Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BVerfG Beschluss vom 06.06.2007 - 1 BvQ 18/07

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Beschluss vom 24.05.2007; Aktenzeichen 1 UF 78/07)

 

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Mai 2007 – 1 UF 78/07 – wird einstweilen, längstens für die Dauer von sechs Monaten ausgesetzt.

Die Wirksamkeit der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 13. März 2007 – 32 F 53/07 – wird insoweit wiederhergestellt.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Antragstellerin die notwendigen Auslagen im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

 

Gründe

Die Kammer hat die Begründung ihrer Entscheidung gemäß § 32 Abs. 5 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich abgefasst.

I.

Die Antragstellerin – in Prozessstandschaft vertreten durch das Stadtjugendamt der Stadt M… und durch ihre Verfahrenspflegerin – begehrt die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung, wonach ihren Eltern die Gesundheitsfürsorge und das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Rahmen der Gesundheitsfürsorge für sie entzogen worden und das Stadtjugendamt der Stadt M… zu ihrem Pfleger bestellt worden ist.

1. Am 18. August 2006 erlitt die Antragstellerin im Rahmen einer diagnostischen Maßnahme einen Herz-Atem-Stillstand mit einem wahrscheinlich über mehr als 30 Minuten anhaltenden Sauerstoffmangel. Dieser hat unter anderem zu einem hypoxischen Hirnschaden geführt. Seit diesem Zeitpunkt befindet sich die Antragstellerin in einem appallischen Zustand. Die Antragstellerin wird über eine transnasale Magensonde ernährt. Die Eltern der Antragstellerin haben sich dazu entschlossen, die Antragstellerin nach Hause zu nehmen und die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr unter palliativ-medizinischer Betreuung durch einen Facharzt zu beenden, was letztendlich zum Tode der Antragstellerin führen soll.

2. Das Amtsgericht bestellte für die Antragstellerin eine Verfahrenspflegerin und entzog durch Beschluss vom 24. Januar 2007 den Eltern der Antragstellerin zunächst vorläufig und sodann durch den am 20. März 2007 durch Zustellung bekannt gemachten Beschluss in der Hauptsache die Gesundheitsfürsorge und das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Rahmen der Gesundheitsfürsorge für die Antragstellerin und übertrug beides – unter Bestellung des Stadtjugendamtes als Pfleger – auf das Stadtjugendamt der Stadt M…, weil nach Abwägung des Elternrechts aus Art. 6 GG mit dem Recht der Antragstellerin auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 GG und ihrer Würde aus Art. 1 GG bei Abbruch der Behandlung eine Kindeswohlgefährdung anzunehmen sei.

3. Auf die Beschwerde der Eltern hob das Oberlandesgericht die Entscheidung des Amtsgerichts auf und stellte das Verfahren auf Entziehung der elterlichen Sorge ein, weil weder eine missbräuchliche Wahrnehmung der Elternverantwortung noch ein schuldloses oder gar schuldhaftes Versagen im Sinne des § 1666 BGB erkennbar sei. Ein Sorgerechtsmissbrauch ergebe sich insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Entscheidung der Eltern möglicherweise oder sogar wahrscheinlich – vorbehaltlich einer eventuell erforderlich werdenden Entscheidung des Vormundschaftsgerichts – den Tod der Antragstellerin zur Folge hätte.

4. Die Eltern der Antragstellerin haben die Antragstellerin am Montag, den 4. Juni 2007 aus der Klinik, in der sich die Antragstellerin zur Implantation einer so genannten Spastik-Pumpe befand, nach Hause geholt.

5. Die minderjährige Antragstellerin hat – vertreten durch ihre Verfahrenspflegerin und in Prozessstandschaft durch das Stadtjugendamt der Stadt M…  – im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, den Beschluss des Oberlandesgerichts bis zur Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerde auszusetzen. Die Antragstellerin macht geltend, es sei zweifelhaft, ob das Oberlandesgericht ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sowie ihre über Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde ausreichend berücksichtigt habe. Es bestehe die Gefahr, dass sie bei nicht mehr ausreichender Versorgung mit Nahrungsmitteln und Flüssigkeit nur noch eine Lebenserwartung von etwa zehn Tagen habe. Die Abwägung der eintretenden Folgen spreche für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung.

II.

Wegen der besonderen Dringlichkeit der Entscheidung hat die Kammer nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG von einer vorherigen Anhörung der Beteiligten und Äußerungsberechtigten abgesehen.

III.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung kann danach unter anderem dann erlassen werden, wenn sie notwendig ist, um die Effektivität der künftigen Entscheidung in der Hauptsache zu sichern, insbesondere den Eintritt irreversibler Zustände zu verhindern (vgl. BVerfGE 42, 103 ≪119≫; 105, 235 ≪238≫). Ist ein Hauptsacheverfahren noch nicht anhängig, ist ein Eilantrag nur zulässig, wenn der Streitfall als Hauptsache in zulässiger Weise vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 3, 267 ≪277≫; 7, 367 ≪371≫; 71, 350 ≪352≫; 108, 34 ≪40≫; stRspr).

2. Danach ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründet.

a) Die in der Hauptsache zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre nach den vorgelegten Unterlagen weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens hängt die Entscheidung darüber, ob eine einstweilige Anordnung ergeht oder nicht, von einer Folgenabwägung ab. Dabei müssen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, mit den Nachteilen abgewogen werden, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 94, 334 ≪347≫; 96, 120 ≪128 f.≫; 104, 23 ≪28 f.≫; 108, 34 ≪42≫; stRspr).

b) Im vorliegenden Fall fällt die Folgenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde aber später als begründet, besteht nach dem bisherigen Erkenntnisstand – insbesondere unter Berücksichtigung des vorgelegten Schreibens der Klinik H… vom 23. Januar 2007 – die Gefahr, dass die Antragstellerin unter palliativ-medizinischer Betreuung bei nicht ausreichender Versorgung mit Nahrungsmitteln und Flüssigkeit innerhalb kurzer Zeit versterben wird. Erginge die einstweilige Anordnung, hätte die Verfassungsbeschwerde aber später keinen Erfolg, verbleibt den Eltern die Möglichkeit, die Antragstellerin zu sich zu nehmen und unter palliativer Betreuung die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr einzustellen. Nach dem vorliegenden Erkenntnisstand ist davon auszugehen, dass die der Antragstellerin drohenden Nachteile insgesamt schwerer wiegen als diejenigen ihrer Eltern.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.

 

Unterschriften

Papier, Hoffmann-Riem, Gaier

 

Fundstellen

FamRZ 2007, 2046

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Parkplätze und Tiefgaragen (Verkehrssicherung) / 1.3.1 Beleuchtung
    1
  • Förderprogramme zur Finanzierung energetischer Maßnahmen / 2.1.2.3 Darlehenskonditionen
    0
  • Landesnaturschutzgesetz Schleswig-Holstein / §§ 40 - 42 Abschnitt I Mitwirkung von Naturschutzvereinigungen
    0
  • Landeswaldgesetz Hamburg / Anlage 2 Beschilderung (§ 9 Abs. 1)
    0
  • Verordnung (EU) 2024/1781 des Europäischen Parlaments un ... / Art. 66 - 68 KAPITEL XI MARKTÜBERWACHUNG
    0
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt VerwalterPraxis Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Newsletter Immobilien
Newsletter ImmobilienVerwaltung

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Immobilienverwaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Rechtsprechung
  • Miet- und Wohnungseigentumsrecht
  • energetische Sanierung
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Zum Immobilien Archiv
Haufe Group
L'Immo-Podcast: Alle Folgen Haufe Onlinetraining Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Haufe Akademie rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Immobilien Shop
Immobilien Lösungen Immobilien-Verwaltung Produkte Wohnungswirtschaft Lösungen Private Vermietung Produkte Alle Immobilien Produkte
 

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren