Verfahrensgang
SG Halle (Saale) (Beschluss vom 09.09.2008; Aktenzeichen S 22 AS 631/08) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine Kostengrundentscheidung nach Erledigung eines sozialgerichtlichen Klageverfahrens.
I.
1. Die Beschwerdeführer, die seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II beziehen, beantragten beim Grundsicherungsträger die Zustimmung zum Umzug in eine konkret benannte andere Wohnung und begründeten dies unter anderem mit Schimmelbefall in der bisherigen Wohnung. Gegen die Ablehnung der Zusicherung durch den Grundsicherungsträger legten die Beschwerdeführer durch ihre Verfahrensbevollmächtigten Widerspruch ein und beantragten am 7. Februar 2008 beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, den Grundsicherungsträger „vorläufig – bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache – zu verpflichten, ihnen eine Kostenzusicherung gemäß § 22 Abs. 2 SGB II” für die konkret bezeichnete Wohnung zu erteilen. Zur Begründung ihres Eilantrags führten sie unter anderem aus, die andere Wohnung sei für sie noch bis zum 13. Februar 2008 reserviert; es drohe die anderweitige Vermietung. Später korrigierten sie ihr Vorbringen dahingehend, dass die andere Wohnung noch bis zum 15. Februar 2008 reserviert sei.
Am Vormittag des 11. Februar 2008 ging beim Sozialgericht die Antragserwiderung des Grundsicherungsträgers ein, in der dieser dem Begehren der Beschwerdeführer widersprach. Das Sozialgericht bestimmte daraufhin für den 14. Februar 2008 um 10 Uhr einen Erörterungstermin mit Beweisaufnahme und ordnete das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin zu 1) an. Die Terminsbenachrichtigung ging den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer zusammen mit der Antragserwiderung des Grundsicherungsträgers am Nachmittag des 11. Februar 2008 nach 16 Uhr per Fax zu.
Am 12. Februar 2008 ging den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer der Widerspruchsbescheid des Grundsicherungsträgers zu, in dem der Widerspruch der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung der begehrten Zusicherung als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Widerspruchsbescheid trägt als Datum den 11. Februar 2008. Die Begründung stimmte nahezu wörtlich mit der Antragserwiderung des Grundsicherungsträgers vom 11. Februar 2008 überein. Der Bescheid ist zudem vom gleichen Sachbearbeiter unterzeichnet wie die Antragserwiderung in dem Eilverfahren.
Am 13. Februar 2008 erhoben die Beschwerdeführer – vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigten – Klage, mit der sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Eilverfahren wiederholten und ergänzend ein Gutachten einer Umweltberatungsfirma zitierten. Sie beantragten schriftsätzlich, den Grundsicherungsträger „zu verpflichten, ihnen eine Kostenzusicherung gemäß § 22 Abs. 2 SGB II” für die konkret bezeichnete Wohnung zu erteilen.
In dem Erörterungstermin am 14. Februar 2008 sicherte der Grundsicherungsträger nach Befragung der Beschwerdeführerin zu 1) und der zeugenschaftlichen Vernehmung des Verwalters der bisher von den Beschwerdeführern bewohnten Wohnung sowie nach einem rechtlichen Hinweis der zuständigen Kammervorsitzenden die Übernahme der Aufwendungen für die neue Unterkunft zu. Die Beteiligten erklärten daraufhin das Eilverfahren für erledigt. Aufgrund der erteilten Zusicherung des Grundsicherungsträgers erklärten die Beteiligten später auch das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt.
Das Sozialgericht entschied sodann mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Beschluss vom 9. September 2008, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben. Zur Begründung führte es aus, über die Kostenerstattung sei unter Berücksichtigung aller Umstände nach Maßgabe der Erfolgsaussicht, aber auch nach dem Verursacherprinzip zu entscheiden. Zu erstatten seien nach § 193 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen. Zwar sei die Klage jedenfalls bis zur Erledigung der Hauptsache zulässig – und nach dem Ergebnis des Erörterungstermins in dem Eilverfahren – wahrscheinlich auch begründet gewesen. Sowohl daraus als auch nach dem Veranlassungsprinzip ergebe sich ein Kostenerstattungsanspruch der Beschwerdeführer gegen den Grundsicherungsträger dem Grunde nach. Die Kosten der Klageerhebung vor dem Erörterungstermin vom 14. Februar 2008 seien aber zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen. Ein Erfolg in dem Eilverfahren sei nicht davon abhängig gewesen, dass schon ein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht worden sei, weil der Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2008 am 14. Februar 2008 noch nicht habe bestandskräftig sein können. Vielmehr hätte es sich unter dem Gesichtspunkt der Kostenvermeidung, zu der Verfahrenbevollmächtigte auch aus ihrem Mandatsverhältnis verpflichtet seien, geradezu aufgedrängt, den Erörterungstermin abzuwarten. Die Hauptsacheklage habe in dem Eilverfahren bis zu dem Erörterungstermin keinerlei Nutzen für die Beschwerdeführer bewirken können. Der Erörterungstermin habe aber, wie geschehen, zur Erledigung führen und das Hauptsacheverfahren vollständig entbehrlich machen können. Die den Beschwerdeführern im Hauptsacheverfahren entstandenen Kosten seien demnach nicht nur nicht notwendig, sondern noch nicht einmal nützlich oder zweckentsprechend gewesen.
2. Die Beschwerdeführer rügen zum Einen einen Verstoß gegen das Willkürverbot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Das Sozialgericht habe sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen, indem es den Rechtsgedanken des § 193 Abs. 2 SGG in die Kostengrundentscheidung einbezogen habe, denn bei dieser Vorschrift handele es sich um eine Regelung, die ausschließlich das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG betreffe. Wie auch aus § 193 Abs. 3 SGG deutlich werde, spiele § 193 Abs. 2 SGG bei der Kostengrundentscheidung keine Rolle. Es sei auch sachfremd anzunehmen, dass im vorliegenden Fall zunächst ein Abwarten des Erörterungstermins angezeigt gewesen wäre. Bei dem einstweiligen Rechtsschutzantrag habe es sich wegen des vorläufigen Charakters um einen völlig anderen Streitgegenstand gehandelt. Aufgrund der nicht zuletzt im Widerspruchsbescheid dokumentierten ablehnenden Haltung des Grundsicherungsträgers sei ein Sachanerkenntnis des Grundsicherungsträgers nicht wahrscheinlich gewesen. Die anwaltlichen Berufspflichten hätten es gerade geboten, durch Erhebung der Klage die Bestandskraft des Widerspruchsbescheids zu verhindern. Die Annahme einer Pflicht, dies zum spätmöglichsten Zeitpunkt zu tun, sei sachfremd. In jedem Fall habe das Sozialgericht in sachwidriger Weise nicht gewürdigt, dass der Grundsicherungsträger durch den in Kenntnis des Erörterungstermins erlassenen rechtswidrigen Widerspruchsbescheid die Vorbedingung für die erhobene Klage selbst geschaffen habe. Da die Klage zulässig und auch offensichtlich begründet gewesen sei und die Beschwerdeführer auch keine Veranlassung für die Klage gegeben hätten, hätte es allein der Billigkeit entsprochen, dem Grundsicherungsträger die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer aufzuerlegen.
Zum Anderen sehen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip darin, dass ihnen ein Kostenerstattungsanspruch versagt bleibe, obwohl sie eine Verletzung ihrer eigenen Rechte geltend gemacht und voll obsiegt hätten. Dies würde dem aus dem Gleichheitssatz und dem Rechtsstaatsgebot folgenden Grundsatz, dass für die Verfahrensbeteiligten eine vergleichbare Kostensituation geschaffen und das Risiko am Verfahrensausgang gleichmäßig verteilt werden solle, nicht gerecht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, denn die von ihr aufgeworfenen Fragen sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. zum Willkürverbot etwa BVerfGE 83, 82 ≪84≫; 86, 59 ≪63≫; 87, 273 ≪278 f.≫). Sie ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt, denn sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet und hat daher keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführer sinngemäß rügen, das Sozialgericht habe die Bedeutung und Tragweite von Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verkannt. Insoweit genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht. Es fehlt bereits an der erforderlichen Bildung geeigneter Vergleichsgruppen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. März 2004 – 1 BvR 131/04 –, juris, Rn. 7; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. Februar 2009 – 1 BvR 1631/04 –, juris, Rn. 11). Aus den Ausführungen der Beschwerdeführer wird nicht ansatzweise ersichtlich, gegenüber welcher Gruppe von Verfahrensbeteiligten sie sich benachteiligt fühlen. Soweit sie sinngemäß eine ungleiche Verteilung des Kostenrisikos zwischen Klägern und beklagten Sozialleistungsträgern darin sehen, dass ihre außergerichtlichen Kosten nicht erstattet werden, obwohl sie in der Hauptsache obsiegt hätten, ist ihr Vortrag zudem unsubstantiiert. Vor allem setzen sie sich nicht mit der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung auseinander, wonach sich die nach § 193 Abs. 1 SGG zu treffende Kostengrundentscheidung grundsätzlich nicht ausschließlich nach dem Erfolg bzw. den Erfolgsaussichten in der Hauptsache bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses richtet.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Kostengrundentscheidung des Sozialgerichts verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.
Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Die Abweichung von der herrschenden Rechtsprechung oder selbst die zweifelsfrei fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes allein machen allerdings eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird. Von willkürlicher Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 81, 132 ≪137≫; 87, 273 ≪278 f.≫, jeweils m.w.N.).
Die angegriffene Entscheidung ist danach nicht willkürlich.
a) Indem das Sozialgericht zur Begründung der von ihm getroffenen Kostengrundentscheidung auf die Vorschrift des § 193 Abs. 2 SGG rekurriert hat, hat es allerdings den Regelungsgehalt dieser Vorschrift verkannt. Nach seinem Wortlaut und der Systematik des § 193 SGG enthält § 193 Abs. 2 SGG keine Regelung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach. Die Vorschrift bestimmt vielmehr, was die Kosten sind, über deren Erstattung nach § 193 Abs. 1 SGG dem Grunde nach zu entscheiden ist. Sie regelt dementsprechend, welche Kosten erstattungsfähig sind (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rn. 4) und deshalb von der beklagten Behörde erstattet werden müssen, wenn ihr durch die Entscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach auferlegt werden. Entschieden wird darüber im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG. Ergänzt wird § 193 Abs. 2 SGG durch § 193 Abs. 3 SGG. Danach ist die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistandes stets erstattungsfähig. Dies bedeutet, dass der Urkundsbeamte im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 197 Abs. 1 SGG grundsätzlich nicht prüfen darf, ob die Anwaltsbestellung notwendig war (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rn. 9; Groß, in: Lüdtke, Handkommentar-SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn.12).
b) Es liegt jedoch kein Fall des krassen oder gar willkürlichen Missdeutens des Inhalts einer Norm vor. Das Sozialgericht hat mit seiner Verweisung auf § 193 Abs. 2 SGG lediglich die normative Grundlage seiner Entscheidung unzutreffend bezeichnet. Dass es bei der von ihm getroffenen Kostengrundentscheidung entscheidend darauf abgestellt hat, dass die Erhebung der Klage und die dadurch verursachten Kosten nicht notwendig waren, kann weder als offensichtlich fehlerhaft noch als sachfremd und schlechthin unvertretbar bewertet werden. Es hat sich vielmehr im Rahmen der inhaltlichen Maßstäbe gehalten, nach denen sich ausgehend von den in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten die Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG zu richten hat.
aa) Die nach § 193 Abs. 1 SGG zu treffende Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander – außergerichtliche – Kosten zu erstatten haben, liegt mangels besondere Regelungen über den Inhalt der zu treffenden Entscheidung im sachgemäßen Ermessen des Gerichts; die Regelungen der §§ 91 ff. ZPO finden keine unmittelbare Anwendung (vgl. BSG, Beschluss vom 24. Mai 1991 – 7 RAr 2/91 –, juris, Rn. 3 f.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rn. 12; Knittel, in: Hennig, SGG, § 193 Rn. 22 ≪August 2009≫; Groß, in: Lüdtke, Handkommentar-SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn. 20). Vielfach orientieren sich die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit an den Grundgedanken der §§ 91 ff. ZPO und der §§ 154 ff. VwGO (vgl. Knittel, in: Hennig, SGG, § 193 Rn. 23 ≪August 2009≫; Groß, in: Lüdtke, Handkommentar-SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn. 20). So besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG bei Erledigung des Rechtsstreits z.B. durch übereinstimmende Erledigungserklärung, wie sie hier erfolgt ist, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 91a ZPO und des § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu erfolgen hat. Maßgebend sollen dabei vor allem die mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Klage sein (vgl. BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 – B 7b AS 40/06 R –, juris, Rn. 5; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rn. 13 m.w.N.; Groß, in: Lüdtke, Handkommentar-SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn. 23 m.w.N.). Darüber hinaus hat das Gericht aber nach verbreiteter Ansicht auch alle anderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und insbesondere die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rn. 12b, 13 m.w.N.; Groß, in: Lüdtke, Handkommentar-SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn. 22; Straßfeld, in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn. 8; siehe auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Januar 1998 – L 13 Ar 3633/97 aK-B –, juris, Rn. 4: „auch andere für eine gerechte Verteilung der Kosten bedeutsame Umstände zu berücksichtigen.”). Diese sonstigen Gesichtspunkte werden meist unter den Begriffen des „Veranlassungsprinzips” oder des „Veranlassungsgrundsatzes” zusammengefasst (vgl. BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 – B 7b AS 40/06 R –, juris, Rn. 5; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rn. 12b m.w.N.; Groß, in: Lüdtke, Handkommentar-SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn. 20, 22 f.; Straßfeld, in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn. 8). Danach kann die Behörde zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Klägers verpflichtet sein, obwohl die Klage ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre, weil sie zum Beispiel durch eine unzutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids oder durch eine sonstige falsche Sachbehandlung Anlass für die Klageerhebung gegeben hat (vgl. BSGE 88, 274 ≪288≫; BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 – B 7b AS 40/06 R –, juris, Rn. 8). Umgekehrt kann der Kläger seine Kosten selbst zu tragen haben, obwohl er in der Hauptsache obsiegt hat oder hätte (vgl. BSG, Beschluss vom 24. Mai 1991 – 7 RAr 2/91 –, juris, Rn. 4). Insoweit kann auch maßgeblich sein, ob der Kläger unnötige Kosten verursacht hat (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rn. 12b). So wird auch vertreten, dass eine Kostentragung der beklagten Behörde zu Lasten eines an sich erfolgreich gebliebenen Klägers im Einzelfall ausgeschlossen sein kann, wenn es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen ist, ein Gerichtsverfahren zur Verwirklichung seines Anspruchs zu vermeiden (vgl. Straßfeld, in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 193 Rn. 9), insbesondere auf die frühzeitige Einlegung eines an sich zulässigen Rechtsbehelfs zu verzichten (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Februar 2008 – L 19 B 98/07 AS –, juris, Rn. 14, 16; Beschluss vom 14. April 2008 – L 7 B 311/07 AS –, juris, Rn. 10).
bb) Auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt hat das Sozialgericht in der Sache abgestellt, indem es sinngemäß ausgeführt hat, das Klageverfahren sei vermeidbar gewesen, weil es angebracht und den Beschwerdeführern zumutbar gewesen wäre, vor Erhebung der Klage in der Hauptsache das Ergebnis des Erörterungstermins in dem Eilverfahren abzuwarten. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung damit auf einen Gesichtspunkt gestützt, der es nach in Literatur und Rechtsprechung vertretener Auffassung im Einzelfall rechtfertigen kann, nach dem Veranlassungsgrundsatz davon abzusehen, der an sich unterlegenen Behörde die außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen. Ohne Belang ist insoweit, dass das Sozialgericht ausdrücklich festgestellt hat, auch aus dem Veranlassungsprinzip ergebe sich ein Kostenerstattungsanspruch der Beschwerdeführer gegen den Grundsicherungsträger dem Grunde nach. Es hat damit nur die Reichweite des Begriffs „Veranlassungsprinzip”, wie er in Literatur und Rechtsprechung verwendet wird, unrichtig bestimmt.
cc) Die Berücksichtigung von Veranlassungsgesichtspunkten zu Lasten des an sich erfolgreichen Klägers im Rahmen der Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG, insbesondere des Gesichtspunkts der Vermeidbarkeit des Rechtsstreits durch zumutbares Verhalten, ist nicht sachfremd. Im Rahmen der mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung müssen nicht nur die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, sondern können auch sonstige verfahrensbezogene Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
c) Es beruht nicht auf offenkundig sachfremden Erwägungen, dass das Sozialgericht angenommen hat, die Beschwerdeführer hätten das Klageverfahren dadurch zumutbar vermeiden können, dass sie das Ergebnis des Erörterungstermins in dem Eilverfahren abgewartet hätten.
Die Durchführung eines Eilverfahrens nach § 86b SGG macht zwar die Erhebung der Klage in der Hauptsache nach Erlass des Widerspruchsbescheids nicht entbehrlich. Die Klageerhebung ist im Gegenteil grundsätzlich geboten, um zu verhindern, dass der angegriffene Bescheid bestandskräftig oder im Sinne von § 77 SGG bindend wird. Andernfalls würde auch dem Eilantrag die Grundlage entzogen (vgl. z.B. Bayerisches LSG, Beschluss vom 2. März 2009 – L 11 B 983/08 AS ER –, juris, Rn. 18). Es bleibt zudem grundsätzlich dem Kläger überlassen, ob er die Klagefrist nach Erlass des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG) ausschöpft oder unmittelbar nach Erlass des Widerspruchsbescheids Klage erhebt.
Das Sozialgericht hat jedoch auf besondere Umstände des Einzelfalls abgestellt und daraus in vertretbarer Weise gefolgert, dass die Erhebung der Klage vor dem Erörterungstermin in dem Eilverfahren zur Wahrung der Rechtsschutzinteressen der Beschwerdeführer weder erforderlich noch sachgerecht war und es ihnen daher zumutbar gewesen wäre, vor der Erhebung der Klage den Erörterungstermin abzuwarten. Unabhängig davon, ob das Eilverfahren in der Sache auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet war, ging es dort um die gleiche rechtliche und tatsächliche Problematik. Dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführer war vor Erhebung der Klage bekannt, dass in dem Eilverfahren am 14. Februar 2008 und damit weit vor Ablauf der Klagefrist eine Beweisaufnahme zu der offensichtlich streitentscheidenden Frage, ob den Beschwerdeführern der Verbleib in ihrer bisherigen Wohnung zumutbar war, stattfinden sollte. Der Erfolg des Begehrens in der Hauptsache konnte daher entscheidend von dem Ergebnis des Erörterungstermins in dem Eilverfahren abhängen. Zudem drohte selbst im Falle des Misserfolges im Eilverfahren die faktische Erledigung des Begehrens in der Hauptsache dadurch, dass die Beschwerdeführer ausdrücklich die Zustimmung des Grundsicherungsträgers zum Umzug in eine konkret bezeichnete Wohnung begehrt haben, die nach ihrem eigenen Vorbringen zunächst bis zum 13. Februar 2008 und sodann bis zum 15. Februar 2008 reserviert war. Es ist nicht offensichtlich sachwidrig, dass das Sozialgericht in Anbetracht dieser Umständen angenommen hat, dass die Erhebung der Klage vor dem Erörterungstermin mit Beweisaufnahme zur Verfolgung der Rechtsschutzinteressen der Beschwerdeführer nicht zweckentsprechend war. Nach dem Erörterungstermin hätten die Beschwerdeführer ohne weiteres überlegen können, ob es sinnvoll und erfolgversprechend wäre, ihr Begehren gegebenenfalls im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG analog weiter zu verfolgen.
d) Es ist schließlich auch vertretbar, dass das Sozialgericht die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer nicht zumindest teilweise dem Grundsicherungsträger auferlegt hat, obwohl dieser den Widerspruchsbescheid vor dem Erörterungstermin in dem Eilverfahren erlassen hat.
Wenn sich das Gericht im Rahmen der Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 GG im Wesentlichen an dem Veranlassungsprinzip zu Lasten eines an sich erfolgreichen Beteiligten orientiert, muss es auch den Veranlassungsbeitrag des anderen Beteiligten berücksichtigen. Andernfalls wäre dem aus dem Gleichheitssatz und dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz, dass für die Verfahrensbeteiligten eine vergleichbare Kostensituation geschaffen und das Risiko am Verfahrensausgang gleichmäßig verteilt werden soll (vgl. dazu BVerfGE 35, 283 ≪289≫; 52, 131 ≪144≫; 74, 78 ≪94≫), nicht genügt. Es ist jedoch grundsätzlich Sache des entscheidenden Gerichts, die Veranlassungsbeiträge der Beteiligten im Rahmen richterlichen Ermessens zu gewichten und in ein der Billigkeit entsprechendes Verhältnis zu bringen. Das Bundesverfassungsgericht hat keine eigene Abwägung vorzunehmen, sondern sich unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots auf die Prüfung zu beschränken, ob die getroffene Entscheidung jeglichen sachlichen Grundes entbehrt.
Dies ist hier nicht der Fall. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kann nicht unterstellt werden, dass der Grundsicherungsträger bei Erlass des Widerspruchsbescheids bereits wusste, dass in dem Eilverfahren ein Erörterungstermin mit Beweisaufnahme stattfinden würde, und damit in ähnlicher Weise verfrüht gehandelt hat wie die Beschwerdeführer. Der Umstand, dass die Begründung des Widerspruchsbescheids im Wesentlichen mit dem Inhalt der Antragserwiderung des Grundsicherungsträgers in dem Eilverfahren übereinstimmt und beide Schriftstücke vom gleichen Sachbearbeiter unterzeichnet sind, lässt vielmehr darauf schließen, dass der Widerspruchsbescheid ebenso wie die Antragserwiderung im Eilverfahren am Vormittag des 11. Februar 2008 verfasst und zur Post gegeben wurde. Hierfür spricht auch, dass der Widerspruchsbescheid den Bevollmächtigten der Beschwerdeführer bereits am 12. Februar 2008 zugegangen ist und mithin den Machtbereich des Grundsicherungsträgers noch am 11. Februar 2008 verlassen haben muss. Die Ladungen zum Erörterungstermin mit Beweisaufnahme hat das Sozialgericht jedoch erst am Nachmittag des 11. Februar 2008 nach 16 Uhr versandt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen
Haufe-Index 2241577 |
NZS 2010, 384 |