Leitsatz (amtlich)

Der Rentenversicherungsträger darf einem behinderten Versicherten, der wegen einer Kriegsbeschädigung für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist, die Gewährung eines Zuschusses für die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges nicht allein mit der Begründung versagen, der Träger der KOV habe bereits einen solchen Zuschuß gewährt.

 

Normenkette

AVG § 13 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1236 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 14 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1237 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 14 Abs. 3 Buchst. c Fassung: 1957-02-23; RVO § 1237 Abs. 3 Buchst. c Fassung: 1957-02-23; RehaAnglG § 5 Abs. 2 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 08.04.1976; Aktenzeichen L 5 A 75/75)

SG Koblenz (Entscheidung vom 05.06.1975; Aktenzeichen S 10 A 540/74)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. April 1976 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Unter den Beteiligten ist in Streit, ob die Beklagte dem Kläger einen Zuschuß zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges unter Berufung auf eine entsprechende Leistungsverpflichtung des Trägers der Kriegsopferversorgung (KOV) versagen durfte.

Der 1936 geborene Kläger, als Verwaltungsangestellter in Bonn beschäftigt, erhält vom Versorgungsamt (VersorgA) ua wegen Verlustes des rechten Beines im Oberschenkel und Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes KOV nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vH.

Bereits im Jahre 1968 hatte die Beklagte dem Kläger einen Zuschuß zu den Kosten eines Kraftfahrzeuges gewährt. Im September 1974 beantragte er für die Neubeschaffung eines Kraftfahrzeuges mit automatischem Getriebe im Wert von knapp 14.000,- DM ua bei der Beklagten und beim VersorgA erneut die Bewilligung eines Zuschusses. Die orthopädische Versorgungsstelle und die Hauptfürsorgestelle in Koblenz gewährten daraufhin Zuschüsse von je 2.500,- DM, die letztere Stelle außerdem ein Darlehen von 5.000,- DM. Dagegen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. September 1974 den Antrag mit der Begründung ab, "daß nach Ursache und Folge ihres Leidens eine andere Stelle eine Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges zu gewähren hat". Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. November 1974).

Mit der Klage hatte der Kläger dagegen in den Vorinstanzen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte am 5. Juni 1975 unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, den Antrag des Klägers nach der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden. Mit der angefochtenen Entscheidung vom 8. April 1976 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen. Es ist der Auffassung, die Beklagte komme als Rentenversicherungsträger ebenso wie die Versorgungsverwaltung zur Leistung von Rehabilitationsmaßnahmen in Betracht. Eine ausschließliche Zuständigkeit der Versorgungsverwaltung, kriegsbeschädigten Versicherten berufliche Hilfen zu gewähren, sei nirgends bestimmt. Insbesondere habe das Gesetz über die Angleichung der Leistungen der Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nicht aufgehoben.

Das LSG hat in seinem Urteil die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat die Revision eingelegt. Sie trägt vor, § 13 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) stelle die Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation in das pflichtgemäße Ermessen des Versicherungsträgers. Sie, Beklagte, halte sich im Rahmen ihres Ermessens, wenn sie von Leistungen der hier in Frage stehenden Art gegenüber Angehörigen eines Personenkreises absehe, der primär von einem anderen Leistungsträger, der Versorgungsverwaltung, Leistungen beanspruchen könne. Das RehaAnglG habe das Kausalitätsprinzip, dh den Grundsatz, daß die Ursache der Behinderung über die Zuordnung eines einzelnen Behinderten zu einem Rehabilitationsträger entscheide, nicht beseitigt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) könne zwar Leistungen der hier in Frage stehenden Art erbringen, müsse es aber nicht. Die "Kann-Vorschrift" des § 13 AVG räume der Verwaltung die Möglichkeit ein, den Einsatz ihrer finanziellen Mittel generell zu bestimmen und ihn damit sinnvoll zu steuern. Sie, Beklagte, habe bei ihrer Entscheidung, künftig von Zuschüssen für den genannten Personenkreis abzusehen, finanzpolitischen Notwendigkeiten Rechnung getragen. Sie stehe dabei mit der Grundauffassung des RehaAnglG in Übereinstimmung, das den Grundsatz der einheitlichen Trägerschaft ausspreche.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist im Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Nach § 13 Abs 1 AVG in der bis zum Inkrafttreten des RehaAnglG am 1. Oktober 1974 geltenden Fassung kann die Beklagte in dem in § 14 AVG bezeichneten Umfang Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit gewähren, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und sie voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Die Maßnahmen nach § 13 AVG erstrecken sich ua auf die berufliche Förderung (§ 14 Abs 1 AVG); die berufliche Förderung wiederum umfaßt ua die Hilfe zur Erhaltung der Arbeitsstelle (§ 14 Abs 3 Buchst c AVG). Die Beklagte selbst hat zutreffend vorgetragen, daß sie in Durchführung dieser Vorschriften sogenannte Kraftfahrzeughilfe in Form der Gewährung eines Zuschusses zu den Anschaffungskosten bewilligen kann, wenn der Versicherte wegen seiner Behinderung für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges angewiesen ist (vgl dazu § 19 der Rahmengrundsätze der BfA für die Gewährung von Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit von Versicherten und Rentnern bei allgemeinen Erkrankungen, DAngV 1967, 32 und Richtlinien der BfA für die Hilfe zur Beschaffung von Kraftfahrzeugen für behinderte Versicherte und Rentner als Regelleistung gemäß § 13 AVG, DAngV 1974, 362). Rechtsgrundlage für den vom Kläger beantragten Zuschuß sind die §§ 13, 14 AVG in der vor dem 1. Oktober 1974 geltenden, oben angeführten Fassung deshalb, weil der Kläger das Kraftfahrzeug, zu dessen Anschaffung er von der Beklagten einen Zuschuß verlangt, bereits im September 1974 erworben hat. Inhalt und Wirkung sozialrechtlicher Ansprüche ist nämlich nach dem Recht zu beurteilen, das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses oder Umstandes gegolten hat, sofern nicht später in Kraft gesetztes neues Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt (Maßgeblichkeit des zur Zeit des "Versicherungsfalles" geltenden Rechts, vgl zB BSG in SozR Nr 1 zu § 9 der 7. BKVO). Was für Normen gilt, die Ansprüche begründen, muß aber auch auf Vorschriften anwendbar sein, die - wie § 13 AVG aF - die Leistung in das pflichtgemäße Ermessen des Versicherungsträgers stellen. Der Umstand, der eine Kraftfahrzeughilfe der Beklagten in Form der Gewährung eines Zuschusses auslösen kann, ist jedoch der Erwerb eines Fahrzeuges zur Zurücklegung des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsplatz durch den Versicherten. Nach den schlüssigen Feststellungen des LSG hat der Kläger das nach seiner Ansicht zu bezuschussende Kraftfahrzeug im September 1974 erworben.

Entgegen der Ansicht der Beklagten gestattet es § 13 Abs 3 AVG nicht, Kraftfahrzeughilfe unter Hinweis darauf zu versagen, daß bereits der Träger der KOV verpflichtet sei, eine solche Hilfe zu gewähren. Zwar bleibt nach der genannten Vorschrift die Verpflichtung und Zuständigkeit einer sonstigen durch Gesetz verpflichteten Stelle, insbesondere der KOV, unberührt. Richtig ist auch, daß der Kläger insbesondere nach §§ 11 Abs 3, 10 Abs 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) iVm § 2 Nr 1 der Verordnung zur Durchführung des § 11 Abs 3 und des § 13 BVG idF vom 31. Januar 1972, ferner aber auch nach § 13 Abs 4 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge vom 27. August 1965 als Hilfe zur Sicherung des Arbeitsplatzes eine Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges verlangen kann, wenn er infolge der Schädigung auf die Benutzung eines solchen Kraftfahrzeuges angewiesen ist. Hieraus folgt jedoch nicht, daß wegen der Leistungszuständigkeit der KOV und der Kriegsopferfürsorge jegliche "Zuständigkeit" der Beklagten für die Gewährung einer gleichartigen Rehabilitationsmaßnahme entfiele. § 13 Abs 3 AVG besagt allein, daß die "Zuständigkeit" der anderen Stelle, insbesondere der KOV neben der der Beklagten weiterbesteht (Konkurrenzverhältnis, ebenso Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, AVG, 2. und 3. Aufl, Bd IV, Anm 5 zu § 13; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl, Bd III, S. 666 d unter 5 a; Hanow/Lehmann/Bogs, RVO - 4. Buch, 5. Aufl, RdNr bei § 1236; Zweng/Scherer, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, 2. Aufl, Anm IV 2 bei § 1236; aA Verbandskomm zum 4. und 5. Buch der RVO, Stand 1. Juli 1976, Anm 17 zu § 1236; unklar Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 5. Aufl, Anm 7 zu § 1236). § 13 Abs 3 AVG ist nach allem keine Norm, die die Beklagte von jeglicher "Zuständigkeit" zur Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen entlastet.

Auch der Umstand, daß Ursache der Bewegungsbehinderung des Klägers - und damit der Notwendigkeit, sich zum Aufsuchen des Arbeitsplatzes eines Kraftfahrzeuges zu bedienen - eine Kriegsbeschädigung ist, begründet nicht eine ausschließliche "Zuständigkeit" des Trägers der KOV, die hier streitige Maßnahme der Berufsförderung zu gewähren. Selbst unterstellt, im Recht der Rehabilitation bestünde ein Kausalitätsgrundsatz in dem Sinne, daß sich die Zuständigkeit für die Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme an eine bestimmte Person - vorrangig - nach der Ursache richtete, auf der die Behinderung beruht (vgl dazu die Begründung zum Entwurf eines RehaAnglG, BT-Drucks 7/1237 vom 9. November 1973, S. 50 f), so könnte doch die Beklagte die Versagung eines Zuschusses zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges hierauf nicht stützen. Das ergeben die folgenden Überlegungen:

Die Leistung, auf die der Kläger Ansprüche erhebt, besteht - wie dargelegt - in einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation. Streitig ist also vorliegend eine auf die Überwindung der Folgen einer Behinderung gerichteten Leistung. Es läßt sich nicht verkennen, daß die konkret streitige Maßnahme keine Volleistung, sondern nur eine Teilleistung der Rehabilitation ist: Die volle Rehabilitation bestünde in der kostenfreien Gestellung eines Kraftfahrzeuges; nur hierdurch würde die dargestellte behinderungsbedingte Unfähigkeit des Klägers, seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufzusuchen, voll überwunden. Da der Träger der KOV dem Kläger jedoch zur Anschaffung des zur beruflichen Rehabilitation benötigten Kraftfahrzeuges allein einen Zuschuß von 2.500,- DM gewährt hat und nach den bestehenden Bestimmungen auch nur zu gewähren hatte, bleibt selbst bei Annahme eines - vorrangig - die Leistungszuständigkeit der KOV begründenden Kausalitätsprinzips in bezug auf eine volle berufliche Rehabilitation des Klägers eine Leistungslücke offen. Hinsichtlich dieser Leistungslücke kann sich die Beklagte nicht auf ein Kausalitätsprinzip und eine darauf gegründete Leistungszuständigkeit der KOV berufen; deren Leistungsmöglichkeiten sind ausgeschöpft. Vielmehr wäre ein Zuschuß der Beklagten durchaus geeignet, als - weitere - Teilleistung der Rehabilitation sinnvoll neben die Teilleistung der KOV zu treten. Hiernach könnte die Beklagte dem Kläger die Gewährung eines Zuschusses zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges unter Bezug auf die "Zuständigkeit" des Trägers der KOV nur dann versagen, wenn die §§ 13 ff AVG aF dies ausdrücklich oder doch nach ihrem Sinn und Zweck erlaubten. Das ist aber nicht der Fall.

Rehabilitation bedeutet - wie dargelegt - Überwindung der Folgen einer Behinderung. Sie ist damit Prototyp einer final ausgerichteten Leistung der sozialen Sicherung (vgl dazu zB Albers, Möglichkeiten einer stärker final orientierten Sozialpolitik, S. 2; Jung/Preuß, RehaAnglG, 2. Aufl, S. 6). Mit der Gewährung eines Kostenzuschusses zur Anschaffung eines berufliche Rehabilitation bewirkenden Objekts ist, wie bereits ausgeführt, der finalen Bestimmung der Leistung noch nicht voll Genüge getan; das wäre nur der Fall, wenn dem Behinderten das Objekt völlig kostenfrei zur Verfügung gestellt würde. Es kann daher nicht im Plan von Rehabilitationsleistungen vorsehenden Normen liegen, diese Leistungen von vornherein auf einer Höhe festzuschreiben, die unter dem Niveau der erreichbaren vollen Rehabilitation liegt. Die Berufung auf ein Kausalitätsprinzip kann hier nicht helfen: Aus dem Gedanken, daß für die Überwindung der Folgen einer Behinderung in erster Linie ein im Hinblick auf deren Ursache "Haftpflichtiger" einzutreten habe, läßt sich jedenfalls dann, wenn dieser die zur Rehabilitation führende Sachleistung nur zu bezuschussen hat, nichts für die Verneinung der Frage herleiten, ob nicht auch ein weiterer Rehabilitationsträger seinerseits einen Zuschuß zu gewähren hat. Im Grundsatz muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß Rehabilitationsleistungen vorsehende Normen die Kumulierung mehrerer Kostenzuschüsse bis zur Höhe der vollen Rehabilitation nicht nur für zulässig, sondern auf Grund ihrer Zwecksetzung sogar für erwünscht halten. Offensichtlich gleicher Auffassung war die Beklagte in § 19 Abs 3 Buchst c ihrer Rahmengrundsätze aaO.

Eine Einschränkung vom Grundsatz gesetzlich erlaubter und gewünschter Kumulierung von Kostenzuschüssen zu Rehabilitationssachleistungen könnte sich allenfalls insoweit ergeben, als die Verwendungsbreite des zu bezuschussenden Objekts eine Begrenzung erfordern könnte. So ist daran zu denken, daß dem Behinderten ein eigenes Kraftfahrzeug nicht nur zur beruflichen Rehabilitation - Aufsuchen der Arbeitsstelle - dient, sondern darüber hinaus zur privaten Nutzung zur Verfügung steht. Aus dieser Überlegung könnte es sich rechtfertigen, daß dem Behinderten nicht ein Kraftfahrzeug gestellt, sondern zu dessen Anschaffung nur ein Zuschuß gewährt wird. Andererseits liefert diese Überlegung keine Grundlage dafür, dem Behinderten jede Kumulierung von Zuschüssen zu versagen. Für den vorliegenden Fall braucht nicht entschieden zu werden, bei welchem Betrag kumulierender Zuschüsse gegebenenfalls eine Grenze überschritten wäre, die den Rehabilitationsträger zur Verweigerung der Leistung berechtigte. Im Hinblick hierauf, daß das vom Kläger im September 1974 selbst beschaffte und für die Zurücklegung des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsplatz geeignete Kraftfahrzeug knapp 14.000,- DM kostete, durfte die Beklagte selbst im Hinblick auf den vom Träger der KOV und von der Hauptfürsorgestelle gewährten Zuschuß von insgesamt 5.000,- DM einen eigenen Zuschuß noch nicht versagen. Die genannten Zuschüsse bleiben noch deutlich unter der Hälfte der für die Anschaffung des Kraftfahrzeuges aufzuwendenden Kosten; das bedeutet, daß auch dann, wenn die Beklagte ihrerseits einen weiteren Zuschuß gewähren würde, die Gesamtsumme der zugewendeten Beträge insgesamt noch als Zuschuß, nicht aber als - weitgehende - Kostenübernahme beurteilt werden müßte.

Nach alledem widerspricht es dem Normzweck der §§ 13, 14 AVG aF, wenn die Beklagte unter Bezug auf ein Kausalitätsprinzip und eine darauf gegründete Zuständigkeit der KOV den vom Kläger beantragten Kostenzuschuß versagt.

Die Beklagte meint weiter, "die Grundauffassung des RehaAnglG" rechtfertige gleichwohl ihre ablehnende Haltung. Ungeachtet des Umstandes, daß - wie ausgeführt - für den vorliegenden Fall das RehaAnglG keine Anwendung findet, könnten schon vor dem 1. Oktober 1974 geltende Grundsätze des Rehabilitationsrechts im RehaAnglG eine ausdrückliche Regelung gefunden haben. Indessen ist dem RehaAnglG nichts in der von der Beklagten behaupteten Richtung zu entnehmen. Insbesondere ist der Grundsatz der Einheitlichkeit der Trägerschaft, den die Beklagte aus § 5 Abs 2 RehaAnglG entnimmt, nicht geeignet, den Bescheid der Beklagten zu rechtfertigen. Hierbei wird verkannt, daß die Rehabilitation gerade im vorliegend streitigen Falle der Gewährung eines Zuschusses eben kein "einheitlicher, in sich geschlossener und nicht aufteilbarer Prozeß" ist (Amtliche Begründung zu § 5, aaO, S. 55). Kostenzuschüsse können durchaus von mehreren Trägern konkurrierend und kumulierend gewährt werden.

Mithin gestatten es die §§ 13, 14 AVG aF der Beklagten nicht, einen Kostenzuschuß unter Verweis auf die "Zuständigkeit" der KOV zu versagen. Mit dem angegriffenen Bescheid vom 19. September 1974 hat die Beklagte mithin gegen das Gesetz verstoßen; Fragen des Verwaltungsermessens waren daher nicht zu prüfen. Inwieweit die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens "zur sinnvollen Steuerung ihrer finanziellen Mittel" die Tatsache der "Zuständigkeit" auch eines anderen Rehabilitationsträgers jedoch bei der Höhe des Kostenzuschusses berücksichtigen kann, ist vorliegend nicht zu entscheiden.

Die Vorinstanzen haben daher die Beklagte zu Recht unter Aufhebung ihres Bescheides verurteilt, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden (zur Anwendung des § 131 Abs 3 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - auch auf eine Verpflichtungsklage vgl BSGE 3, 180, 191; 7, 46 = SozR Nr 32 zu § 54 SGG). Die Revision der Beklagten gegen die Entscheidung des LSG war demgemäß zurückzuweisen. Maßgebende Rechtsauffassung des Gerichts ist allerdings die des letztinstanzlich entscheidenden Revisionsgerichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 231

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