auf Rente erreicht ist (vgl. z.B. EuM 43, 117). Dieser Auffassung hat sich auch der erkennende Senat in mehreren Urteilen angeschlossen (vgl. z.B. SozR Nr. 3 zu § 559 a RVO aF) und dabei auch darauf hingewiesen, daß ein Unterschied, der sich zahlenmäßig in einer Veränderung der MdE-Zahl um 5 auswirkt, bei den niedrigen Graden der MdE eine größere Bedeutung hat als bei den höheren Graden. Dementsprechend hat der erkennende Senat auch eine Änderung der Verhältnisse um nur 5 v.H. als wesentlich anerkannt, die zur Folge hat, daß die für den Rentenanspruch entscheidende Grenze von 20 v.H. unterschritten ist (vgl. SozR Nr. 8 zu § 608 RVO aF). Darüberhinaus ist es in Rechtsprechung und Literatur als Ausnahmefall angesehen worden, wenn von der Bewertung einer Veränderung die Schwerverletzteneigenschaft (§ 559 b Abs. 1 RVO aF, § 583 Abs. 1 RVO) abhängt, die zugleich eine der Grundlagen für die Anwendung des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (SchwBG) vom 15. Juni 1953 idF vom 14.August 1961 (BGBl I 1234, 1348, 1652) ist (vgl. § 1 Abs. 1 Buchst. e SchwBG) - vgl. z.B. das vom LSG angeführte Urteil des Bayer.LVAmts, Breithaupt 1951, 1254; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 1. bis 6. Aufl., S. 568 a, 582 c mit weiteren Nachweisen.
Der erkennende Senat stimmt mit dem LSG darin überein, daß eine Veränderung der für die Rentenfeststellung maßgebend gewesenen Verhältnisse wesentlich im Sinne von § 608 RVO aF (§ 622 RVO) ist, wenn sie, wie im vorliegenden Fall für das Revisionsgericht feststeht, zur Folge hat, daß nunmehr die Grenze von 30 v.H. erreicht ist, die zwar für die Anwendung der Vorschriften des Dritten Buches der RVO keine unmittelbare Bedeutung hat, von der an aber der Verletzte nach dem SchwBG eine Gleichstellung mit den Schwerbeschädigten (vgl. § 2 Abs. 1 Buchst. a SchwBG) und damit wesentliche Vorteile bei der Erlangung eines seiner verminderten Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeitsplatzes erreichen kann. Daß das LSG keine Feststellungen darüber getroffen hat, in welchem Umfang diese Möglichkeit für den Kläger noch praktische Bedeutung hat, steht dem nicht entgegen. Das LSG hat vielmehr die Beklagte ohne Rechtsirrtum verurteilt, dem Kläger die seinem Zustand entsprechende Rente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente zu zahlen.
Die Revision ist unbegründet und war zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens ergeht auf Grund von § 193 SGG.
Fundstellen