Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 27.05.2004; Aktenzeichen 12 B 00.2002) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die sinngemäß von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
ob die vertraglich begründeten Pflichten eines Trägers der Jugendhilfe aus einem zwischen diesem und einer Pflegeperson geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Pflege eines Kindes oder Jugendlichen jedenfalls insoweit, als es die Verpflichtung zur Zahlung eines besonderen Erziehungsgeldes für eine heilpädagogische Pflegestelle betrifft, bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für die Leistungsgewährung kraft Gesetzes oder in entsprechender Anwendung des § 1922 BGB oder des § 613a BGB auf den zuständig gewordenen Träger der Jugendhilfe übergehen,
hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie ist nach der bestehenden Rechtslage zu verneinen, ohne dass es zu dieser Feststellung der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
Zwischen den Beteiligten steht dabei zu Recht nicht im Streit, dass ein Übergang der Pflichten aus dem zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin geschlossenen Vertrag vom 24. August 1993 zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht vertraglich vereinbart und auch im Verhältnis zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten keine vertragliche Vereinbarung über den Übergang oder die Übernahme der durch den Vertrag vom 24. August 1993 begründeten Verpflichtungen getroffen worden ist. Weiterhin steht rechtlich nicht im Streit, dass das Sozialgesetzbuch Teil 8 – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII) eine ausdrückliche Regelung zum Fortbestand oder Übergang der mit der Pflegeperson getroffenen vertraglichen Abreden bei Zuständigkeitswechsel nicht enthält und auch das Sozialgesetzbuch Teil 10 – Verwaltungsverfahren – (SGB X) bzw. das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes einen Vertragsübergang aufgrund eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit für die Gewährung der Leistungen an die zu pflegende Person bzw. deren Personensorgeberechtigten jedenfalls nicht ausdrücklich anordnen.
Der von der Klägerin gegen die Beklagte aus Vertrag geltend gemachte Anspruch könnte daher nur dann bestehen, wenn die Beklagte deswegen Schuldnerin eines Vertragserfüllungsanspruches der Klägerin geworden wäre, weil die in dem Vertrag vom 24. August 1993 von dem Beigeladenen begründete Zahlungspflicht mit dem Zuständigkeitswechsel nicht untergegangen, sondern kraft Gesetzes oder aufgrund allgemeiner Rechtsgrundsätze auf die Beklagte übergegangen wäre. Die Feststellung, dass dies nicht der Fall ist, wirft keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf und bedarf nicht der Durchführung des Revisionsverfahrens.
Der im vorliegenden Fall nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII bewirkte Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe – hier der Gewährung von Hilfe durch Erziehung in einer Pflegestelle – führt dazu, dass damit der örtlich zuständig gewordene Träger der Jugendhilfe zur Entscheidung über die Gestaltung des jugendhilferechtlichen Rechtsverhältnisses befugt und berufen ist. Der Zuständigkeitswechsel bewirkt keine gesetzesunmittelbare Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge des zuständig gewordenen Trägers in die Rechte und Pflichten des bisher zuständigen örtlichen Trägers. Dem steht § 86c SGB VIII entgegen, nach dem in Fällen, in denen die örtliche Zuständigkeit wechselt, der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet bleibt, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass eine die Weiterleistungspflicht des bisher zuständig gewesenen örtlichen Jugendhilfeträgers aus § 86c Satz 1 SGB VIII beendende “Fortsetzung” der Leistung durch den zuständig gewordenen örtlichen Träger auch in dessen Leistungsablehnung bestehen kann (BVerwGE 117, 179). Diese gesetzliche Sicherung kontinuierlicher Leistungsgewährung bei Zuständigkeitswechsel unterstreicht, dass im Jugendhilferecht der Wechsel der Zuständigkeit nicht als Eintritt in ein fremdes Rechtsverhältnis nach Art einer Vertragsübernahme bewertet werden kann, sondern die Begründung einer eigenen Wahrnehmungskompetenz bewirkt und der nunmehr zuständige örtliche Träger mit Wirkung für die Zukunft den Jugendhilfefall in eigener Verantwortung zu regeln hat. Mit dem Zuständigkeitswechsel geht auch sonst nicht die Jugendhilfeaufgabe als solche auf einen neuen Rechtsträger über, sondern nur die Befugnis und Verpflichtung zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ab dem Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels. Der Zuständigkeitswechsel bewirkt auch keine umfassende Funktionsnachfolge in die das jugendhilferechtliche Rechtsverhältnis betreffenden Rechte und Pflichten; im Übrigen wäre selbst eine Funktionsnachfolge nicht notwendig mit einer Rechtsnachfolge verbunden, da sich Funktionen (Aufgaben) nämlich sowohl im privaten wie im öffentlichen Bereich übernehmen lassen, ohne gleichzeitig in die aus einer früheren Aufgabenerfüllung erwachsenen Rechte und Pflichten einzutreten (BVerwG, Beschluss vom 6. April 1992 – BVerwG 7 B 47.92 – Buchholz 316 § 60 VwVfG Nr. 3).
Die in § 86c SGB VIII getroffene Regelung sowie die auch in § 86 Abs. 6 SGB VIII vorausgesetzte Befugnis des durch den Zuständigkeitswechsel örtlich zuständig gewordenen Trägers der Jugendhilfe, in eigener Zuständigkeit zu prüfen und zu entscheiden, ob und in welchem Umfange nach dem anzuwendenden materiellen Recht (weiterhin) Jugendhilfeleistungen zu gewähren sind (s.a. Wiesner u.a., SGB VIII, 2. Aufl., § 86c Rn. 5), schließen die Annahme einer Regelungslücke für den Übergang vertraglicher Pflichten, die durch den bisher zuständigen örtlichen Träger der Jugendhilfe begründet worden waren, aus. Eine analoge Anwendung der von der Klägerin bezeichneten Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Einzelrechtsnachfolge bzw. zum Vertragseintritt scheidet bereits aus diesem Grunde aus. Das Berufungsgericht hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass eine vergleichbare Interessenlage auch deswegen nicht gegeben ist, weil der Eintritt einer neuen Vertragspartei anstelle der bisherigen in den von der Klägerin herangezogenen Regelungen lediglich als Folge anderer Rechtsgeschäfte vorgesehen ist, der kraft Gesetzes eintretende Wechsel der örtlichen Zuständigkeit indes nicht in einem Rechtsgeschäft gründet. Die von der Klägerin herangezogenen Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Einzelrechtsnachfolge bzw. zum Vertragseintritt, insb. auch § 613a BGB, weisen auch sonst nicht auf einen allgemeinen, von einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung unabhängigen Rechtsgrundsatz, nach dem – zumindest im Jugendhilferecht – von einem zuständig gewesenen Träger der Jugendhilfe begründete vertragliche Pflichten bei einem bloßen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit auf den nunmehr zuständigen örtlichen Träger übergingen oder doch von diesem zu erfüllen seien. Einer entsprechenden Anwendung des § 1922 BGB (Gesamtrechtsnachfolge im Erbfall) steht überdies entgegen, dass das beigeladene Land als juristische Person und Träger der Jugendhilfe fortbesteht, es mithin schon im Ansatz an einer vergleichbaren Ausgangslage fehlt. Für eine Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge der Beklagten in vertraglich begründete Pflichten gibt auch das von der Klägerin herangezogene Urteil des Senats vom 29. Januar 2004 (– BVerwG 5 C 9.03 – FEVS 55, 310) nichts her, das sich zu dem Begriff der Leistung, an deren Beginn § 86 Abs. 2 Satz 2 bis 4 und Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpfen, sowie der Frage verhält, unter welchen Voraussetzungen bei einer geänderten Hilfegewährung im Rahmen eines einheitlichen, ununterbrochenen Hilfeprozesses eine zuständigkeitsrechtlich “neue” Leistung beginnt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen