Die Vorschrift darf bis zum Erlaß einer verfassungsgemäßen Regelung, längstens bis zum 31. Dezember 2000, angewandt werden.
A.
Das Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl I S. 645) regelt die Gewährung von finanziellen Leistungen des Staates zur Deckung des Unterhaltsbedarfs Auszubildender. Nach § 11 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung (Bedarf) geleistet. Auf diesen Bedarf werden nach Maßgabe besonderer Vorschriften Einkommen und Vermögen des Auszubildenden, seines Ehegatten und seiner Eltern in dieser Reihenfolge angerechnet (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz BAföG).
1. Die Anrechnung des Vermögens des Auszubildenden ist im Abschnitt V des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in § 26 Abs. 1 und §§ 27 bis 30 geregelt. Als Vermögen gelten alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, Forderungen und sonstige Rechte des Auszubildenden (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 BAföG). Ausgenommen sind Gegenstände, soweit sie der Auszubildende aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG), sowie bestimmte in § 27 Abs. 2 BAföG aufgeführte Rechte, Leistungen und Gegenstände. Der dem Auszubildenden im Bewilligungszeitraum (vgl. § 50 Abs. 3 BAföG) auf den monatlichen Bedarf anzurechnende Betrag errechnet sich aus dem gleichmäßig auf die Zahl der Monate dieses Zeitraums verteilten, um Freibeträge (vgl. § 29 BAföG) verminderten Wert des Vermögens des Auszubildenden (§ 30 BAföG).
2. Der Wert des Vermögens des Auszubildenden bestimmt sich nach § 28 BAföG. Die Vorschrift lautet in der für die Vorlage maßgeblichen Fassung des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (14. BAföGÄndG) vom 30. Juli 1991 (BGBl I S. 1732):
Wertbestimmung des Vermögens
(1) Der Wert eines Gegenstandes ist zu bestimmen
1. bei Grundstücken, die nach dem Bewertungsgesetz als zum Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehörig bewertet sind, auf die Höhe des Einheitswertes auf der Grundlage der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964,
2. bei nicht unter Nummer 1 fallenden Grundstücken auf 140 vom Hundert des Einheitswertes auf der Grundlage der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964,
3. bei Betriebsvermögen, mit Ausnahme der Grundstücke, auf die Höhe des Einheitswertes,
4. bei Wertpapieren auf die Höhe des Kurswertes,
5. bei sonstigen Gegenständen auf die Höhe des Zeitwertes.
Grundstücke und Betriebsvermögen werden, soweit sie in dem in § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Gebiet liegen, nur bei Entscheidungen für die Bewilligungszeiträume berücksichtigt, die nach dem 31. Juli 1992 beginnen.
(2) Maßgebend ist der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung, bei Wertpapieren der Kurswert am 31. Dezember des Jahres vor der Antragstellung.
(3) Von dem nach den Absätzen 1 und 2 ermittelten Betrag sind die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen. Dies gilt nicht für das nach diesem Gesetz erhaltene Darlehen.
(4) Veränderungen zwischen Antragstellung und Ende des Bewilligungszeitraums bleiben unberücksichtigt.
1. Im Ausgangsverfahren begehrt die Klägerin Bewilligung von Ausbildungsförderung für ein im Wintersemester 1991/92 aufgenommenes Studium. Das zuständige Studentenwerk lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe an dem für die Entscheidung über die Bewilligung der Ausbildungsförderung maßgeblichen Stichtag über ein Gesamtvermögen von 13.415,47 DM verfügt (Wertpapiervermögen von 9.252,95 DM; Sparguthaben von 2.956,84 DM; Bausparguthaben von 949,59 DM und ein Girokontoguthaben von 256,09 DM). Die gegen die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen gerichtete Klage blieb beim Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren macht die Klägerin im wesentlichen geltend, ihr Wertpapiervermögen dürfe in die Berechnung des anzurechnenden Gesamtvermögens nicht einfließen, da es nach einer mit ihren Eltern getroffenen Vereinbarung nicht zum Lebensunterhalt bestimmt sei, sondern lediglich für einen späteren Immobilienerwerb. Unbeschadet dessen beruhe die Anrechnung ihres Wertpapiervermögens auf einer verfassungswidrigen Regelung. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß Grundvermögen lediglich nach dem den Verkehrswert regelmäßig deutlich unterschreitenden Einheitswert auf den Anspruch auf Ausbildungsförderung angerechnet werde, während bei anderem Vermögen grundsätzlich der Zeitwert für die Höhe des Anrechnungsbetrages maßgeblich sei.
2. Das Berufungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob
§ 28 Abs. 1 Satz 1 BAföG… insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als er vorschreibt, daß der Wert eines Gegenstandes bei Grundstücken auf die Höhe des Einheitswertes auf der Grundlage der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG) oder 140 v.H. dieses Einheitswertes (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG), bei Wertpapieren auf die Höhe des Kurswertes am 31. Dezember des Jahres vor der Antragstellung (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 BAföG), bei sonstigen Gegenständen auf die Höhe des Zeitwertes im Zeitpunkt der Antragstellung (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 2 BAföG) zu bestimmen ist.
Im einzelnen hat das Gericht zur Begründung seiner Vorlage ausgeführt:
a) Die Berufung sei zulässig. Die Klägerin habe gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 7 Abs. 1 BAföG dem Grunde nach einen Anspruch auf Ausbildungsförderung. Ihr ungekürzter Bedarf betrage gemäß § 11 Abs. 1 BAföG 837,50 DM. Das Vermögen der Klägerin betrage insgesamt 13.415,47 DM. Hierbei sei ihr Wertpapiervermögen zu berücksichtigen, da die bestehende rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkung im Rechtsverkehr gegenüber Dritten nach § 137 BGB keine Wirkung entfalte und sie daher aus rechtlichen Gründen nicht gehindert sei, das Wertpapiervermögen zu veräußern. Nach Abzug des Freibetrags von 6.000 DM verbleibe ein monatlich anzurechnender Betrag von 602,12 DM. Zusammen mit dem anzurechnenden Einkommen der Eltern in Höhe von 583,06 DM übersteige dieser Betrag den Bedarf der Klägerin. Die Berufung sei daher – bewerte man, wie § 28 BAföG es fordere, das Geld- und Wertpapiervermögen der Klägerin zum Kurs- oder Zeitwert – zurückzuweisen. Setze man dagegen einen anderen, geringeren Wert dieses Vermögens an, so verbleibe möglicherweise ein – wenn auch geringer – Förderungsbetrag. Die Berufung habe dann teilweise Erfolg. § 28 Abs. 1 BAföG sei daher entscheidungserheblich.
b) Das vorlegende Gericht ist der Überzeugung, die unterschiedlichen Regelungen über die Wertbestimmung für Grundvermögen einerseits und für sonstiges Vermögen andererseits verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
aa) In § 28 Abs. 1 Satz 1 BAföG, der bei elternunabhängiger Förderung stets und bei elternabhängiger Förderung jedenfalls häufig einschlägig sei, werde die Gruppe der Förderungsberechtigten, die unter die Nummern 4 und 5 fielen (Inhaber von sonstigem Vermögen), gegenüber der Gruppe der Förderungsberechtigten benachteiligt, auf die die Nummern 1 und 2 anwendbar seien (Inhaber von Grundvermögen). Bei der Gruppe der Inhaber von sonstigem Vermögen werde der volle Verkehrswert zugrundegelegt, während bei der Gruppe der Inhaber von Grundvermögen der Wert des Vermögens durch den Einheitswert bestimmt werde; dieser betrage aber nach den Ermittlungen des Gerichts lediglich etwa ein Viertel bis ein Sechstel des Verkehrswertes.
Darüber hinaus werde die Gruppe der Inhaber von Grundvermögen zusätzlich dadurch bevorzugt, daß sie eventuell auf dem Grundstück lastende Verbindlichkeiten nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG in voller Höhe vom Einheitswert abziehen könne. Bereits geringe Darlehensbeträge, die lediglich ein Viertel beziehungsweise ein Sechstel des Verkehrswerts des Grundstückes ausmachten, könnten daher den nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BAföG anzurechnenden Einheitswert ausgleichen.
bb) Für diese Ungleichbehandlung gebe es keine rechtfertigenden Gründe. Insbesondere könne der vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie dem Gericht vorgetragene Gesichtspunkt nicht überzeugen, die Ermittlung des Wertes des Grundvermögens bewirke einen erheblichen Verwaltungsaufwand, der vor allem durch die Anforderung von Gutachten entstehe.
Zwar dürfe der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Bewertung des Grundvermögens typisieren. Diese Typisierung müsse aber den realen Wertverhältnissen annähernd gerecht werden. Das sei bei einem Einheitswert, der regelmäßig lediglich ein Viertel bis ein Sechstel des Verkehrswertes betrage, nicht der Fall. Die so entstehenden Härten und erhebliche Ungereimtheiten seien nicht eine außergewöhnliche, sondern die regelmäßige Folge der Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 BAföG.
Die Berufung auf verwaltungstechnische Gründe sei auch in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugend; solche Gründe hätten allenfalls geringes Gewicht. Zu einer Wertbestimmung von Grundvermögen des Auszubildenden gäben Anträge auf Ausbildungsförderung nicht im Regelfall, sondern nur ausnahmsweise Anlaß. Die Vorschriften des Ausbildungsförderungsrechts erforderten regelmäßig auch keine exakte Wertfeststellung. Für den Vollzug des Bundesausbildungsförderungsgesetzes würde ausreichen, daß der Verkehrswert des Grundvermögens jedenfalls den Betrag übersteige, der sich – lasse man sonstiges Vermögen außer Betracht – ergebe, wenn man den Freibetrag (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG) und den Jahresbedarf (§§ 30, 50 Abs. 3 BAföG) zusammenrechne. Diese Summe liege in einem Bereich, den der Verkehrswert von Grundvermögen – auch unter Berücksichtigung von Schulden und Lasten (§ 28 Abs. 3 BAföG) – im Regelfall erheblich überschreite. Aufwendigere Wertfeststellungen wären allenfalls in besonderen Einzelfällen notwendig.
Zur Vorlage haben sich das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie namens der Bundesregierung und der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts geäußert.
1. Das Bundesministerium hält § 28 Abs. 1 Satz 1 BAföG für verfassungsgemäß. Es betont die Gestaltungs- und Typisierungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der gewährenden Verwaltung. Weiter führt es aus:
a) Die Frage der Anrechnung von eigenem Vermögen des Auszubildenden spiele lediglich bei eins vom Hundert der Förderungsempfänger eine Rolle. Die Anrechnung sei aber nötig, um das Instrument der Ausbildungsförderung nicht durch Gewährung einer Förderung in Fällen mit hohem, aber einkommenslosem Vermögen in Mißkredit zu bringen. Vorteile könne die Anrechnung von Grundvermögen nach dem Einheitswert, der, wie zugestanden werde, in den meisten Fällen deutlich hinter dem Verkehrswert zurückbleibe, jedoch nur in wenigen Einzelfällen bewirken. Dies seien vor allem Fälle, in denen der Förderungsberechtigte Eigentümer einer großen selbstgenutzten Immobilie mit geringen Belastungen oder aber Eigentümer von unbebauten Grundstücken sei, aus denen kein Einkommen fließe.
b) Die für die Auszubildenden günstige Behandlung von Grundvermögen sei die Folge der engen Anlehnung an das Steuerrecht, die das Bundesausbildungsförderungsgesetz bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen vollzogen habe. Die weitestmögliche Anknüpfung an steuerliche Festsetzungen könne als ein prägendes Merkmal des auf eine Begrenzung des Verwaltungsaufwands bedachten Rechts der Ausbildungsförderung angesehen werden. Dies gelte von Anbeginn der individuellen Ausbildungsförderung an sowohl für die Einkommens- wie für die Vermögensanrechnung. Die durch die Anknüpfung an die Einheitswerte bewirkte systemwidrige Bevorzugung von Grundvermögen sei bei einer am Gerechtigkeitsgedanken und an den Wertentscheidungen des Grundgesetzes orientierten Betrachtung eher hinzunehmen als der Ausschluß einzelner Personen von Vorteilen, die ihnen nach dem Zweck des Gesetzes grundsätzlich zukommen sollen.
c) Schließlich sei die Durchführbarkeit des Bundesausbildungsförderungsgesetzes als Massenleistungsgesetz lediglich in einem verwaltungsökonomischen Verfahren zu gewährleisten. Die Zahl der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Geförderten habe 1991 im Jahresdurchschnitt etwa 605.000 betragen. Das Gesetz werde von etwa 700 Ämtern für Ausbildungsförderung ortsnah ausgeführt. Innerhalb der Ämter sei der Vollzug des Gesetzes im wesentlichen von Angehörigen des mittleren Dienstes zu leisten. Für die Mitarbeiter der Ämter für Ausbildungsförderung bilde dabei der Bereich der Vermögensbestimmung, schon seiner geringen Relevanz wegen, einen sehr kleinen Ausschnitt aus ihrem Arbeitsbereich.
Ein Verwaltungsverfahren, das sich eine Orientierung am Verkehrswert der Grundstücke zum Ziel setze, sei verwaltungsökonomisch nicht realisierbar. Ein solches Verfahren wäre etwa in Form einer sogenannten Bedarfsbewertung nach den §§ 138 ff. des Bewertungsgesetzes denkbar, wie es inzwischen für die Festsetzung der Erbschaft- und der Grunderwerbsteuer erfolge. Da eine entsprechende Bewertung in der Regel jedoch nicht vorliege, wäre sie von den Ämtern für Ausbildungsförderung selbst vorzunehmen. Dies bereite jedoch ganz erhebliche Schwierigkeiten, insbesondere vor dem Hintergrund, daß die Ämter für Ausbildungsförderung wegen der geringen Zahl von Anwendungsfällen in ihrem Bereich Vertrautheit im Umgang mit dieser Materie kaum gewinnen könnten. Die inzwischen ergangenen “Gleichlautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder” betreffend die §§ 138 bis 150 des Bewertungsgesetzes (BStBl I 1997, S. 364, 543, 592, 643, 859) gäben hiervon einen Eindruck.
Dem vorlegenden Gericht sei darin zuzustimmen, daß eine genaue Wertermittlung des bei dem Auszubildenden vorhandenen Grundvermögens häufig nicht notwendig sei. Um so schwerer wiege jedoch der Aufwand, der in den “Restfällen” zu betreiben wäre. Dieser Aufwand würde auch in jenen Fällen erforderlich werden, in denen es lediglich um die Höhe einer möglichen Teilförderung gehe. Insgesamt stünde ein solches Verfahren außerhalb jeden vertretbaren Verhältnisses zu den zu treffenden Förderentscheidungen.
Zwar könne an eine höhere Anrechnung von Grundvermögen im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes auch durch eine vorsichtige Veränderung des in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG festgelegten Hebesatzes gedacht werden. Damit lasse sich der Abstand zu den Verkehrswerten jedoch lediglich verringern. Zu bedenken sei allerdings, daß auch diese gesetzliche Änderung zu keiner quantifizierbaren Einsparung von öffentlichen Mitteln führen würde. Die ohnehin zu vernachlässigende Zahl relevanter Fälle würde durch die den Betroffenen möglichen Ausweichreaktionen noch einmal erheblich verkleinert. Im übrigen sei Immobilienvermögen von in der Ausbildung befindlichen Kindern fast immer das Ergebnis familiärer Dispositionen. Eine Verschärfung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BAföG würde das Interesse an solchen Dispositionen verringern.
2. Der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat mitgeteilt, er habe die streitige Vorschrift in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht angewandt. Ausführungen zu § 28 Abs. 1 Satz 1 BAföG fänden sich zwar in seinem Urteil vom 12. Juni 1986 (BVerwGE 74, 267 ≪268 f.≫). Sie seien jedoch nicht entscheidungserheblich gewesen. Im übrigen diene die in Frage stehende Regelung der Verwaltungsökonomie. Es habe insgesamt bei der Entscheidung kein Anlaß zur verfassungsrechtlichen Problematisierung der Vorschrift bestanden.
In der Ursprungsfassung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes sei eine Vermögensanrechnung nur dann vorgesehen gewesen, wenn der Auszubildende, sein Ehegatte oder seine Eltern im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums Vermögensteuer zu entrichten gehabt hätten. Während die Anbindung an die Vermögensteuerpflicht für den Bereich der Eltern und der Ehegatten des Auszubildenden erhalten geblieben sei, habe das 4. BAföG-Änderungsgesetz 1977 diese Anbindung beim Vermögen des Auszubildenden selbst aufgegeben und statt dessen die Anrechnung seines Vermögens an die Überschreitung erheblich reduzierter Freibeträge gebunden. Zur Begründung sei damals ausgeführt worden, dem Auszubildenden sei – im Gegensatz zu seinen Eltern und seinem Ehegatten – der volle Einsatz seines verwertbaren Vermögens für seine Ausbildung zuzumuten (vgl. BTDrucks 8/28, S. 13). Die Bundesregierung habe diese Lösung, die zugleich die verwaltungsökonomischen Vorteile der früheren Regelung weitgehend erhalte, für sozial ausgewogen gehalten (vgl. BTDrucks 8/134, S. 8). Nunmehr werde zu berücksichtigen sein, daß die Vermögensteuer weggefallen sei.
B.
1. Prüfungsmaßstab ist der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitssatz ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 87, 1 ≪36≫; stRspr).
Der Gesetzgeber hat allerdings bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber trifft, ob und in welchem Umfang das Vermögen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet wird. Dies gilt auch für die nähere Ausgestaltung der Vorschriften über die Bestimmung des Werts von Vermögensgegenständen, die auf den Bedarf zur Anrechnung kommen. Dabei kann dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität bei der Regelung von Massenerscheinungen eine besondere Bedeutung für die Rechtfertigung dort auftretender Ungleichbehandlung zukommen. Dies setzt aber voraus, daß bei einer Gleichbehandlung erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten entstehen würden, die nicht durch einfachere, die Betroffenen weniger belastende Regelungen behoben werden könnten (vgl. BVerfGE 84, 348 ≪359 f., 364≫).
2. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz benachteiligt Auszubildende mit Vermögen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 gegenüber Förderungsberechtigten, die zumindest auch über Grundvermögen im Sinne der Nr. 1 und 2 des Satzes 1 verfügen. Die Benachteiligung ergibt sich dadurch, daß nach dieser Vorschrift der Wert von Grundstücken nach dem Einheitswert bestimmt wird, während bei sonstigen Vermögensgegenständen für die Wertbestimmung der Kurs- oder Zeitwert maßgeblich ist. Es ist außer Streit, daß der Einheitswert eines Grundstücks heute nur noch einen Bruchteil des Verkehrswertes ausmacht (vgl. auch BVerfGE 93, 121 ≪132 f.≫ m.w.N.). Dies führt im Ergebnis dazu, daß Inhaber von Grundbesitz einen wesentlich geringeren Teil ihres Gesamtvermögens vorrangig für die Finanzierung der Ausbildung einsetzen müssen. Ihnen wird auf diese Weise bei wirtschaftlicher Betrachtung mittelbar ein besonderer Freibetrag eingeräumt; der nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG bei der Anrechnung von Vermögen des Auszubildenden gewährte Freibetrag von 6.000 DM ist damit nur scheinbar für alle Auszubildenden gleich. Hinzu kommt, daß nach Absatz 3 des § 28 BAföG von dem auf Grund des Absatzes 1 dieser Vorschrift ermittelten Betrag die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten im Nominalwert abzusetzen sind; dies wirkt sich für die Inhaber von Grundvermögen bei der Feststellung des Bedarfs nach § 11 Abs. 2 BAföG besonders vorteilhaft aus.
3. Die ungleiche Behandlung wird nicht durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.
a) Die vorgebrachten verwaltungspraktischen Gesichtspunkte reichen zur Rechtfertigung nicht aus. Zwar erfordert die Ermittlung des Verkehrswerts eines Grundstücks regelmäßig einen höheren Aufwand als die Anknüpfung der Wertberechnung an bereits festgestellte Einheitswerte. Dieser Aufwand würde aber in einer nicht so großen Anzahl von Förderungsfällen anfallen, daß er für die mit dem Vollzug des Bundesausbildungsförderungsgesetzes betrauten Stellen unzumutbar wäre. Im Rahmen der Bestimmung der Vermögensanrechnung nach §§ 26 ff. BAföG wäre eine genaue Festsetzung des Verkehrswertes eines Grundstücks regelmäßig nicht erforderlich. Es genügte – wie das vorlegende Gericht überzeugend dargelegt hat – meistens eine grobe Einschätzung, damit festgestellt werden kann, ob der Auszubildende über Grundvermögen verfügt, das sich bei Zugrundelegung einer wirklichkeitsnahen Bewertung auf den Bedarf auswirkt und den Förderungsanspruch ausschließt. Zudem könnte der Gesetzgeber, wenn er diesen zusätzlichen Ermittlungsaufwand vermeiden wollte, eine dem Art. 3 Abs. 1 GG entsprechende Rechtslage dadurch herbeiführen, daß er beispielsweise die Einheitswerte für die Wertbestimmung im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 1 BAföG anhebt oder durch die Anerkennung eines angemessenen Freibetrages für Vermögensgegenstände nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 BAföG die Inhaber unterschiedlicher Vermögensarten im Ergebnis gleichstellt.
b) Die Gruppe der Auszubildenden mit Grundvermögen ist auch nicht so klein, daß der Gesetzgeber diese Vermögensart unter Berufung auf seine Typisierungsbefugnis ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz in einem so weitgehenden Maße von der Anrechnung ausnehmen konnte, wie dies durch die Anknüpfung an den Einheitswert der Fall ist. Zur Rechtfertigung der zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegten Regelung können in diesem Zusammenhang nicht Feststellungen herangezogen werden, die Anfang der 70er Jahre getroffen wurden; danach spielte bei 99 vom Hundert der Förderungsfälle die Anrechnung des Vermögens des Auszubildenden keine Rolle. Diese Situation hat sich in der Zwischenzeit wesentlich geändert. Die Generation, die heute in der Ausbildung steht, verfügt auf Grund von Erbfolge und Schenkungen im größeren Umfang als früher über Grundvermögen. Die von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BAföG begünstigte Gruppe dürfte daher deutlich größer sein als zum Zeitpunkt der Neuregelung der Vermögensanrechnung im Jahre 1977, selbst wenn man berücksichtigt, daß kleinere und von dem Auszubildenden selbst genutzte Immobilien in der Verwaltungspraxis auf Grund der Härteklausel des § 29 Abs. 3 BAföG in Anlehnung an § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG von einer Anrechnung verschont bleiben (vgl. Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Aufl., § 29 Anm. 18.1 ≪Bearbeitungsstand 1992≫) und daß daher für diese Gruppe die Wertbestimmung des Grundvermögens nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG keine Rolle spielt.
c) Auch die weiteren vom Bundesministerium zur Rechtfertigung der dargestellten Ungleichbehandlung angeführten Gründe können im Ergebnis nicht überzeugen. Insbesondere führen vermietete oder verpachtete Immobilien keineswegs “zumeist” zu positiven Einkünften, die als Einkommen des Auszubildenden anzurechnen sind, so daß sich das Grundvermögen schon auf Grund der mit seiner Hilfe erzielten positiven Einkünfte auf die Ausbildungsförderung gemäß § 21 Abs. 2 i.V.m. §§ 11 ff. BAföG vermindernd auswirkt oder die Förderung in vielen Fällen gänzlich ausschließt. Den Mieteinnahmen stehen häufig Werbungskosten, beispielsweise Schuldzinsen, Absetzungen für Abnutzung und Erhaltungsaufwand, in einer Höhe gegenüber, daß zumindest vorübergehend kein oder nur ein geringer Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten verbleibt. Daher kann nicht zugunsten der Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 1 Satz 1 BAföG generell unterstellt werden, daß es hier zur Anrechnung von Einkommen des Auszubildenden nach § 11 Abs. 2 i.V.m. §§ 21 ff. BAföG kommt und auf diese Weise die unterschiedliche Wertbestimmung von Grundvermögen einerseits und sonstigem Vermögen andererseits im Ergebnis ausgeglichen wird.
- Die in dem beanstandetem Umfang verfassungswidrige Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1 BAföG ist insoweit als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären. Eine Nichtigerklärung scheidet im vorliegenden Fall aus, weil der Gesetzgeber auf verschiedene Weise eine verfassungskonforme Rechtslage herbeiführen kann. Die Vorschrift darf jedoch bis zum Erlaß einer neuen gesetzlichen Regelung, längstens bis zum 31. Dezember 2000 angewandt werden, weil andernfalls Grundvermögen überhaupt nicht angerechnet werden könnte und damit eine noch stärkere Ungleichbehandlung einträte. Ist bis zu diesem Zeitpunkt eine Neuregelung, die den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG entspricht, nicht erfolgt, muß die Anrechnung des Vermögens des Auszubildenden auf den Bedarf nach § 11 Abs. 2 i.V.m. § 26 Abs. 1, §§ 27 und 28 BAföG unterbleiben.