Entscheidungsstichwort (Thema)
Badekur der Ehefrau zur Erhaltung der Pflegefähigkeit. Ersatzanspruch. zuständiger Senat
Leitsatz (redaktionell)
Ersatzanspruch der Versorgungsverwaltung nach BVG § 18c Abs 6 S 2:
1. Der Ersatzanspruch der Versorgungsverwaltung nach BVG § 18c Abs 6 S 2 gegen den anderen öffentlich-rechtlichen Leistungsträger ist nicht davon abhängig, daß der Beschädigte bei dem anderen öffentlich-rechtlichen Leistungsträger die Gewährung der Zuschußleistung oder sonstigen Geldleistung beantragt.
2. Richtlinien iVm der Satzungsbestimmung zu RVO § 187 in der bis zum 30.6.1977 geltenden Fassung, die den Anspruch auf einen Zuschuß zu badeärztlich verordneten Kurmitteln davon abhängig machen, daß die Badekur "für eigene Rechnung" durchgeführt wird, beeinträchtigen nicht den Ersatzanspruch nach BVG § 18c Abs 6 S 2.
Orientierungssatz
1. Der Erstattungsanspruch nach BVG § 18c Abs 6 S 2 setzt keine Personengleichheit zwischen dem Empfänger der nach dem BVG gewährten Sachleistung und demjenigen voraus, der gegenüber dem anderen Leistungsträger - hier im Rahmen der Familienhilfe - berechtigt ist. Der verlangte Kostenausgleich kann nicht mit dem Hinweis abgelehnt werden, daß Anspruch auf Leistungen der Familienkrankenhilfe nur der Versicherte selbst habe, nicht dagegen der Ehegatte, dem die Versorgungsverwaltung die Badekur gemäß BVG § 12 Abs 3 aus eigenem Recht gewährt habe.
2. Gleichwohl der geltend gemachte Ersatzanspruch im BVG geregelt ist, handelt es sich um eine Angelegenheit der Knappschaftsversicherung iS des SGG § § 40 S 2, SGG § 31 Abs 1 S 2 und zwar um eine Angelegenheit der knappschaftlichen KV (vergleiche BSG vom 1977-07-13 3 RK 84/76 = SozR 1500 § 31 Nr 1).
Normenkette
BVG § 12 Abs. 3, § 18c Abs. 6 S. 2 Fassung: 1971-12-16; RVO § 187 Nr. 2 Fassung: 1924-12-15, Nr. 4 Fassung: 1924-12-15; SGG § 40 S. 2 Fassung: 1953-09-03, § 31 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
SG Münster (Entscheidung vom 06.10.1976; Aktenzeichen S 7 Kn 69/75) |
Tenor
Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 6. Oktober 1976 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Tatbestand
Das klagende Land begehrt von der Beklagten als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Ersatz von 208,50 DM für eine Badekur, die die Versorgungsverwaltung der Ehefrau des Beigeladenen gewährt hat.
Der Beigeladene ist schwerkriegsbeschädigt und erhält eine Pflegezulage der Stufe III. Er ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert und hat Anspruch auf Familienkrankenhilfe. Das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen bewilligte der Ehefrau des Beigeladenen mit Bescheid vom 25. Juni 1973 eine Badekur zur Erhaltung der Pflegefähigkeit (§ 12 Abs 3 Bundesversorgungsgesetz - BVG -). Die Kur wurde vom 30. Juni bis zum 29. Juli 1973 im Kriegsblindenkurheim Bad Berleburg durchgeführt. Die Gesamtkosten hierfür betrugen 1.491,48 DM. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1974 forderte das Versorgungsamt Aachen von der beklagten Bundesknappschaft Ersatz der Aufwendungen, die diese bei einer freien Badekur in Form eines Zuschusses satzungsgemäß gewährt hätte. Dies lehnte die Beklagte ab, weil die Kur nicht entsprechend § 66 Abs 3 und 4 ihrer Satzung "für eigene Rechnung" durchgeführt worden sei.
Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab und führte zur Begründung seines Urteils vom 6. Oktober 1976 im wesentlichen aus: Die Voraussetzungen des § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG seien nicht erfüllt, weil der Ehefrau des Beigeladenen kein Anspruch auf einen Zuschuß zur Badekur gegen die Beklagte nach § 66 Abs 3 der Satzung, §§ 19, 20 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) iVm § 205 Reichsversicherungsordnung (RVO) zugestanden habe. Die zuletzt genannte Vorschrift gebe nur dem Versicherten selbst - hier also dem Beigeladenen - gegen die Krankenkasse einen Anspruch auf Familienkrankenhilfe.
Ihm sei aber nicht von der Versorgungsverwaltung für seine Ehefrau eine Badekur gewährt worden. Diese Leistung habe die Ehefrau vielmehr wegen eines eigenen Anspruchs aus § 12 Abs 3 BVG erhalten. Der Erstattungsanspruch des § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG bestehe zudem nur dann, wenn die Beklagte gegenüber der Ehefrau des Beigeladenen die Gewährung des Kurmittelzuschusses mit der Begründung abgelehnt hätte, daß die Versorgungsverwaltung bereits eine Badekur gewährt habe. Werde die Ersatzpflicht bezüglich der streitigen Aufwendungen aber deshalb verneint, weil die Voraussetzungen des Anspruchs nach der RVO bzw der Satzung der Krankenkasse nicht erfüllt seien, so könne darüber lediglich in einem Verfahren zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse entschieden werden. Der Kläger sei insoweit zur Prozeßführung nicht aktiv legitimiert, denn § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG enthalte nicht einen gesetzlichen Forderungsübergang.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der - vom SG zugelassenen - Revision angefochten. Er ist der Ansicht, § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG erfordere keine Personengleichheit der Berechtigten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in einem gleichgelagerten Fall (Urteil vom 13. Juli 1977 - 3 RK 3/77 - = SozR 3100 § 18 c Nr 6) dieses Problem jedenfalls nicht erörtert. Entgegen der Auffassung des SG setze die genannte Vorschrift auch keine ausdrückliche Ablehnung voraus. Es genüge, daß der andere öffentlich-rechtliche Leistungsträger nicht leiste.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Münster vom 6. Oktober 1976 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 208,50 DM zu zahlen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des Urteils vom 6. Oktober 1976 die Sache an das Sozialgericht Münster zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zudem habe der Beigeladene nie von ihr einen Zuschuß für eine Kur seiner Ehefrau begehrt.
Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil des SG aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen wird. Die festgestellten Tatsachen reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus.
Die Zuständigkeit des erkennenden Senats zur Entscheidung über den Streitgegenstand wird nicht dadurch infrage gestellt, daß der geltend gemachte Ersatzanspruch im BVG geregelt ist. Es handelt sich gleichwohl in § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG um eine Angelegenheit der Knappschaftsversicherung iS der §§ 40 Satz 2, 31 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und zwar um eine Angelegenheit der knappschaftlichen Krankenversicherung (vgl BSG in SozR 1500 § 31 Nr 1).
Nach § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG hat ein öffentlich-rechtlicher Leistungsträger der Versorgungsverwaltung den Betrag der Aufwendungen zu ersetzen, den er sonst als Leistung gewährt hätte, wenn er eine Zuschuß- oder sonstige Geldleistung nicht erbringt, weil bereits aufgrund des BVG eine Sachleistung gewährt wird. Mit dieser Vorschrift verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, daß der Träger der Kriegsopferversorgung teilweise entschädigt wird für Leistungen, die er erbracht hat, obwohl diese Leistungen durch einen anderen öffentlich-rechtlichen Träger zumindest teilweise finanziert worden wären oder hätten finanziert werden müssen (vgl BSG SozR 3100 § 18 c Nrn 2 und 6; Urteil vom 15. Dezember 1976 - 3 RK 34/76 -). Deshalb setzt der Erstattungsanspruch entgegen der Ansicht des SG keine Personengleichheit zwischen dem Empfänger der nach dem BVG gewährten Sachleistung und demjenigen voraus, der gegenüber dem anderen Leistungsträger - hier im Rahmen der Familienhilfe - berechtigt ist. Die Beklagte kann den vom Kläger verlangten Kostenausgleich nicht mit dem Hinweis ablehnen, daß Anspruch auf Leistungen der Familienkrankenhilfe nur der Versicherte selbst habe, nicht dagegen der Ehegatte, dem die Versorgungsverwaltung die Badekur gem § 12 Abs 3 BVG aus eigenem Recht gewährt habe. Weder aus dem Wortlaut des § 18 c Abs 6 BVG, seiner Entstehungsgeschichte, noch aus dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel ergibt sich das Erfordernis einer Identität zwischen dem durch das BVG Begünstigten und dem Berechtigten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Unter Hinweis auf den nach dem BVG bestehenden Rechtsanspruch sollen sich andere Leistungsträger nicht auf Kosten des Bundes entlasten können (vgl BT-Drucks VI/2649 S 8). Diesem Gesetzeszweck würde es zuwiderlaufen, die vom SG geforderte Personengleichheit zur Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs zu machen, zumal sich aus § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG dafür keine Anhaltspunkte ergeben. Entscheidend ist vielmehr, ob die Beklagte eine Geldleistung deshalb nicht erbracht hat, weil bereits aufgrund des BVG eine Sachleistung gewährt worden ist.
Das SG meint, die Voraussetzungen des streitigen Ausgleichsanspruchs könnten immer nur dann erfüllt sein, wenn von dem anderen öffentlich-rechtlichen Leistungsträger gegenüber der Leistungsempfängerin nach dem BVG die Gewährung der Geldleistung mit der Begründung abgelehnt worden ist, es sei bereits aufgrund des BVG eine Sachleistung gewährt worden. Damit geht das SG in seinen Anforderungen zu weit. Für den Anspruch nach § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG reicht es aus, daß der in Anspruch genommene Versicherungsträger entsprechend dem für ihn maßgebenden Recht, wenn auch nicht verpflichtet, so doch nach pflichtgemäßem Ermessen berechtigt ist, eine Geldleistung an seinen Versicherten zu erbringen und dies - sei es auch nur mittelbar - wegen der nach dem BVG gewährten Sachleistung unterlassen hat (so BSG-Urteil vom 30. Mai 1978 - 1 RA 81/77 -; SozR 3100 § 18 c Nr 3).
Im Rahmen des § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG kommt es auch nicht darauf an, ob der beigeladene Versicherte bei der Beklagten den Zuschuß beantragt hat. Die genannte Vorschrift räumt der Versorgungsverwaltung vielmehr einen vom Antrag des Versicherten unabhängigen, im Vergleich zu dessen eigenen Leistungsanspruch selbständigen Ausgleichsanspruch ein (vgl BSG SozR 3100 § 18 c Nr 6). Seine Verwirklichung hängt nicht von dem Verhalten oder dem Willen des Versicherten ab (BSG SozR 3100 § 18 c Nr 3).
Im konkreten Fall hat die Ehefrau des Beigeladenen die ihr mit Bescheid vom 25. Juni 1973 bewilligte Badekur in der Zeit vom 30. Juni bis zum 29. Juli 1973 durchgeführt. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 22. Mai 1975 (SozR 2200 § 187 Nr 5) entschieden hat, war vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (Reha-AnglG) am 1. Oktober 1974 die Behandlung in Kureinrichtungen als satzungsgemäße Mehrleistung der Beklagten nach § 20 RKG iVm § 187 Nr 4 RVO in der damals gültigen Fassung möglich. Diese Vorschrift bestimmte damals, daß die Satzung mit Zustimmung der Rechtsaufsichtsbehörde Maßnahmen zur Verhütung von Erkrankungen der einzelnen Kassenmitglieder vorsehen könne. Diese Ermächtigung gestattete es der Vertreterversammlung der Beklagten, einen Kurmittelzuschuß nicht als Pflicht-, sondern nur als Ermessensleistung vorzusehen. Die entsprechenden Bestimmungen in der Satzung der Beklagten lauten in § 66 Absätze 3 und 4 idF des 4. Nachtrags wie folgt:
Bei Kuraufenthalt für eigene Rechnung kann ein Zuschuß zu badeärztlich verordneten Kurmitteln bis zum Höchstbetrag von je 160,- DM gewährt werden. Daneben werden die Kosten der badeärztlichen Behandlung übernommen. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Kurmittelzuschusses legt der Vorstand der Bundesknappschaft in Richtlinien fest.
Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Sätze 1 und 2 gelten für die in der Krankenversicherung als Rentner versicherten und für die familienhilfeberechtigten Angehörigen entsprechend (§ 187 Nr 2 und Nr 4 RVO).
Der Senat hat in der Entscheidung vom 22. Mai 1975 aaO bei der Auslegung des Rechtsbegriffs "Kuraufenthalt für eigene Rechnung" die in den Richtlinien der Beklagten gegebene Interpretation für die Gerichte nicht als maßgebend angesehen. Er hat damals die Frage, ob darunter jede ohne Mitwirkung der Beklagten beschaffte Kur fällt, oder ob zumindest Kuren, bei denen der Versicherte gegen Dritte Kostenansprüche hat, wie Kuren auf eigene Rechnung zu behandeln sind, dahingestellt sein lassen. Die zweite Alternative dieser Fragestellung, auf die es hier ankommt, ist zu bejahen. Mit der Einführung des § 18 c Abs 6 Satz 2 BVG sollte dafür Sorge getragen werden, daß die anderen Rechtsträger, die im konkreten Fall nur zur Gewährung von Kann-Leistungen oder Zuschüssen verpflichtet sind, ihre Leistungspflicht nicht unter Hinweis auf das Fehlen eigener Aufwendungen des Berechtigten verweigern und sich damit auf Kosten des Bundes entlasten können (vlg BT-Drucks VI/ 2649 S 8). Von diesem Gesetzeszweck her kann sich die Beklagte zur Abwehr des vom Kläger geltend gemachten Ausgleichsanspruchs nicht darauf berufen, sie sei mangels eines Kuraufenthaltes "für eigene Rechnung" also mangels eigener Aufwendungen des Beigeladenen oder seiner Ehefrau nicht leistungspflichtig.
Der Senat hat von der in sein Ermessen gestellten Möglichkeit des § 170 Abs 4 SGG Gebrauch gemacht und die Sache an das LSG zurückverwiesen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Auf diese Weise soll eine etwaige Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits vermieden werden (BSG Soz Sich 76, 275). Das SG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Beklagte nach pflichtgemäßer Ermessensausübung zur Kur der Ehefrau des Versicherten den in § 66 der Satzung vorgesehenen Zuschuß hätte gewähren können oder gar müssen. Derartige Feststellungen, die sich für das SG bei seiner Rechtsauffassung erübrigten, wird das LSG nun nachzuholen haben. Allein aus der Tatsache, daß die Versorgungsverwaltung die Badekur bewilligt und damit die Voraussetzungen des § 12 Abs 3 BVG als erfüllt angesehen hat, kann nicht auf eine Zuschußpflicht der Beklagten geschlossen werden. Zwar handelt es sich in beiden Fällen um Ermessensleistungen. Sie hängen aber von unterschiedlichen Voraussetzungen ab, die sich jedoch gegenseitig nicht ausschließen. In die für die Ermessensausübung notwendige Sachprüfung ist die Beklagte bislang noch nicht eingetreten. Sie hat den Ausgleichsanspruch des Klägers lediglich deshalb abgelehnt, weil die Kur nicht "für eigene Rechnung" durchgeführt worden sei. Das LSG wird folglich eine Ermessensentscheidung der Beklagten darüber herbeizuführen haben, ob diese dem Beigeladenen für eine Badekur seiner Ehefrau nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und den einschlägigen Satzungsbestimmungen einen Zuschuß gewährt hätte. Sodann wird das LSG diese Entscheidung auf Ermessensfehler hin zu überprüfen haben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen