Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn die Aussage eines Zeugen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung ist, ist das Gericht nicht verpflichtet, den Zeugen zu beeidigen.
2. Reisen (Wege), die sowohl den Interessen des Unternehmens als auch privaten Interessen des Versicherten dienen und sich nicht eindeutig in einen unternehmensbedingten und einen unternehmensfremden Teil zerlegen lassen, stehen als gemischte Tätigkeiten unter Versicherungsschutz, wenn sie dem Unternehmen wesentlich dienen; sie brauchen ihm nicht überwiegend zu dienen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Hinweis auf das Erfordernis eines bestimmten Antrages in der Rechtsmittelbelehrung ist unentbehrlich.
2. Die Stellung des bestimmten Antrages in einem innerhalb der Revisionsfrist eingehenden Schriftsatzes ist ausreichend.
Normenkette
RVO § 542 Fassung: 1942-03-09; SGG §§ 66, 118 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, §§ 164, 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 66 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 164 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 9. Juli 1954 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Ehemann der Klägerin starb am 16. Juli 1950 an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Die Klägerin verlangt deshalb Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Verstorbene, von Beruf Diplom-Landwirt, war als Oberassistent Angestellter der jetzigen Bundesversuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft in Kiel. Er hatte eine Unterkunft auf seiner Arbeitsstätte in Kiel, während seine Familie in Krummbeck bei Neustadt (Holstein) wohnte. Im Sommer 1950 wurde ihm eine aus Mitteln seiner Arbeitgeberin erstellte Neubauwohnung mit folgender - von ihm erbetener - Umzugsanordnung zugewiesen:
"Nachdem der Direktor des Instituts für Milcherzeugung die dienstliche Notwendigkeit Ihrer Anwesenheit in Kiel als Ihrem Dienstort anerkannt hat, erteile ich Ihnen hiermit, auch im Interesse der Ersparnis an Trennungsentschädigung, die erbetene Umzugsanordnung. Gleichzeitig stelle ich Ihnen eine Umzugskostenbeihilfe in Aussicht.
Der Verwaltungsdirektor."
Am 14. Juli 1950 führte der Ehemann der Klägerin den Umzug durch. Er wurde für diesen Tag beurlaubt, außerdem wurde ihm für die Fahrt von Kiel nach Krummbeck ein Dienstkraftrad zur Verfügung gestellt. Am Morgen des Umzugstages nahmen ihn wider Erwarten dringende Dienstgeschäfte noch einige Zeit in Kiel in Anspruch; er konnte deshalb die Fahrt nach Krummbeck erst so spät antreten, daß bei seiner Ankunft am Verladeort - 13 Uhr - seine Anwesenheit nicht mehr erforderlich war. Nach etwa einstündigem Aufenthalt in seiner bisherigen Familienwohnung begab er sich gegen 14 Uhr zur Erledigung dienstlicher Angelegenheiten zu dem Landwirt ... in Krummbeck . In dessen Betrieb wurden im Auftrage der Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft praktische Versuche durchgeführt, die vor allem der Futterkonservierung dienten. Die Besprechung zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Landwirt ... dauerte bis 17 Uhr. Dann fuhr jener, mit der Klägerin auf dem Soziussitz des Motorrades, in Richtung Kiel, während der Möbelwagen bereits vorausgefahren war. Auf der Bundesstraße 76 zwischen Süselerbaum und Eutin stieß der Ehemann der Klägerin mit einem von dem Viehhändler K gesteuerten Personenkraftwagen zusammen. Dabei zog er sich Verletzungen zu, die nach 2 Tagen zum Tode führten. K wurde vom Schöffengericht Lübeck wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung mit einer Geldstrafe von 300,- DM bestraft.
Die zunächst mit der Sache befaßte Hessische Ausführungsbehörde für Unfallversicherung, der im Feststellungsverfahren von Besprechungen zwischen dem Verunglückten und dem Landwirt ... nichts bekannt geworden war, lehnte durch Bescheid vom 17. Februar 1951 den Anspruch auf Hinterbliebenenrente mit der Begründung ab, daß die Fahrt, auf der der Versicherte verunglückt sei, eigenwirtschaftlichen Zwecken, nämlich der Durchführung des Umzugs, gedient habe und daß deshalb ein Arbeitsunfall im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorliege.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zu deren Begründung ausgeführt, der Unfall müsse als Arbeitsunfall angesehen werden, weil der Umzug auf ausdrückliche Anordnung der Arbeitgeberin durchgeführt worden sei, also mit der betrieblichen Tätigkeit ihres Ehemannes im Zusammenhang gestanden habe. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist die beklagte Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung an die Stelle der Hessischen Ausführungsbehörde für Unfallversicherung getreten.
Das Oberversicherungsamt (OVA.) Schleswig hat die Berufung durch Urteil vom 4. Juni 1951 zurückgewiesen. Es hat der Umzugsanordnung lediglich formale Bedeutung für die Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe beigemessen. Zudem sei der Ehemann der Klägerin - so wird in den Entscheidungsgründen ausgeführt - nicht gehalten gewesen, sich an den Umzugsarbeiten persönlich zu beteiligen. Möge der Umzug auch mittelbar dem Betrieb gedient haben, in der Hauptsache habe er doch im Interesse des Beschäftigten gelegen.
Gegen das ihr am 5. Juli 1951 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Juli 1951 (weitere) Berufung beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg eingelegt. Gemäß § 215 Abs. 8 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist das Verfahren auf das Landessozialgericht (LSG.) Schleswig übergegangen. In diesem Rechtszug hat die Klägerin erstmalig vorgetragen, ihr Ehemann habe am Unfalltage von 14 bis 17 Uhr betriebswichtige Besprechungen mit dem Landwirt ... geführt. Daraus hat sie gefolgert, daß jedenfalls die Rückfahrt ihres Ehemannes von Krummbeck nach Kiel als eine unter Versicherungsschutz stehende Arbeitstätigkeit zu werten sei.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des OVA. Schleswig vom 4. Juni 1951 und des Bescheides der Hessischen Ausführungsbehörde für Unfallversicherung vom 17. Februar 1951 die Beklagte zur Gewährung einer Hinterbliebenenrente zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das LSG. hat, nachdem es eine Auskunft der Bundesversuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft eingeholt und den Landwirt ... als Zeugen uneidlich vernommen hatte, dem Klagebegehren durch Urteil vom 9. Juli 1954 dem Grunde nach entsprochen. Es hat ausgeführt: Die Fahrt des Verunglückten von Kiel nach Krummbeck habe zunächst ausschließlich seinem Umzug, also einem eigenwirtschaftlichen Zweck, gedient. Daran ändere nichts, daß der Verunglückte ein von seiner Dienststelle zur Verfügung gestelltes Motorrad benutzt habe, daß ihm eine aus Bundesmitteln erstellte Wohnung zugewiesen worden sei, daß die Dienststelle den Umzug angeordnet habe und daß dieser die Voraussetzung für die volle Ausnutzung der Arbeitskraft habe schaffen sollen. Dagegen sei die Rückfahrt von Krummbeck nach Kiel eine Dienstfahrt gewesen. Bedeutung und Zeitaufwand der mit dem Zeugen ... geführten Besprechung ließen erkennen, daß nicht mehr der ursprünglich in Aussicht genommene private Zweck, sondern die Besprechung in dem Versuchsbetrieb die hauptsächliche Tätigkeit des Verunglückten in Krummbeck gebildet habe und daß diese Tätigkeit nicht nur gelegentlich des Umzugs, sondern deshalb stattgefunden habe, weil der Zweck der eigenwirtschaftlichen Fahrt sich infolge der verspäteten Ankunft erledigt gehabt habe. Spätestens mit der Einleitung der Besprechung mit dem Zeugen ... habe der Verunglückte sich von dem ursprünglichen eigenwirtschaftlichen Zweck gelöst und wieder eine dem Betrieb seiner Arbeitgeberin dienende Tätigkeit aufgenommen. Die Rückfahrt nach Kiel habe daher in unmittelbarem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden. Infolgedessen sei der Verkehrsunfall des Versicherten als Arbeitsunfall im Sinne des § 542 RVO anzusehen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der behandelten Rechtsfrage hat das LSG. die Revision zugelassen.
Das Urteil ist der Beklagten am 10. November 1954 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 6. Dezember 1954 Revision eingelegt, ohne dabei einen bestimmten Antrag zu stellen. Erst die am 25. Januar 1955 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangene Revisionsbegründungsschrift enthält einen Antrag.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Revisionsschrift habe eines bestimmten Antrages nicht bedurft, weil das Ziel der Revision - die Klagabweisung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils - aus dem Zusammenhang klar erkennbar sei. Abgesehen davon hält sie den Antrag der Revisionsbegründungsschrift für rechtzeitig gestellt, weil die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils das Erfordernis eines bestimmten Antrages nicht erwähnt und deshalb die Rechtsmittelfrist des § 164 Abs.1 SGG nicht in Lauf gesetzt habe (§ 66 Abs. 2 SGG).
Die Revision greift die vom LSG. getroffenen tatsächlichen Feststellungen mit der Rüge an, das Gericht habe gegen die verfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 103, 106, 112 und 128 SGG verstoßen. Es hätte, da es entscheidenden Wert darauf gelegt habe, daß der Ehemann der Klägerin kurz vor seinem tödlichen Unfall eine Besprechung mit dem Zeugen ... geführt habe, den Zeugen beeidigen müssen. Zudem sei der zeitliche Ablauf der Vorgänge am Unfalltage nicht hinreichend aufgeklärt worden. Das LSG. hätte, vor allem durch Vernehmung der Klägerin, feststellen müssen, wann mit der Verladung des Umzugsgutes begonnen worden, wann der Möbelwagen in Krummbeck abgefahren und wann er in Kiel eingetroffen sei sowie welchen Auftrag der Umzugsunternehmer für die Zeit nach seiner Ankunft in Kiel gehabt habe. Das LSG. sei auch verpflichtet gewesen, die Strafakten des Schöffengerichts Lübeck beizuziehen und sie auszuwerten. Das angefochtene Urteil lasse jeden ausdrücklichen Hinweis darauf vermissen, daß die Klägerin mit ihrem Ehemann auf dem Motorrad gesessen habe und daß beide hinter dem Umzugsgut hergefahren seien.
In sachlich-rechtlicher Hinsicht rügt die Revision: Das angefochtene Urteil lasse nicht erkennen, ob das LSG. den Unfall des Ehemannes der Klägerin als Arbeitsunfall im Sinne des § 542 Abs.1 oder als Wegeunfall im Sinne des § 543 Abs. 1 RVO angesehen habe. Das LSG. verkenne, daß nicht jede Lösung von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zwangsläufig die Rückkehr in die Betriebssphäre bedeute. Wenn der Verunglückte vor dem Antritt der Rückfahrt nach Kiel eine dienstliche Besprechung mit dem Zeugen ... gehabt habe, so folge daraus nicht, daß alles, was er im Anschluß an diese Besprechung getan habe, im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit gestanden habe. Dagegen spreche, daß der Verunglückte für den Rest des Tages beurlaubt und seine Arbeitgeberin nicht daran interessiert gewesen sei, daß er noch am selben Tage nach Kiel zurückkehre. Andererseits habe es im Interesse des Ehemannes der Klägerin gelegen, hinter dem Möbelwagen herzufahren, also diesen zu begleiten. Die eigenwirtschaftlichen Interessen des Verunglückten hätten also bei der Fahrt mindestens im Vordergrund gestanden. Infolgedessen liege kein Arbeitsunfall nach § 542 Abs. 1 RVO vor. Allenfalls könne ein Wegeunfall auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte in Betracht gezogen werden. Aber auch eine solche Annahme sei rechtlich nicht haltbar. Der Rückweg nach Kiel habe nicht auf der Arbeitsstätte, sondern in der alten Familienwohnung begonnen, also keinen betrieblichen Ausgangspunkt gehabt. Es fehle auch an dem Endpunkt des Weges im häuslichen Bereich; denn ein solcher sei, solange die neue Wohnung in Kiel nicht bezogen gewesen sei, noch nicht vorhanden gewesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und in Wiederherstellung des Urteils des OVA. Schleswig vom 4. Juni 1951 den die Ansprüche der Klägerin auf Gewährung von Entschädigung aus Anlaß des tödlichen Unfalls ihres Ehemannes am 14. Juli 1950 ablehnenden Bescheid vom 17. Februar 1951 wiederherzustellen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Hauptantrages weist die Klägerin darauf hin, daß die Revisionsschrift keinen bestimmten Antrag enthalte und die Revision nicht innerhalb der Frist des § 164 Abs.1 SGG begründet worden sei. Sie meint, die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils sei richtig und vollständig; selbst wenn sie unvollständig sein sollte, könne hierauf nicht die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zurückgeführt werden. Die Verfahrensrügen der Revision hält die Klägerin für unbegründet. Zur Begründung ihres Hilfsantrages bezieht sie sich auf das angefochtene Urteil. Sie ist der Auffassung, daß die Rückfahrt von Krummbeck nach Kiel jedenfalls ein nach § 543 RVO versicherter Weg gewesen sei.
Die vom LSG. zugelassene Revision ist statthaft (§ 162 Abs.1 Nr. 1 SGG). Sie ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.
Für die Einlegung des Rechtsmittels stand der Beklagten die außerordentliche Frist von einem Jahr nach Zustellung des Urteils zur Verfügung, weil die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils unvollständig und daher unrichtig erteilt war (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Unvollständigkeit liegt darin, daß der nach der Ansicht des Senats unentbehrliche Hinweis auf das Erfordernis eines bestimmten Antrags fehlt. Insoweit schließt sich der erkennende Senat der im Urteil vom 23. September 1955 (BSG. 1 S. 227) eingehend begründeten Auffassung des 3. Senats an. Da die Revision somit innerhalb eines Jahres nach der am 10. November 1954 erfolgten Zustellung des Urteils eingelegt werden konnte, ist sie am 25. Januar 1955 auch rechtzeitig begründet worden. Unerheblich ist es nach der Auffassung des Senats, daß die Überschreitung der für den Regelfall geltenden Begründungsfrist des § 164 Abs. 1 SGG möglicherweise nicht auf der unzureichenden Rechtsmittelbelehrung beruhte. Die gegenteilige Ansicht der Klägerin findet weder im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze noch entspricht sie dem Bedürfnis, über den Lauf der Rechtsmittelfrist im Interesse der Rechtssicherheit eine möglichst weitgehende, von schwer festzustellenden Überlegungen des Rechtsmittelklägers unabhängige Klarheit zu schaffen (vgl. auch BSG.1 S. 254).
Den nach § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG erforderlichen bestimmten Antrag enthält zwar nicht schon die Revisionsschrift, er ist aber in der Revisionsbegründungsschrift wirksam nachgeholt worden. Gegen eine solche Aufteilung der Revisionserklärung und des Revisionsantrages auf verschiedene Schriftsätze bestehen keine rechtlichen Bedenken; dem Erfordernis des § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG ist, wie das BSG. bereits entschieden hat, Genüge getan, wenn der "bestimmte Antrag" in irgendeinem innerhalb der Revisionsfrist beim BSG. eingehenden Schriftsatz gestellt wird (vgl. Urteil des 7. Senats vom 21.3.1956 in SozR. § 164 SGG Bl. Da 2 Nr. 12).
Die Revision ist hiernach zulässig; sie ist jedoch unbegründet.
Zunächst hatte sich der Senat mit den von der Revision erhobenen Verfahrensrügen zu befassen. Von ihrer Beurteilung hängt die Bindung des BSG. an die vom LSG. getroffenen tatsächlichen Feststellungen ab (§ 163 SGG). Diese Rügen sind unbegründet.
In der Nichtbeeidigung des Zeugen ... liegt kein Verfahrensmangel. Im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit werden Zeugen nur beeidigt, wenn ihre Aussage für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung ist. Aber auch unter dieser vom LSG. bejahten Voraussetzung ist die Beeidigung nicht zwingend vorgeschrieben, vielmehr findet sie nur statt, wenn das Gericht sie für notwendig hält; sie ist also in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt (§ 118 Abs. 2 SGG). Es ist nicht ersichtlich, daß das LSG. den ihm eingeräumten Ermessenspielraum überschritten hätte, dies umso weniger, als die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG. - in teilweiser Abweichung von ihrer schriftlichen Revisionsbegründung - erklärt hat, sie wolle weder die Glaubwürdigkeit noch die Erinnerungsfähigkeit des Zeugen ... in Zweifel ziehen.
Zu Unrecht wird auch gerügt, daß die genauen Zeiten und weitere Einzelheiten der Verladung, der Abfahrt des Möbelwagens und der Ankunft in Kiel hätten aufgeklärt werden müssen. Das LSG. hat aufgrund der Bekundung des Zeugen ... festgestellt, der Ehemann der Klägerin habe sich von 13 bis 14 Uhr in seiner früheren Wohnung in Krummbeck und von 14 bis 17 Uhr auf dem Hof des Zeugen aufgehalten und sei im Anschluß hieran nach Kiel weitergefahren. Ferner hat es das gegen den Viehhändler K ergangene Urteil des Schöffengerichts Lübeck vom 11. Dezember 1950, von dem sich eine Abschrift in den Verwaltungsakten der Beklagten befindet, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Aus diesem Urteil ergibt sich, daß sich der Unfall unmittelbar nach 17 45 Uhr ereignet hat, daß die Klägerin auf dem Rücksitz des mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/std. fahrenden Motorrades saß und der Möbelwagen "in größerer Entfernung" vorausgefahren war. Es ist nicht zu beanstanden, daß das LSG. sich mit diesen Feststellungen begnügt und nicht versucht hat, den zeitlichen Vorsprung des Möbelwagens vor dem Motorrad genau zu ermitteln. Hierauf kam es nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die für die Frage, ob das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, allein von Bedeutung ist (vgl. BSG. 2 S. 84), nicht an. Selbst nach der Auffassung der Revision, die den verunglückten Motorradfahrer als Begleiter des Möbelwagens angesehen wissen und daraus für sie günstige Rechtsfolgen herleiten will, wäre eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich gewesen, weil der festgestellte Sachverhalt nicht lückenhaft ist, sondern die Annahme der Revision widerlegt, daß das Motorrad des Verunglückten als Begleitfahrzeug des Möbelwagens anzusehen gewesen sei. Zu der von der Revision vermißten Vernehmung der Klägerin über die Vorgänge bei der Verladung, die Abfahrt des Möbelwagens und den Verlauf der Fahrt bestand hiernach für das LSG. keine Veranlassung, darüber hinaus aber auch keine verfahrensrechtliche Möglichkeit, weil das SGG eine förmliche Parteivernehmung nicht kennt. Dies folgt daraus, daß die Bestimmungen der §§ 445 bis 455 ZPO über die Parteivernehmung in § 118 Abs. 1 SGG nicht für entsprechend anwendbar erklärt worden sind (so auch Bayer. LSG. vom 10.6.1955 in Breithaupt 1956 S. 547, 549). Ebensowenig war der Vorderrichter gehalten, die Klägerin gemäß § 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2 SGG zu weiteren tatsächlichen Erklärungen zu veranlassen; denn sie hatte bereits substantiiert vorgetragen, der Möbelwagen sei während der dienstlichen Besprechung in dem Versuchsbetrieb nach Kiel abgefahren und ihr Ehemann habe nach 17 Uhr die Fahrt angetreten, um an seinen Dienstort zurückzukehren.
Daß das angefochtene Urteil nicht, wie dies im Strafurteil des Schöffengerichts Lübeck geschehen ist, noch einmal ausdrücklich festgestellt hat, die Klägerin habe auf dem rückwärtigen Sitz des Motorrades gesessen, verstößt nicht gegen verfahrensrechtliche Bestimmungen, vor allem nicht gegen § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG.
Ferner liegt kein Mangel des Verfahrens darin, daß das LSG. davon abgesehen hat, die Strafakten des Schöffengerichts Lübeck beizuziehen. Die Gründe des angeführten Strafurteils enthalten eine ausführliche Schilderung des Unfallhergangs. Aus dem Vorbringen der Revision ergibt sich nicht, inwiefern die Strafakten darüber hinaus weitere für das sozialgerichtliche Verfahren bedeutsame Erkenntnisquellen erschlossen hätten.
Die Rüge, das LSG. habe nicht den gesamten Inhalt der Verhandlung und der Beweisergebnisse berücksichtigt und damit gegen § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG verstoßen, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Revision entgegen der Vorschrift des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG keine bestimmten Tatsachen bezeichnet hat, die den gerügten Mangel ergeben sollen.
Da die erhobenen Verfahrensrügen somit unbegründet sind, ist das BSG. bei der sachlich-rechtlichen Prüfung des angefochtenen Urteils an die darin getroffenen Feststellungen gebunden.
Die Revision vermißt zu Unrecht eine klare Stellungnahme zu der Frage, ob ein Arbeitsunfall nach § 542 RVO oder ein Wegeunfall nach § 543 RVO vorliegt. Im dritten Absatz der Entscheidungsgründe hat das LSG. ausgeführt, daß die Voraussetzungen des § 542 RVO gegeben seien. Diese Auffassung des Vorderrichters trifft im Ergebnis zu.
Die Beurteilung der Frage, ob die Fahrt, auf welcher der Ehemann der Klägerin verunglückt ist, unter Versicherungsschutz stand, hängt davon ab, ob die Fahrt den Interessen der Bundesversuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft oder den persönlichen Interessen des Verunglückten diente. Bei dieser Prüfung hat das LSG. auf denjenigen Teil der Fahrt abgestellt, auf dem sich der Unfall ereignet hat, also auf die Rückfahrt von Krummbeck nach Kiel, weil der rechtliche Charakter der Fahrt infolge des Dazwischentretens einer dienstlichen Besprechung in dem Versuchsbetrieb ... eine Veränderung erfahren habe.
Die Rückfahrt von Krummbeck nach Kiel war durch zwei Gründe veranlaßt und diente einem zweifachen Zweck. Einmal fuhr der Ehemann der Klägerin nach Kiel zurück, weil die Umzugsmaßnahmen, zu deren Durchführung er sich nach Krummbeck begeben hatte, beendet waren und er zu seinem neuen Wohnort gelangen wollte, zu dem der Möbelwagen bereits vorausgefahren war. Insofern war die Rückfahrt ein Teil der Tätigkeit, die der Durchführung seines Umzuges diente. Zugleich aber war sie Teil einer den Interessen der Versuchs- und Forschungsanstalt dienenden Tätigkeit, die der Ehemann der Klägerin mit einer dreistündigen Besprechung im Versuchsbetrieb ... begonnen hatte und die sich in der Rückkehr zum Arbeitsort Kiel unmittelbar fortsetzte.
Als Teil des Umzugs diente die Fahrt den persönlichen Interessen des Ehemannes der Klägerin. Dem steht, wie das LSG. zutreffend ausgeführt hat, nicht entgegen, daß der Umzug auf Grund einer von dem Beschäftigten erbetenen Umzugsanordnung durchgeführt wurde, daß die zugewiesene Wohnung aus Bundesmitteln erstellt worden war, daß die Versuchs- und Forschungsanstalt am Wegfall der Trennungsentschädigung interessiert war, daß sie sich von der Übersiedlung ihres Angestellten nach Kiel eine bessere Ausnutzung seiner Arbeitskraft versprach und daß sie für die Fahrt nach Krummbeck ein Dienstkraftrad zur Verfügung gestellt hatte. Diese Umstände sind - auch in ihrer Gesamtheit - nicht geeignet, den erforderlichen inneren Zusammenhang der Fahrt mit der versicherten Tätigkeit des Verunglückten zu begründen. Gegen diese von beiden Vorinstanzen übereinstimmend vertretene Rechtsauffassung hat die Klägerin im Revisionsverfahren auch keine Angriffe mehr erhoben.
Demgegenüber lag in der Besprechung mit dem Zeugen de la Motte eine dem Unfallversicherungsschutz unterfallende Tätigkeit. Dabei ist es, wie das LSG. mit Recht angenommen hat, unerheblich, daß sich der Ehemann der Klägerin ohne besondere Anweisung seiner Arbeitgeberin und überdies an einem dienstfreien Tage hierzu entschloß. Nach den getroffenen Feststellungen war seine Stellung im Betrieb so selbständig, daß das Einverständnis der Arbeitgeberin mit der jederzeitigen Durchführung solcher betrieblicher Verrichtungen als stillschweigend erteilt gelten konnte. Als Rückfahrt von einer auswärtigen Betriebstätigkeit zum Betriebsort diente auch die Fahrt von Krummbeck nach Kiel den Interessen des Betriebes. Dem steht nicht entgegen, daß Kiel nicht nur Betriebsort, sondern zugleich der neue Wohnort des Ehemannes der Klägerin war. Ebensowenig konnte die Rückfahrt nach Kiel ihren rechtlichen Charakter als einer auch den Interessen des Betriebes dienenden Fahrt dadurch verlieren, daß der Ehemann der Klägerin am Abend des 14. Juli möglicherweise nicht mehr die Absicht oder die Gelegenheit hatte, seine Arbeitsstätte noch einmal aufzusuchen; es genügt, daß die Fahrt ihn von einer betrieblichen Verrichtung unmittelbar zum Betriebsort zurückbrachte (vgl. hierzu RVA. vom 29.7.1919 in Arb.Vers. 1919 S. 549 und LSG. Celle in BG. 1955 S. 305).
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Rückfahrt von Krummbeck nach Kiel - ebenso wie der Aufenthalt des Ehemannes der Klägerin in Krummbeck selbst - gemischten Tätigkeiten gedient hat, nämlich seinen persönlichen Interessen und der versicherten Betriebstätigkeit. Der Meinung der Beklagten, daß die Rückfahrt nur oder doch überwiegend persönlichen Interessen des Ehemannes der Klägerin gedient habe, weil er den Möbelwagen begleitet habe, hat sich der Senat nicht anschließen können. Einmal bedurfte der Möbelwagen auf der nicht allzu großen Strecke von Krummbeck nach Kiel, zumal da die Fahrt über eine Bundesstraße führte, keiner Begleitung durch einen Motorradfahrer. Zum anderen ist der Ehemann der Klägerin weder zugleich mit dem Möbelwagen in Krummbeck abgefahren, noch befand er sich zur Zeit des Unfalles im Gefolge des Möbelwagens, vielmehr war dieser - wie es in dem Urteil des Schöffengerichts Lübeck heißt - in größerer Entfernung vorausgefahren.
Bei Unfällen auf Wegen oder Reisen, die sogenannten gemischten Tätigkeiten dienen, hat es die Rechtsprechung für die Bejahung oder Verneinung des Versicherungsschutzes für bedeutsam angesehen, ob sich der zurückgelegte Weg eindeutig in zwei Teile zerlegen läßt, von denen der eine der versicherten und der andere der nichtversicherten Tätigkeit gedient hat. Hat sich in einem solchen Falle der Unfall auf dem zuletzt genannten Teile des Weges ereignet, so wurde der Versicherungsschutz verneint (so z.B. RVA. vom 18.11.1927 in EuM. Bd. 21 S. 276).
In dem hier zu entscheidenden Falle ist eine Trennung der Rückfahrt nach Kiel in einen mit dem Umzug und in einen anderen mit der Besprechung auf dem Gut des Zeugen ... im Zusammenhang stehenden Teil nicht möglich. Bei einer solchen Untrennbarkeit des Weges hinsichtlich versicherter und nichtversicherter Tätigkeit wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum der Versicherungsschutz nahezu einhellig bejaht, wenn die gemischte Tätigkeit dem versicherten Zweig wesentlich dient; sie braucht ihm nicht überwiegend zu dienen. Nur wenn das Handeln im Interesse des versicherten Zweiges lediglich Nebenzweck der Tätigkeit ist, wird der Versicherungsschutz verneint (vgl. RVA. vom 15.3.1912 in EuM. 21 S. 276 (277 - Fußn.), grunds . Entsch. Nr. 2690 vom 26.2.1914 in AN. 1914 S. 411, ferner vom 5.11.1928 in EuM. 23 S. 353; Bayer. LVA. in Amtsbl. Bayer. AM 1950 S. 720 und 1954 Teil B S. 20, Breith. 1951 S. 663, 908 und 1312, Breith. 1952 S. 54; Bayer. LSG. in Breith. 1954 S. 1121; LSG. Baden-Wttbg. in BG. 1955 S. 40; RVO-Mitgl.Komm., 2. Aufl., § 544 Anm. 4 II; Schulte-Holthausen, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 544 Anm. 15 b; Lauterbach, Unfallversicherung, Stand Januar 1956, § 542 RVO, Anm. 3 II g bb; teilw.abw.: Sächs. LVA. vom 20.12.1913 in EuM. 2 S. 198 und Bayer. LVA. vom 28.4.1914 in EuM. 5 S. 226). Diesen Grundsätzen hat sich der Senat angeschlossen. Sie entsprechen dem für den Bereich der Unfallversicherung geltenden Begriff des ursächlichen Zusammenhangs als der wesentlich mitwirkenden Verursachung (vgl. Lauterbach a.a.O. § 542 Anm. 3 II a; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 31.3.1956, S. 480, F II b).
Hiernach bedurfte es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht der Prüfung, ob die Besprechung im Versuchsbetrieb des Zeugen ... - wie das LSG. angenommen hat - den hauptsächlichen Gegenstand der Tätigkeit des Verunglückten am Unfalltage gebildet hat; Der Zusammenhang der Tätigkeit des Verunglückten in Krummbeck und damit auch der Rückfahrt nach Kiel mit der versicherten Tätigkeit ist vielmehr schon dann zu bejahen, wenn die erwähnte dienstliche Besprechung nicht nur gelegentlich des Umzugs stattgefunden, sondern der versicherten Tätigkeit wesentlich gedient hat. Dieses Merkmal hat der Senat nach dem festgestellten Sachverhalt als gegeben angesehen. Die Dauer der Besprechung und die Besprechungsthemen lassen erkennen, daß die dienstliche Verrichtung bedeutsam und wichtig war. Vor allem diente die Besprechung insofern wesentlich den Interessen der Arbeitgeberin, als eine Regelung für den Fall, daß der Ehemann der Klägerin nach seiner Übersiedelung nach Kiel nicht mehr in der Lage sein würde, die Versuche in der bisherigen Weise selbst zu überwachen, getroffen werden mußte und auch getroffen worden ist.
Das LSG. hat somit im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der Teil der Fahrt, auf welchem der Ehemann der Klägerin verunglückt ist, in einem rechtlich erheblichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand und deshalb dem Versicherungsschutz nach § 542 RVO unterlag.
Auf eine Prüfung der Fragen, ob auch der übrige Teil der Fahrt versichert war und ob der Versicherungsschutz ebensowohl aus § 543 RVO hergeleitet werden kann, kam es hiernach nicht an.
Die Revision ist somit unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen