Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsmittelbelehrung im Urteil eines Landessozialgerichts entspricht nicht den Erfordernissen des SGG § 66 Abs 1, wenn sie die für die Einlegung und Begründung der Revision maßgebenden Vorschriften (SGG § 164, SGG § 166) nur anführt, die Beteiligten aber nicht über den wesentlichen Inhalt dieser Vorschriften belehrt.
Normenkette
SGG § 66 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 164 Fassung: 1953-09-03, § 166 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 1955 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der am 16. September 1907 geborene Kläger stellte unter Vorlage eines Attestes des ihn behandelnden Facharztes für Nervenkrankheiten Dr. W… vom 21. Januar 1953 bei der Beklagten am 14. April 1953 Antrag auf Invalidenrente. Vom 7. Januar bis 29. April 1953 und vom 23. Juni bis 11. Oktober 1953 hatte er Arbeitslosenunterstützung bezogen; Arbeitslosenfürsorgeunterstützung erhielt er vom 12. Oktober 1953 bis 4. März 1954 sowie vom 5. Mai bis 21. Mai 1954; vom 22. Mai 1954 an wurde er vom Arbeitsamt nicht mehr als arbeitsfähig angesehen. Nach einer dem Invalidenrentenantrag beigefügten Bescheinigung von Dr. W... hatte der Kläger eine dreimalige Magenoperation hinter sich; er neige zu Verstimmungszuständen und sei nicht in der Lage, schwere Arbeiten zu verrichten, es bestehe Teilinvalidität. Die Beklagte holte ein Gutachten der Medizinischen Universitätsklinik in Köln ein. Das Gutachten vom 1. Oktober 1953 ergab Zustand nach Billroth II mit Anazidität des Magensaftes bei ausreichendem Kräftezustand, indurierte Hilusveränderungen bei ausreichender Lungenleistung und Skoliose der Brustwirbelsäule; die Einsatzfähigkeit für leichte Arbeiten sei - unter Schätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 40 bis 45 v.H. - zu bejahen. Nach einem Zusatzgutachten der Universitäts-Nervenklinik in Köln vom 12. September 1953, das auf Krankenblattaufzeichnungen aus den Jahren 1947, 1951 und 1952 sowie auf eingehender ambulanter Untersuchung vom 31. August 1953 beruhte, lagen auf neurologischem Gebiet keine krankhaften Normabweichungen vor; psychisch spreche der Befund für eine stärker abnorme Persönlichkeit mit einer Intelligenz an der unteren Grenze der Norm sowie mit Neigung zu allgemeinem Leistungsversagen. Infolgedessen sei es wenig wahrscheinlich, dass der Kläger künftig die Bereitschaft zu angemessener beruflicher Leistung aufbringen werde. Diese auf die abnorme Persönlichkeitsstruktur zurückzuführende verminderte Bereitschaft zu beruflicher Leistung könne nach den geltenden Auffassungen nicht als erwerbsmindernd im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) angesehen werden; von nervenärztlicher Seite sei daher eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht gegeben. Ein weiteres Zusatzgutachten der Universitäts-Augenklinik in Köln vom 28. August 1953 nahm für die seit der Jugend bestehende Herabsetzung der Sehschärfe links eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. an.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 14. November 1953 ab, weil die festgestellten Beschwerden nach den ärztlichen Fachgutachten keine Invalidität bedingten.
Auf die Berufung des Klägers, die nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Sozialgericht als Klage überging, forderte dieses einen Befundbericht von der Landesheilstätte G. (vom 28.6.1954) an, in der der Kläger vom 28. August bis 12. Dezember 1952, vom 27. April bis 22. Juni 1953 und vom 5. März bis 30. April 1954 behandelt worden war, und holte einen Arztbericht des St. Josefs-Krankenhauses in Köln-Kalk (vom 13.7.1954) ein, wo der Kläger vom 24. Mai bis 13. Juli 1954 in stationärer Behandlung gewesen war. In der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 1954 hörte das Sozialgericht als medizinischen Sachverständigen Dr. P... der unter Berücksichtigung der Befunde und Gutachten zu dem Ergebnis kam, dass Invalidität zu bejahen sei. Auf Grund dieses Gutachtens sprach das Sozialgericht dem Kläger die Rente vom 1. Mai 1953 an zu.
Die Beklagte, die gegen das Urteil des Sozialgerichts rechtzeitig Berufung einlegte, führte aus, der medizinische Sachverständige sei nicht darauf eingegangen, dass die Universitäts-Nervenklinik jede Minderung der Erwerbsfähigkeit verneine; die Beurteilung der Invalidität hänge mehr von der internistischen Beurteilung ab, wie auch der Arztbericht der Landesheilanstalt G. (vom 28.6.1954) ergebe. Nach der fachinternistischen Beurteilung sei die Erwerbsfähigkeit um 45 v.H. gemindert; der Befund der Augen bestehe seit vielen Jahren und könne daher nicht berücksichtigt werden; er habe sich nicht verschlimmert.
Der Kläger vertrat mit Schriftsatz vom 1. März 1955 die Auffassung, er sei infolge der Magenoperationen und seiner übrigen Leiden invalide. Er sei neuerlich vom 24. August bis 13. November 1954 in G. und vom 11. Dezember 1954 bis 19. Januar 1955 im Dreikönigen-Hospital in Köln-Mülheim stationär behandelt worden. Seit seiner Operation am rechten Ohr im Jahre 1950, die er mit einer Bescheinigung belegte, lasse auch die Sehkraft des rechten Auges nach. Ergänzend trug er mit Schreiben vom 2. September 1955 noch vor, er leide seit Wochen an einer Herzerkrankung; ein Zeugnis der Ärztin Dr. K... vom 29. August 1955, wonach er seit dem 26. Juli 1955 wegen Herzinsuffizienz und Emphysem behandelt werde, fügte er bei.
Das Landessozialgericht holte einen Befundbericht der Landesheilanstalt G. (vom 6.8.1955) und eine gutachtliche Stellungnahme des Dreikönigen-Hospitals vom 15. September 1955 ein. Es wies auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 1955, in der der Kläger nicht erschienen war, in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts die Klage ab:
Der Beurteilung des medizinischen Sachverständigen der Vorinstanz Dr. P... stünden die eingehenden Gutachten der Universitätsklinik sowie die nach stationärer Beobachtung oder Behandlung erstatteten Befundberichte des St. J.-Hospitals, des Dreikönigen-Hospitals und der Landesheilanstalt G. entgegen. Offenbar hätten die Gutachter die aus den Befunden ersichtlichen Blutdruckwerte nicht in die Diagnose aufgenommen, weil sie ihnen noch keine Bedeutung beigemessen hätten. Die seit Jugend bestehende Fehl- und Schwachsichtigkeit des Klägers auf dem linken Auge werde nach dem Gutachten der Universitäts-Augenklinik durch die volle Sehschärfe des rechten Auges ausgeglichen; ferner sei der Kläger mit diesem Fehler jahrelang seinem Beruf nachgegangen. Die Gastritis, die Begleitcholecystitis sowie die Pankreopathie seien nach dem Befundbericht des St. Josefs-Hospitals vom 13. Juli 1954 unter entsprechender Behandlung während des Klinikaufenthalts gebessert worden. Nach dem Befundbericht des Dreikönigen-Hospitals über die vom 11. Dezember 1954 bis 19. Januar 1955 durchgeführte stationäre Behandlung könne bei entsprechender Diät, Lebensführung und medikamentöser Beihilfe ein erträglicher Zustand hergestellt werden. Die mit stärkerer Deformierung des Brustkorbs verbundene Kyphoskoliose und eine leichte Pleuraschwiele links hätten keine wesentliche Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes zur Folge. Der Kläger sei nach diesem Befundbericht fähig, leichtere Arbeiten zu verrichten. - Die zuletzt vom Kläger noch vorgetragenen Herzbeschwerden könnten keine andere Beurteilung rechtfertigen; im Befundbericht des Dreikönigen-Hospitals werde nach den um die Jahreswende 1954/55 erhobenen Befunden eine leichtere coronare Durchblutungsstörung angenommen, die in der Gesamtbeurteilung berücksichtigt worden sei. Zwar sei es möglich, dass zwischenzeitlich eine Verschlimmerung eingetreten sei. Dafür lägen jedoch mit Ausnahme des Attestes der behandelnden Ärztin Dr. K... das aber keinerlei Befundangaben enthalte, keine Anhaltspunkte vor, die den Senat von einer Verschlimmerung überzeugen könnten. Die Universitäts-Nervenklinik wie auch die Landesheilanstalt hätten auf Grund der stationären Aufenthalte des Klägers und besonderer Untersuchung zwar auf die abnorme Persönlichkeit des Klägers hingewiesen, für ihr Fachgebiet aber eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verneint. Der Kläger müsse demnach - trotz der unstreitig vorhandenen Leiden - als noch in der Lage befindlich angesehen werden, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkte die Hälfte dessen zu verdienen, was gesunde Personen unter den gleichen Umständen erwerben können. Die vorhandenen Leiden und Beschwerden beeinträchtigten die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht so, dass Invalidität anzunehmen sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 22. Februar 1956 zugestellte Urteil, das in der Rechtsmittelbelehrung bezüglich der Form auf § 164 SGG und wegen der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten auf § 166 SGG verweist, mit Schriftsätzen, die am 16. und 21. März 1956 beim Bundessozialgericht eingegangen sind - beide von ihm persönlich unterschrieben -, Revision eingelegt; am 15. März 1956 hat er beantragt, ihm das Armenrecht zu bewilligen. Nach Bewilligung des Armenrechts durch Beschluss vom 4. Juli 1956 und Beiordnung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 17. Juli 1956 hat der Kläger durch den beigeordneten Prozessbevollmächtigten am 1. August 1956 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit Schriftsatz vom 3. August 1956 Revision eingelegt. Er beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Köln wiederherzustellen oder den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Zur Begründung der Revision führt der Kläger aus: Das Landessozialgericht habe zu Unrecht seinem am 1. März 1955 gestellten Antrag, eine erneute ärztliche Untersuchung vornehmen zu lassen, nicht entsprochen. Dazu habe aber Anlass bestanden. Der medizinische Sachverständige des Sozialgerichts und dieses selbst hätten sich nämlich auf Grund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung das Urteil gebildet, dass er invalide sei, während dem Landessozialgericht ein solcher Eindruck gefehlt habe. Deshalb sei die beantragte neue ärztliche Untersuchung des Klägers notwendig gewesen. - Ferner habe der Kläger in dem erwähnten Schriftsatz vom 1. März 1955 als neue Tatsache vorgebracht, dass die Sehkraft seines rechten Auges - nach einer ärztlich bescheinigten Operation des rechten Ohres im Jahre 1950 - ständig abgenommen habe, während das Gutachten der Universitäts-Augenklinik Köln vom 28. August 1953, also etwa zwei Jahre früher, davon ausgegangen sei, dass der Kläger auf dem rechten Auge die volle Sehschärfe besitze, so dass das Augenleiden bei Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit überhaupt nicht berücksichtigt worden sei. Das Landessozialgericht sei dieser - jedenfalls zur Zeit seiner Entscheidung fehlsamen - Beurteilung beigetreten, ohne die vom Kläger beantragte zusätzliche Untersuchung anzuordnen. Auch die sonstigen vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 1. März 1955 geklagten Leiden hätten zur Einholung eines Obergutachtens genötigt. Die Beurteilung im Gutachten der Universitätsklinik Köln vom 1. Oktober 1953, der Kläger könne noch leichte Arbeiten verrichten, sowie die Feststellung in dem angefochtenen Urteil, er könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch die Hälfte dessen verdienen, was gesunde Personen erwerben könnten, stünden im Widerspruch zu der Auffassung des Arbeitsamts, das den Kläger bereits seit dem 22. Mai 1954 als nicht mehr arbeitsfähig betrachte. Schließlich habe es das Landessozialgericht unterlassen, den vorgebrachten Herzbeschwerden nachzugehen, obwohl es eine zwischenzeitliche Verschlimmerung als möglich angesehen und obwohl der Kläger dazu ein neues Attest seiner behandelnden Ärztin beigebracht habe.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus: Der Kläger habe die nicht fristgerechte Einlegung der Revision verschuldet, weil er sich nach der Zustellung des Urteils bis zum 16. März 1956, also fast einen Monat, Zeit gelassen habe, um die Bewilligung des Armenrechts nachzusuchen; sein Wiedereinsetzungsantrag sei daher nicht begründet. Die von der Revision gerügten wesentlichen Mängel des Verfahrens lägen nicht vor. Das Berufungsgericht habe den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt und die Gutachten zutreffend gewürdigt.
II.
Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 164 SGG), fristgerecht, worüber die Beteiligten streiten, schon deshalb, weil dem Kläger die Frist von einem Jahr seit Zustellung des angefochtenen Urteils nach § 66 Abs. 2 SGG zur Verfügung stand. Der erkennende Senat hat zwar schon ausgesprochen, dass die Belehrung über das Rechtsmittel der Revision nicht über sämtliche von den Beteiligten zu wahrenden Förmlichkeiten des Revisionsverfahrens Aufschluss geben muss (BSG. 1 S. 227 [229]). Die Belehrung muss aber so abgefasst sein, dass die Beteiligten ohne Zuhilfenahme des Gesetzestextes in der Lage sind, die "ersten Schritte" zur Durchführung der Revision zu unternehmen; sie muss daher über den wesentlichen Inhalt der bei der Einlegung des Rechtsmittels zu beachtenden Vorschriften unterrichten (BSG. 1 S. 194 [195]). Eine Verweisung auf die Gesetzesvorschriften, in denen die für das Rechtsmittel der Revision geltenden Förmlichkeiten geregelt sind, also das bloße Zitat des § 164 SGG, genügt nicht, dieses könnte vielmehr - wenn nur der für Rechtsunkundige wesentliche Inhalt der Vorschrift wiedergegeben wäre - auch völlig fehlen. Die vorliegende Rechtsmittelbelehrung gibt zwar den wesentlichen Inhalt des § 164 Abs. 1 SGG wieder, sie enthält aber keinen Hinweis darauf, dass die Revision das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten muss (§ 164 Abs. 2 SGG; vgl. BSG. 1 S. 227 [229]). Die Beteiligten werden in der hier vorliegenden Belehrung auch nicht davon in Kenntnis gesetzt, welche Personen beim Bundessozialgericht als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind (§ 166 Abs. 2 SGG). Die bloße Verweisung auf die in Betracht kommenden Paragraphen des Gesetzes ist nicht geeignet, den mit der Vorschrift des § 66 SGG angestrebten besonderen Belehrungszweck zu erreichen. Da dem Kläger hiernach wegen unzureichender Rechtsmittelbelehrung die Frist des § 66 Abs. 2 SGG zur Verfügung stand, bedurfte es keiner Entscheidung über den von ihm gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die hiernach rechtzeitig eingelegte Revision, die das Vordergericht nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat, ist statthaft, weil das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, den der Kläger mit Recht gerügt hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Dieser Verfahrensmangel liegt darin, dass das Vordergericht die von Amts wegen anzustellenden Ermittlungen über den beim Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden Gesundheitszustand unterlassen hat, obgleich es sich dazu nach der Sachlage hätte gedrängt sehen müssen (vgl. SozR. SGG § 103 Bl. Da 2 Nr. 7). Der Kläger rügt insoweit mit Recht, dass das Landessozialgericht seinem Vorbringen über neuerdings aufgetretene Herzbeschwerden nicht nachgegangen sei, obwohl er vor der mündlichen Verhandlung ein Attest seiner behandelnden Ärztin über eine seit dem 26. Juli 1955 behandlungsbedürftige Herzinsuffizienz beigebracht hatte. Das angefochtene Urteil räumt sogar gegenüber dem um die Jahreswende 1954/55 erhobenen Herzbefund die Möglichkeit einer in der Zwischenzeit eingetretenen Verschlimmerung ein. Wenn das Landessozialgericht trotzdem von einer weiteren Beweisaufnahme abgesehen hat, so kann die hierfür gegebene Begründung, das Attest der behandelnden Ärztin habe keine Befundangaben enthalten, die Unterlassung der nach der Sachlage gebotenen Aufklärung des Charakters der Herzbeschwerden nicht rechtfertigen, zumal das Urteil an anderer Stelle (Seite 7 oben) auf die aus den Befundberichten ersichtlichen niedrigen Blutdruckwerte hinweist. Jedenfalls hätte das Landessozialgericht allein auf Grund der schon länger zurückliegenden Herzbefunde die Möglichkeit einer Verschlimmerung des Zustandes des Herzens nicht von vornherein ausschließen dürfen. Damit hat es die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) überschritten. Die Beeinträchtigung des Zustandes des Herzens stellt offensichtlich nicht das Hauptleiden dar, von dem die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit des Klägers nach den Feststellungen des Vordergerichts allein abhängt. Seine Erwerbsfähigkeit wird vielmehr durch andere Leiden - Zustand nach dreimaliger Magenoperation mit Anazidität des Magensaftes, Gastritis, Begleitcholecystitis, Pankreopathie , indurierte Hilusveränderungen, Skoliose der Brustwirbelsäule, Muskelrheuma und Schwachsichtigkeit des linken Auges - nicht unwesentlich beeinträchtigt; deshalb kann die von ihm behauptete Verschlimmerung des Herzbefundes unter Berücksichtigung der übrigen Leiden von ausschlaggebender Bedeutung sein. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Da der Sachverhalt noch weiterer Klärung bedarf, ist der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Bei seiner neuen Entscheidung wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, welche Gründe dafür maßgebend gewesen sind, dass das Arbeitsamt den Kläger nicht mehr als arbeitsfähig ansieht. Ferner werden - im Hinblick auf das nervenfachärztliche Gutachten - bei Prüfung der für den Kläger noch in Betracht kommenden zumutbaren Tätigkeiten das Persönlichkeitsbild des Klägers und der geringe Grad seiner Intelligenz zu berücksichtigen sein; dabei wird es zweckdienlich sein, das Arbeitsamt zu hören. Schließlich kann es von Bedeutung sein, dass nach dem Befundbericht des Dreikönigen-Hospitals nur bei entsprechender Diät, Lebensführung und medikamentöser Beihilfe, insbesondere Substitution des fehlenden Magensaftes, ein erträglicher Zustand geschaffen werden konnte.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt den abschließenden Urteil des Landessozialgerichts vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 2314107 |
NJW 1958, 2039 |