Entscheidungsstichwort (Thema)
Familiennachzug zu Ausländern. Lebensunterhalt. sozialhilferechtlicher Regelsatz als Mindeststandard. Sicherung aus sonstigen eigenen Mitteln. Wohngeld
Leitsatz (amtlich)
Wohngeld gehört nicht zu den sonstigen eigenen Mitteln im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG.
Normenkette
AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 3; WoGG § 1 ff.; BSHG §§ 12, 22
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 05.06.1996; Aktenzeichen 17 A 3137/93) |
VG Köln (Entscheidung vom 29.06.1993; Aktenzeichen 12 K 1845/92) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angegriffen, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der sinngemäß allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 11 VwGO liegt nicht vor.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche und revisibles Recht betreffende Frage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dies trifft für die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen nicht zu.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin bedarf die Frage, ob Wohngeld zu den sonstigen eigenen Mitteln im Sinn von § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG gehört, keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Frage zu Recht aus Gründen verneint, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben.
Voraussetzung des Familiennachzugs zu Ausländern ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG grundsätzlich, daß der Lebensunterhalt des Familienangehörigen aus eigener Erwerbstätigkeit des Ausländers, aus eigenem Vermögen oder sonstigen eigenen Mitteln gesichert ist. Die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Familienangehörigen im Bundesgebiet soll eigenständig gesichert sein (vgl. BTDrucks 11/6321, Begr. zu § 17), mit anderen Worten sollen die zum Lebensunterhalt zählenden Bedürfnisse ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel erfüllt werden können. Das Oberverwaltungsgericht hat zudem aus dem Vergleich mit anderen Vorschriften des Ausländergesetzes zutreffend hergeleitet, daß zu den sonstigen eigenen Mitteln im Sinn von § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG öffentliche Leistungen unterschiedslos nicht zählen, wobei der Fall keinen Anlaß gibt, auf Rentenansprüche einzugehen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1996, § 17 AuslG Rn. 43; Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., § 17 AuslG Rn. 21). Das Gesetz stellt den Einkommensquellen eigener Erwerbstätigkeit, eigenen Vermögens und sonstiger eigener Mittel verschieden geartete öffentliche Leistungen (Stipendien, Umschulungs- oder Ausbildungsbeihilfen; Arbeitslosengeld und sonstige auf einer Beitragsleistung beruhende öffentliche Mittel; Arbeitslosenhilfe) je nach Regelungszusammenhang in unterschiedlicher Weise gleich (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 18 Abs. 3, § 20 Abs. 5, § 24 Abs. 2 Satz 1, § 26 Abs. 1 Nr. 3, § 27 Abs. 2 Nr. 2 AuslG; vgl. dazu auch Beschluß vom 27. Oktober 1995 – BVerwG 1 B 34.95 – Buchholz 402.240 § 27 AuslG 1990 Nr. 1). Daraus ist zu folgern, daß die Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel nicht die Grundlage für den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet bilden kann. Das als verlorener Zuschuß zu bestimmten Aufwendungen staatlicherseits gewährte Wohngeld (§§ 1, 2 Abs. 1, § 34 WoGG) erhöht danach nicht die eigenen Mittel des Ausländers und seiner Familienangehörigen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Die Klägerin begründet ihre gegenteilige Ansicht im wesentlichen folgendermaßen: Zu den eigenen Mitteln müßten auch öffentliche Mittel gezählt werden, die der Objektförderung dienten und ohne Rücksicht auf eine individuelle persönliche Notlage als Subvention gewährt würden. In diese Kategorie falle das Wohngeld, auf das ein Anspruch bestehe und das durch seine Abhängigkeit vom örtlichen Mietniveau, der vereinbarten Miete und der Abstufung nach dem Einkommen der Anspruchsberechtigten zu einer Egalisierung der finanziellen Belastung mit Wohnaufwand beitrage. Das Wohngeld wirke im Ergebnis auf der Mieterseite wie ein Mietpreisstopp zugunsten Einkommensschwächerer, auf der Vermieterseite wie eine Investitionshilfe.
Diesen Erwägungen ist nicht zu folgen. Zwar können objektbezogene Förderungen im Rahmen des § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG insofern von Bedeutung sein, als sie den Betrag vermindern, der im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlich ist. Auf diesem Weg kann dem Ausländer die Objektfinanzierung im Rahmen der öffentlichen Wohnungsbauförderung – in der Wirkung vergleichbar der zum Erfordernis ausreichenden Wohnraums in § 17 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 AuslG getroffenen Regelung – zugute kommen. Indes stellt die Gewährung von Wohngeld keine objektbezogene Förderung dar. Vielmehr ist das Wohngeld eine gezielte staatliche Sozialleistung nach dem Individualprinzip, nämlich abhängig von und ausgerichtet nach der persönlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Berechtigten (Schubart/Kohlenbach, Soziales Miet- und Wohnrecht, Stand 1996, § 1 WoGG Anm. 1). Ob und in welcher Höhe Wohngeld gewährt wird, hängt von der Zahl der Familienmitglieder (§ 4 WoGG), von der zu berücksichtigenden, innerhalb eines Höchstbetrags liegenden Miete (§§ 5 ff. WoGG) sowie vom Familieneinkommen (§§ 9 ff. WoGG) ab. Der Charakter des Wohngeldes als eigenständige, auf Dauer angelegte Sozialleistung ist durch die Einbeziehung in das Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (I) – hervorgehoben worden (§§ 7, 26 sowie Art. II § 1 Nr. 14 SGB I; dazu Driehaus, Einführung in das Wohngeldrecht der alten und neuen Bundesländer, 1. Aufl., Rn. 3). Daran ändert nichts, daß das Wohngeld sich darüber hinaus als zusätzliches Förderungsinstrument für den sozialen Wohnungsbau darstellt, da es bei den öffentlich geförderten Wohnungen die subventionierte Miete erforderlichenfalls nach den persönlichen Verhältnissen des Mieters noch weiter senkt, und auf diese Weise die Objektförderung ergänzt (Schubart/Kohlenbach a.a.O.; vgl. auch Schwerz, Wohngeldgesetz, in: Das Deutsche Bundesrecht, Stand 1996, Einführung u. Erl. zu § 1). Das Wohngeld mindert nicht den für den Wohnraum zu erbringenden Aufwand (vgl. BVerwGE 75, 168 ≪171≫), sondern ist eine staatliche Geldleistung, die der Einzelne wegen seiner wirtschaftlichen Lage zur Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens erhält.
2. Die Angriffe der Klägerin gegen die Ermittlung des Lebensunterhalts nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG anhand der geltenden Regelsätze nach § 22 BSHG rechtfertigen ebenfalls die Zulassung der Revision nicht. Die Klägerin trägt vor, ein Ausländer könne in der Bundesrepublik Deutschland mit unter dem sozialhilferechtlichen Regelsatz liegenden Mitteln leben; dies sei für die Asylbewerber sogar vorgeschrieben. Es steht außer Frage, daß ein Familiennachzug nicht in Betracht kommt, wenn nicht zumindest der notwendige Lebensunterhalt gemäß § 2 BSHG gesichert ist, der, wenn keine Besonderheit des Einzelfalls vorliegt, durch die nach § 22 BSHG festgesetzten Regelsätze konkretisiert wird. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der § 46 Nr. 6, § 7 Abs. 2 Nr. 1, 2 AuslG zu entnehmenden Wertung, daß dem Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet entgegensteht, wenn er für sich und Personen, denen er zum Unterhalt verpflichtet ist, Sozialhilfe in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen muß. Auf Zwecksetzung und Regelungsgehalt des Asylbewerberleistungsgesetzes ist daneben nicht einzugehen. Hier nicht zu entscheiden ist die auch vom Oberverwaltungsgericht offengelassene Frage, ob die Sicherung des Lebensunterhalts im Sinn von § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG nicht mehr als nur die Befriedigung der zum notwendigen Lebensunterhalt gehörenden Bedürfnisse verlangt.
Soweit sich die Klägerin gegen die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Regelsätze sinngemäß mit der Begründung wendet, sie seien für Jugendliche überzogen, zudem sei die Möglichkeit unberücksichtigt geblieben, daß die Mutter der Klägerin ihre Beschäftigung ausweiten könne, läßt der Vortrag eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden könnte, nicht erkennen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Zur Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO bestand kein Anlaß. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Meyer, Richter, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1418673 |
NVwZ-RR 1997, 441 |
DÖV 1997, 840 |
DVBl. 1997, 916 |